Kitabı oku: «Judentum», sayfa 3

Yazı tipi:

Mit der Gleichsetzung von Weisheit und Torah wird postuliert, dass alles Wissen aus der Torah als der Schöpfungsordnung stammt. Das hatte zwei gegenläufige Tendenzen zur Folge, die eine ist exklusiv, möchte sich mit der eigenen Überlieferung begnügen und lehnt alle »fremde« Weisheit ab, die andere ist inklusiv, begreift die fremde Weisheit als ursprüngliche Torahinhalte, die in die Völkerwelt geraten sind, und befürchtet in deren Annahme keinen Fremdeinfluss. In diesem Sinne wurden heidnische Philosophen wie Plato und Aristoteles sogar als Schüler des Mose bezeichnet und das Studium ihrer Werke als gebotene Wiedergewinnung von verlorenem, eigenem Bildungsgut gewertet. Die Spannung zwischen den beiden Tendenzen, die jener zwischen dem Hebräischen und der »fremden« Sprache entspricht, kennzeichnet die gesamte jüdische Kultur- und Geistesgeschichte.29

2. Neubeginn und erneute qualitative Differenzierung

2.1 Der Noahbund und die sieben noachidischen Gebote

Noah anerkennt die Gnade Gottes mit dem Bau eines Altars und einem Opfer, also mit einer Kultgründung. Von daher wurde erschlossen, dass es eine für alle Menschen mögliche und angemessene Gottesverehrung gibt. Gott verheißt, die Erde wegen der Menschen in Zukunft nicht mehr so heimzusuchen, was dann laut Gen 9,8–12 in einem »Bund« besiegelt wurde. Die Verheißung, die Schöpfung in Zukunft zu erhalten, schließt nach manchen Auslegern die Forderung nach entsprechendem umweltgemäßem Verhalten auch des Menschen ein.30 Das Hauptanliegen gilt indes auch hier der Torah. Um das Tun und Lassen der Nichtjuden als verantwortbares Handeln ahnden zu können, wird Noahs Kultgründung mit einer Bundesverpflichtung ergänzt. Gen 9 setzt mit einem göttlichen Segen für Noah und dessen Söhne ein, der die Aussagen in Gen 1,28–30 aufnimmt und der neuen Situation anpasst. Gott sagt die Herrschaft über die belebte Schöpfung zu, die Erlaubnis Fleisch (nicht aber Blut) zu essen, und stellt das Vergießen von Menschenblut unter Todesstrafe. Man hat schon in der talmudischen Literatur von Geboten Gottes gesprochen, die bereits vor der Torahoffenbarung am Sinai allen Menschen gegeben wurden (s. Reader, Nr. 4). Diese sog. sieben Gebote Noahs enthalten bemerkenswerter Weise das Gen 9,7 ausdrücklich erwähnte Vermehrungsgebot nicht, das allein auf Israel bezogen wird.

Als noachidische Gebote wurden schließlich festgehalten: die Verbote von (1) Götzendienst und (2) Gotteslästerung, (3) Blutvergießen, (4) Diebstahl, (5) Inzest, sowie (6) des Genusses von rituell nicht zulässigem Fleisch. Und dazu kommt noch (7) das Gebot zur Einrichtung einer gerechten Rechtsordnung. Dieses Konzept einer Uroffenbarung, die alle Menschen verpflichtet und einer Verantwortung unterwirft, spielt im jüdischen Denken und im jüdischen Recht eine grundlegende Rolle bei der Bestimmung des Verhältnisses zur nichtjüdischen Welt.31 Die traditionelle Aufzählung wird in der Moderne meist modifiziert. Dabei kommt dem Gebot zur Erstellung einer gerechten Rechtsordnung ein besonderes Gewicht zu, weil die Existenz einer solchen für die meist in vielen Ländern und Staaten zerstreut lebenden, auf die Torah verpflichteten Juden die Möglichkeit eines modus vivendi bietet.

Der monotheistische Anspruch wird nicht auf Grund philosophischer und theologischer Überlegungen gestellt, sondern für den Gott Israels, und dieser Unterschied zwischen einem – wenn auch richtig – erdachten Gott und dem lebendigen Gott der Heilsgeschichte Israels wurde von Zeit zu Zeit immer wieder betont. Da ein monotheistischer Anspruch selten als solcher, also nur theoretisch, angemeldet wird, sondern fast durchwegs durch eine organisierte Religion oder/und eine politische Macht, wird davon das Verhältnis zur nichtmonotheistischen Umwelt in hohem Maß belastet. Im Fall des Judentums ist dieses Konfliktpotential noch größer, denn es handelt sich um den Anspruch einer Minorität für seinen Gott als den Gott überhaupt, und auf Grund der Torahtheologie wird auch noch ein Anspruch auf Vorrang und die Forderung nach Gottesherrschaft (Theokratie) verbunden. Die Konkurrenz zwischen Torahgeltung und einer fremden Rechtsordnung war stets gefahrenträchtig, das Konzept einer allgemein akzeptablen Rechtsordnung konnte das Risiko begrenzen. So setzt ausgerechnet das Judentum, das sich selbst durch die Torah heteronom bestimmt und gebunden weiß, mit dem Konzept der noachidischen Gebote für Nichtjuden die Verpflichtung bzw. die Chance einer so gut wie autonomen Rechtssetzung voraus. Allerdings wurde betont, dass die Rechtsaufsicht bei Israel liegen soll. Auch die beiden ersten Gebote des Dekalogs, die Götzendienst und Gotteslästerung verbieten, setzen eigentlich eine monotheistische Universalreligion voraus, doch man verstand darunter eher eine Aufforderung zur Anerkennung des Gottes Israels als des einzigen Gottes. Die Konsequenz war, dass man Nichtjuden, welche die noachidischen Gebote auf sich nehmen, Anteil am endgültigen Heilszustand zuerkennt. Nichtjuden müssen und sollen nicht zum Judentum übertreten und die ganze Torah auf sich nehmen. Hingegen wird für die Endperiode der Geschichte, für die Zeit der messianischen Herrschaft, sehr wohl erwartet, dass alle Menschen ihre angestammten Religionen aufgeben und die sieben noachidischen Gebote auf sich nehmen, so die Autorität der Torah grundsätzlich und den Gott Israels praktisch als den einzigen Gott anerkennen. Da Muslime beschnitten werden und die rituelle Schlachtmethode des Schächtens befolgen, stand ihre Anerkennung als Noachiden außer Frage. Christen wurden hingegen lange als götzendienstverdächtig eingeschätzt und erst in der Neuzeit, aber wegen der Trinitätslehre und Christologie mit Vorbehalt, allgemein als Monotheisten anerkannt.

Die Spannung zwischen schöpfungs- und erwählungstheologischer Sicht wird auch an der Wertung des individuellen menschlichen Lebens deutlich. Das Problem begegnet in einer unterschiedlichen Textüberlieferung des berühmten Satzes: »Wer ein Menschenleben (aus Israel) rettet/vernichtet, der rettet/vernichtet eine ganze Welt«. Die Passage ist mehrfach überliefert, teils mit, teils ohne »aus Israel«, und wird dementsprechend gegensätzlich verwendet (s. Reader, Nr. 4d). Das Verbot des Blutvergießens ist als noachidisches Gesetz allgemeinverbindlich, aber das betrifft ebenso wie das Dekalogverbot des Tötens nur die ungesetzliche Tötung, schließt also die Exekution von Todesstrafen und das Töten im Krieg nicht aus. Wer einem Israeliten an Leib und Leben Schaden zufügt, begeht allerdings ein gewichtigeres Verbrechen, und im jüdischen Recht wird darum auch häufig in diesem Sinne differenziert. In Bezug auf einen Israeliten gilt daher das spezielle Gebot der Lebensbewahrung (piqqûa näfäš) und das Verbot der Unterlassung von Hilfeleistung bzw. der Verletzung der Beistandspflicht (Lev 19,16). Die Lebensbewahrung hat sogar Vorrang vor Gebotserfüllungen, Lebensgefahr verdrängt z. B. das Gebot der Arbeitsruhe am Sabbat. Der Lebensbewahrung dient auch das Konzept der Notwehr (nach Ex 22,1), und von daher wurde auch die Berechtigung einer präventiven Verteidigung zum Schutz des Volkes und des Landes Israel abgeleitet.

2.2 Der ethnogeographische Raum der Heilsgeschichte

Die Söhne Noahs, Sem, Ham und Jafet, gelten als Stammväter der Menschheit, doch mit einer geschichtlich folgenreichen, qualitativ abgestuften Wertung. Sem ist der Erbe der positiven alten Traditionen. Jafet steht ihm näher als Ham, dessen Nachkommenschaft über seinen Sohn Kanaan in Gen 9,26 f mit dem Stigma der Versklavung behaftet wird und das bis in die Moderne auch bleibt.32 Die drei Noahsöhne verteilen die Welt unter sich auf, die sog. »Völkertafel« in Gen 10 teilt die Menschheit entsprechend ein und verteilt sie geographisch auf, und die Geschichte vom Turmbau zu Babel (Gen 11,1–9) begründet auch noch die Entstehung der sprachlichen Vielfalt.

Die Zuweisung der Siedlungsgebiete für Semiten, Jafetiten und Hamiten, wie sie in Gen 10 vorliegt, entspricht einer ethno-geographischen Situation im 8./7. Jh. v.Chr. Im Lauf der Zeit wurde diese »Völkertafel« wiederholt neuen Verhältnissen angepasst, um das Verhältnis des eigenen Volkes zur Völkerwelt und damit auch den eigenen Lebensraum zu bestimmen.33 Das geschah immer von einem Blickwinkel aus, der das Heiligtum in Jerusalem als Zentrum der Welt voraussetzt, von da aus das Land Israel definiert, und die weitere und nähere Nachbarschaft so wie die ganze jeweils bekannte Welt nachordnet. Es ist das klimatisch günstigste Gebiet, das den Nachkommen Sems zuteil wird, und innerhalb dieses geographischen Raumes erhält dann auch Israel seinen zugewiesenen Platz. Auf dieses Ziel hin führt die Generationenfolge von Sem bis Abram/Abraham.

Sem wurde übrigens mit Melchizedek von Gen 14,18–20 identifiziert, dem Priesterkönig von Salem, worunter man Jerusalem verstand. Melchizedek galt in diesem Sinne als Urtyp der engeren Jerusalemer Tempelpriesterschaft und schließlich auch als ihr überirdischer Repräsentant.34 Und die Szene der Zehententrichtung in Gen 14,18–20 diente als Begründung der kultischen Abgabenordnung, die damit noch vor der Offenbarung und Kultgründung am Sinai angesetzt wird.

3. Bund und Erwählung

3.1 Der Abrahamsbund. Die Erwählung und das Bundeszeichen der Beschneidung

Laut Gen 12 befahl Gott dem Abraham, ins Land Kanaan zu ziehen. Die Konstruktion der Genealogie auf Abraham hin und danach von Abraham aus über Isaak, Jakob und die Jakobssöhne begründet »Israel« vorweg, eine Größe, die historisch erst viel später zustande kam.

Zeichen dieses Bundes zwischen Abraham und Gott (Gen 15 und 17) ist die Beschneidung der männlichen Israeliten, der erste wichtige Ritus im Lebenszyklus (s. Teil IV 6.1). Inhalt dieses Bundes ist die Verheißung einer Nachkommenschaft über Isaak/Jakob (s. Reader, Nr. 5) und der Besitz des Landes. Das Land Israel und darin wieder Jerusalem/Zion, die »Stadt des Heiligtums«, bilden mit der Torah, deren eigentlicher Geltungsbereich das Land Israel darstellt, den zentralen Bezugspunkt für alle traditionsbewussten Juden (s. Reader, Nr. 11).

Gebot und Praxis der Beschneidung implizieren eine vorrangige Stellung des Mannes. Und dem entspricht auch seine erbrechtliche Stellung, insbesondere die Sonderstellung des erstgeborenen Sohnes. Nur der Mann ist auf die volle Torahpraxis verpflichtet, er gilt mit dem 13. Lebensjahr als bar miçwah (Gebotspflichtiger), was die zweite wichtige Station im Lebenszyklus (s. Teil IV 6.4) bedeutet. Im Reformjudentum wurde für die Töchter eine entsprechende Feier eingeführt und man spricht von einer bat miçwah. Traditionell ist der Mann – insbesondere in seiner Rolle als Familienoberhaupt – für die Erfüllung der religiösen Pflichten der Seinen verantwortlich. Und das, obwohl bereits in der Antike als Jude nur anerkannt wurde, wer von einer jüdischen Mutter abstammt. Die schöpfungstheologische Begründung des Verhältnisses von Mann und Frau (Gen 1,27) wird also durch eine erwählungstheologische ergänzt und differenziert. Die Kultgründung am Sinai (s. u.) bringt eine weitere, kultisch-rituelle Differenzierung von großer sozialer Reichweite mit sich.

Die Bestimmung der Frau besteht so gesehen in erster Linie in der Erfüllung ihrer Rolle als Mutter, indem sie ihrem Mann zur Erfüllung des Fortpflanzungsgebots verhilft, dadurch die Kontinuität der Erwählungsgemeinschaft garantiert, und einen – nicht zuletzt auch religiös – intakten Hausstand gewährleistet. Das bedeutet im Alltag eine durchaus gewichtige Funktion, die auch unternehmerische Qualitäten erfordert (vgl. Prov. 31,10–21), und nach dem traditionellen Bildungsideal gilt es darüber hinaus, dem Mann möglichst viel freie Zeit zum Studium der Torah (s. u.) zu verschaffen.35 Nur in Ausnahmefällen erreichten Frauen selber eine dem männlichen Bildungsziel der Torahgelehrsamkeit vergleichbare Kompetenz.36 Hinsichtlich profaner Bildungsinhalte blieb der Frau aber ein weit größerer Spielraum, weil nur der Mann zum vollen Torahgehorsam verpflichtet ist. Das moderne Frauenbild hat auch im Judentum dieses traditionelle Rollenverständnis weithin in Frage gestellt.37

Die für den Bestand der Erwählungsgemeinschaft zentrale Bedeutung der Rolle der Frau und die Bindung der Zugehörigkeit zum Judentum an eine jüdische Mutter bedingt eine eher negative Einstellung zu nichtjüdischen Frauen.38 Eine Mischehe ist grundsätzlich unmöglich, eine Nichtjüdin muss also zuerst zum Judentum konvertieren, bevor ein Jude mit ihr eine nach jüdischem Recht gültige Ehe eingehen kann. Heutzutage sehen sich die Gemeinden allerdings mit einer wachsenden Zahl von Mischehen konfrontiert.39 In Kreisen des modernen Reformjudentums hat sich in diesen Fragen eine relativ liberale Praxis durchgesetzt, was aber den Abstand zu den orthodoxen Gemeinschaften vergrößert.

Man kann im Einzelfall auch Israelit bzw. Jude werden, also sich zum Judentum bekehren und so Mitglied sowohl der religiösen wie ethnischen Größe »Israel« werden.40 Ein solcher ger çädäq oder »Proselyt« (griechisch: »Hinzugekommener«) muss sich vom »Fremdkult« lossagen, sich beschneiden lassen, ein rituelles Tauchbad (»Proselytentaufe«) nehmen und dann die erste Kultteilnahme bzw. Gebotserfüllung vollziehen; danach gilt er als ein »Sohn Abrahams«. Missioniert wurde kaum, aber die Haltung nichtjüdischen Personals erforderte zumindest dessen teilweise Bekehrung zum Judentum, um eine korrekte rituelle Praxis im jüdischen Haushalt zu gewährleisten.

In der Tradition wurde Abraham zum ersten Philosophen und zum ersten Monotheisten stilisiert.41 In seiner Heimat Ur in Mesopotamien entdeckte er die Nichtigkeit der Götzen und wurde dafür unter Nimrod, dem ersten in einer Reihe gottfeindlicher Herrscher, beinahe zum Märtyrer. Im verheißenen Land errichtet er Altäre für den Kult seines Gottes und begründet den wahren Gottesdienst bzw. den Kult des wahren und einzigen Gottes. Dabei nahm er Gebote der Sinai-Torah vorweg, der an sich vorzeitlichen Torah. Abraham wird bei Juden, Christen und Muslimen als Vater des wahren Gottesglaubens geehrt.42

Nach Gen 22 hat Gott Abraham auf die Probe gestellt, indem er ihm befahl, seinen »einzigen« Sohn, Isaak (im Islam: Ismael), als Ganzbrandopfer darzubringen. Und da Abraham gehorsam war, durfte er anstelle seines Sohnes einen Widder darbringen. In der jüdischen Tradition diente diese Geschichte als Kultätiologie des Sühnopferkults am Jerusalemer Tempelberg, den bereits 2 Chr 3,1–2 mit dem Berg Moria gleichsetzte. An der Stelle dieses Altars soll sich zudem das Grab Adams befinden und christliche Legenden verknüpfen damit auch noch Golgotha. Schon in der Spätantike verbanden sich mit der Opferszene, die auch in Fußbodenmosaiken von Synagogen auftaucht, Motive der Martyrologie. Isaak soll bereits erwachsen gewesen sein und sich dem Gebot Gottes freiwillig gefügt haben. Im Mittelalter kam es gelegentlich zu Selbstmord- und Tötungsaktionen zur Vermeidung von Zwangsbekehrungen. Diese grausame Szenerie wurde als `aqedah verstanden und in einer eigenen liturgischen Gedichtgattung beschrieben, was die emotionale Komponente verstärkt hat. Gen 22,1–24 wird im täglichen Morgengebet rezitiert und dient als Festlesung am Tag II des Neujahrsfestes.

3.2 Abrahams Söhne und Enkel

Mit Abraham und seinen unmittelbaren Nachkommen erreicht der heilsgeschichtliche Verlauf nach Sem eine zweite Verengung, doch die Nachkommenschaft besteht noch nicht aus Erben der Verheißung allein, denn der Ahnherr hatte Kinder von mehr als einer Frau: (1) Ismael, Sohn der Magd Hagar, gilt als Stammvater der Araber und symbolisiert später die islamische Weltmacht. Als geläufige Metapher dafür diente »Wildesel« (pärä′) aus Gen 16,12. Im Islam wird darum die Abrahamsgestalt entsprechend hoch verehrt. (2) Isaak, Sohn der Sarah, gilt als der erste Erbe der Verheißung. Doch auch Isaak hatte zwei Söhne, Zwillinge, (1) den Erstgeborenen Esau und (2) den jüngeren Jakob. Esau verkaufte seine Rechte als Erstgeborener (Gen 25,29–34) dem Jakob, bereute es jedoch und grollt diesem seither.

Esau gilt als Stammvater von Edom, Seit dem 1.Jh. n.Chr. diente der Name Edom als Bezeichnung für das Römische Reich, später auch für die christliche Weltmacht bzw. für das Christentum überhaupt.

Jakob, mit dem Alternativnamen »Israel«, wurde (Gen 29–30) zum Stammvater der gleichnamigen 12 Stämme Israels: Reuben, Simeon, Levi, Juda, Issachar, Sebulon (Kinder der Lea, dazu als Tochter Dinah); Josef bzw. Manasse und Efraim, Benjamin (Rahel-Söhne); Dan, Naftali (Bilha-Söhne); Gad, Ascher (Zilpa-Söhne).

Der Jakobssohn Levi gilt als Ahnherr des Jerusalemer Kultpersonals insgesamt. Er ist als solcher ebenfalls schon vor der Sinaioffenbarung im Amt, und seine Investitur erfolgte nach Jub 32 im Himmel. Er empfing von Jakob die Urtraditionen und gab sie seinen Nachkommen weiter. Der priesterliche Autoritäts- und Vorranganspruch wird damit ganz gezielt vor der Torahoffenbarung angesetzt, als vor- und überzeitlich ausgewiesen, in Analogie zur vorzeitlichen Torah, zum Sabbatzyklus und zur Priesterdienstordnung.

4. Das Exil im »Sklavenhaus« Ägypten und der Auszug unter Mose (Ex 1–15)

Der nach jüdischer Zeitrechnung im Jahr 2666 angesetzte »Exodus«, hebräischer Sippen aus Ägypten wurde in der Tradition zur Basis einer Befreiungs- und Erwählungsgeschichte der gesamten Jakobsnachkommenschaft »Israel« und zum Modell für Zukunftshoffnungen. Liturgisch wird der Exodus im jährlichen Päsach-Matzot-Fest vergegenwärtigt (s. Teil IV). Das Kollektivbewußtsein der Erwählungsgemeinschaft ermöglicht eine Identifizierung über alle Generationen hinweg: Jeder Israelit soll sich am Päsach-Abend (s. Reader, Nr. 6) so fühlen, als wäre er damals persönlich dabei gewesen. Der Pharao des Exodus, der mit seinem Streitwagenheer in den Fluten des Meeres versank, wurde nach Nimrod zum zweiten Typus des gott- und israelfeindlichen Herrschers. Und da Israel in Ägypten versklavt war, wurde die Befreiung durch den Exodus auch als Befreiung durch Gott und als Erwerb durch Gott verstanden. Israel gilt von daher als Gottes Volk im Sinne eines Sondereigentums (segûllah). Folglich ist im Unterschied zu ′ älohîm (Gott) der Gottesname JHWH auch der besondere Name des Gottes Israels. Aber wie dieses »Tetragramm« JHWH zugleich mit der Gottheit selbst von aller Schöpfung abgehoben wird, wird auch Israel von den anderen Völkern abgehoben.

5. Offenbarung bzw. Bundesschluss und Kultstiftung am Sinai (Ex 19ff)

5.1 Die Offenbarung durch Mose

Das Ziel des Exodus ist der Gottesberg, die Offenbarung der Torah und die Kultgründung durch Mose; und am Wochenfest, 50 Tage nach dem Päsachfest, wird dieses Ereignis liturgisch vergegenwärtigt. Erst am Sinai ist nach jüdischer Tradition Israel erst richtig als Gottesvolk konstituiert worden, und zwar als ein heiliges Volk unter priesterlichlevitischer Herrschaft (Ex 19,5). Gott habe damals dem Mose während 40 Tagen und Nächten eine Schriftliche Torah (im biblischen Pentateuch) diktiert, 248 Gebote (entsprechend der Zahl der Körperteile des Menschen) und 365 Verbote (nach der Anzahl der Tage des Jahres), und ihn außerdem eine Mündliche Torah gelehrt, die in der rabbinischen Tradition enthalten ist.43

Diese Torah wird dem Volk Israel allein und kollektiv als Erwählungsverpflichtung auferlegt, als Grundlage für alles weitere jüdische Recht (halakah) (s. Reader, Nr.8).44

Die Dekaloggebote (s. Reader, Nr. 8e) gelten als Teile der Schriftlichen Torah, ohne Sonderstatus, um eine Abwertung andere Torahinhalte zu vermeiden.45 Manchmal wurde der Dekalog allerdings auch als Inbegriff der Torah dargestellt, oder es wurde versucht, alle Torahgesetze aus ihm abzuleiten bzw. die gesetzliche Tradition anhand der Zehn Gebote zu ordnen. Auch eine gewisse Einwirkung der hohen Wertung in der christlichen Umwelt ist festzustellen,46 aber nur im Reformjudentum ist es zu einer besonderen Hervorhebung des Dekalogs gekommen.47 Die beiden ersten Dekalogverbote, das Verbot der Verehrung anderer Gottheiten und das Bilderverbot,48 haben für die jüdische Religion allerdings grundsätzliche Bedeutung und die beiden Dekalogtafeln wurden zu einem geläufigen Bildsymbol für die Torah.

Den Gott Israels als den einzigen Gott zu bekennen, die Torah als ewig geltende Offenbarung zu bewahren und sie zu praktizieren, und sich von allem abzugrenzen, was mit Fremdkult bzw. Götzendienst zu tun hat, sind die Hauptanliegen dieses Gesetzes (s. Reader, Nr. 10). Die jüdische Tradition sieht aber in der Sinaiszene keinen Glaubensinhalt, sondern ein durch alle damals anwesenden Israeliten (600.000) bezeugtes historisches Faktum.

Der Levi-Nachkomme Mose tritt in einer dreifachen Funktion in Erscheinung: (1.) als Torah-Offenbarer/Gesetzgeber, und in dieser Rolle wird ihm unmittelbare göttliche Offenbarung zuteil, während normale Propheten nur vermittelte Offenbarungen empfangen; (2.) Als Kultgründer (Priester), und (3.) als militärisch-politischer Anführer Israels. Noch zu Lebzeiten verteilt Mose diese Aufgaben für die Zukunft auf mehrere Instanzen. Sein Bruder Aaron wird zum Priester geweiht und seine Nachkommen erhalten mit der Kultgründung die priesterliche Funktion als erbliche Aufgabe zugeteilt; die anderen Levi-Nachkommen dienen als Leviten in kultischen und staatlichen administrativen Funktionen. Wie schon anhand der Figuren des Melchizedek (Gen 14,18–20) und des Jakobsohnes Levi vorgezeichnet, ist diese Kultdienerschaft als Institution urzeitlich und himmlisch verankert. Sie überdauert daher Heiligtumszerstörungen und steht auch heute noch für einen dritten Tempel und eine Wiederaufnahme des Kultbetriebes bereit.49

Josua übernimmt die politisch-militärische Führungsrolle, und auch die Torah-Offenbarerfunktion wird zunächst für diese – sozusagen staatliche – Seite in Konkurrenz zur priesterlichen beansprucht. Im Mittelalter wurden die drei Funktionen als die des Propheten, Philosophen und Staatsmannes definiert. Hinter diesen Funktionen tritt Mose als Person eher zurück.50

Mit Ex 32 wird zwischen der Herabkunft des Mose vom Berg und der Übermittlung der (ersten) Dekalogtafeln und der Torah an Israel die Episode vom goldenen Kalb eingeschoben, die auslegungsgeschichtlich und theologisch eine enorme Nachwirkung hatte, auch in der christlich-jüdischen Auseinandersetzung.51 Dieses Versagen des ungeduldigen Volkes und sogar Aarons wurde als Ursache für nicht angemessenes Funktionieren der religiös-kultischen Institutionen verstanden und auch andere negative Konsequenzen wurden damit begründet. Nur die Autorität des Mose und das Eingreifen seiner levitischen Gefolgsleute haben eine Katastrophe am Sinai verhindert.

Israels Verhalten am Sinai wurde in der Tradition als ambivalent empfunden und beschrieben. Einerseits wird die vorauseilende Bereitwilligkeit der Israeliten zur Torahpraxis hervorgehoben, wie sie die Wortfolge hören und tun in Dt 5,27 andeutet, im Gegensatz zu den Völkern, denen die Torah auch angeboten worden war. Nach anderen Aussagen hat Gott am Sinai sein Eigentumsvolk zur Annahme der Torah gezwungen. Torahgehorsam wird einerseits als Aufsichnehmen des Joches der Gottesherrschaft bezeichnet, andererseits als Auftrag verstanden, dem man sich nicht entziehen kann, in jedem Fall auch als Mittel der Befreiung von den Folgen des Sündenfalls und als Schutz vor den Fährnissen dieser Welt. Auch das Verhältnis zwischen Israel und seinem Gott konnte daher je nach Kontext als eines zwischen Herrn und Knechten oder zwischen Vater und Söhnen beschrieben werden.52

5.2 Die Kultstiftung

5.2.1 Kultstätte und erwählter Kultort

Am Sinai wird zwar der Kult Israels initiiert, aber örtlich ist dieser an Jerusalem und sein Heiligtum gebunden. Wie jeder Altarbau der Patriarchen gilt auch die Zelt-Wohnstatt Gottes (Ex 25 ff laut Ex 35 ff) nur als vorläufiges Heiligtum. Der eigentliche und im Land Israel einzig zulässige Kultort ist Jerusalem, der »Ort, den der HERR sich erwählt«; alle anderen Kultstätten, auch solche in Militärlagern, sind vorläufige Kultorte oder von untergeordneter Bedeutung.

5.2.2 Heiligkeit, rituelle Reinheit und Unreinheit

Mit dem kultischen Denken eng verbunden sind Vorstellungen von Heiligkeit und ritueller Reinheit (s. Teil IV, 2).53 Gott ist heilig schlechthin, was ihm zugehört, muss heilig sein, sei es eine Sache oder eine Person. Gott verheißt Israel, in seiner Mitte einzuwohnen, und zwar im Heiligtum, seine Gegenwart ist vorrangig eine kultische.

Im Brennpunkt des Kultes steht das Allerheiligste im Tempel mit der kultischen Gegenwart Gottes, seinem kabôd (später: šekînah). Von da aus erstrecken sich konzentrisch abgestufte Heiligkeitsbereiche, über den Priesterbereich und Altarbereich im Tempel, die Tempelhöfe, die Stadt des Heiligtums (Jerusalem/Zion), die umwallten Städte im Land, bis an die Grenzen des Landes (s. Reader, Nr. 9). Der Status der Heiligkeit bzw. rituellen Reinheit ist somit abgestuft, es gibt im Zentrum Allerheiligstes bzw. Hochheiliges. Und Dinge und Personen, die damit in Berührung kommen, müssen ebenfalls den entsprechenden Heiligkeitsgrad aufweisen, d. h.: den entsprechenden Grad ritueller Reinheit. Trifft das zu, ist die Sache bzw. die Person für das entsprechend Heilige kašer (tauglich) bzw. geeignet oder zulässig; andernfalls ist es unrein und verunreinigt das Heilige, bzw. macht es untauglich. Zu wissen, was verboten und was erlaubt ist, gehört darum zu den Grundvoraussetzungen der Religionspraxis. Hochgradige Unreinheit ist gewissermaßen ansteckend, es verunreinigt nicht nur beim Erstkontakt, sondern darüber hinaus. Die höchsten Unreinheitsgrade verursachen Götzendienst, Leichname und Aussatz, derartige Verunreinigungen bedürfen daher einer siebentägigen Reinigungsprozedur, geringere erfordern zur Reinigung nur drei Tage, leichte nur einen Tag, mit dem Sonnenuntergang als Abschluss, wobei Waschen der Kleider und ein Vollbad die wichtigsten Voraussetzungen bilden. Zur Zeit des Tempels gehörte zum Abschluss des Rituals eine Opferdarbingung.54

Heilig sind auch kultisch relevante Zeiten; der Sabbat und die Feiertage sind heilig und erfordern entsprechendes Verhalten, z. B. Arbeitsruhe. Folgerichtig besteht ein Grundanliegen der jüdischen Religion in der Abgrenzung von allem, was rituell unrein ist, vor allem vom Götzendienst und von den Götzendienern, aber auch von Israeliten, die ihre Bundesverpflichtungen bewusst verletzen (s. Reader, Nr. 10.2).

5.2.3 Kultfähigkeit und Kultgemeinschaft

Die kultische Institution hatte auch weitreichende Auswirkungen auf das Bild und die Rollenverteilung von Mann und Frau. Die Kultdienerschaft (Priester und Leviten) stellt eine Kaste dar, in der nur (diensttaugliche) Männer zum Kultdienst zugelassen sind und in der die Berufsbestimmung nach der männlichen Abstammung vererbt wird. Die Frau gilt wegen der periodischen und gebärbedingten Blutungen als zeitweilig unrein (niddah), durfte im Heiligtum nur den äußeren Hof (Frauenvorhof) betreten und hat sich auch im Alltag möglichst abseits zu halten. Erst Reformjudentum und z.T. auch konservatives Judentum haben diese kultisch bedingten Einschränkungen relativiert.

Da die Torah als Schöpfungsordnung gilt, entspricht eine torahgemäße Lebensweise dem Schöpferwillen und der Naturordnung. Aber allein Israel ist zum Torahgehorsam, zum Gottes-Dienst, erwählt, aus allen Völkern, und damit es so bleibt, muss es sich mittels dieser Reinheitsgesetze auch von den Völkern absondern (s. Reader, Nr. 10). Und wenn innerhalb Israels Differenzen aufbrachen, dienten kultisch-rituelle Abgrenzungsvorschriften auch zur Markierung der Gruppenpositionen. Ursprünglich auf den Kult beschränkte Regelungen sind nach der Zerstörung des Tempels konsequent auf das Leben aller Israeliten ausgedehnt worden, mit sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen, in der Umwelt stets ein Anlass zu Misstrauen und Anfeindung. Durch die Befolgung der Torahvorschriften wird Israel geheiligt. Dingliche Heiligkeit und personale Erwählungsheiligkeit sind von diesem kultischen Weltbild aus nicht zu trennen, erst das Reformjudentum hat die kultische Sichtweise aufgegeben und die personale, ethische Heiligung verabsolutiert. Dingliche und personale Heiligkeit wurden dabei wie in der christlichen Polemik gern gegeneinander ausgespielt, doch das kultische System setzt trotz aller betriebsartigen Merkmale durchaus eine angemessene Intention der Kultteilnehmer voraus, und das gilt für die Torahfrömmigkeit insgesamt: Die Forderung nach der rechten kawwanah (inneren Ausrichtung) spielt darum in der Erbauungsliteratur eine prominente Rolle.55 Von geringer Bedeutung ist demgegenüber die Rolle von Einzelpersonen als typenhafter Verkörperung von Heiligkeit,56 denn die Erfüllung der Erwählungsaufgabe ist eben Sache des Kollektivs als einem heiligen Volk und einer jeden Gemeinde für sich als einer heiligen Gemeinde Israels.

6. Der Wüstenzug

Aus den Erzählungen über die 40 Jahre der Wüstenwanderung (Lev-Num), deren Vergegenwärtigung am Sukkot-Fest bzw. Laubhüttenfest im Herbst liturgisch begangen wird, haben zwei Episoden eine nachhaltige Bedeutung erlangt.

Der Krieg mit Amalek (Ex 17,8–16): Der Esau-Enkel Amalek wurde zum Typus des jeweils aktuellen Todfeindes Israels.57 Seine Vernichtung und die Austilgung jeder Erinnerung an ihn ist verbindliche Pflicht (Dt 25,17–19).

Der Tod des Priesters Aaron und die Einsetzung seines Sohnes Eleazar als Nachfolger (Num 20,22–29) setzt zwar die Erbfolge schon voraus, aber diese wird noch einmal durch den Zelotismus des Priesters und Heerführers Pinchas (Num 25) genauer definiert, und dabei ist von einem Priesterbund die Rede. Pinchas wird neben dem Propheten Elias zum Vorbild für zelotisches Handeln im Fall eines Rechtsnotstandes. Demgegenüber erfolgt – teilweise konkurrierend – die Einsetzung des nicht aus dem Stamm Levi stammenden Josua als Nachfolger des Mose in dessen politisch-militärische Funktion (Num 26,12–23). Diese herrscherliche Gewalt ist delegierte Gewalt, Josua wird (Num 27,19) durch den Priester Eleazar eingesetzt. Die Spannung zwischen priesterlichem Vorranganspruch und königlich-staatlicher Gewalt kennzeichnet die jüdische Geschichte bis zur Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n.Chr. Danach tritt an die Stelle des priesterlichen Anspruchs und der priesterlichen Torah-Kompetenz der Anspruch der rabbinischen Torahgelehrsamkeit. So blieb diese Spannung eigentlich weiter erhalten, und im modernen Staat Israel kommt sie auch wieder institutionell verankert zur Wirkung.

₺609,68