Kitabı oku: «Goethes Briefe an Leipziger Freunde», sayfa 4
III
Franckf. am 30. Dec. 68.
Meine beste, ängstliche
Freundinn
Sie werden ohne Zweifel zum neuen Jahre, durch Hornen die Nachricht von meiner Genesung erhalten haben; und ich eile es zu bestättigen. Ja meine Liebe, es ist wieder vorbey, und inskünftige müssen Sie Sich beruhigen wenn es ja heissen sollte: Er liegt wieder! Sie wissen meine Constitution macht manchmal einen Fehltritt, und in acht Tagen hat sie sich wieder zurechte geholfen; diesmal war's arg, und sah noch ärger aus als es war, und war mit schröcklichen Schmerzen verbunden. Unglück ist auch gut. Ich habe viel in der Kranckheit gelernt, das ich nirgends in meinem Leben hätte lernen können. Es ist vorbey und ich binn wieder ganz munter, ob ich gleich drey volle Wochen nicht aus der Stube gekommen binn, und mich fast niemand besucht, als mein Docktor, der Gott sey Danck ein liebenswürdiger Mann ist. Ein närrisch Ding um uns Menschen, wie ich in munterer Gesellschafft war, war ich verdrüsslich, jetzt binn ich von aller Welt verlassen, und binn lustig; denn selbst meine Kranckheit über, hat meine Munterkeit meine Famielie getröstet, die gar nicht in einem Zustande war, sich, geschweige mich zu trösten. Das Neujahrslied, das sie auch werden empfangen haben, habe ich in einem Anfall von groser Narrheit gemacht, und zum Zeitvertreibe drucken lassen.47 Übrigens zeichne ich sehr viel, schreibe Mährgen, und binn mit mir selbst zufrieden. Gott gebe mir das neue Jahr was mir gut ist, das geb er uns allen, und wenn wir nichts mehr bitten als das; so können wir gewiß hoffen dass er's uns giebt. Wenn ich nur biss in Aprill komme, ich will mich gern hinein schicken lassen. Da wird's besser werden hoffe ich, besonders kann meine Gesundheit täglich zunehmen, weil man nun eigentlich weiss was mir fehlt. Meine Lunge ist so gesund als möglich, aber am Magen sitzt was. Und im Vertrauen man hat mir zu einer angenehmen vergnüglichen Lebensart Hoffnung gemacht, so dass meine Seele sehr munter und ruhig ist. Sobald ich wieder besser binn, werde ich ausgehen in fremde Lande, und es soll nur auf Sie und noch jemand ankommen, wie bald ich Leipzig wiedersehen soll; Inzwischen dencke ich nach Franckreich zu gehen, und zu sehen wie sich das französche Leben lebt, und um französch zu lernen. Da können Sie Sich vorstellen was ich ein artiger Mensch seyn werde, wenn ich wieder zu Ihnen komme. Manchmal fällt mir's ein, dass es doch ein närrscher Streich wäre, wenn ich trutz meiner schönen Projeckten vor Ostern stürbe. Da verordnete ich mir einen Grabstein, auf dem Leipziger Kirchhof, dass ihr doch wenigstens alle Jahr am Johannes, als meinem Nahmens Tag, das Johannismännchen, und mein Denkmal besuchen möget.48 Wie meynen Sie?
Empfelen Sie mich Ihren Eltern zu beständiger Freundschafft, Küssen Sie Ihre liebe Freundinn, und dancken Sie ihr für den Anteil den Sie an mir nimmt; ich werde bald an sie schreiben.
Ihre Nachbarinn bedaur' ich; sollte das nicht den grösten Strich in die Rechnung des verliebten Paars machen? Die armen Leute! Sie sind in grosser Noth, und unser Herr Gott mag ihnen helfen oder nicht, so werden sie's ihm nicht dancken, das werden Sie erleben, und darnach sagen Sie: hat's Goethe nicht gesagt. Es ist gar zu ein gros Ding um den Ehstand heut zu Tage, und kein's von beyden, wenigstens gewiß, eins von beyden, hat nicht für einen Sechser Überlegung. Heiliger Andreas, komm, und tuh ein Wunder, oder es giebt eine Sau. NB. dass niemand den Artickel sieht als wem er nütz ist. Leben Sie wohl meine Liebe, ich binn, kranck wie Gesund
ganz der IhrigeGoethe
IV
Franckfurt am 31 Jan.1769
Heute oder Morgen, es ist einerley wann ich schreibe, wenn Sie nur erfahren wie's mit mir ist. Es muss besser in Leipzig seyn als hier. Es schreibt weder Horn noch Sie, noch ein anderer; vielleicht habt ihr Bälle und Fastnachts Schmäusse, zu der Zeit da ich im Elend sitze. Traurig Carnaval. Seit vierzehn Tagen, sitz ich wieder fest. Im Anfange dieses Jahrs, war ich auf Parole losgelassen, das bissgen Freyheit ist auch wieder aus, und ich werde wohl noch ein Stückgen Februar im Käfigt zubringen. Denn Gott weis wenn's alle wird, ich binn aber ganz ruhig darüber, und ich hoffe, Sie werden es auch seyn. Den dritten März binn ich schon ein Halbjahr hier, und auch schon ein Halbjahr kranck, ich habe an dem Halbenjahr viel gelernt. Ich dencke Horn soll die Zeit über auch mehr gelernt haben, wir werden einander nicht mehr kennen, wenn wir einander wiedersehen. Gewiß Horn hat nicht halb so viel Lust mich zu sehn als ich ihn. Der gute Mensch soll aus Leipzig, und hat kein Blut gespien. Das mag schwer seyn. Sie sind so lustig, sagte ein sächsischer Officier zu mir, mit dem ich den 28 Aug. in Naumburg zu Nacht ass, so lustig und haben heute Leipzig verlassen. Ich sagte ihm, unser Herz wisse offt nichts von der Munterkeit unsers Bluts. Sie scheinen unpässlich, fing er nach einer Weile an. Ich binns würklich, versetzt ich ihm, und sehr, ich habe Blut gespien. Blut gespien, rief er, ja, da ist mir alles deutlich, da haben sie schon einen grosen Schritt aus der Welt getahn, und Leipzig musste ihnen gleichgültig werden, weil sie es nicht mehr geniessen konnten. Getroffen, sagt ich, die Furcht vor dem Verlust des Lebens, hat allen andern Schmerz erstickt. Ganz natürlich, fiel er mir ein, denn das Leben bleibt immer das erste, ohne Leben ist kein genuss. Aber fuhr er fort, hat man ihnen nicht auch den Ausgang leicht gemacht. Gemacht? fragt' ich, wie so. Das ist ja deutlich, sagte er, von Seiten der Frauenzimmer; Sie haben die Mine, nicht unbekanndt unter dem schönen Geschlecht zu seyn. – Ich bückte mich für's Compliment. – Ich rede wie ich's meyne, fuhr er fort, sie scheinen mir ein Mann von Verdiensten, aber sie sind kranck, und da wette ich zehen gegen nichts, kein Mädgen hat sie beym Ermel gehalten. Ich schwieg, und er lachte. Nun sagte er und reichte mir die Hand übern Tisch, ich habe zehen Thaler an sie verlohren, wenn sie auf ihr Gewissen sagen: Es hat mich eine gehalten. Top sagt ich Hr. Captain und schlug ihm in die Hand, Sie behalten ihre Zehen Tahler. Sie sind ein Kenner, und werfen ihr Geld nicht weg. Bravo, sagt er, dann seh ich dass sie auch Kenner sind. Gott bewahre sie darinn, und wenn sie wieder gesund werden, so werden sie Nutzen von dieser Erfahrung haben. Ich – und nun ging die Erzählung, seiner Geschichte los die ich verschweige, ich sass und hörte mit Betrübniss zu, und sagte am Ende, ich sey confundirt, und meine Geschichte und die Geschichte meines Freunds Don Sassafras, hat mich immer mehr von der Philosophie des Hauptmanns überzeugt.
Unglücklicher Horn! Er hat sich immer so viel auf seine Waden eingebildet, jetzt werden sie ihm zum Unglück gereichen. Lasst ihn nur lebendig weg.49 Satt sehen könnt ihr euch noch an ihm, denn er ist der letzte Franckfurter in Leipzig, der gerechnet wird, und wenn der fort, da könnt ihr warten biss ihr wieder einen zu sehen kriegt. Doch tröstet euch, ich komme bald wieder.
Du lieber Gott, jetzt binn ich wieder lustig, mitten in den Schmerzen. Wenn ich auch nicht so munter wäre wie wollt ich's aushalten? Fast zwey Monat, an einem fort ganz eingesperrt.
Leben Sie wohl beste Freundinn, grüssen Sie Ihre Eltern, und ihre Freundinn, und wenn Sie einmal schreiben, so berichten Sie mir wie die Glieder der ehemahligen Sonntägigen Gesellschafft jetzt unter einander stehen. Lieben Sie mich
kranck oder gesundbiss an den TodtIhr Freund Goethe
V
Franckf. am 1sten Juni 1769.
Meine Freundinn.
Aus Ihrem Brief an Hornen50 habe ich Ihr Glück, und Ihre Freude gesehen, was ich dabey fühle, was ich für eine Freude darüber habe, das können Sie Sich vorstellen, wenn Sie Sich noch vorstellen können, wie sehr ich Sie liebe. Grüssen Sie Ihren lieben Docktor, und empfelen Sie mich Seiner Freundschafft. Warum ich so lange nicht geschrieben habe, das könnte wohl strafbar seyn wenn Sie meine Briefe mit Ungedult erwartet hätten; das wusste ich aber, und drum schrieb ich nicht, es war bissher eine Zeit für Sie, da ein Brief von mir so wenig Ihrer Aufmercksamkeit werth war als die Erlanger Zeitung und alles zusammengenommen, so binn ich doch nur ein abgestandener Fisch, und ich wollte schwören – Doch ich will nicht schwören, Sie möchten glauben es wäre mein Ernst nicht. Horn fängt an sich zu erholen, wie er ankam, war gar nichts mit ihm zu thun. Er ist so zärtlich, so empfindsam für seine abwesende Ariane dass es komisch wird. Er glaubt im Ernste was Ihr Brief ihm versichert dass Constantie51 bleich für Kummer geworden wäre. Wenns auf's bleich werden ankommt, so sollte man dencken er liebte nicht starck denn er hat röthere Backen als jemals.52 Wenn ich ihm versichere Fiekgen würde sich an ihrer Freundinn Exempel spiegeln, und nach und nach einsehen lernen pp, so flucht er mir den Hals voll, und schickt mich mit meinen Exemplen zum Teufel, er schwört dass die Buchstaben der Zärtlichkeit die seine mächtige Liebe in ihr Herz geschrieben unauslöschlich seyn. Der gute Mensch bedenckt nicht dass Mädgen Herzen nicht Marmor seyn dürffen. Das liebenswürdigste Herz ist das welches am leichtsten liebt, aber das am leichtesten liebt vergisst auch am leichtsten. Doch er denckt daran nicht, und hat recht, es ist eine grässliche Empfindung seine Liebe sterben zu sehen. Ein unerhörter Liebhaber ist lange nicht so unglücklich als ein verlassener, der erste hat noch Hoffnung, und fürchtet wenigstens keinen Hass, der andre, ja der andre – wer einmal gefühlt hat was das ist aus einem Herzen verstossen zu werden das sein war, der mag nicht gerne daran dencken geschweige davon reden.
Constantie ist ein gutes Mädgen, ich wünsch ihr einen Tröster; keinen von den leidigen, die sagen: Ja, es ist nun einmal so, man muss sich zufrieden geben; sondern so einen Tröster, der einem durch die Sache tröstet, indem er einem alles wieder ersetzt was man verlohren hat.53 O sie wird nicht lange eines mangeln. Geben Sie drauf acht liebe Freundinn, wenn Sie jemand sehen der sie so führt, und mit ihr spazieren geht, und – nun das wissen Sie ja was alles dazugehört, woran man merckt, dass es nicht just ist; so schreiben Sie mir's, Sie können Sich leicht vorstellen, warum es mich freuen wird.
Meine Lieder sind immer noch nicht gedruckt, ich wollte Ihnen gerne wenn sie fertig wären, ein Exemplar davon schicken; aber ich habe nur niemanden in Leipzig dem ich es auftragen könnte. Wenden Sie die Paar Groschen die sie kosten werden an mich, und lassen Sie manchmal Petern eins spielen, wenn Sie an mich dencken wollen. Wie ich die Lieder machte, da war ich ein andrer Kerl als ich jetzt binn. Das arme Füchslein! Wenn Sie sehen sollten was ich den ganzen Tag treibe, es ist ordentlich lächerlich.
Das Schreiben wird mir sauer, besonders an Sie. Wenn Sie es nicht apart befehlen so kriegen Sie keinen Brief wieder vor dem October. Denn meine liebe Freundinn ob Sie mich gleich Ihren lieben Freund und manchmal Ihren besten Freund nennen, so ist doch um den besten Freund immer ein langweilig Ding. Kein Mensch mag eingemachte Bohnen so lang man frische haben kann. Frische Hechte sind immer die besten, aber wenn man fürchtet, dass sie gar verderben mögen, so salzt man sie ein, besonders wenn man sie verführen will. Es muss Ihnen doch komisch vorkommen wenn Sie an all die Liebhaber dencken, die Sie mit Freundschafft eingesalzen haben, grose und kleine, krumme und grade, ich muss selbst lachen wenn ich dran dencke. Doch Sie müssen die Correspondenz mit mir nicht ganz abbrechen, für einen Pöckling binn ich doch immer noch artig genug.54
Apropos dass ich's nicht vergesse, da schicke ich Ihnen was, machen Sie „mit“ was Sie wollen, entweder für Sie auf den Kopf, oder für jemand anders um die Hände. Das Halstuch und der Fächer sind noch nicht um einen Fingerbreit weiter. Sehen Sie, ich binn aufrichtig, wenn ich was mahlen will so bleibt mir's im Hals stecken. Nur in Frühlingstagen schneiden Schäfer in die Bäume, nur in der Blumenzeit bindet man Kränze, Verzeihen Sie mir, die Erinnerung ist mir zu traurig, wenn ich das für Sie thun soll was ich gethan habe ohne mehr zu seyn als ich binn.
Ich habe Ihnen immer gesagt dass mein Schicksaal von dem Ihrigen abhängt. Sie werden vielleicht bald sehn wie wahr ich geredet habe, vielleicht hören Sie bald eine Nachricht die Sie nicht vermuthen. Grüßen Sie Ihre lieben Eltern, und wer zu Ihrer Familie gehört. Empfelen Sie mich dem Obereinnehmer.55 Ich binn so viel als möglich
Ihr ergebenster FreundG.
VI
F. d 26. Aug. 1769
Meine liebe Freundinn,
Ich dancke Ihnen für den Anteil den Sie an meiner Gesundheit nehmen, und ich muß Ihnen zum Troste sagen, dass das letzte Gerücht von meiner Kranckheit, eben nicht so ganz gegründet war, ich befinde mich erträglich, freylich manchmal weniger als ich es wünschen mögte. Sie können Sich vorstellen dass es nichts als Indisposition war, warum ich Ihnen so lange nicht geschrieben habe, vielleicht werden bald andre Ursachen Sie abhalten mir zu schreiben. Es ist sonderbar, heut vor einem Jahre sah ich Sie zum letztenmal, es ist ein närrisches Ding um ein Jahr, was alles sein Gesicht in einem Jahre verändert; ich wette wenn ich Sie wiedersehen sollte, ich kennte Sie nicht mehr. Vor drey Jahren hätte ich geschworen es würde anders werden als es ist. Man soll für nichts schwören behaupte ich. Es war eine Zeit da ich nicht fertig werden konnte mit Ihnen zu reden, und jetzt will all mein Witz nicht hinreichen, eine Seite an Sie zu schreiben. Denn ich kann mir nichts dencken was Ihnen angenehm seyn könnte. Wenn Sie mir einmal schreiben, dass Sie glücklich sind, dass Sie ohne Ausnahme glücklich sind, das wird mir angenehm seyn. Glauben Sie das? Horn lässt Sie grüssen, er ist unglücklicher als ich. Wie aber alles wunderlich ausgetheilt ist, so hilft ihm seine Narrheit sehr zur Cur von seiner Leidenschafft. Leben Sie wohl liebe Freundinn, Grüssen Sie mir die l. Mutter und Peter. Ich binn heute unerträglich. Wenn ich in Leipzig wäre, da sässe ich bei Ihnen und machte ein Gesicht. Wie Sie sich dergleichen Specktackel noch erinnern können. Doch nein, wenn ich jetzt bey Ihnen wäre, wie vergnügt wollte ich leben. O könnte ich die dritthalb Jahre zurückrufen. Kätgen, ich schwöre es Ihnen liebes Käthgen ich wollte gescheuter seyn.
G.
VII
Franckfurt am 12 Dec. 1769.
Meine liebe, meine theure Freundinn,
Ein Traum hat mich diese Nacht erinnert, daß ich Ihnen eine Antwort schuldig binn. Nicht als wenn ich es so ganz vergessen hätte, nicht, als wenn ich nie an Sie dächte, nein meine Freundinn, jeder Tag sagt mir was von Ihnen und von meinen Schulden. Aber es ist seltsam, und es ist eine Empfindung die Sie vielleicht auch kennen werden, die Erinnerung an Abwesende, wird durch die Zeit, nicht ausgelöscht, aber doch verdeckt. Die Zerstreuungen unsres Lebens, die Bekanntschafft mit neuen Gegenständen, kurz jede Veränderung unsres Zustandes, thun unsrem Herzen das was Staub und Rauch einem Gemählde thun, sie machen die feinen Züge ganz unkenntlich, dass man nicht weiss wie es zugeht. Tausend Dinge erinnern mich an Sie, ich sehe tausendmal Ihr Bild, aber so schwach, und offt mit so wenig Empfindung, als wenn ich an jemand fremdes gedächte, es fällt mir offt ein, dass ich Ihnen eine Antwort schuldig binn, ohne dass ich den geringsten Zug empfinde Ihnen zu schreiben. Wenn ich nun Ihren gütigen Brief lese, der schon etliche Monate alt ist, und Ihre Freundschafft sehe, und Ihre Sorge für einen Unwürdigen, da erschröcke ich vor mir selbst, und empfinde erst, was für eine traurige Veränderung in meinem Herzen vorgegangen seyn muss, dass ich ohne Freude dabey seyn kann, was mich sonst in den Himmel gehoben haben würde. Verzeihen Sie mir das! Kann man einem Unglücklichen verdencken dass er sich nicht freun kann. Mein Elend hat mich auch gegen das Gute stumpf gemacht, was mir noch übrig bleibt. Mein Körper ist wieder hergestellt, aber meine Seele ist noch nicht geheilt, ich binn in einer stillen unthätigen Ruhe, aber das heisst nicht glücklich seyn. Und in dieser Gelassenheit, ist meine Einbildungskrafft so stille, dass ich mir auch keine Vorstellung von dem machen kann was mir sonst das liebste war. Nur im Traum erscheint mir manchmal mein Herz wie es ist, nur ein Traum vermag mir die süssen Bilder zurückzurufen, so zurückzurufen dass meine Empfindung lebendig wird, ich habe es Ihnen schon gesagt, diesen Brief sind Sie einem Traume schuldig. Ich habe Sie gesehen, ich war bey Ihnen, wie es war, das ist zu sonderbaar als dass ich es Ihnen erzählen möchte. Alles mit einem Wort, Sie waren verheurahtet. Sollte das wahr seyn? Ich nahm Ihren lieben Brief, und es stimmt mit der Zeit überein; wenn es wahr ist, o so möge das der Anfang Ihres Glückes seyn.
Wenn ich uneigennützig darüber dencke, wie freut das mich, Sie, meine beste Freundinn, Sie, noch vor jeder Andern, die Sie beneidete, die Sich mehr dünckte als Sie, in den Armen eines liebenswürdigen Gatten zu wissen, Sie vergnügt zu wissen, und befreyt von jeder Unbequemlichkeit, der ein lediger Stand, und besonders Ihr lediger Stand ausgesetzt war. Ich dancke meinem Traum dass er mir Ihr Glück recht lebhafft geschildert hat, und das Glück Ihres Gatten, und seine Belohnung dafür dass er Sie glücklich gemacht hat. Erhalten Sie mir seine Freundschafft, dadurch dass Sie meine Freundinn bleiben, denn, auch biss auf die Freunde müssen Sie jetzt alles gemein haben. Wenn ich meinem Traum glauben darf, so sehen wir einander wieder, aber ich hoffe noch sobald nicht, und was an mir liegt will ich seine Erfüllung hinauszuschieben suchen. Wenn anders ein Mensch etwas wider das Schicksaal unternehmen kann. Ehmals schrieb ich Ihnen etwas räthselhafft, von dem was mit mir werden würde. Jetzt läßt sich's deutlicher sagen, ich werde den Ort meines Aufenthalts verändern, und weiter von Ihnen wegrücken. Nichts soll mich mehr an Leipzig erinnern, als etwa ein ungestümmer Traum, kein Freund der daher kömmt, kein Brief. Und doch mercke ich, dass mich es nichts helfen wird. Geduld, Zeit und Entfernung, werden das thun was sonst nichts zu thun vermag, sie werden jeden unangenehmen Eindruck auslöschen, und unserer Freundschafft, mit dem Vergnügen, das Leben wiedergeben, dass wir uns nach einer Reihe von Jahren, mit ganz andern Augen, aber mit eben dem Herzen wiedersehen werden. Biss dahin leben Sie wohl. Doch nicht ganz biss dahin. Binnen Einem viertel Jahre, sollen Sie noch einen Brief von mir haben, der Ihnen den Ort meiner Bestimmung, die Zeit meiner Abreise melden wird, und Ihnen das zum Überfluss noch einmal sagen kann was ich Ihnen schon tausendmal gesagt habe. Ich bitte Sie mir nicht mehr zu antworten, lassen Sie mir's durch meinen Freund sagen, wenn Sie noch was an mich haben sollten. Es ist das eine traurige Bitte, meine beste, meine Einzige von Ihrem ganzen Geschlechte, die ich nicht Freundinn nennen mag, denn das ist ein nicht bedeudtender Tittul gegen das was ich fühle. Ich mag Ihre Hand nicht mehr sehen, so wenig als ich Ihre Stimme hören mögte, es ist mir leid genug dass meine Träume so geschäfftig sind. Sie sollen noch Einen Brief haben; das will ich heilig halten, und von meinen Schulden will ich einen Theil abtragen, den andern müssen Sie mir noch nachsehen. Dencken Sie, wir kämen ja aus aller Konnexion wenn ich diesen letzten Punckt noch richtig machte.
Das grosse Buch das Sie verlangen sollen Sie haben. Es freut mich dass Sie dieses von mir verlangt haben, es ist das herrlichste Geschenck das ich Ihnen geben könnte, ein Geschenck das mein Andencken am längsten, und am würdigsten bey Ihnen erhalten wird.
Kein Hochzeitgedicht kann ich Ihnen schicken, ich habe etliche für Sie gemacht, aber entweder, druckten Sie meine Empfindungen zu viel oder zu wenig aus. Und wie konnten Sie von mir zu einem freudigen Feste ein würdiges Lied begehren. Seit – ja seit langer Zeit, sind meine Lieder so verdrüsslich, so übel gestellt als mein Kopf, wie Sie an den meisten sehen können, die schon gedruckt sind, und an den übrigen auch sehen werden, wenn sie gedruckt werden sollten.
Hagedornen und einige andere Bücher werde ich Ihnen ehstens schicken, möchten Sie ein Gefallen an diesem liebenswürdigen Dichter finden wie er es verdient. Übrigens empfelen Sie mich Ihrer lieben Mutter, dem nunmehr nicht mehr kleinen Bruder, der ohnezweifel ein starcker Musickus geworden seyn wird. Grüßen Sie mir alle lieben Freunde, und erneuern Sie mein Andencken, einigermassen um Sich her.
Leben Sie wohl, geliebteste Freundinn, nehmen Sie diesen Brief, mit Liebe und Gütigkeit auf, mein Herz mußte doch noch einmal reden, zu einer Zeit, wo ich nur durch einen Traum von der Begebenheit benachrichtiget war, die mir es hätte verbieten können. Leben Sie tausendmal wohl, und dencken Sie manchmal an die zärtlichste Ergebenheit
IhresGoethe.
Sie hatte im Mai Horn ihre Verlobung mit Dr. Kanne angezeigt. Darauf schrieb ihr dieser einen Brief, den ich zur Vergleichung mit den Goetheschen mittheile.
Franckfurth d. 26 May 1769. Werthgeschätzte Jungfer Braut!
Ohne Wasser würden wir verdursten, ohne Brod verhungern und ohne den Ehestand würde unser Leben kaum halb so angenehm seyn. Wie glücklich sind Sie, beste Jungfer Braut, daß Sie sich in einen Stand begeben wollen, der auch von den wildesten Nationen für den glücklichsten gehalten wird. – Ich als ordentlich installirter Schulmeister und Hochzeitbitter allhier zu Franckfurth und Sachsenhausen, empfinde darüber ein recht herzliches Vergnügen und schätze mich besonders glücklich, daß ich die Ehre habe, sowohl Ihnen als auch respective dem Hrn. Bräutigam hierzu Glückwünschen zu können. – Wir Menschen suchen unser gröstes Glück in dem gesellschaftlichen Umgang mit anderen, aus diesem Umgang entsteht nun, wenn es lauter Mannspersonen sind, die Freundschafft, und wenn Frauenzimmer dazu kommen, die Liebe, aus der Liebe die Ehe, aus der Ehe Kinder, aus den Kindern Enckel und so weiter. – Da nun meine werthe Jungfer Braut Ihnen alles dieses bevorsteht, so verursacht mir dieses wie billig eine außerordentliche Freude in meinem Schulmeisterlichen Hertzen. Wollte der Himmel, daß ich bei Ihrem Ehrentage tranchiren und mit meiner gantzen Gemeinde bei Ihrer Trauung das Lied: Wie schön ists doch! anstimmen könnte. Weil nun aber dieses wegen einer viertzigmeiligen Entferntheit unmöglich, so bleibt mir nichts anders übrig, als daß ich meine Amtsdienste vielleicht in eine poetische Ausdünstung verwandle und anstatt des tranchirens und Vorsingens an Ihrem Ehrentage Ihnen die fröliche Ausrufung meiner traurigen Muse überschicke. – Bitte deswegen demüthigst mir den Tag Ihrer Hochzeit bekannt zu machen, damit sich darnach richten könne
IhrFreundHornSchulmeister und Ludimagisterzu Franckf. und Sachsenhausen. Nachschrifft (zu Deutsch: Postscriptum)
Der König Horn läßt sich erkundigen, wie sich seine Ministers in dem hohen Schönkopfischen Hause befinden. Auch ertheilt er hiermit allen denen, die sich in demselben ehelich verlobt haben, die Erlaubniß die Hochzeit, sobald es nur Ihnen gefällt, rechtmäßig und mit allen Ceremonien zu vollziehen. So gegeben in seiner Residentz Stadt Franckfurth am Mayn d. 22 May 1769,
Hornius Rex. Aber doch im Ernste gesprochen! Ich empfinde eine herzliche Freude, wenn ich itzo an das Schönkopfische Haus gedencke. Herr und Madam sind vergnügt, Mamsel eine Braut, Peter sieht der gantzen affaire mit Gelassenheit zu, fürwar, das muß mir recht angenehm seyn, wenn Sie wissen, wie vielen Antheil ich jederzeit an Ihrer Freude genommen habe. Wollte der Himmel, daß ich nur dabey seyn könnte am Hochzeittag, gewiß es sollte noch einmal so lustig zugehen. Sie kennen mich ja. Ich spielte ohne Ruhm zu melden immer die lustige Person. Doch für itzo ist mir aller Muth lustig zu seyn vergangen. Sie wissen was ich verloren habe. Ich führe hier ein gantz verdammtes Leben. Ich studire zum toll werden, weil ich mir mit nichts anders die Zeit vertreiben kann. Manchmal kriege ich einen Brief von Leipzig und der macht mich wieder aufgeräumt, ich habe ihn aber kaum gelesen, so verfalle ich in meine alte Melancholie. Wer weiß ob ich in meinem Leben wieder nach Leipzig komme. Ob ich jemals so glücklich seyn werde wie mein Freund Kanne durch Sie geworden ist. Man kann zwar nicht alle Hoffnung aufgeben, aber doch ist mein Glück noch sehr ungewiß. – Liebste Freundin vergessen Sie mich nicht. Gedencken Sie in Ihrem Glücke noch manchmal an die unglücklichen. Erinnern Sie sich meiner und meiner Constantie an Ihrem Hochzeittage. Ich wünsche Ihnen eben soviel Glück, als wir itzo unglücklich sind. – Leben Sie wohl und trösten Sie bald mit einem Brief
Grüßen Sie den Obereinnehmer. —
Goethe wird ehestens an Sie schreiben. —
Ihrenaufrichtigen FreundHorn.
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Vgl. das Gedicht bei Schöll, Gedichte und Aufsätze von Goethe S. 233 f.:
Warum siehst Du Lina verdammt, den Sprudel zu trinken?Wohl hat sie es verdient an Allen, die sie beschädigtUnd zu heilen vergessen; die an der Quelle des LetheBecher auf Becher nun schlürfen: die gichtischen Schmerzen der LiebeAus den Gliedern zu spülen, und will es ja nicht gelingen,Bis zum Rheumatismus der Freundschaft sich zu kuriren.
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