Kitabı oku: «Goethes Briefe an Leipziger Freunde», sayfa 5
VIII
Frankf. d 23. Jan. 1770.
Meine liebe Freundinn
Wahrhafftig es war mein ganzer Ernst da ich meinen letzten Brief schrieb, keine Feder wieder anzusetzen, Ihnen zu schreiben; Aber, es war sonst auch offt mein ganzer Ernst, etwas nicht zu thun, und Käthgen konnte mich es thun machen wie es ihr beliebte, und wenn die Frau Docktorinn eben die Gabe behält, nach ihrem Köpfgen die Leute zu gouverniren, so werd ich auch wohl an Mad. Canne schreiben müssen, und wenn ich es auch tausendmal mehr verschworen hätte, als ich es gethan habe. Wenn ich mich recht erinnere so war mein letzter Brief einigermassen in einer traurigen Gestalt, dieser geht schon wieder aus einem noch munterern Tone, weil Sie mir biss auf Ostern Aufschub gegeben haben. Ich wollte Sie wären kopulirt und Gott weiss was noch mehr. Aber im Grunde schiert mich's doch, das können Sie sich vorstellen.
Ich weiss nicht ob Sie die Bücher von mir bekommen haben. Es war nicht zeit sie einbinden zu lassen. Und das kleine französische lassen Sie sich rekommandirt seyn. Sie haben eine Uebersetzung davon, und ich weiss doch dass Sie ein bissgen Französisch lernen.
Dass ich ruhig lebe, das ist alles was ich Ihnen von mir sagen kann, und frisch und gesund, und fleisig, denn ich habe kein Mädgen im Kopfe. Horn und ich sind noch immer gute Freunde, aber wie es in der Welt geht, er hat seine Gedancken, und seine Gänge, und ich habe meine Gedancken und meine Gänge, und da vergeht eine Woche und wir sehen uns kaum einmal.
Aber alles wohl betrachtet, Frankfurt binn ich nun endlich satt, und zu Ende des Merzens geh ich von hier weg. Zu Ihnen darf ich nun noch nicht kommen das merck ich; denn wenn ich Ostern käme so wären Sie vielleich noch nicht verheurahtet. Und Käthgen Schönkopf mag ich nicht mehr sehen; wenn ich sie nicht anders sehen soll, als so. Zu Ende Merzens geh ich also nach Strasburg, wenn Ihnen daran was gelegen ist, wie ich glaube. Wollen Sie mir auch nach Strasburg schreiben? Sie werden mir eben keinen Possen thun. Denn Käthgen Schönkopf – nun ich weiss ja am besten, dass ein Brief von Ihnen mir so lieb ist als sonst eine Hand.
Sie sind ewig das liebenswürdige Mädgen, und, werden auch die liebenswürdige Frau seyn. Und ich, ich werde Goethe bleiben. Sie wissen was das heisst. Wenn ich meinen Nahmen nenne, nenne ich mich ganz, und Sie wissen, dass ich, so lang als ich Sie kenne, nur als ein Theil von Ihnen gelebt habe.
Ehe ich von hier weg gehe, sollen Sie das restirende Buch bekommen; und einen Fächer und ein Halstuch bleibe ich Ihnen schuldig biss ich aus Franckreich zurückkomme.
In Strasb. werde ich bleiben, und da wird sich meine Adresse verändern wie die Ihrige, es wird auf beyde etwas vom Doctor kommen.
Von Strasb. ziehe ich nach Paris, und hoffe mich da sehr wohl zu befinden, und vielleicht eine gute Zeit da zu bleiben. Und hernach – das weiss Gott, ob daraus was wird. Nun auf Ostern wird dann hoffentlich Ihre Verbindung vor sich gehen. Eh nun wenn es Ostern nicht ist so ist's Michael, und wenn es ja Michael nicht geschähe, so häng ich mich gewiss nicht.
Wenn ich Ihnen den Fächer und das Halstuch selbst brächte, und noch sagen könnte Mdlle. S. oder Käthgen S. wie sich's nun weissen würde. Eh nun da wär ich auch Docktor und zwar ein französcher Docktor. Und am Ende wäre doch Fr. Dockt. C. und Fr. Dockt. G. ein herzlich kleiner Unterschied.
Inzwischen leben Sie schöne wohl und grüssen Sie mir Vater Schönkopf und die l. Mutter und Freund Petern.
Mit Breitkopfs binn ich fast aus aller Connexion, wie mit aller Welt. Ich habe zwar, erst kurz Briefe, aber es ist mir nicht um's Herz zu antworten.
Stenzel liebt noch den Riepel den Pegauer56 zum Sterben, mir kömmt es einfältig vor, und ärgerlich, Sie können Sich dencken warum. Die Trauben sind sauer sagte der Fuchs. Es könnte wohl noch gar am Ende eine Ehe geben, und das wär ein Specktackel, aber ich wüsste doch noch eine Ehe, die im noch ein grösserer Specktackel wäre. Und doch ist sie nicht unmöglich, nur unwahrscheinlich.
Wir haben uns hier schön eingericht. Wir haben ein ganzes Haus, und wenn meine Schwester heurahtet, so muss sie fort, ich leide keinen Schwager, und wenn ich heurahte so theilen wir das Haus, ich und meine Eltern, und ich kriege 10 Zimmer alle schön und wohl meublirt im Frankf. Gusto.
Nun Käthgen, es sieht doch aus als wenn Sie mich nicht möchten, freyen Sie mir eine von Ihren Freundinnen, die Ihnen am ähnlichsten ist. Denn was soll das Herumfahren. In zwei Jahren binn ich wieder da. Und hernach. Ich habe ein Haus, ich habe Geld. Herz was begehrst du? Eine Frau!
Adieu liebe Freundinn. Heut war ich einmal lustig, und habe schlecht geschrieben. Adieu meinen beste.57
Goethes Briefe
an
Adam Fr. Oeser und seine Tochter Friederike
Adam Friedrich Oeser 58 wurde am 17. Febr. 1717 in Preßburg geboren, und zeigte in früher Jugend Neigung und Talent zur Malerei. Im J. 1730 ging er nach Wien, besuchte die dortige Akademie und bildete sich unter Donner in der Modellir- und Bildhauerkunst. Durch ein Bild, das Opfer Abrahams, erwarb er sich in seinem achtzehnten Jahr die goldene Prämie. Gegen Ende des Jahres 1739 begab er sich nach Dresden. Hier wurde Winckelmann mit ihm bekannt, der, nachdem er Nöthenitz 1754 verlassen, in Dresden bei ihm wohnte,59 und dem er, als er in Italien war, für mancherlei Geschäfte der Vermittler war;60 er nennt ihn seinen einzigen Freund, der es auch bleiben werde.61 Oeser hatte, wie Winckelmann selbst dankbar anerkennt, auf die Ausbildung seines künstlerischen Sinnes (den er nach seiner Unterweisung auch durch Zeichnen zu schärfen suchte),62 großen Einfluß, den man in der Schrift über die Nachahmung der alten Kunst vielfach wahrnehmen konnte63, und zum Schlusse der Erläuterung sagt er selbst: „die Unterredungen mit meinem Freunde, Herrn Friedrich Oeser, einem wahren Nachfolger des Aristides, der die Seele schilderte, und für den Verstand malte, gaben zum Theil hiezu (zu der Schrift) die Gelegenheit. Der Name dieses würdigen Künstlers und Freundes soll den Schluß meiner Schrift zieren.“64 Namentlich soll er auch auf Winckelmanns Schrift über die Allegorie, die von ihm schon in Dresden begonnen war, bedeutenden Einfluß gehabt haben,65 und dies ist um so wahrscheinlicher, als die Neigung für das Allegorische bei Oeser so sehr vorherrschend war, daß sehr häufig das, was er sich nebenher dachte, vor dem eigentlich Künstlerischen seiner Werke hervortrat und jenes als das unwichtigere erscheinen ließ. Sein Freund Kreuchauff schrieb über Oesers neueste Allegoriegemälde (Leipzig 1783), wie früher auch über Gellerts Monument (Leipzig 1774).
Während des siebenjährigen Krieges lebte Oeser mehrere Jahre mit seiner Familie – er war seit 1745 verheirathet – in Dahlen und ging gegen das Ende desselben nach Leipzig, wo er 1763 durch Hagedorn, welcher sich Weißes als Vermittler bediente,66 zum Director der neu errichteten Kunstakademie ernannt wurde. Zugleich war er Professor an der Dresdner Akademie und Hofmaler.
Wie anregend und nachhaltig sein Unterricht und Verkehr auf Goethe während seines Aufenthalts in Leipzig wirkte, das berichtet dieser selbst und noch lebhafter sprechen es die von Frankfurt an ihn geschriebenen Briefe aus. Auch in Straßburg67 blieb er mit ihm in Verkehr; als er auf der Rückkehr in Mannheim zuerst einen Gipsabguß vom Laokoon sah (in Leipzig war nur ein Abguß des beckenschlagenden Fauns68), theilte er die Ansichten, welche ihm dabei aufgingen, Oeser in einem Briefe mit, der freilich auf seine Auslegung nicht sonderlich achtete, sondern den guten Willen mit einer allgemeinen Aufmunterung erwiederte.69 Auch später schrieb er von Frankfurt aus an ihn70; doch ist aus dieser Zeit leider nichts erhalten. Als aber Goethe nach Weimar gekommen war, wurde wiederum ein persönlicher Verkehr mit Oeser angeknüpft.
Die Veranlassung dazu gaben die Reisen, welche der Herzog ziemlich jedes Jahr, gewöhnlich zur Zeit der Messe, nach Leipzig machte, auf welchen ihn Goethe zu begleiten pflegte, wo denn Oeser stets aufgesucht wurde. Schon im März 1776 kam Goethe nach Leipzig und blieb mehrere Tage dort, sah seine alten Freunde, Käthchen, Oeser wieder und lernte Corona Schröter jetzt näher kennen;71 gegen Ende desselben Jahres wurde wieder ein Ausflug dahin unternommen.72 Im Mai 1778 kamen sie wieder nach Leipzig73 und gingen von da nach Dessau, Berlin und Potsdam; Wieland schreibt von dieser Reise: „Alle Lande, wo sie gewesen, sind ihres Ruhmes voll.“74 Mit dem Herzog war Goethe auch im April 178075 und im Mai 178176 in Leipzig und wiederholte seinen Besuch im September desselben Jahres mit dem jungen Friedrich von Stein.77 Im folgenden Jahr reiste Goethe wieder Ende December mit dem Herzog nach Leipzig, blieb aber, nachdem dieser am Weihnachtsabend fortgereist war, bis in den Anfang des nächsten Jahres, und machte sich nun mit der Stadt, die ihm eine neue kleine Welt war, auf neue Weise bekannt, indem er außer dem Kreise seiner alten Freunde viele neue Bekanntschaften machte. Auf einem Balle waren ungefähr 180 Personen zugegen, schöne Gesichtchen mitunter und gefällige Menschen; er dachte dabei: „warum hast du nun die Menschen vor 15 Jahren nicht so gesehen, wie du sie jetzt siehst? und es ist doch nichts natürlicher, als daß sie sind, was sie sind.“ Daß aber seine Liebe und Verehrung gegen Oeser die alte blieb, beweist die schöne Schilderung, welche er Frau v. Stein von ihm entwirft, wie der herzliche Brief, welchen er nachher an ihn schrieb.78 Aus den folgenden Jahren wissen wir von keiner Reise nach Leipzig, erst Ende Decembers 1796 hören wir, daß Goethe wieder mit dem Herzog nach Leipzig reiste, wo er eine Menge Menschen, unter ihnen einige recht interessante, auch die alten Freunde und Bekannte sah, und auf einem großen Ball von den Herrn Dyk und Comp., und wer sich sonst durch die Xenien verletzt und erschreckt hielt,79 mit Apprehension wie das böse Princip betrachtet wurde.80 Die letzte Reise, die uns bekannt ist, fällt ins Jahr 1800 nach Oesers Tode.81 Bei diesem Aufenthalt in Leipzig besuchte er G. Hermann und forderte ihn nach einem langen Gespräch über Metrik auf, eine Deutsche Metrik zu schreiben, worauf dieser erwiederte, ehe das geschehen könne, müsse Goethe die Deutsche Verskunst schaffen.
Oeser wurde durch Goethe auch mit dem Weimarschen Hofe bekannt, der Herzog lernte ihn in Leipzig kennen und verkehrte gern mit ihm;82 er sah den alten Forster zuerst bei Oeser und freute sich, wie die beiden Männer mit einander umgingen. „Oeser stallt ganz vortrefflich mit ihm; er hat eine hohe Freude an dem tollen Seefahrer. Wie sich nun der alte Oeser leicht imponiren läßt in gewissen Studien und viel aufs Amüsiren hält, so vergißt er scheints Alles bei ihm und läßt sichs herzlich wohl sein.“83
Die nächste Folge waren Einladungen nach Weimar, welchen Oeser schon im Jahr 1776 folgte.84 Diese Besuche wiederholten sich im folgenden Jahr85 und später kam Oeser ziemlich jedes Jahr wenigstens einmal nach Weimar. Dort finden wir ihn im Januar,86 im Juni87 und nachdem er mit der Herzogin Amalie eine Reise nach Mannheim gemacht hatte, im Herbst des Jahres 1780,88 im Frühjahr89 und im Herbst 1782,90 im Juli 178391 und im selben Monat 1785.92 Er war nicht nur als erfahrner Kenner, dessen Rath und Vermittelung bei Erwerbung von Kunstsachen man gern in Anspruch nahm, in Weimar willkommen,93 sondern nahm an allen künstlerischen Unternehmungen dort thätigen Antheil. „Oeser ist hier und gar gut,“ schreibt Goethe, „schon habe ich seinen Rath in vielen Sachen genützt. Er weis gleich wie's zu machen ist, das was bin ich wohl eher glücklich zu finden;“ und nachdem er fort ist, meint Goethe: „Wenn ich ihn nur alle Monat einen halben Tag hätte, ich wollt' andere Fahnen aufstecken.“94 Er malte für das Liebhabertheater einen Vorhang und Decorationen, namentlich für die Vögel, welche am 18. August 1780 in Ettersburg aufgeführt wurden.95 Ebenso half er durch Rath und That bei den Anlagen, welche im Park und in Tiefurt gemacht wurden, und verfertigte das Monument, welches die Herzogin Louise dem Herzog Leopold von Braunschweig errichten ließ. In einem Briefe an Knebel vom 25. Jan. 1780 theilt er ihm einen Entwurf dazu mit, welchen er mit einigen Bemerkungen erläutert; dann schließt er charakteristisch genug: „Ich denke nicht, daß ich mich dieser Idee zu einem Monument zu schämen habe, meines Wissens ist der Gedanke neu und ich hoffe den Beyfall der Kenner zu erhalten. Die, so der Herr General Superintendent angegeben, kan ich unmöglich verdauen, es kommt mir vor, als wenn es sich so ausnehmen würde, daß der Hr. G. S. und ich die Erwartung des Publicums mit nichts Besserm zu befriedigen wüßten, als daß er aus einem alten Autor eine Stelle herläse und ich das Buch dazu hielte, anstatt daß er und ich was neues sagen sollten, und uns den gerechten Vorwurf müßten gefallen lassen, daß das Publicum die Stelle selbst aufschlagen und lesen könnte und nicht brauchte danach zu gehen. Die Alten studiren oder copiren ist nach meinen Begriffen zweyerley.“
Der Mann voll Geschmack und Geist, der stille Künstler von Weltmanns Klugheit, wie ihn Goethe bezeichnet,96 gefiel gar sehr durch seine heitere Laune und anziehende Unterhaltung und erwarb sich die allgemeine Zuneigung. In ganz vorzüglichem Maaß gewann er die Gunst der Herzogin Amalie, zu deren Geburtstag (24. October) ihr alter Oeser, wie sie ihn zu nennen pflegt, sich gewöhnlich mit mancherlei schönen Gaben einstellte.97 „Die Herzogin,“ schreibt Goethe,98 „war sehr vergnügt, so lang Oeser da war, jetzt geht's freilich schon ein wenig einfacher zu. Der Alte hatte den ganzen Tag etwas zu kramen, anzugeben, zu verändern, zu zeichnen, zu deuten, zu besprechen, zu lehren u. s. w., daß keine Minute leer war;“ und sie selbst schreibt:99 „Unterdessen, daß Sie und fast Alles von hier diesen Sommer herumschwärmten, habe ich mich in mein kleines Tiefurt zurückgezogen, und meine Gesellschaft war der alte Professor Oeser von Leipzig, der 5 Wochen bei mir wohnte, und bei dem einem auch bei dem unfreundlichsten Wetter, womit uns dieser Sommer heimsuchte, keine Stunde zu lang wird.“100 Mit gewohnter Liberalität unterstützte sie ihn auch bei der Erziehung seines Sohnes, wovon folgendes Billet von ihr an den Steuerrath Ludecus (im Album des Schillerhauses in Weimar) Nachricht giebt.
„Erinnern Sie sich nicht mehr, wie viel ich voriges Jahr dem jungen Oeser versprochen habe zu seiner weiteren Vorsetzung in der Welt. Der alte Vater hat sich wieder an mich gewandt zwar nur durch die dritte Hand. Ich bin es auf eine gewisse Art dem Alten schuldig, der Sohn verdient es nicht, aber der Vater. Wenn ich nicht irre so sind es 50 oder 100 fl. Wenn Sie sie haben, so bringen Sie sie selber an Goethe, der sie übermachen wird an den alten Vater. Leben Sie wohl.Amelie.“
In späteren Jahren hören wir von Oesers Besuchen in Weimar nichts, wovon sein vorgerücktes Alter die Ursache gewesen sein mag; doch scheint seit Goethes Italiänischer Reise der Verkehr mit ihm nachgelassen zu haben.
Oeser starb an einem Stickfluß den 18. März 1799; Goethe ehrte sein Andenken durch eine sein Verdienst anerkennende Würdigung in den Propyläen vom Jahr 1800 (III. S. 125 ff.).
Man hat sich, und nicht mit Unrecht, darüber gewundert, daß Goethe in der Schrift „Winckelmann und sein Jahrhundert“ Oesers mit keinem Worte gedenkt, der doch so großen Einfluß auf beide gehabt hatte. Dieses Stillschweigen, wie die etwas skeptische Weise, mit welcher Goethe in Wahrheit und Dichtung von jenem Einfluß Oesers auf Winckelmann spricht,101 ist wohl eine Wirkung der Italiänischen Reise. Daß Oeser auf Goethes künstlerische Auffassung bedeutend einwirkte, und noch später ihm als Kenner und Künstler hochstand, liegt klar vor, der Aufenthalt in Italien aber modificirte sein künstlerisches Urtheil gar sehr. „Ich dachte wohl,“ sagt er,102 „hier was rechts zu lernen; daß ich aber so weit in die Schule zurückgehen, daß ich so viel verlernen, ja durchaus umlernen müßte, dachte ich nicht.“ Auch hier ging er dankbar von Winckelmann aus und kehrte immer zu ihm zurück, aber er erkannte auch, daß von ihm der Begriff zwar richtig und herrlich aufgestellt, alles Einzelne aber noch im ungewissen Dunkel sei.103 Da fand er nun einen Führer an Heinrich Meyer, der den sichern von Winckelmann und Mengs eröffneten Weg ruhig fortging.104 „Er hat eine himmlische Klarheit der Begriffe,“ schreibt er von ihm. „Er spricht niemals mit mir, ohne daß ich alles aufschreiben möchte was er sagt, so bestimmt, richtig, die einzige wahre Linie beschreibend sind seine Worte. Sein Unterricht giebt mir, was mir kein Mensch geben konnte. Alles was ich in Deutschland lernte, vornahm, dachte, verhält sich zu seiner Leitung wie Baumrinde zum Kern der Frucht.“105 Meyer war durch eine umfassende, auf sorgfältige Beobachtung gegründete Kenntniß der Kunstwerke ausgezeichnet, die er sich nach Winckelmanns System geordnet hatte, das er wohl inne hatte und auszubauen verstand. Er war durch seinen nüchternen, klaren Verstand und seine Ruhe von Oesern ganz außerordentlich verschieden und bot Goethe das dar, dessen er damals bedurfte. Nach einer andern Seite hin war der Verkehr mit Moritz106 für die Auffassung des Schönen und der Kunst anregend und fördernd, auf welche Goethes naturwissenschaftliche Studien eine so eigenthümliche Einwirkung hatten. Ohne gegen Oeser undankbar zu werden, dessen früheren Einfluß auf sich er so wahr und warm geschildert hat, lernte er seinen Werth als Künstler und Kritiker unbefangner würdigen, und kam wohl zu der Überzeugung, daß das, was Winckelmann in früheren Jahren Oeser verdankte, zu hoch angeschlagen werde gegen das was er in Rom durch sich selbst und Mengs geworden sei. So schwieg er über Oeser, um nicht härter über ihn sich auszusprechen, als er selbst wohl wünschte.
Was von Goethes Briefen an Oeser und seine Tochter Friederike erhalten ist, befindet sich jetzt im Besitz der Bibliothek zu Weimar, von wo aus mir die Erlaubniß zur Veröffentlichung derselben gegeben worden ist. Ein Theil derselben war bereits im Morgenblatt 1846, Nr. 112 ff. 117. gedruckt worden.
Manche Papiere und Nachrichten, welche Oeser und seine Familie angehen, verdanke ich der gütigen Mittheilung seines Enkels, Herrn Geyser, in dessen Besitz sich auch das von Tischbein aus Cassel gemalte Bild von Friederike Oeser befindet, welches hier copirt ist.
An Adam Friedrich Oeser
I
Theuerster Herr Professor,
Zwölf Tage bin ich nun wieder in meiner wehrten Vaterstadt, von Anverwandten, und Freunden, und Bekanndten umgeben die sich über meine Ankunft teils freuen, teils verwundern, und alle sich bemüen, dem neuen Ankömling, dem halben Fremdling gefällig zu seyn, und ihm eine Stadt, die zu sehr Antithese von Leipzig ist um viel Annehmlichkeiten für ihn zu haben durch einen freundschafftlichen Umgang erträglich zu machen. Wir wollen sehen wie weit sie's bringen, jetzo kann ich nichts sagen, ich binn zu zerstreut, und mit meiner neuen Einrichtung zu sehr beschäfftigt, als daß mein Herz für das was ich verlohren habe, und für das was ich hier wieder finde, viel Empfindung haben sollte. Ich schreibe Ihnen auch für dießmal nichts, als daß meine Ankunft nach einer glücklichen Reise, eine erwünschte Ruhe über meine Famielie verbreitet hat, daß meine Kranckheit, die nach dem Ausspruch meiner hiesigen Ärtzte nicht so wohl in der Lunge als in denen dazu führenden Teilen liegt, sich täglich zu bessern scheint. Daß Ihr Tischer107 nachdem er sich einige Tage bey uns aufgehalten, mit guten Empfelungsschreiben an den Ort seiner Bestimmung, in der Hoffnung seine Sache so gut als möglich auszuführen gereißt ist, und sich Ihnen und Ihrem ganzen Hause bestens empfelen läßt. Und das sey für diesesmal alles. Jede danckbaare Empfindung für alles was ich Ihnen schuldig binn, sey biß zu einer ruhigern und glücklichern Zeit aufgehoben, sobald ich diese so sehr erwartete Epoche werde erreicht haben, will ich Ihnen einen längern und bessern Brief schreiben; mittlerweile erhalten Sie mir Ihre Liebe, Ihre Freundschafft die mir so sehr geschmeichelt, die mich so sehr aufgemuntert hat, erhalten Sie mich in dem Andencken Ihrer verehrungswürdigen Gattin und Ihrer liebenswürdigen Kinder, und aller meiner Freunde; Hrn. Kreuchauf, Hrn. Cravinus, Hrn. v. Hardenberg, Hrn. v. Lieven, Hrn. Huber, bitte ich insbesondere meiner Ergebenheit zu versichern, und meinem Successor Hrn. Grönig den schnellsten Fortgang in der Kunst zu wünschen. Ich binn mit der beständigsten Hochachtung,
Theurester Hr. Professor
Franckfurt am Mayn, am 13 Sept. 1768.
Dero ergebensterJ W Goethe
In Mercks Briefen (III. S. 13) ist folgendes französische Gedicht mitgetheilt, welches Dr. Wolff in Darmstadt von Goethes Hand geschrieben besaß und als von ihm herrührend bezeichnete.
… Que l'amour soit mon MaîtreJ'écouterai lui seul, lui seul doit me guiderAu sommet du bonheur, par lui je veux monter,Au sommet de la science monté par l'industrie.Je reviens, cher ami, pour revoir ma patrieEt viens voir, en dépit de tout altier censeur,Si elle est en état d'achever mon bonheur.Mais il faut jusques-là, que votre main m'assiste.Laissés parler toujours ce docte Moraliste.Ecrivés moi. Que fait l'enfant autant aimé?Se souvient-il de moi? ou m'a-t-il oublié?Ah! ne me cachés rien, qu'il m'élève ou m'accable,Un poignard de sa main me seroit agréable;Ecrives. C'est alors que, de mon coeur chériComme elle est mon amante, vous sérés mon ami. Leipzig, le 2 Juin 1769.
Cher …le votreGoethe. Daß die Unterschrift falsch ist, liegt zu Tage. Denn am 2. Juni 1769 war Goethe nicht in Leipzig, sondern in Frankfurt, und der obige Brief vom 1. Juni 1769 läßt es nicht glaublich scheinen, daß er den Tag darauf dieses Gedicht geschrieben habe. Ist es in Leipzig gemacht und die Jahreszahl unrichtig, so wird es schwer sein die Situation auszufinden, in welcher er es schreiben konnte.