Kitabı oku: «Judentum», sayfa 2

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Teil I. Definitionen

1. Selbstbezeichnungen und Bezeichnungen

Israel und Israeliten bzw. Söhne Israels sind die traditionellen, in religiösen Texten vorherrschenden Selbstbezeichnungen für eine sowohl ethnische wie religiöse Einheit, die man demographisch-statistisch Judenheit (vgl. englisch jewry) und als Religion Judentum (vgl. englisch judaism) nennen kann. Für diese Gesamtheit gibt es im Hebräischen seit der Spätantike den übergreifenden Begriff kenäsät Jiśra′ el (Versammlung Israels), literarisch-dramatisch zu einer weiblichen Figur personifiziert, die vor Gott für Israel eintritt, während ansonsten der Erzengel Michael (»Wer ist wie Gott?«) Israel vor Gott und gegenüber den anderen (siebzig) Völkerengeln vertritt. Die Bezeichnung Synagoge als Gegenstück zu Kirche entspricht christlichem Sprachgebrauch.

Juden/Judäer nannte man ursprünglich Bewohner das Landes Juda/Judäa, nach dem babylonischen Exil (586–538 v.Chr.) immer öfter die Anhänger jener Richtung, die sich als Heimkehrergemeinschaft gegenüber anderen Israeliten abgrenzten. Schließlich wurde diese Bezeichnung – vor allem unter Nichtjuden – anstelle von Israeliten verwendet. Das griechische Wort judaismos bezeichnet hingegen vorrangig die Religion Israels. Hebräer deutet auf eine ethnische und sprachliche Gemeinsamkeit, und manchmal verweist es einfach auf die biblischen Ursprünge. In der Zeit der Aufklärung und der Emanzipation hat man die Bezeichnung Jude wegen ihrer Verwendung als Schimpfwort weithin vermieden und es wurden Selbstbezeichnungen gewählt, die den Akzent auf die biblischen Grundlagen rücken sollten, nämlich: hebräisch, israelitisch und mosaisch, und diese begegnen auch im staatlichen Sprachgebrauch. Heute sind Jude, Judentum und jüdisch wieder ohne negative Beiklänge allgemein üblich.

2. Zugehörigkeitskriterien

Die Zugehörigkeit zu Israel wird in erster Linie abstammungsmäßig definiert, und zwar (außer für den Stamm Levi) von der mütterlichen Seite her, was sich durch die moderne Genforschung als objektiv begründet erwiesen hat.1 Nach jüdischem Recht gilt als Jude, wer von einer jüdischen Mutter abstammt oder rite zum Judentum übergetreten ist. Dies wurde auch ins Personenstandsrecht des Staates Israel aufgenommen, mit der ausdrücklichen, ergänzenden Klarstellung: »und sich nicht zu einer anderen Religionsgemeinschaft bekennt«. Allerdings bereitet liberalen und v. a. säkularen Juden bzw. Israelis die Begrenzung der Religionsfreiheit Unbehagen, die durch die Bindung der Nationalität an die Religionszugehörigkeit vorgegeben ist. Einem jüdischen israelischen Staatsbürger wird nämlich im Reisepass unter Nationalität jüdisch eingetragen, doch wechselt er die Religion, verliert er die jüdische Nationalität. Zudem scheiden sich die Geister in Bezug auf die Bedeutung der Formulierung rite (also: ritualgerecht) übergetreten. Orthodoxe verlangen einen Übertritt nach orthodoxen Kriterien und auf Anerkennung durch ein orthodoxes Gericht, und da im Staat Israel das Judentum Staatsreligion ist und die Orthodoxie diesbezüglich ein Monopol hat, ergeben sich laufend Differenzen. Die Fronten haben sich zwar in den letzten Jahrzehnten etwas aufgeweicht, aber auch neue Hürden wurden errichtet, etwa wenn das Reformjudentum als Zugehörigkeitskriterium auch die Abstammung von einem jüdischen Vater anerkennt.

Die Einheit und Besonderheit Israels unter den Völkern wird in der Tradition nicht nur abstammungsmäßig, sondern auch traditionsgeschichtlich und erwählungsgeschichtlich begründet: Von Adam über Seth, Henoch und den Noah-Sohn Sem führt eine Linie von Urahnen und Traditionsträgern zu Abraham, Isaak und Jakob/Israel. Die 12 Söhne Jakobs gelten als Ahnherren der 12 Stämme Israels; darunter gilt Levi als Kultdiener-Stamm. Das ergibt eine dreigeteilte Rangfolge bzw. soziologische Makrostruktur: Priester (mit dem Hohepriester an der Spitze), Leviten (Kultdiener, Funktionäre in Verwaltung und Rechtswesen) und (normale) Israeliten bzw. Laien, eventuell mit einem König Israels an der Spitze. Mit der Tempelzerstörung im Jahr 70 n. Chr. verloren Priester und Leviten zwar ihre bis dahin dominante Position, die Voraussetzung einer (patrilinear!) abstammungsmäßig definierten Kultdienerschaft (Priester und Leviten) blieb aber in Geltung und bedingt gewisse Ehren-Vorrechte. Seither werden Sozialgefüge und Sozialprestige durch zwei Faktoren dominiert: die wirtschaftliche Elite, die in der Lage ist, den Bestand der Gruppe zu gewährleisten, und eine Gelehrtenschicht, deren Autorität die alte priesterliche Autorität und religiöse Kompetenz ersetzt.

1 Vgl. dazu KLEIMAN, Y., DNA and Tradition, Jerusalem 2004.

Teil II. Die geglaubte Geschichte in der jüdischen Religion

Vorbemerkung

Das Judentum gilt als geschichtsbewusste Religion mit der Vorstellung von einem linearen, zielgerichteten Geschichtslauf als Kennzeichen. Man hat oft versucht, Entsprechungen und Unterschiede zwischen griechisch-hellenistischem und biblisch-jüdischem Geschichts- und Zeitverständnis aufzuzeigen, und manchmal sogar Gegensätze postuliert.1 Wirklich eigentümlich ist Seite jedoch das Bemühen, die geglaubte Geschichte in einem universalgeschichtlichen Rahmen darzubieten, so dass der eigene Anspruch geschichtlich und sogar vorgeschichtlich begründet wird und die Realisierung dieses Anspruchs als Ziel aller Geschichte überhaupt erscheint. Die zielgerichtete Sicht schließt allerdings die Vorstellung von zyklischen Vorgängen keineswegs aus, und dazu trägt auch eine Neigung zu schematischen Periodisierungen bei. Alle religiösen Grundvorstellungen haben ihren eigentlichen Platz im Rahmen der geglaubten Geschichte,2 einige davon wurden infolge der Säkularisierung durch ideologisch motivierte teils ersetzt, teils durchsetzt,3 und die Vertreter solcher Geschichtsbilder übertragen gern den Autoritätsanspruch der Tradition auf die eigene Position.

1. Die Verankerung in Schöpfungs- und Urgeschichte

1.1 Die Schöpfungsgeschichten

Im Orient kannte man schon früh Überlieferungen bezüglich der Entstehung der Welt, der Bedrohung ihres Bestandes durch Chaosmächte, und der Entwicklung kulturell-zivilisatorischer Errungenschaften bis zur Katastrophe einer großen Flut. Was in der Umwelt im Rahmen der polytheistischen Götterwelt und auf der Basis mythischer Vorstellungen dargelegt wird, erscheint auf dem Boden der JHWH-Religion als Geschichte der Welt- und Menschenschöpfung durch einen Gott und als Urgeschichte der Menschheit.4 Aber das Interesse galt nicht spekulativen Weltentstehungserklärungen, sondern der Konstruktion eines nach Generationen bzw. Lebenszeitdaten geordneten Geschichtsverlaufs, der mit der Weltschöpfung (Gen 1–2) einsetzt, mit der Sintflut aber beinahe wieder endet, dann mit den Noahsöhnen Sem, Ham und Jafet neu beginnt, um diese universale Urgeschichte auf die eigene Gemeinschaft und den eigenen Kult hin zuzuspitzen. Die Urgeschichte der Menschheit dient als Vorspann zur Geschichte Israels.

1.2 Die Sprache der Schöpfung

Eine in der priesterlichen Bildungstradition ausgefeilte Darstellung (Gen 1,1–2,4) setzt eine Weltschöpfung durch Gottesworte voraus.5 Zehn Schöpfungsworte (ma′ amarôt) zählt man, und sie wurden in der weiteren Folge zu einem schöpfungstheologischen Hauptmotiv.6 Als direkte Gottesrede gelten auch die Proklamation der Zehn Gebote (dibberôt) am Sinai (Ex 20), und dreizehn Wirkungsweisen (middôt) Gottes, die man aus Ex 34,6b–8 herausliest Von daher hat das Hebräische seinen Ruf als Sprache der Schöpfung erhalten. Bis zur Moderne herauf wurden (auch unter Christen) die anderen Sprachen in ihrem Verhältnis zum Hebräischen beurteilt und diesem als der Ursprache nachgeordnet.7 Das Hebräische blieb demgemäß auch die Sprache der religiösen Tradition, insbesondere der gesetzlichen. Die Rolle als Schöpfungssprache gilt auch für die Schrift. Die 22 Schriftzeichen (Konsonanten) des Hebräischen, die zugleich als Zahlzeichen dienen, wurden als Schöpfungspotenzen gedeutet, was eine reiche Buchstaben- und Zahlensymbolik nach sich gezogen hat.8 Die 22 Konsonanten und die Zahlen 1–10 ergeben zusammen die 32 »Wege der Weisheit«, seit der Spätantike eine Grundlage für allerlei Spekulationen. Etwa die Gematrie, wobei der Zahlenwert von Buchstaben, Wörtern, Sätzen und ganzen Texteinheiten errechnet, daraus eine besondere Bedeutung erschlossen und mit der Zahlensymbolik verbunden wird. Solche Vorstellungen waren auch in der Umwelt gang und gäbe,9 das Besondere ihrer jüdischen Anwendung liegt im Bezug auf die Torah als Schöpfungsordnung. Und natürlich standen dabei Buchstaben und Zahlenwerte biblischer Gottesbezeichnungen im Zentrum des Interesses. Heute werden dafür (manchmal bis zum Exzess) die Möglichkeiten der EDV genutzt.

Für Juden blieb das Hebräische folglich die eigentlich angemessene, eigene Sprache,10 andere Sprachen bezeichnete man gern als Fremdsprache (la`az) oder als »ihre Sprache«.

1.3 Die Siebentagewoche und der Sabbat

Die Zahleneinheit Sieben wurde Grundlage für zahlreiche kosmologische und chronographische Ausführungen. Der Schöpfungsvorgang verteilt sich auf sechs Wochentage mit dem siebten Tag als Ruhetag als Abschluss. Im traditionellen liturgischen Jahreszyklus wird die Schöpfung mit dem Neujahrsfest verknüpft.


1. Tag Sonntag Schöpfung von Himmel und Erde, Tohu-wa-Bohu, Urfinsternis, Urlicht, Trennung zwischen Licht und Finsternis
2. Tag Montag Schöpfung des Firmaments und Trennung der Wasser darüber und darunter
3. Tag Dienstag Trennung zwischen Wasser und Festland, Erschaffung der Flora
4. Tag Mittwoch Erschaffung der Gestirne, Beginn der Kalender-Zeitrechnung
5. Tag Donnerstag Erschaffung der Meerestiere und Vögel
6. Tag Freitag Erschaffung der Landtiere und des Menschen
7. Tag Samstag Sabbat = Ruhe(tag). Gedenken der Schöpfung, Vorgeschmack des endgültigen Heilszustandes

1.4 Schöpfungsplan und Naturordnung

Der erste Schöpfungstag impliziert als Tag 1 der Woche, dass davor Sabbat war, ein Ur-Weltensabbat. Man nahm daher später an, dass die Weltgeschichte nach 6 Zeiteinheiten (vor allem 6 Millennien) wieder auf einen Weltensabbat hinausläuft. Die Sabbatzyklen sind also nicht jenem Zeitlauf unterworfen, der mit der Erschaffung der Himmelskörper am 4. Schöpfungstag einsetzt, sie sind vorzeitlich und strukturieren die geschichtliche Zeit auf eine übergeschichtliche Weise, bringen Ewigkeit in die Zeit. Und da die Kultdienstordnung, der Wechsel der Dienstabteilungen, an die Sabbatzyklen gebunden war, gilt auch sie als ewige Ordnung. Symbolik und Festlichkeit der Sabbatfeier erhielten von daher ihre besondere Note (s. Reader, Nr. 2). Auch die Erwähnung der Sabbatheiligung im Schöpfungsverlauf wurde als Hinweis darauf verstanden, dass die Sinai-Torah an sich vor- und überzeitlich ist, denn die Sabbatheiligung gilt als ja eines der Torahgebote vom Sinai und nur für Israel allein verbindlich.

Folglich sprach man von der Torah als Schöpfungsplan, gottverfügter Naturordnung (s. Reader, Nr. 1 und 3), und das Bild von der Torah als Bauplan der Schöpfung war im hellenistischen Judentum wie in der rabbinischen Tradition bekannt. Dies bestimmte auch das Verständnis des ersten Wortes der Bibel (br′ šjt) in Gen 1,1 als »mit Anfang« und nicht als »am Anfang (hat Gott geschaffen)«. Und dieser Anfang ist die Schöpferweisheit, die Torah, der schon in Prov 8,22.30 vorweltliche Existenz zugesprochen wird und in Prov 8,22 r′ šjt drkw, »Anfang Seines Weges« heißt. Folgerichtig hat man angenommen, dass die Torah als Gottes ewige Weisheit und unveränderlicher Wille auch auf Erden nicht aufgehoben oder geändert werden kann.

Drei Motive haben sich von dieser schöpfungstheologischen Voraussetzung her mit dem Begriff Torah verbunden. Das erste ist das Licht, wobei dem Licht des 2. Schöpfungstages – vor der Erschaffung der Himmelskörper am 4. Tag – besondere Bedeutung zukommt.11 Das zweite Motiv ist das Leben, und dazu gehört als drittes das Wasser im Sinne von »Wasser des Lebens/Lebenswasser.« Und selbstverständlich markieren die Gegensätze Finsternis, Tod und Torheit bzw. Unwissenheit, ein Leben ohne oder gar gegen die Torah. Damit war ein relativer dualistischer Ansatz vorgegeben, der jedoch wegen der schöpfungstheologischen Verankerung der Torah zu keinem absoluten Dualismus führen konnte. Die Torah wurde folglich als Lebensordnung und als Leben spendende Kraft begriffen, als Weg zum Leben, im Gegensatz zum Weg, der zum Tode führt. Im Mittelalter hat diese Torah- und Schöpfungstheologie in der Kabbalah ihre intensivste spekulative Ausprägung erfahren.12

Das theologische Konzept einer Torah im Sinne des offenbarten verbindlichen Gotteswillens ist offensichtlich älter ist als die inhaltliche Festschreibung. Schon in Dt 29,38 ist »Offenbares« das jeweils verbindliche, anwendbare Gottesrecht, das »Verborgene« der noch nicht offenbarte, aber vorhandene Gotteswille. Die Annahme, beides zusammen sei der Gotteswille schlechthin, die vollkommene Torah von Ps 19,8 (vgl. Josephus, Contra Apionem 2,184–189) und die Weltordnung, lag schon aufgrund der Kulttheologie mit ihrer Vorstellung von der kosmologischen Relevanz der kultischen Ordnung nahe. Dies alles verlieh der Torah eine universale und schöpfungstheologische Bedeutung, während erwählungstheologisch die Verpflichtung zur Torahverwirklichung auf Israel allein beschränkt blieb.

1.5 Kalender und Zeitrechnung

Weder die Orientierung am Mondlauf noch die Orientierung am Sonnenlauf ergibt eine volle Übereinstimmung mit den astronomischen Umlaufzeiten. Es kam daher zur Entwicklung unterschiedlicher Kalendersysteme, die einander aber nicht unbedingt ausschlossen, denn die Wahl eines Kalenders hing in erster Linie vom Zweck seiner Anwendung ab. Bis in die letzten vorchristlichen Jahrhunderte gab es in Israel auch einen Jahresbeginn im Frühjahr, vor allem in Verbindung mit einem vorrangig sonnenlauforientierten Kultkalender mit 364 Tagen, eingeteilt in 12 Monate zu je 30 Tagen (= 360) + 4 Quartals-Zusatztagen, wobei die Sabbat-bzw. Siebenerzyklen als vorgeschöpfliche Einheiten eine grundlegende Bedeutung für die Zeitrechnung hatten. Und in die Sabbatzyklen waren auch die Priesterdienstzyklen integriert.13

Seit dem 2. Jh. v. Chr. hat sich aber ein lunisolarer Kalender mit Jahresbeginn im Herbst durchgesetzt.14 Die Jahreslänge des durchgesetzten lunisolaren Kalenders richtet sich nach dem Sonnenjahr, der Monat wird nach dem Mondlauf bestimmt (Neumondfest) und zählt teils 29, teils 30 Tage. Die Monate heißen, nach den 4 Quartalen (teqûfôt) angeordnet:


I 1. Tišrî (Sept/Okt) 2. ešwan (Okt/Nov) 3. Kislew (Nov/Dez)
II 4. Ţebet (Dez/Jan) 5. Šebaţ (Jan/Febr) 6. ′Adar (Febr/März)
III 7. Nisan (März/Apr.) 8. `Ijjar (Apr/Mai) 9. Sîwan (Mai/Juni)
IV 10. Tammûz (Juni/Juli) 11. ′Ab (Juli/Aug) 12. ′Elûl (Aug/Sept)

Zum Ausgleich bedarf es eines Schaltmonats (Adar II) in jedem 7. Jahr. Der große Nachteil gegenüber dem alten 364-Tagekalender besteht darin, dass er kein feststehender Kalender war und die Neumondbestimmung bis in die späte Antike nur durch Beobachtung und anhand von Augenzeugen möglich war.

Die Wochentage werden nach ihrer Position zum folgenden Sabbat als dem »siebenten Tag«, mit Tag eins (Sonntag) sechs (Freitag) bezeichnet. Als liturgisch-halakisch maßgeblicher Tagesbeginn gilt der Vorabend, von alters her nach dem Erscheinen von mindestens drei Sternen; heute wird der Beginn im Voraus errechnet und publiziert. Die heilige Zeit des Sabbat oder eines Feiertags wird von der profanen zu Beginn mit dem Qiddûš (»Heiligung«) und zum Ausklang mit der Habdalah (»Trennung«) getrennt und in den betreffenden Benediktionen auf die Schöpfung und die Trennung zwischen Licht und Finsternis sowie zwischen Israel und den Völkern Bezug genommen.

Auf der Basis der 7-Tage-Woche (6 Wochentage + 1 Sabbat) wurden größere Siebenereinheiten konstruiert: Die Jahrwoche (sieben Jahre). Das siebente Jahr gilt teils als Brachjahr (keine Bestellung der Felder), teils als Erlassjahr. Die Jobelperiode zählt 7 Jahrwochen = 49 Jahre. Im 50. Jahr sollen die alten Familienbesitzverhältnisse wiederhergestellt werden und eine Sklavenfreilassung stattfinden, was eine symbolische Bedeutung als Vorwegnahme der endgeschichtlichen Befreiung bewirkt hat. Der Zeitabschnitt von 10 Jobelperioden (490 Jahre), also 70 Jahrwochen, diente in alter Zeit mit der Jobelperiode selbst als Mittel chronographischer Darstellungen.

Die traditionelle Zählung der Jahre ab der Schöpfung der Welt wurde durch die Vorstellungen von Weltzeitaltern und von Millennien (1000-Jahr-Perioden) angeregt, vor allem durch die biblische Folge von sechs bzw. sieben Schöpfungstagen, die man gemäß Ps 90,4 (tausend Jahre sind vor Dir wie ein Tag) als Millennien deutete. Auf dieser Basis wurden in Anlehnung an die biblischen Angaben über die Generationenfolgen schon in der Antike Schöpfungschronologien und die Dauer der Weltzeit überhaupt errechnet. Im Mittelalter wurde eine Zählung üblich, die als ersten Schöpfungstag den 7. Oktober 3760 v.Chr. voraussetzt. Das ergibt als Millenniumsdaten: 1000 = 2760 v.Chr.; 2000 = 1760 v.Chr.; 3000 = 760 v.Chr.; 4000 = 240 n.Chr.; 5000 = 1240 n.Chr.; 6000 = 2240 n.Chr. Weil aber das jüdische Jahr im Herbst beginnt, überlappen sich die beiden Jahre etwas, das Jahr 5768 nach der Schöpfung entspricht also unserem Kalenderjahr 2007/8 (von Herbst zu Herbst). Ab 5000 wird die Jahrtausendangabe meist nicht angegeben (also 767 für 5767), man nennt dies die »kleine Zählung«. Für die Umrechnung jüdischer Jahresdaten stehen eigene Nachschlagewerke zur Verfügung.15

Die von der Schöpfungsvorstellung her motivierte Buchstaben- und Zahlensymbolik und die Bemühungen um die Erstellung einer kalendarischen Ordnung, einer Zeitrechnung und einer Metrologie im Einklang mit den kosmischen Gegebenheiten sind Merkmale der jüdischen Religion geblieben. Was immer man dafür auch aus der Umwelt übernommen hat, es wurde der Torah untergeordnet, auch die Astrologie und die moderne Naturwissenschaft, denn nicht die Schöpfung bzw. die Natur selbst liegt im Brennpunkt des Interesses, sondern die Torah als dahinter stehende Schöpfungs- und Naturordnung.16

1.6 ′älohîm und JHWH

Israels Gott wurde zwar vom babylonischen Exil an als einziger Gott überhaupt proklamiert, aber die biblischen Gottesnamen und Gottesattribute haben immer für Spekulationen und Diskussionen gesorgt (s. Reader, Nr. 7.1–2). Zu geläufigen Umschreibungen wurden auch »der Ort« und »der Himmel« und sehr häufig wurde Gott durch sein Wort oder durch seine Gegenwart (šekînah) und dergleichen ersetzt. Das erweckte gelegentlich den Eindruck, dass zwei oder gar mehr göttliche Mächte oder neben Gott noch Engelwesen am Werk waren und sind, eine jenseitige Gottheit und eine Schöpfermacht, ein verborgener und ein sich (Israel) offenbarender Gott.17

Der erste, priesterliche Schöpfungsbericht verwendet die Gottesbezeichnung ′älohîm. Das ist ein Plural (von ′ äah), der auch »Götter« heißen kann, zumeist aber wie ′ el für den Begriff Gott allgemein steht. Im Lauf der Zeit wurde ′ älohîm ganz bewusst mit Gottes Schöpferrolle und Richterrolle verbunden, während der Name JHWH (das »Tetragramm«) dem gnädigen Gott gilt, der sich Mose bzw. Israel offenbart hat. Die beiden Bezeichnungen sind aber nur zwei von vielen. Manche antiken Quellen setzen für JHWH die Aussprache mit den Vokalen a – e voraus, was eine Verbalform im Kausativ (jahwäh: ruft ins Dasein, verursacht Seiendes) ergibt. Besser bezeugt ist die Lautfolge a – u (Jahû), die durch alte griechische Übersetzungen sowie durch theophore Namensformen wie Netanjahu/Jehonatan etc. gestützt wird. Schon in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten ersetzte man die Aussprache von JHWH durch jene von ′ aDoNaJ »Herr« (Murmelvokal – o – a), griechisch kyrios (artikellos wie ein Eigenname), später auch durch »der Name« oder »der Ewige«. Im Mittelalter wurde JHWH mit den Vokalzeichen von `adonaj (»Herr«) punktiert, was von Christen missverstanden wurde und den Namen Jehovah verursacht hat.

In Ex 3,14 beantwortet Gott die Frage des Mose nach dem Namen mit ′ähjäh ′ ašär ,ähjäh, wörtlich übersetzt, etwa: »Ich werde sein, der ich sein werde«. Man hat den Nahmen JHWH von diesem Verb hjh (werden, sein) her zu erklären versucht. Und weil es in Ex 3,14 danach heißt: »′ähjäh hat mich zu euch geschickt«, wurde auch ,ähjäh für sich als Gottesname verstanden. In der Kabbalah bezeichnete man damit die erste Sefirah, die erste Wirkungsweise bzw. Seinsstufe, die aus der verborgenen Gottheit emaniert, und aus der wieder alle weiteren neun Sefirot und alles darunter emanieren, während JHWH für die zentrale sechste Sefirah verwendet wurde, ′ el für die vierte Sefirah (absolute Güte) und ′ älohîm für die fünfte h(absolute Strenge), ′ ädonaj (Herr) für die zehnte.

1.7 Die Erschaffung des Menschen, die Gottebenbildlichkeit und die Natur des Menschengeschlechts

Der priesterliche Schöpfungsbericht setzt die Erschaffung des Menschen auf den letzten Tag der Schöpfungswoche an, den Freitag. Gen 1,26 spricht dem Menschen eine stellvertretende Herrschaftsfunktion über die Schöpfung zu, daher fungiert als Abbild bzw. Repräsentation des Herrschers. Und zwar Mann und Frau zusammen, als »männlich und weiblich«, ohne erkennbare Abstufung (Gen 1,26 f) und als Abschluss der mit »sehr gut« bewerteten Schöpfung (Gen 1,31).18 Diese schöpfungsmäßige Gleichheit begründete aber keine sozialrechtliche Gleichstellung, denn in der kultischen Tradition wurde die Position der Frau gegenüber jener des Mannes merklich herabgestuft. In der älteren und noch recht mythisch gestalteten Schöpfungserzählung (Gen 2,4b–25) erscheint Eva von vornherein als ein dem Adam beigeordnetes Geschöpf. Rolle und Status der Frau konnten im Judentum daher schöpfungstheologisch nicht einheitlich begründet werden.

Der Sündenfall im Paradies führt zum Verlust der Ebenbildlichkeit, die im Gehorsam gegenüber Gottes Willen begründet ist, und darum wird vorausgesetzt, dass die Torah-Offenbarung am Sinai die Ebenbildlichkeit für Israel(iten) potentiell wiederbringt (s. Reader, Nr. 3).

Der Begriff Ebenbild Gottes setzt aber nicht nur die Gottähnlichkeit des Menschen, sondern auch die Menschenähnlichkeit Gottes voraus, und das verursachte heftige Auseinandersetzungen. Ihre Verfechter wussten sich v. a. durch die prophetischen Visionsberichte in Jes 6 und in Ez 1–3 bestätigt, in denen Gott bzw. die Erscheinung seiner Gegenwart (kabôd, später: šekînah) im Heiligtum als überdimensionale Königsgestalt thront. Doch gab es schon früh Tendenzen, Gottes Übermenschlichkeit und Überweltlichkeit deutlicher hervorzuheben, und biblische Passagen, in denen Gott körperliche und psychische Eigenschaften und Verhaltensweisen (Anthropomorphismen und Anthropopathismen) zugeschrieben werden, als bildliche Rede zu verstehen. Für die Volksfrömmigkeit verbürgte eine solche Redeweise zusammen mit der Vorstellung eines persönlichen Gottes die Gottesnähe. Wann immer aber unter Juden philosophische Bildung zum Zug kam, wurde der Widerspruch zur Vorstellung einer transzendenten Gottheit bewusst und entsprechend thematisiert. Im 13./14.Jh. n.Chr. entbrannten darüber so heftige Kontroversen, dass es fast zu einem Schisma kam. Der Kabbalah des Mittelalters gelang es, diesen Konflikt aufzulösen, indem sie an der absoluten Transzendenz der Gottheit selbst festhielt und die anstößigen biblischen Aussagen auf die aus der transzendenten Gottheit emanierenden zehn Sefirot (Wirkungskräfte der Gottheit) bezog. Damit konnte der Wortsinn der betroffenen Bibeltexte unbeschadet der anderen (drei) Schriftsinne beibehalten werden.

1.8 Paradies und Sündenfall

Der »sehr gute« Urzustand, versinnbildlicht durch den Garten von Eden, wird durch die Übertretung des göttlichen Gebots beendet.19 In der Folge muss sich der Mensch durch Arbeit ernähren, mit unsicherem Erfolg, weil der Acker verflucht ist, und wegen der eingetretenen Sterblichkeit muss er sich – mit besonderen Risiken für die Frau – fortpflanzen. Das aber wird nicht nur auf das erste Menschenpaar zurückgeführt, denn da war noch die Schlange, im späteren Verständnis der Satan, eine Macht, die den Menschen versucht und verleitet.20 Die neuen Zwänge des Daseins, das Wissen um Gut und Böse, somit die Notwendigkeit moralischer Entscheidungen und die Unentrinnbarkeit der Verantwortung bestimmen die menschliche Existenz nach dem missglückten Versuch, »wie Gott« zu werden. Kennzeichnend für diesen neuen Normalzustand ist der Brudermord Kains an Abel und die Rückführung zivilisatorischer »Errungenschaften« auf die Kainiter. Der stufenweise Niedergang der Menschheit wird überdies auch mit abnehmenden Lebensalterdaten markiert.

In alter Zeit hat man von zwei Geistern gesprochen, die im Menschen um den Menschen ringen und zwischen denen man sich entscheiden muss, auch wenn sehr viel einfach vorgegeben bzw. determiniert ist, vor allem auch durch den Einfluss der Gestirnsmächte.21 In der talmudischen Literatur begegnet dafür die Rede von zwei Veranlagungen, einem guten und einem schlechten Trieb (jeçär ţôb und jeçär ra`), wobei der »schlechte Trieb«, wenn er im Torahgehorsam unter Kontrolle gehalten wird, auch positiv zur Wirkung gebracht werden kann, nämlich im Sinne berechtigter Selbsterhaltung und gebotener Fortpflanzung. Mittel und Wegweisung bei solchen Entscheidungen, die Grundlage des jüdischen Ethos, ist natürlich die Torah.22

Die Paradieserzählung mit dem Sündenfall (Gen 2–3) und der Totschlag des Kain an seinem Bruder Abel (Gen 4,1–16) markieren die Zäsur zwischen dem »sehr guten« Urzustand und den späteren Verhältnissen.23 Die ersten Errungenschaften der Zivilisation und die Gründung von Städten, im Alten Orient ein festes Thema, wurden in der Bibel im Rahmen des Kainiterstammbaums aufgeführt (4,17–24) und skeptisch beurteilt; zusammen mit fragwürdigen Künsten wie Magie, Kosmetik und Waffentechnik.24 Diese zunehmende Verderbnis wurde freilich auch durch übermenschliche Mächte mitverursacht (Gen 6,1–4; vgl. Hen 6–11; Buch der Giganten).25 Schließlich endet die schematisch konstruierte Generationenfolge von Adam bis Noah (Gen 5) beinahe in der Sintflut (Gen 6–9), ebenfalls ein altes, weit verbreitetes Motiv.26 Die Bewertung der Urgeschichte ist also vernichtend: einzig Noah überlebt mit seiner Familie die Katastrophe. Alles Weitere steht schöpfungstheologisch gesehen nicht mehr unter dem Prädikat »sehr gut«, doch für Israel bietet die Torah einen Heilsweg und begründet die Hoffnung auf eine Restitution des Urzustandes am Ende der Geschichte bzw. die Erwartung einer Neuschöpfung.

1.9 Das Wissen der Vorzeit

Abgesehen vom Kainiterstammbaum (Gen 4,17 ff) behaupten Überlieferungen, die in Gen 6,1–4 knapp angedeutet und in anderen Kontexten (wie Hen 1–36) breiter ausgeführt werden, dass die Entwicklung der Menschheit maßgeblich durch ein Wissen bestimmt wird, das ambivalent bis negativ zu werten ist. Vor allem, weil ein Teil dieses Wissens durch gefallene Engel vermittelt wurde. Dem gegenüber stehen positive Wissenstraditionen, die von der Urzeit her über die Sintflut hinweg weitergegeben werden konnten. Auch dies beruht auf verbreiteten altorientalischen Vorstellungen.27 Das positive Wissen wurde teils von Adam her über Set weitergegeben, teils auf den Urvater Henoch (Gen 5,21–24; Jub 4,16–26; Henoch-Bücher), der sie von seinem Aufenthalt in himmlischen Regionen mitgebracht haben soll. Dahinter steht der Anspruch einer Bildungselite, von Schreibern, die vorrangig an Heiligtümern wirkten, also an Orten, deren mythische Qualität sowieso eine enge Beziehung zwischen himmlischem und irdischem Kultpersonal voraussetzte. Die Henochfigur wurde für die Folgezeit zum Inbegriff einer Bildungstradition, für die überirdischer Ursprung und eine Kontinuität von der Urzeit her behauptet wird.28 Henochs Lebensjahre, 365, entsprechen der Zahl der Tage des natürlichen Jahres fast genau, in den Kalendersystemen war aber diese schlecht teilbare Zahl nicht praktikabel anwendbar. Man wusste um diesen richtigen Sachverhalt und damit auch um die Unzulänglichkeit der gängigen Systeme. Der Gedanke, dass die Urverderbnis der Menschen eine gewisse Unordnung in der Schöpfungsordnung bewirkt hat, lag also nahe. Umso wichtiger erschien die Kontinuität einer Tradition dank einer genealogischen Reihe von Auserwählten, die das positive Urwissen kennen, das mit der »vollkommenen Torah« in eins fällt und auf »himmlischen Tafeln« von ewig her und auf immer festgeschrieben ist. Es ging dabei nicht nur um Spekulationen, sondern um die Begründung und Verteidigung von bestehenden Ordnungen und Ansprüchen. Das hat einen gewissen Zwang zur Systematisierung mit sich gebracht und in der Folge zu mehr oder weniger geschlossenen Weltbildern geführt. In der Spätantike bot die Stoa dafür Parallelerscheinungen, die man kaum als fremd empfinden konnte.

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