Kitabı oku: «Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit», sayfa 2

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[27]Wie wir uns vor allem der Jünglingszeit mit Lust und Freude erinnern, Kräfte und Glieder bis zur Blüte des Lebens ausgebildet: unsre Fähigkeiten bis zur angenehmen Schwatzhaftigkeit und Freundschaft entwickelt: alle Neigungen auf Freiheit und Liebe, Lust und Freude gestimmt, und alle nun im ersten süßen Tone – wie wir die Jahre fürs güldne Alter und für ein Elysium unsrer Erinnerung halten (denn wer erinnert sich seiner unentwickelten Kindheit?), die am glänzendsten ins Auge fallen, eben im Aufbrechen der Blüte, alle unsre künftige Würksamkeit und Hoffnungen im Schoße tragend – in der Geschichte der Menschheit wird Griechenland ewig der Platz bleiben, wo sie ihre schönste Jugend und Brautblüte verlebt hat. Der Knabe ist Hütte und Schule entwachsen und steht da – edler Jüngling mit schönen gesalbten Gliedern, Liebling aller Grazien und Liebhaber aller Musen, Sieger in Olympia und all’ anderm Spiele, Geist und Körper zusammen nur eine blühende Blume!

Die Orakelsprüche der Kindheit und Lehrbilder der mühsamen Schule waren jetzt beinahe vergessen; der Jüngling entwickelte sich aber daraus alles, was er zu Jugendweisheit und Tugend, zu Gesang und Freude, Lust und Leben brauchte. Die groben Arbeitkünste verachtete er, wie die bloß barbarische Pracht und das zu einfache Hirtenleben; aber von allem brach er die Blüte einer neuen schönen Natur. – Handwerkerei ward durch ihn schöne Kunst: der dienstbare Landbau, freie Bürgerzunft, schwere Bedeutungsfülle des strengen Ägypten, leichte, schöne griechische Liebhaberei in aller Art. Nun, welche neue schöne Klasse von [28]Neigungen und Fähigkeiten, von denen die frühere Zeit nichts wusste, zu denen sie aber Keim gab. Die Regimentsform, musste sie sich nicht vom orientalischen Vaterdespotismus durch die ägyptischen Landzünfte und halbe phönizische Aristokratien herabgeschwungen haben, ehe die schöne Idee einer Republik in griechischem Sinne, »Gehorsam mit Freiheit gepaart und mit dem Namen Vaterland umschlungen«, statthaben konnte? Die Blüte brach hervor: holdes Phänomenon der Natur! heißt »griechische Freiheit!« Die Sitten mussten sich vom orientalischen Vater- und ägyptischen Taglöhnersinn durch die phönizische Reiseklugheit gemildert haben: und siehe! die neue schöne Blüte brach hervor, »griechische Leichtigkeit, Milde und Landesfreundschaft«. Die Liebe musste den Schleier der Harems durch manche Stufen verdünnen, ehe sie das schöne Spiel der griechischen Venus, Amors und der Grazien ward. So Mythologie, Poesie, Philosophie, schöne Künste: Entwickelungen uralter Keime, die hier Jahrszeit und Ort fanden, zu blühen und in alle Welt zu duften. Griechenland ward die Wiege der Menschlichkeit, der Völkerliebe, der schönen Gesetzgebung, des Angenehmsten in Religion, Sitten, Schreibart, Dichtung, Gebräuchen und Künsten. – Alles Jugendfreude, Grazie, Spiel und Liebe!

Es ist zum Teil genug entwickelt, was für Umstände zu dieser einzigen Produktion des Menschengeschlechts beigetragen, und ich setze diese Umstände nur ins Größere der allgemeinen Verbindung von Zeitläuften und Völkern. Siehe dies schöne griechische Klima und in ihm das wohlgebildete Menschengeschlecht mit freier Stirn und feinen Sinnen – ein rechtes Zwischenland [29]der Kultur, wo aus zwei Enden alles zusammenfloss, was sie so leicht und edel verwandelten! Die schöne Braut wurde von zweien Knaben bedient zur Rechten und Linken, sie tat nur schön idealisieren; eben die Mischung phönizischer und ägyptischer Denkart, deren eine der andern ihr Nationelles und ihren eckigten Eigensinn benahm, formte den griechischen Kopf zum Ideal, zur Freiheit. Jetzt die sonderbaren Anlässe ihrer Teilung und Vereinigungen von den frühesten Zeiten her: ihre Abtrennung in Völker, Republiken, Kolonien, und doch der gemeinschaftliche Geist derselben; Gefühl einer Nation, eines Vaterlands, einer Sprache! – Die besondern Gelegenheiten zu Bildung dieses Allgemeingeists, vom Zuge der Argonauten und dem Feldzuge gegen Troja an, bis zu den Siegen gegen die Perser und die Niederlage gegen den Mazedonier, da Griechenland starb! – Ihre Einrichtungen gemeinschaftlicher Spiele und Nacheiferungen, immer mit kleinen Unterschieden und Veränderungen, bei jedem kleinsten Erdstrich und Völkchen – alles und zehnfach mehr gab Griechenland eine Einheit und Mannigfaltigkeit, die auch hier das schönste Ganze machte. Kampf und Beihülfe, Streben und Mäßigen; die Kräfte des menschlichen Geistes kamen ins schönste Eben- und Unebenmaß – Harmonie der griechischen Leier!

Aber dass nun nicht eben damit unsäglich vieles von der alten frühern Stärke und Nahrung verlorengehen musste, wer wollte das leugnen? Da den ägyptischen Hieroglyphen ihre schwere Hülle abgestreift ward, so kann’s immer sein, dass auch ein gewisses Tiefe, Bedeutungsvolle, Naturweise, was Charakter dieser Nation war, damit über See [30]verduftete: der Grieche behielt nichts als schönes Bild, Spielwerk, Augenweide – nennt’s gegen jenes Schwerere wie ihr wollt; gnug, er wollte nur dies! Der Religion des Morgenlandes ward ihr heiliger Schleier genommen: und natürlich, da alles auf Theater und Markt und Tanzplatz Schau getragen wurde, ward’s in kurzem »Fabel, schön ausgedehnt, beschwatzet, gedichtet und neugedichtet – Jünglingstraum und Mädchensage!« die morgenländische Weisheit, dem Vorhange der Mysterien entnommen, ein schön Geschwätz, Lehrgebäude und Zänkerei der griechischen Schulen und Märkte. Der ägyptischen Kunst ward ihr schweres Handwerksgewand entnommen, und so verlor sich auch das zu genaue Mechanische und Künstlerstrenge, wornach die Griechen nicht strebten: der Koloss erniederte sich zur Bildsäule: der Riesentempel zum Schauplatz: ägyptische Ordnung und Sicherheit ließ in dem Vielfachen Griechenlands von selbst nach. Jener alte Priester konnte in mehr als einem Betracht sagen: »Oh, ihr ewigen Kinder, die ihr nichts wisst und so viel schwatzt, nichts habt und alles so schön vorzeiget«, und der alte Morgenländer aus seiner Patriarchenhütte würde noch heftiger sprechen – ihnen statt Religion, Menschheit und Tugend nur Buhlerei mit alle dem Schuld geben können usw. Sei’s. Das menschliche Gefäß ist einmal keiner Vollkommenheit fähig: muss immer verlassen, indem es weiterrückt. Griechenland rückte weiter: ägyptische Industrie und Polizei konnte ihnen nicht helfen, weil sie kein Ägypten und keinen Nil – phönizische Handelsklugheit nicht helfen, weil sie keinen Libanus und kein Indien im Rücken hatten: zur orientalischen Erziehung war die Zeit vorbei – gnug! es ward, was es war – Griechenland! Urbild und [31]Vorbild aller Schöne, Grazie und Einfalt! Jugendblüte des menschlichen Geschlechts – o hätte sie ewig dauren können!

Ich glaube, der Stand, in den ich Griechenland stelle, trägt auch bei, »den ewigen Streit über die Originalität der Griechen oder ihre Nachahmung fremder Nationen« etwas zu entwirren: man hätte sich wie überall, also auch hier, lange vereinigt, hätte man sich nur besser verstanden. Dass Griechenland Samenkörner der Kultur, Sprache, Künste und Wissenschaften anderswoher erhalten, ist, dünkt mich, unleugbar, und es kann bei einigen, Bildhauerei, Baukunst, Mythologie, Literatur, offenbar gezeigt werden. Aber dass die Griechen dies alles so gut als nicht erhalten, dass sie ihm ganz neue Natur angeschaffen, dass in jeder Art das »Schöne« im eigentlichen Verstande des Worts ganz gewiss ihr Werk sei – das, glaube ich, wird aus einiger Fortleitung der Ideen ebenso gewiss. Nichts Orientalisches, Phönizisches und Ägyptisches behielt seine Art mehr: es ward Griechisch, und in manchem Betracht waren sie fast zu sehr Originale, die alles nach ihrer Art um- und einkleideten. Von der größten Erfindung und der wichtigsten Geschichte an, bis auf Wort und Zeichen – alles ist davon voll: von Schritt zu Schritt, bei allen Nationen ist’s ebenfalls so – wer weiter System bauen oder über Namen streiten will, streite!

Es kam das Mannesalter menschlicher Kräfte und Bestrebungen – die Römer. Gegen die Griechen hat Virgil auf einmal sie geschildert, jenen schöne Künste und Jugendübungen überlassen:

tu regere imperio populos, Romane, memento.

[32]Ungefähr damit auch gegen die Nordländer ihren Zug geschildert, die es ihnen vielleicht an barbarischer Härte, Stärke im Anfalle und roher Tapferkeit zuvortaten; aber –

tu regere imperio populos –

Römertapferkeit idealisiert: Römertugend! Römersinn! Römerstolz! Die großmütige Anlage der Seele, über Wollüste, Weichlichkeit und selbst das feinere Vergnügen hinwegzusehen und fürs Vaterland zu würken: der gefasste Heldenmut, nie tollkühn zu sein und sich in Gefahr zu stürzen, sondern zu harren, zu überlegen, zu bereiten und zu tun: es war der unerschütterte Gang, durch nichts, was Hindernis heißt, sich abschrecken zu lassen, eben im Unglück am größten zu sein und nicht zu verzweifeln: es war endlich der große, immer unterhaltene Plan, mit nichts wenigerm sich zu begnügen, als bis ihr Adler den Weltkreis deckte. – – Wer zu allen diesen Eigenschaften ein vielwichtiges Wort prägen, darin zugleich ihre männliche Gerechtigkeit, Klugheit, das Volle ihrer Entwürfe, Entschließungen, Ausführungen und überhaupt aller Geschäfte ihres Weltbaus begreifen kann, der nenne es. – Gnug, hier stand der Mann, der des Jünglings genoss und brauchte, für sich aber nur Wunder der Tapferkeit und Männlichkeit tun wollte; mit Kopf, Herz und Armen!

Auf welcher Höhe hat das römische Volk gestanden, welchen Riesentempel auf dieser Höhe erbaut! Sein Staats- und Kriegsgebäude, dessen Plan und Mittel zur Ausführung – Kolossus für alle Welt! Konnte in Rom ein Bubenstück begangen werden, ohne dass Blut in drei Erdteilen [33]floss? und die großen würdigen Leute dieses Reichs, wo? und wie? würkten sie hinaus! was für Glieder dieser großen Maschine fast unwissend mit so leichten Kräften bewogen! wohin alle ihre Werkzeuge erhöht und befestigt: Senat und Kriegskunst – Gesetze und Zucht – Römerzweck und Stärke, ihn auszuführen – ich schaure! Was bei den Griechen Spiel, Jugendprobe gewesen war, ward bei ihnen ernsthafte, feste Einrichtung: die griechischen Muster auf einem kleinen Schauplatze, einer Erdenge, einer kleinen Republik, auf der Höhe und mit der Stärke aufgeführt, wurden Schautaten der Welt.

Wie man auch die Sache nehme: es war »Reife des Schicksals der alten Welt«. Der Stamm des Baums zu seiner größern Höhe erwachsen, strebte, Völker und Nationen unter seinen Schatten zu nehmen, in Zweige. Mit Griechen, Phöniziern, Ägyptern und Morgenländern zu wetteifern, haben die Römer nie zu ihrer Hauptsache gemacht; aber indem sie alles, was vor ihnen war, männlich anwandten – was wurde für ein römischer Erdkreis! Der Name knüpfte Völker und Weltstriche zusammen, die sich voraus nicht dem Laut nach gekannt hatten. Römische Provinzen! in allen wandelten Römer, römische Legionen, Gesetze, Vorbilder von Sitten, Tugenden und Lastern. Die Mauer ward zerbrochen, die Nation von Nation schied, der erste Schritt gemacht, die Nationalcharaktere aller zu zerstören, alle in eine Form zu werfen, die »Römervolk« hieß. Natürlich war der erste Schritt noch nicht das Werk: jede Nation blieb bei ihren Rechten, Freiheiten, Sitten und Religion; ja, die Römer schmeichelten ihnen, eine Puppe der letzten selbst mit in ihre Stadt zu bringen. Aber die Mauer lag. Jahrhunderte von Römerherrschaft – [34]wie man in allen Weltteilen, wo sie gewesen sind, siehet – würkten sehr viel: Sturm, der die innersten Kammern der Nationaldenkart jedes Volks durchdrang: mit der Zeit wurden die Bande immer fester, endlich sollte das ganze römische Reich gleichsam nur Stadt Rom werden – alle Untertanen Bürger – bis es selbst sank.

Auf keine Weise noch von Vorteil oder Nachteil geredet, allein von Würkung. Wenn alle Völker unter dem römischen Joche gewissermaße die Völker zu sein aufhörten, die sie waren, und also über die ganze Erde eine Staatskunst, Kriegskunst und Völkerrecht eingeführt wurde, wovon voraus noch kein Beispiel gewesen war: da die Maschine stand, und da die Maschine fiel, und da die Trümmern alle Nationen der römischen Erde bedeckten – gibt’s in aller Geschichte der Jahrhunderte einen größern Anblick! Alle Nationen von oder auf diesen Trümmern bauend! Völlig neue Welt von Sprachen, Sitten, Neigungen und Völkern – es beginnet eine andre Zeit – Anblick, wie aufs weite offenbare Meer neuer Nationen. – Lasset uns indessen noch vom Ufer einen Blick auf die Völker werfen, deren Geschichte wir durchlaufen sind.

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I. Niemand in der Welt fühlt die Schwäche des allgemeinen Charakterisierens mehr als ich. Man malet ein ganzes Volk, Zeitalter, Erdstrich – wen hat man gemalt? Man fasset aufeinanderfolgende Völker und Zeitläufte, in einer ewigen Abwechslung, wie Wogen des Meeres, zusammen – wen hat man gemalt? wen hat das schildernde Wort getroffen? – Endlich, man fasst sie doch in nichts als [35]ein allgemeines Wort zusammen, wo jeder vielleicht denkt und fühlt, was er will – unvollkommenes Mittel der Schilderung! wie kann man missverstanden werden! –

Wer bemerkt hat, was es für eine unaussprechliche Sache mit der Eigenheit eines Menschen sei, das Unterscheidende unterscheidend sagen zu können? wie er fühlt und lebet? wie anders und eigen ihm alle Dinge werden, nachdem sie sein Auge siehet, seine Seele misst, sein Herz empfindet – welche Tiefe in dem Charakter nur einer Nation liege, die, wenn man sie auch oft gnug wahrgenommen und angestaunet hat, doch so sehr das Wort fleucht und im Worte wenigstens so selten einem jeden anerkennbar wird, dass er verstehe und mitfühle – ist das, wie? wenn man das Weltmeer ganzer Völker, Zeiten und Länder übersehen, in einen Blick, ein Gefühl, ein Wort fassen soll! Mattes, halbes Schattenbild vom Worte! Das ganze lebendige Gemälde von Lebensart, Gewohnheiten, Bedürfnissen, Landes- und Himmelseigenheiten müsste dazu kommen oder vorhergegangen sein; man müsste erst der Nation sympathisieren, um eine einzige ihrer Neigungen und Handlungen, alle zusammen zu fühlen, ein Wort finden, in seiner Fülle sich alles denken – oder man lieset – ein Wort.

Wir glauben alle, noch jetzt väterliche und häusliche und menschliche Triebe zu haben, wie sie der Morgenländer: Treue und Künstlerfleiß haben zu können, wie sie der Ägypter besaß: phönizische Regsamkeit, griechische Freiheitliebe, römische Seelenstärke – wer glaubt nicht zu dem allen Anlage zu fühlen, wenn nur Zeit, Gelegenheit – – und siehe! mein Leser, eben da sind wir. Der feigste [36]Bösewicht hat ohne Zweifel zum großmütigsten Helden noch immer entfernte Anlage und Möglichkeit; aber zwischen dieser und »dem ganzen Gefühl des Seins, der Existenz in solchem Charakter« – Kluft! Fehlte es dir also auch an nichts als an Zeit, an Gelegenheit, deine Anlagen zum Morgenländer, zum Griechen, zum Römer in Fertigkeiten und gediegne Triebe zu verwandeln – Kluft! nur von Trieben und Fertigkeiten ist die Rede. Ganze Natur der Seele, die durch alles herrscht, die alle übrigen Neigungen und Seelenkräfte nach sich modelt, noch auch die gleichgültigsten Handlungen färbet – um diese mitzufühlen, antworte nicht aus dem Worte, sondern gehe in das Zeitalter, in die Himmelsgegend, die ganze Geschichte, fühle dich in alles hinein – nun allein bist du auf dem Wege, das Wort zu verstehen; nun allein aber wird dir auch der Gedanke schwinden, »als ob alles das einzeln oder zusammengenommen auch du seist!« Du alles zusammengenommen? Quintessenz aller Zeiten und Völker? das zeigt schon die Torheit!

Charakter der Nationen! Allein Data ihrer Verfassung und Geschichte müssen entscheiden. Hat nicht ein Patriarch, aber außer den Neigungen, die »du ihm beimissest, auch andre gehabt? haben können?« ich sage zu beiden bloß: Allerdings! Allerdings hatte er andre, Nebenzüge, die sich aus dem, was ich gesagt oder nicht gesagt, von selbst verstehen, die ich, und vielleicht andre mit mir, denen seine Geschichte vorschwebt, in dem Worte schon anerkennen, und noch lieber, dass er weit andres haben können – auf anderm Ort, zu der Zeit, mit dem Fortschritte der Bildung, unter den andern Umständen – warum da nicht Leonidas, Cäsar und Abraham ein artiger Mann [37]unsres Jahrhunderts? sein können! aber war’s nicht: darüber frage die Geschichte: davon ist die Rede.

So mache ich mich ebenfalls auf kleinfügige Widersprüche gefasst, aus dem großen Detail von Völkern und Zeiten. Dass kein Volk lange geblieben und bleiben konnte, was es war, dass jedes, wie jede Kunst und Wissenschaft, und was in der Welt nicht? seine Periode des Wachstums, der Blüte und der Abnahme gehabt; dass jedwede dieser Veränderungen nur das Minimum von Zeit gedauert, was ihr auf dem Rade des menschlichen Schicksals gegeben werden konnte – dass endlich in der Welt keine zwei Augenblicke dieselbe sind – dass also Ägypter, Römer und Grieche auch nicht zu allen Zeiten dieselben gewesen – ich zittre, wenn ich denke, was weise Leute, zumal Geschichtkenner, für weise Einwendungen hierüber machen können! Griechenland bestand aus vielen Ländern: Athenienser und Böotier, Spartaner und Korinthier war sich nichts minder, als gleich – – Trieb man nicht auch in Asien den Ackerbau? Haben nicht Ägypter einmal ebenso gut gehandelt wie Phönizier? Waren die Mazedonier nicht ebenso wohl Eroberer als die Römer? Aristoteles nicht ebenso ein spekulativer Kopf als Leibniz? Übertrafen unsre nordischen Völker nicht die Römer an Tapferkeit? Waren alle Ägypter, Griechen, Römer – sind alle Ratten und Mäuse einander gleich – nein! aber sie sind doch Ratten und Mäuse!

Wie verdrüsslich muss es werden, zum Publikum zu reden, wo man vom schreienden Teile (der edler denkende Teil schweigt!) sich immer dergleichen und noch ärgere Einwendungen und in welchem Tone vorgetragen, versehen muss, und sich’s denn zugleich versehen muss, [38]dass der große Haufe Schafe, der nicht weiß, was rechts und links ist, dem sogleich nachwähne! Kann’s ein allgemeines Bild ohne Untereinander- und Zusammenordnung? kann’s eine weite Aussicht geben, ohne Höhe? Wenn du das Angesicht dicht an dem Bilde hältst, an diesem Spane schnitzelst, an jenem Farbenklümpchen klaubest: nie siehest du das ganze Bild – siehest nichts weniger als Bild! Und wenn dein Kopf von einer Gruppe, in die du dich vernarrt hast, voll ist, kann dein Blick wohl ein Ganzes so abwechselnder Zeitläufte umfassen? ordnen? sanft verfolgen? bei jeder Szene nur Hauptwürkung absondern? die Verflößungen still begleiten? und nun – – nennen! Kannst du aber nichts von alledem: die Geschichte flimmert und fackelt dir vor den Augen! ein Gewirre von Szenen, Völkern, Zeitläuften – lies erst und lerne sehen! Übrigens weiß ich’s wie du, dass jedes allgemeine Bild, jeder allgemeine Begriff nur Abstraktion sei – Schöpfer allein ist’s, der die ganze Einheit, einer, aller Nationen, in all ihrer Mannigfaltigkeit denkt, ohne dass ihm dadurch die Einheit schwinde.

II. Also von diesen kleinfügigen Einwendungen, Zweck und Gesichtspunkt verfehlend, hinweg! hingestellt in die Absicht des großen Folgeganzen – wie elend werden »manche Modeurteile unsres Jahrhunderts über Vorzüge, Tugenden, Glückseligkeit so entfernter, so abwechselnder Nationen, aus bloß allgemeinen Begriffen der Schule!«

Ist die menschliche Natur keine im Guten selbständige Gottheit: sie muss alles lernen, durch Fortgänge gebildet werden, im allmählichen Kampf immer weiterschreiten; natürlich wird sie also von den Seiten am [39]meisten oder allein gebildet, wo sie dergleichen Anlässe zur Tugend, zum Kampf, zum Fortgange hat – in gewissem Betracht ist also jede menschliche Vollkommenheit national, säkular und, am genauesten betrachtet, individuell. Man bildet nichts aus, als wozu Zeit, Klima, Bedürfnis, Welt, Schicksal Anlass gibt: vom Übrigen abgekehrt: die Neigungen oder Fähigkeiten, im Herzen schlummernd, können nimmer Fertigkeiten werden; die Nation kann also bei Tugenden der erhabensten Gattung von einer Seite, von einer andern Mängel haben, Ausnahmen machen, Widersprüche und Ungewissheiten zeigen, die in Erstaunen setzen; aber niemanden, als der sein idealisch Schattenbild von Tugend aus dem Kompendium seines Jahrhunderts mitbringt und Philosophie gnug hat, um auf einem Erdenfleck die ganze Erde finden zu wollen, sonst keinen! Für jeden, der menschliches Herz aus dem Elemente seiner Lebensumstände erkennen will, sind dergleichen Ausnahmen und Widersprüche vollkommen menschlich: Proportion von Kräften und Neigungen zu einem gewissen Zwecke, der ohne jene nimmer erreicht werden könnte; also gar keine Ausnahmen, sondern Regel.

Sei’s, mein Freund, dass jene kindliche orientalische Religion, jene Anhänglichkeit an das weichste Gefühl des menschlichen Lebens auf der andern Seite Schwächen gebe, die du nach dem Muster andrer Zeiten verdammest. Ein Patriarch kann kein römischer Held, kein griechischer Wettläufer, kein Kaufmann von der Küste sein; und ebenso wenig, wozu ihn das Ideal deines Katheders oder deiner Laune hinaufschraubte, um ihn falsch zu loben oder bitter zu verdammen. Sei’s, dass er nach spätern Vorbildern dir [40]furchtsam, todscheu, weichlich, unwissend, müßig, abergläubisch, wenn du Galle im Auge hast, abscheulich vorkäme: er ist, wozu ihn Gott, Klima, Zeit und Stufe des Weltalters bilden konnte, Patriarch! – hat also gegen alle Verluste späterer Zeiten, Unschuld, Gottesfurcht, Menschlichkeit: in denen er für jedes späte Zeitalter ewig ein Gott sein wird! der Ägypter kriechend, sklavisch, ein Erdtier, abergläubisch und traurig, hart gegen Fremde, ein gedankenloses Geschöpf der Gewohnheit – hier gegen den leichten, alles schön bildenden Griechen, dort gegen einen Menschenfreund im hohen Geschmack unsers Jahrhunderts, der alle Weisheit im Kopfe und alle Welt im Busen trägt – welche Figur! Aber nun auch jenes Unverdrossenheit, Treue, starke Ruhe – kannst du die mit der griechischen Knabenfreundschaft und Jugendbuhlerei um alles Schöne und Angenehme vergleichen? und wieder griechische Leichtigkeit, Tändelei mit Religion, Mangel gewisser Liebe, Zucht und Ehrbarkeit verkennen, wenn du ein Ideal, weiß nicht wessen, nehmen wolltest? Konnten aber jene Vollkommenheiten ohne diese Mängel in dem Maße und Grade ausgebildet werden? Die Vorsehung selbst, siehest du, hat’s nicht gefodert, hat nur in der Abwechslung, in dem Weiterleiten durch Weckung neuer Kräfte und Ersterbung andrer ihren Zweck erreichen wollen – Philosoph im nordischen Erdental, die Kinderwaage deines Jahrhunderts in der Hand, weißt du es besser als sie?

Machtsprüche Lobes und Tadels, die wir aus einem aufgefundenen Lieblingsvolke des Altertums, in das wir uns vergafften, auf alle Welt schütten – welches Rechtes seid ihr! Jene Römer konnten sein, wie keine Nation; tun, was keiner nachtut: sie waren Römer. Auf einer Welthöhe, und [41]alles rings um sie Tal. Auf der Höhe von Jugend auf, zu dem Römersinn gebildet, handelten in ihm – was Wunder? Und was Wunder, dass ein kleines Hirten- und Ackervolk in einem Tale der Erde nicht eisernes Tier war, was so handeln konnte? Und was Wunder, dass dies wieder Tugenden hatte, die der edelste Römer nicht, und der edelste Römer auf seiner Höhe, im Drange der Not, Grausamkeiten mit kaltem Blute beschließen konnte, die der Hirte im kleinen Tale denn nun wieder nicht auf der Seele hatte. Auf dem Gipfel jener Riesenmaschine war leider! die Aufopferung oft Kleinigkeit, oft Not, oft (arme Menschheit, welcher Zustände bist du fähig!) oft Wohltat. Eben die Maschine, die weitreichende Laster möglich machte, war’s, die auch Tugenden so hoch hob, Würksamkeit so weit ausbreitete: ist die Menschheit überhaupt in einem jetzigen Zustande reiner Vollkommenheit fähig? Gipfel grenzt an Tal. Um edle Spartaner wohnen unmenschlich behandelte Heloten. Der römische Triumphator, mit Götterröte gefärbt, ist unsichtbar auch mit Blute getüncht: Raub, Frevel und Wollüste sind um seinen Wagen: vor ihm her Unterdrückung: Elend und Armut zieht ihm nach. – Mangel und Tugend wohnen also auch in diesem Verstande in einer menschlichen Hütte immer beisammen.

Schöne Dichtkunst, ein Lieblingsvolk der Erde, in übermenschlichen Glanz zu zaubern – auch ist die Dichtkunst nützlich, denn der Mensch wird auch durch schöne Vorurteile veredelt – aber wenn der Dichter ein Geschichtschreiber, ein Philosoph ist, wie es die meisten zu sein vorgeben, und die denn nach der einen Form ihrer Zeit – oft ist sie sehr klein und schwach! – alle Jahrhunderte modeln – Hume! Voltaire! Robertsons! klassische [42]Gespenster der Dämmerung! was seid ihr im Lichte der Wahrheit?

Eine gelehrte Gesellschaft unsrer Zeiti gab, ohne Zweifel in hoher Absicht, die Frage auf: »welches in der Geschichte wohl das glücklichste Volk gewesen?« und verstehe ich die Frage recht, liegt sie nicht außer dem Horizont einer menschlichen Beantwortung, so weiß ich nicht, als zu gewisser Zeit und unter gewissen Umständen traf auf jedes Volk ein solcher Zeitpunkt, oder es war’s nie eines. Ist nämlich wiederum menschliche Natur kein Gefäß einer absoluten, unabhängigen, unwandelbaren Glückseligkeit, wie der Philosoph sie definiert: sie zieht aber überall so viel Glückseligkeit an, als sie kann: ein biegsamer Ton, sich in den verschiedensten Lagen, Bedürfnissen und Bedrückungen auch verschieden zu formen: selbst das Bild der Glückseligkeit wandelt mit jedem Zustande und Himmelsstriche – (denn was ist dies je anders als die Summe von »Wunschbefriedigungen, Zweckerreichungen und sanftem Überwinden der Bedürfnisse«, die sich doch alle nach Land, Zeit und Ort gestalten?) im Grunde also wird alle Vergleichung misslich. Sobald sich der innerliche Sinn der Glückseligkeit, die Neigung verändert hat: sobald die äußern Gelegenheiten und Bedürfnisse den andern Sinn bilden und befestigen – wer kann die verschiedene Befriedigung verschiedner Sinne in verschiednen Welten vergleichen? den Hirten [43]und Vater des Orients, den Ackermann und Künstler, den Schiffer, Wettläufer, Überwinder der Welt – wer vergleichen? – – Im Lorbeerkranze oder am Anblicke der gesegneten Herde, am Warenschiffe und erbeuteten Feldzeichen liegt nichts – aber an der Seele, die das brauchte, darnach strebte, das nun erreicht hat, und nichts anders als das erreichen wollte – jede Nation hat ihren Mittelpunkt der Glückseligkeit in sich, wie jede Kugel ihren Schwerpunkt!

Gut hat auch hier die gute Mutter gesorgt. Sie legte Anlagen zu der Mannigfaltigkeit ins Herz, machte jede aber an sich selbst so wenig dringend, dass, wenn nur einige befriedigt werden, sich die Seele bald aus diesen erweckten Tönen ein Konzert bildet und die unerweckten nicht fühlet als wiefern sie stumm und dunkel den lautenden Gesang unterstützen. Sie legte Anlagen von Mannigfaltigkeit ins Herz, nun einen Teil der Mannigfaltigkeit im Kreise um uns, uns zu Händen: nun mäßigte sie den menschlichen Blick, dass nach einer kleinen Zeit der Gewohnheit ihm dieser Kreis Horizont wurde – nicht drüber zu blicken: kaum drüber zu ahnden! Alles was mit meiner Natur noch gleichartig ist, was in sie assimiliert werden kann, beneide ich, streb’s an, mache mir’s zu eigen; darüber hinaus hat mich die gütige Natur mit Fühllosigkeit, Kälte und Blindheit bewaffnet; – sie kann gar Verachtung und Ekel werden – hat aber nur zum Zweck, mich auf mich selbst zurückzustoßen, mir auf dem Mittelpunkt Gnüge zu geben, der mich trägt. Der Grieche macht sich so viel vom Ägypter, der Römer vom Griechen zu eigen, als er für sich braucht: er ist gesättigt, das Übrige fällt zu Boden, und er strebt’s nicht an! Oder [44]wenn in dieser Ausbildung eigner Nationalneigungen zu eigner Nationalglückseligkeit der Abstand zwischen Volk und Volk schon zu weit gediehen ist: siehe, wie der Ägypter den Hirten, den Landstreicher hasset! wie er den leichtsinnigen Griechen verachtet! So jede zwo Nationen, deren Neigungen und Kreise der Glückseligkeit sich stoßen – man nennt’s Vorurteil! Pöbelei! eingeschränkten Nationalism! Das Vorurteil ist gut, zu seiner Zeit: denn es macht glücklich. Es drängt Völker zu ihrem Mittelpunkte zusammen, macht sie fester auf ihrem Stamme, blühender in ihrer Art, brünstiger und also auch glückseliger in ihren Neigungen und Zwecken. Die unwissendste, vorurteilendste Nation ist in solchem Betracht oft die erste: das Zeitalter fremder Wunschwanderungen und ausländischer Hoffnungsfahrten ist schon Krankheit, Blähung, ungesunde Fülle, Ahndung des Todes!

III. Und der allgemeine, philosophische, menschenfreundliche Ton unsres Jahrhunderts gönnet jeder entfernten Nation, jedem ältesten Zeitalter der Welt, an Tugend und Glückseligkeit so gern »unser eigen Ideal«? ist so alleiniger Richter, ihre Sitten nach sich allein zu beurteilen? zu verdammen? oder schön zu dichten? Ist nicht das Gute auf der Erde ausgestreut? Weil eine Gestalt der Menschheit und ein Erdstrich es nicht fassen konnte, ward’s verteilt in tausend Gestalten, wandelt – ein ewiger Proteus! durch alle Weltteile und Jahrhunderte hin – auch, wie er wandelt und fortwandelt, ist’s nicht größere Tugend oder Glückseligkeit des Einzelnen, worauf er strebet, die Menschheit bleibt immer nur Menschheit – und [45]doch wird ein Plan des Fortstrebens sichtbar – mein großes Thema!

Wer’s bisher unternommen, den Fortgang der Jahrhunderte zu entwickeln, hat meistens die Lieblingsidee auf der Fahrt: Fortgang zu mehrerer Tugend und Glückseligkeit einzelner Menschen. Dazu hat man alsdenn Fakta erhöhet oder erdichtet: Gegenfakta verkleinert oder verschwiegen; ganze Seiten bedeckt; Wörter für Wörter genommen, Aufklärung für Glückseligkeit, mehrere und feinere Ideen für Tugend – und so hat man »von der allgemein fortgehenden Verbesserung der Welt« Romane gemacht – die keiner glaubte, wenigstens nicht der wahre Schüler der Geschichte und des menschlichen Herzens.

Andre, die das Leidige dieses Traums sahen und nichts Bessers wussten – sahen Laster und Tugenden wie Klimaten wechseln, Vollkommenheiten wie einen Frühling von Blättern entstehen und untergehen, menschliche Sitten und Neigungen wie Blätter des Schicksals fliegen, sich umschlagen – kein Plan! kein Fortgang! ewige Revolution – Weben und Aufreißen! – Penelopische Arbeit! – Sie fielen in einen Strudel, Skeptizismus an aller Tugend, Glückseligkeit und Bestimmung des Menschen, in den sie alle Geschichte, Religion und Sittenlehre flochten – – der neueste Modeton der neuesten, in Sonderheit französischen Philosophen,j [46]ist Zweifel! Zweifel in hundert Gestalten, alle aber mit dem blendenden Titel »aus der Geschichte der Welt!« Widersprüche und Meereswogen: man scheitert, oder was man von Moralität und Philosophie aus dem Schiffbruche rettet, ist kaum der Rede wert.

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