Kitabı oku: «Lebensmittelmanagement», sayfa 5
In vielen Ländern korreliert die Gewichtszunahme der Bevölkerung mit dem Auftreten von multinationalen Lebensmittelkonzernen und Fast-Food-Ketten. Sie helfen, die traditionelle Ernährung durch Convenience-Food zu ersetzen. Dabei befriedigen sie letztlich nur die Bedürfnisse der Kunden – diese machen im Prinzip alles richtig. Vorlieben für kalorienreiche Lebensmittel sind genetisch festgelegt, denn sie verschafften einen Überlebens- oder Fortpflanzungsvorteil (Paul 2012). So ist der Mensch geprägt durch Süße und Fett, sie galten in der Savanne als lebensnotwendige Energiespender. Diese Energiebilanz ist in vielen Ländern aus unterschiedlichen Gründen aus dem Gleichgewicht geraten. Gemessen am Energieverbrauch essen die Menschen im Allgemeinen zu süß, zu fett und zu viel. Es ist verständlich, dass die Lebensmittelwirtschaft dabei in einer Teilverantwortung gesehen wird, ist sie doch auch Nutznießer des überhöhten Konsums.
Die ständige Verfügbarkeit von Lebensmitteln bei ausreichend finanziellen Mitteln und ein gleichzeitig viel zu geringer Leistungszuwachs müssen im Zusammenhang gesehen werden. Das Körpergewicht eines Menschen ist ein Ausdruck seiner gesamten Lebenssituation, insbesondere die Bewegungsarmut verschärft die Sachlage. Paläoanthropologen errechneten aus dem Schweifgebiet heute noch existierender Jäger- und Sammler-Kulturen einen täglichen Fußmarsch des Steinzeitmenschen von 30 bis 40 Kilometern. Die Alpenüberquerung des Eismenschen Ötzi zu Fuß war zu dieser Zeit nichts Außergewöhnliches. Für die Zeit vor 150 Jahren, vor der Erfindung des Automobils, wird die täglich zu Fuß zurückgelegte Strecke noch mit über 20 Kilometer angegeben, vor 70 Jahren war sie bereits auf rund 10 Kilometer gesunken. Heute legen 80 Prozent der Bevölkerung am Tag weniger als einen Kilometer zu Fuß zurück. Mangelnde Bewegung äußert sich nicht nur in einem verringerten Leistungszuwachs, die geringere Durchblutung von meist im Ruhestadium befindlichen Organen schwächt zudem das Immunsystem. Die Ausschüttung von Glückshormonen in den Hirnzellen, hauptsächlich der Endorphine, unterbleibt. Dafür verbleiben Stresshormone, wie Adrenalin oder Cortisol, länger im Blut. Der menschliche Steinzeitkörper belohnt sich auch heutzutage noch für getane Arbeit und reagiert auf Dauer ungehalten bei Trägheit. Ernährung und Bewegung sind letztlich viel mehr als nur die bestimmenden Größen für das Körpergewicht. Sie wirken gleichermaßen auf die Psyche.
3.3 Sucht, Depression, Narzissmus –drei apokalyptische Reiter des Managements
Suchtmittel verursachen in Deutschland zunehmend gravierende gesundheitliche, soziale und volkswirtschaftliche Probleme. Etwa 16 Millionen Menschen rauchen, 1,3 Millionen sind vom Alkohol und 1,4 Millionen von Medikamenten abhängig. 600 000 Menschen in Deutschland weisen einen problematischen Cannabiskonsum auf, 200 000 konsumieren sonstige illegale Drogen und bis zu 600 000 gelten als glücksspielsüchtig. Aktuelle internationale Studien gehen von 1,6 bis 8,2 Prozent abhängigen Internetnutzern aus (Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung 2011). Eine Studie der Techniker Krankenkasse (Techniker Krankenkasse 2011) stellte darüber hinaus sowohl bei jungen Erwerbstätigen als auch bei Studierenden in den letzten fünf Jahren eine zunehmende Verordnung von Antidepressiva fest. Bei beiden Gruppen stieg die Zahl um über 40 Prozent (2006–2012) an. Der Drogen- und Suchtbericht 2009 der Drogenbeauftragten der Bundesregierung (Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung 2009) spricht von mindestens 73 000 Toten als Folge übermäßigen Alkoholkonsums in Deutschland (zum Vergleich: Tod durch illegale Drogen: 1 477 Fälle, Tod als Folge des Tabakrauchens: 110 000 Fälle). Man schätzt, dass etwa 250 000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahren stark alkoholgefährdet oder -abhängig sind. Das Robert Koch-Institut errechnete 2004 den volkswirtschaftlichen Schaden durch Alkoholmissbrauch auf 20 Milliarden Euro. Dem stehen ca. 2,2 Milliarden Euro staatliche Einnahmen durch Alkoholsteuern sowie ca. 2,5 Milliarden Euro Mehrwertsteuer gegenüber. Die Alkoholindustrie in Deutschland setzt zwischen 15 und 17 Milliarden Euro um und beschäftigt rund 85 000 Menschen. In Europa stirbt einer von zehn Menschen vorzeitig an den Folgen seines Alkoholkonsums (Robert Koch-Institut 2012).
Alle Abhängigkeiten, das gilt auch für Übergewicht und Adipositas, können sich zu schweren Krankheiten ausweiten, die auch nicht hinter dem Werkstor und vor keiner Hierarchieebene haltmachen. Manager sind als Führungskräfte bei der Erkennung und Hilfestellung gefordert, sie tragen Verantwortung für das Unternehmen, für ihre Mitarbeiter und nicht zuletzt für sich selbst. Im Folgenden werden einige dieser Abweichungen vom menschlichen Normverhalten behandelt, die einem Unternehmen beträchtlichen Schaden zufügen können, wenn sie nicht aufgedeckt und neutralisiert werden: Die Abhängigkeit von Rauschmitteln (Sucht), die psychische Niedergeschlagenheit in Form einer Depression oder des Burn-out sowie die narzisstische Persönlichkeitsstörung als Leitneurose des 21. Jahrhunderts, die sich zu einer pathologischen Form auswachsen kann. In vielen Fällen spielt eine bestimmte Region im Gehirn eine tragende Rolle, die zuerst betrachtet werden soll.
3.3.1 Das Belohnungssystem
Das Belohnungssystem des Menschen ist das Eingangsportal für jede Art von Zufriedenheit, aber auch für jede Art von Sucht. Es besteht aus mehreren miteinander verketteten Zentren an der Unterseite des Großhirns. Kommen dort sensorische oder optische Reize aus den verschiedenen Bereichen des Körpers an, die sich im Zuge der Evolution für den Menschen als nützlich herausgestellt haben, wird der Botenstoff Dopamin freigesetzt und in der vorderen Großhirnrinde verteilt. Dabei entsteht ein Gefühl von Lust und Genuss. Was für das Überleben des Steinzeitmenschen hilfreich war, wurde durch „gute Gefühle“ belohnt, so war er stets motiviert, sich immer wieder um Essen, Trinken oder die Befriedigung seiner Sexualität zu bemühen.
Merksatz
Die Aktivierung des Belohnungssystems ist eine Komponente normalen menschlichen Verhaltens, die auch das Leben in einer Gemeinschaft erleichtert und mit Glücksgefühlen verbindet. Individuelles Glück und Nützlichkeit für die Gemeinschaft stehen im Zusammenhang.
Zur psychischen Stabilität eines Menschen sind „gute Gefühle“ zwingende Voraussetzung. Das Streben nach derartigen Glücksgefühlen ist deshalb etwas zutiefst Menschliches. Praktisch alles, was auf das Belohnungssystem wirkt, hat aber Suchtpotenzial und kann zu zwanghafter Jagd danach führen.
Die Psychologie kennt eine Unmenge von Aktivitäten, auf die das Belohnungssystem anspricht. Das Spektrum seiner Begierde reicht von einer Befriedigung durch intensive Arbeit, ein anregendes Gespräch, ausdauerndes Laufen, gutes Essen und natürlich durch Sexualerlebnisse. Es reagiert auf die Erregung bei Extremsportarten, beim Genuss von Nikotin, beim Lesen faszinierender Texte, bei Computerspielen und selbstverständlich spricht es auf all jene Mittel an, die unter dem Begriff Droge konsumiert werden. Wer sich auf diese harten Suchtmittel einlässt, hat kaum eine Chance, ihnen zu entgehen. Ob es bei den zuvor genannten Mitteln zur Sucht kommt, hängt von vielen Faktoren ab. Intensiv diskutiert wird eine genetische Komponente, die mit der Umwelt in noch nicht richtig verstandener Wechselwirkung steht. Sicher spielt auch das soziale Umfeld eine entscheidende Rolle (Gassen 2008).
Wird das Belohnungssystem in einem ausgeglichenen, zufriedenen Leben vielfältig angesprochen, verliert ein einzelner Suchtfaktor seine Bedeutung. Verkümmern die sozialen Momente, egal aus welchem Grund, reduziert sich menschliches Handeln irgendwann nur noch auf ein einziges Thema, das den Betroffenen zu beherrschen beginnt. Dann dreht sich der Tagesablauf allein um die Beschaffung von Drogen wie Heroin oder Alkohol, um die Arbeit bis zum Anschlag oder das tägliche Training bis zur Erschöpfung. Eine Überraschung war in den letzten Jahren die traurige Erkenntnis, dass sogar Essen das Stadium einer Sucht erreichen kann.
Merksatz
Sucht bedeutet letztendlich die Reduktion des sozialen Wesens Mensch auf ein einziges Bedürfnis, dem alles andere untergeordnet wird.
Selbst Motivation ist letztendlich eine Reaktion auf „Glücksgefühle“, die durch ein spezifisches Handeln erzeugt werden können: „Ich mache etwas gerne, weil dadurch die Nervenzellen meines Belohnungszentrums Dopamin freisetzen und mir ein gutes Gefühl vermitteln“. Erfährt ein Kind nur Gewalt und Aggressivität, ist die Gefahr groß, dass das Belohnungssystem des Erwachsenen darauf anspricht und er „mit Lust töten kann“. Auch stressinduzierte Hormone bewirken eine Ausschüttung von Dopamin und sind in der Lage, ein positives Gefühl zu erzeugen. So bekommt sogar Stress Suchtpotenzial.
Neuere Erkenntnisse der Neurowissenschaften belegen, dass das Belohnungssystem auch beim Einkauf aktiviert werden kann. Der Blick auf ein Schnäppchen oder ein besonders attraktiver Preisnachlass zeigt in bildgebenden Scan-Verfahren an derselben Stelle Hirnaktivitäten, die bei sexueller Betätigung oder beim Rauchen aktiv sind. Ein Rabattschild scheint einen Reiz auszuüben, der uns nützlich ist und die Ratio beeinträchtigt. Der vielleicht immer noch überhöhte Endpreis wird in den Hintergrund gedrängt. Marketing und Verkauf machen sich diese Erkenntnis intensiv zunutze.
Im Management besteht aufgrund der permanenten hohen Belastung eine große Suchtgefahr durch alles, was das Belohnungssystem anspricht. Soziale Abfederung und breit gefächerte Interessen sind ein wirksames Mittel gegen die Reduktion des Lebens auf die Arbeit allein.
3.3.2 Alkohol als gesellschaftlich weitgehend toleriertes Suchtmittel
Ethanol wird in Wein, Bier oder Spirituosen von der Hefe als Gärungsprodukt aus Zucker gebildet. Die Affinität zu alkoholischen Getränken ist kein menschlich-neuzeitliches Phänomen. Viele Tiere lassen für Alkohol alles stehen und liegen. Den finden sie in angegorenen Früchten oder Beeren, die in ihrem Magen oft munter weiter gären. Die Suchtkarriere flugunfähiger Vögel, randalierender Elche oder streitsüchtiger Paviane in den Weinbergen Südafrikas mag aus Versehen begonnen haben. Aber irgendwann kommt Vorsatz hinzu und die Tiere lernen teilweise schnell. Stare, Amseln oder Wacholderdrosseln bedienen sich hemmungslos und ohne einen Schaden zu erleiden an spätherbstlichen Weißdorn- und Rosenfrüchten, die einen ähnlichen Alkoholgehalt haben wie ein Pils. Hätte ein Star das Gewicht eines Menschen, könnte sein Enzymsystem alle acht Minuten eine Flasche Wein verarbeiten und würde ihn so vor Trunkenheit bewahren (Zittlau 2012). Sogar in unserer engeren Primatenverwandtschaft gibt es einen Vertreter, der seine Energie seit über 30 Millionen Jahren hauptsächlich von einem alkoholischen Getränk bezieht. Das nur 50 Gramm schwere Malaysische Federschwanz-Spitzhörnchen ernährt sich täglich von Palmnektar, der unter tropischen Bedingungen rasch in Gärung gerät. Auch sein Enzymsystem ist perfekt auf Alkoholabbau spezialisiert, die Evolution hat ihm eine bemerkenswerte Alkoholresistenz beschert (Wiens 2008, Findeklee 2008).
Es ist davon auszugehen, dass im Laufe von 2,4 Millionen Jahren menschlicher Entwicklung auch unsere Vorfahren mit Alkohol in Berührung gekommen sind und Gefallen an vergorenen Früchten gefunden haben. Mit seinem Satz: „Die Dosis macht das Gift.“ hat der Arzt Paracelsus von Hohenheim am Ausgang des Mittelalters und als Wegbereiter neuzeitlicher Medizin ein Drama des menschlichen Geistes treffend beschrieben: Was uns angenehm ist, von dem will unser Belohnungssystem immer mehr (Gassen 2008). Jeder muss seine Dosis kennen und wissen, ab wann diese kritisch werden kann. Der Wendepunkt beim Genuss von alkoholischen Getränken ist bei jedem Menschen anders gelagert, die Verteilungskurve des gesundheitlich Unbedenklichen ist sehr breit. Den Punkt zu überschreiten, birgt ein großes Risiko. Alkohol macht nicht zwingend süchtig, sondern ist „nur“ ein fakultatives Suchtmittel und gilt daher im streng wissenschaftlichen Sinne nicht als Droge. Drogen führen obligatorisch, also fast unweigerlich, zur Sucht. Im Falle von Alkohol ist die Wahrscheinlichkeit, davon süchtig zu werden, in Abhängigkeit von der Disposition geringer, der Prozess zieht sich über einen längeren Zeitraum und verläuft in mehreren eskalierenden Stufen. Unter Stress wirkt Alkohol als negativer Verstärker, er erleichtert eine unangenehme Situation. In normalen Situationen wird die Stimmung positiv verstärkt.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht unter normalen Bedingungen und auf Dauer 20 Gramm Ethanol pro Tag für Frauen und 30 Gramm für Männer als ungefährlich an, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) toleriert Werte von 12 bzw. 24 Gramm (BZgA 2013).
3.3.3 Stress, Depression, Burn-out
Unter Stress versteht man im Allgemeinen die Beanspruchung durch Belastungen, also objektive, von außen auf den Menschen einwirkende Größen und Faktoren. Sie können physikalischer Natur sein (z. B. Kälte, Hitze, Lärm oder starke Sonneneinstrahlung) oder aber von toxischen Substanzen (z. B. Rauch) ausgehen. Psychische Belastungen sowie eigene Einstellungen, Erwartungshaltungen und Befürchtungen wirken auf der emotionalen Ebene als Stressoren. Stress ist die Anpassung des Körpers an diese Stressoren bzw. seine Reaktion auf diese. Bei gefühlter oder tatsächlicher Gefahr sowie unter Psychodruck produziert er Stresshormone, die ihn leistungsfähiger machen. Er wird durch die Wirkung von Cortisol und Adrenalin optimal auf Kampf oder Flucht vorbereitet, die Gefäße weiten sich, der Puls steigt, überflüssige Körperfunktionen werden weitgehend stillgelegt. Derartige, automatisch ablaufende körperliche Reaktionen waren in der lebensfeindlichen Situation der Steinzeit für das Überleben notwendig. Auf einen als bedrohlich empfundenen Reiz konnte eine maximale Reaktion erfolgen. Bei der Flucht oder im Kampf wurden die Stresshormone wieder abgebaut.
Fehlende Abbaumöglichkeiten – was typisch für die heutige, bis ins Detail geregelte Welt ist – führen auf Dauer zu negativen körperlichen und psychischen Reaktionen. Wohl jeder, der als Schüler, Student oder im Beruf arbeitet, für das Familienmanagement zuständig ist oder Angehörige pflegt, kennt einzelne Symptome der Erschöpfung durch Stress. Schlafstörungen, Antriebsarmut, Konzentrationsschwäche oder Reizbarkeit sind die häufigsten. Sie verschwinden im Normalfall wieder, wenn sich die belastende Situation entspannt hat oder vielleicht im Urlaub eine Regeneration möglich war. Bleibt die Überbeanspruchung über einen längeren Zeitraum bestehen, verfestigt sich temporärer Stress, der unsere Fähigkeiten verbessert und erwünscht ist, im Dauerfeuer der Hormone – die er nicht mehr los wird – zu einer chronischen Belastung. Die Abwärtsspirale beginnt oft mit innerer Verkrampfung auf das vermeintlich nicht lösbare Problem. Schließlich sind alle Aktivitäten auf dieses Thema reduziert, soziale Kontakte verkümmern, Schuldgefühle ob der eigenen Unfähigkeit verfestigen sich. Zermürbende Grübelei und extreme Stimmungsschwankungen begleiten den Betroffenen, der letztlich apathisch und bei häufig gleichzeitiger innerer Unruhe kaum noch arbeitsfähig ist. Körperliche Reaktionen, wie ein geschwächtes Immunsystem, Tinnitus oder Herzrasen, sind meist weitere Begleiter, wenn Stress in eine Depression führt. Je nach individueller Situation sind die Symptome sehr unterschiedlich und werden häufig auch von Fachleuten nicht richtig eingeordnet.
Im letzten Jahrzehnt sind Fehlzeiten aufgrund der Diagnose von psychischen Störungen um 80 Prozent gestiegen, allein von 2009 auf 2010 um fast 14 Prozent. Statistisch gesehen war demnach jeder sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Deutschland zwei Tage aufgrund einer psychischen Störung krankgeschrieben. Psychische Störungen sind bei den Fehlzeiten vor allem deshalb so auffällig, weil Krankschreibungen mit über 23 Tagen im Schnitt doppelt so lange dauern wie normale Erkrankungen. Das bedeutet für die Unternehmen enorme Produktionsausfälle, für die Krankenkassen hohe Kosten und für die Patienten meist eine wochen- oder monatelange Leidenszeit. Deshalb ist es wichtig, in der betrieblichen Prävention auch die psychische Gesundheit der Beschäftigten zu fördern, denn Stress am Arbeitsplatz lässt sich nicht vermeiden. Neue Medien, die Intensivierung der Arbeit sowie steigender Termin- und Leistungsdruck beeinträchtigen Kreativität und Leistungsfähigkeit und können zur Überforderung führen. Von Führungskräften und Beschäftigten wird zunehmend ein hohes Maß an Flexibilität und Innovationsbereitschaft verlangt (Techniker Krankenkasse 2011, Lebensmittel Zeitung 2012).
Depressionen machen aber auch vor jungen Menschen inner- und außerhalb von Hochschulen nicht Halt. Jeder zweite Deutsche, bei dem erstmals eine Depression festgestellt wird, ist unter 32. Über 23 000 Studierende haben im Jahr 2010 die psychologischen Beratungsstellen des Deutschen Studentenwerks besucht, die Zahl der Beratungen hat sich seit 2003 verdoppelt (Techniker Krankenkasse 2011). Vielfach wird inzwischen von Burn-out gesprochen, einem Leiden, das zu einer modernen Epidemie geworden ist. Die Medizin ist sich noch nicht schlüssig, ob Burn-out eine eigenständige Krankheit darstellt oder eher als eine schwerwiegende Form der Depression bzw. als Erschöpfungsdepression gesehen werden muss. Unabhängig von der Bezeichnung zeigt sich eindeutig, dass psychische Belastungen am Arbeitsplatz die Volkswirtschaft mit rund 50 Milliarden Euro jährlich durch Produktionsausfall und Behandlungskosten beeinträchtigen. Amerikanische Forscher vermuten, dass aufgrund von psychischen Erkrankungen rund 1,5 der täglichen 8 Arbeitsstunden nicht produktiv genutzt werden (Marquart 2011). In Deutschland gehen Experten davon aus, dass etwa 9 Millionen Menschen an Depressionen bzw. Burn-out leiden. Leistungsträger, die von sich selbst Perfektion verlangen, die funktionieren wollen, sind am häufigsten betroffen (Marquart 2011). Deren Arbeitswelt ist ihr Taktgeber, Kennzeichen sind Beschleunigung, Verdichtung, Komplexität, Globalisierung und ständige Erreichbarkeit. Regenerationsphasen werden geopfert, die genetisch einprogrammierte Postkutschengeschwindigkeit ist um eine bis zwei Zehnerpotenzen erhöht.
Dauerstress als Tor zur Depression trifft häufig die Leistungsfähigsten und Leistungsbereiten. Sie sind die gefragten Menschen, die irgendwann zu Gejagten werden und die fehlende Regeneration und ihre Erschöpfung oft durch noch mehr Arbeit zu kompensieren versuchen. Stress zu haben, wird sogar als Prestigequelle gesehen, irgendwann ist dann das Stadium einer Sucht erreicht. Schließlich werden aus Tätern Opfer, die mit Humor- und Übersichtsverlust oder Unberechenbarkeit bezahlen, die ihre Wahlfreiheit verlieren und von der Macht in die Machtlosigkeit abrutschen. Die Stressproblematik ist ein weiteres Beispiel für evolutionär erworbene Eigenschaften, die mit der Realität einer modernen Welt kollidieren.
Firmen, die das Problem erkannt haben, ergreifen inzwischen Maßnahmen, um ihre Leistungsträger vor psychischen Krankheiten zu schützen. In zwei Dritteln der deutschen Unternehmen findet eine Auseinandersetzung mit diesem Thema auf aber noch sehr unterschiedlichem Niveau statt. Dazu gehören Regeln zur Nicht-Erreichbarkeit an Wochenenden oder zur verlängerten zulässigen Reaktionszeit auf elektronische Nachrichten, die Möglichkeit zu individuellen Urlaubsmodellen oder Sabbaticals, die Bewusstseinsschärfung von Führungskräften, die Einführung unabhängiger Beratungsdienste und Vieles mehr. Letztendlich geht es in den Unternehmen um eine Änderung der Kultur, die den Mitarbeitern die Möglichkeit schaffen soll, Beruf und Privatleben in ein Gleichgewicht zu bringen und phasenweise zu entschleunigen.
Ein Punkt wird in der Diskussion um psychische Überlastungen gerne außen vor gelassen: Die Eigenverantwortung der Mitarbeiter. Nicht jeder bringt die Voraussetzung für sein Studium oder die Belastungen seines Arbeitsplatzes mit und nicht jeder hat ausreichend Stressresistenz und/oder hat die grundlegenden Regeln der Arbeitswelt verstanden. Grundsätzliche Überforderung führt unweigerlich zu Stress. Jeder hat es selbst in der Hand, eine falsche Wahl zu korrigieren und sich einen Studien- oder Arbeitsplatz zu suchen, der zu ihm passt. Auch dabei müssen Führungskräfte ihrer Verantwortung gerecht werden und den sicher schmerzhaften Selbstfindungsprozess des Mitarbeiters unterstützen.
