Kitabı oku: «Leben mit "kaputtem Akku"», sayfa 3

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1 Prädisponierende Faktoren

Die prädisponierende Ebene ist multifaktoriell, und die Faktoren sind individuell recht unterschiedlich.

 1.1 Genetische Prädisposition,

 1.2 Ereignisse in der Umwelt, die einen Einfluss auf das neurologische System und auf das Immunsystem haben und die Empfänglichkeit für Infektionen erhöhen.

2 Beschleunigende Faktoren

 2.1 Sehr häufig fungiert eine virale, eine bakterielle oder auch eine parasitäre Infektion als Auslöser/Trigger der Erkrankung.

Folgende Virusinfektionen werden mit ME assoziiert (die Liste ist nicht vollständig): Infektionen

 – mit Herpesviren, zu denen u. a. das Epstein-Barr-Virus resp. das Pfeiffersche Drüsenfieber, das humane Herpesvirus Typ 6 (Auslöser des Dreitagefiebers und in seltenen Fällen einer Hirnhaut- oder Hirnentzündung u. a.) und das Cytomegalovirus (verursacht, wenn überhaupt, meist unspezifische grippeartige Symptome) gehören,

 – mit dem Enterovirus, zum Beispiel dem Coxsackie-Virus (Hirnhautentzündung, Herzmuskelentzündung u. a.),

 – mit dem Parvovirus B-19 (Ringelröteln, Gelenkschmerzen),

 – mit Retroviren (Auslöser u. a. von HIV),

 – mit Grippeviren,

 – mit SARS und

 – eventuell auch mit SARS-CoV-2 (Covid-19-Erkrankung).

Folgende bakterielle Infektionen werden als Trigger genannt (auch diese Liste ist nicht vollständig):

 – die Lyme-Borreliose (meist ohne Symptome verlaufend, kann aber auch zu ganz unterschiedlichen Krankheitsbildern mit schweren Spätfolgen führen),

 – eine durch Chlamydophila pneumoniae verursachte Lungenentzündung, durch Mykoplasmen verursachte Entzündungen (z. B. ebenfalls eine Lungenentzündung),

 – Coxiella-burnetii-Infektion (Q-Fieber, das häufig keine oder nur leichte grippale Symptome auslöst, aber auch zu schweren Komplikationen wie etwa einer Herz-, Lungen- oder Leberentzündung führen kann),

 – Legionellose (kann symptomlos bleiben, grippeähnliche Symptome oder gar eine schwere Lungenentzündung verursachen),

 – Salmonellen (meist abrupt einsetzender Durchfall, begleitet von Bauchschmerzen, manchmal Erbrechen, Übelkeit und Fieber).

Diskutiert wird auch der Parasit Giardia, der die infektiöse Durchfallerkrankung Giardiasis hervorruft.

 2.2 Vermutlich spielen manchmal, zusätzlich zu einer Infektion, noch andere Faktoren eine Rolle: Kontakt mit Gift, Pestiziden, Insektiziden oder Schimmel, ein körperliches oder auch ein schweres psychisches Trauma, eine Impfung, eine Chemotherapie u. a.

3 Verfestigende Faktoren

Der genaue Zusammenhang zwischen den beschleunigenden Faktoren (Triggern) und dem Ausbruch von ME/CFS ist nicht geklärt.

Im Folgenden seien ein paar Forschungsergebnisse angedeutet:

Als verfestigende Faktoren werden u. a. eine Dysregulation der Wege des Immunsystems (3.1), die Rolle von Infektionen (3.2), der Energiestoffwechsel der Muskeln (3.3), Prozesse des zentralen Nervensystems (3.4) und der Genexpression – wie kommt die genetische Information eines Gens zum Ausdruck? – genannt (3.5).

 3.1 Dysregulation der Wege des Immunsystems: Für ein fehlreguliertes Immunsystem spricht die Tatsache, dass in Untersuchungen von ME/CFS-Patient:innen ein erhöhtes Level an Antikörpern, T-Zellen (weißen Blutzellen, die der Immunabwehr dienen) und Zytokinen (Proteinen, die bei der Koordination der Immunabwehr eine wichtige Rolle spielen) dokumentiert wurde, was auf eine chronische Aktivierung des Immunsystems hinweist.Die Trigger könnten auch eine Autoimmunität, eine Überreaktion des Immunsystems, verursachen, sodass dieses nicht nur körperfremde, sondern auch eigene Zellen sowie eigenes Gewebe angreift.

 3.2 Bei ME/CFS-Betroffenen kommt es öfters zu Reaktivierungen von latenten Infektionen, welche ihrerseits eine Immunantwort provozieren.

 3.3 Auffälligkeiten des Energiestoffwechsels der Muskeln beweisen, dass die Belastungsintoleranz (PEM, siehe auch Seite 190) nicht auf Inaktivität und De-Konditionierung zurückzuführen ist.

 3.4 Das zentrale Nervensystem scheint eine Rolle zu spielen bei der Entstehung der mentalen und körperlichen Müdigkeit. Dabei könnten auch die Basalganglien im Hirn, bei denen Auffälligkeiten entdeckt wurden, involviert sein. Radiologische Verfahren (MRI, SPECT, PET) dokumentieren pathologische Zustände vor allem in den basalen Gehirnregionen bei ME/CFS- und bei Long-Covid-Patient:innen.In mehreren Studien konnte zudem eine Neuroinflammation (eine Entzündung von Nervengewebe in Gehirn und Rückenmark) nachgewiesen werden.

 3.5 Es scheinen einige Auffälligkeiten bei der Genexpression von ME/CFS-Patient:innen vorzukommen, zum Beispiel das vermehrte Auftreten von Genvarianten (Gen-Polymorphismen).Doch diese Erkenntnisse und auch die zahlreichen weiteren Störungen, die als verfestigende Faktoren genannt werden,7 reichen nicht, um das große Spektrum an ME/CFS-Symptomen zu erklären.

3 In der Schweiz: Die Sekundarstufe I schließt an die Primarschule an. Darauf folgen die Berufsbildung oder eine weiterführende Schule (Maturitätsschule oder Fachmittelschule).

4 Die Orthomolekularmedizin ist eine alternativmedizinische Methode, die auf der Annahme basiert, ein biochemisches Ungleichgewicht im Körper könne Krankheiten verursachen. Dieses Ungleichgewicht wird mit – zum Teil hochdosierten – Mineralstoffen, Spurenelementen, Vitaminen, essenziellen Fettsäuren etc. ausgeglichen.

5 Polymorphismus: das Auftreten mehrerer Genvarianten; Dehydrogenasen: Wasserstoff abspaltende Enzyme; autonome Neuropathie: Störungen der autonomen Nerven, die ohne Involvierung des Bewusstseins Körperabläufe regulieren; oxidativer Stress: Stress auf der Ebene des Zellstoffwechsels.

6 Die Herberge Häutligen gibt es offenbar in dieser Form nicht mehr.

7 Folgende Störungen werden ebenfalls als verfestigende Faktoren genannt:

– eine Störung im Stickstoffmonoxid/Peroxinitrit-Zyklus (Stressoren führen zu erhöhten Werten von Stickoxiden, die zusammen mit Peroxinitrit, einem Folgeprodukt, die Entwicklung von chronischen Erkrankungen verursachen könnten – nach Dr. Martin L. Pall);

– eine chronische partielle Blockade des Methylierungszyklus (sehr vereinfacht heißt das, dass eine genetische Prädisposition sowie verschiedene Stressoren zu einem erhöhten Bedarf an Glutathion führen, das in Entgiftungsprozessen des Körpers und bei der Bildung von Proteinen eine wichtige Rolle spielt; der Mangel an Glutathion wiederum führt zu einer Ansammlung von Giften, die ihrerseits eine partielle chronische Blockade des Methylierungszyklus zur Folge haben; der Methylierungszyklus ist für zahlreiche wichtige zelluläre Prozesse verantwortlich – nach Dr. Rich Van Konynenburg);

– eine Störung des Vitamin-D3-Stoffwechsels (Vitamin D3 spielt eine eminente Bedeutung bei der Regulierung von Zellstress – nach Dr. med. Anna Dorothea Höck).

Jacqueline Keller
Die sieben Farben meines Regenbogens
Regenbogen

Manchmal steh ich im Nebel und kann kein’ Millimeter weit sehen

Manchmal sehe ich die Sonne und kein Strahl soll mir entgehen

Es gibt einfach so Tage, da fühlt man sich nur schlecht

und dann wieder umarmt man die ganze Welt zu Recht

Freude und Trauer wird es immer geben

denn Freude und Trauer gehören zu unserem Leben

ja, sie gehören zu unserem Leben

Nur bei Sonnenschein und Regen

wird es einen Regenbogen geben

Nur bei Sonnenschein und Regen

wird es einen Regenbogen geben

Schau nur nach vorn und schau niemals zurück

denn die Erde dreht sich weiter, ja, immer weiter zum Glück

ja, immer weiter, ja, immer weiter zum Glück

Manchmal hängt der Kopf nur runter, weil das Leben einen dazu zwingt

Manchmal bin ich einfach glücklich und so albern wie ein Kind

und oben am Himmel ziehen die Wolken dicht an dicht

doch die Sonne dahinter, die sieht man einfach nicht

denn Regentage und Sonnentage wird es immer geben

denn Regentage und Sonnentage gehören zu unserem Leben

ja, sie gehören zu unserem Leben

Nur bei Sonnenschein und Regen

wird es einen Regenbogen geben

Nur bei Sonnenschein und Regen

wird es einen Regenbogen geben

Schau nur nach vorn und schau niemals zurück

denn die Erde dreht sich weiter, ja, immer weiter zum Glück

Ein’ Regenbogen von solcher Farbenpracht

hat sie sich zum Lebensmotto gemacht

Ein Regenbogen von solcher Farbenpracht

gibt ihr immer wieder Kraft

Wolf Keiderling8

Der Regenbogen ist das wichtigste und kraftvollste Symbol in meinem Leben. Wunderbar spannt er sich über den Himmel und erfreut alle Menschen mit seinen bunten Farben. Er kann aber nur entstehen, wenn die Sonne, die für mich Lebensfreude, Energie und Schönheit symbolisiert, auf Regentropfen trifft, die für die traurigen und schwierigen Aspekte des Lebens stehen mögen. Und genauso gehören auch zu dem Wunder eines erfüllten Lebens sonnige Momente des Glücks und der Freude sowie schwere und traurige Zeiten. Das Symbol des Regenbogens gibt mir Kraft und Halt. Über meinem Bett hängt ein Bild von ihm, ein Bild, das wie für mich geschaffen scheint; und immer, wenn ich ins Spital eintreten muss, nehme ich eine Kopie davon mit, damit sich auch dort mein Blick an etwas Schönem, das mir guttut, festhalten kann.

Hier in meiner Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung, in meiner Höhle, habe ich mich umgeben mit allem Möglichen, was mir lieb ist – mit Bildern, Tüchern, Erinnerungsstücken, Kristallen, Wurzeln –, damit mein Blick, wenn es mir schlecht geht, auf Dinge fällt, die mich aufmuntern. So bringt zum Beispiel das traumhaft schöne Bergpanoramabild an der Schlafzimmerwand die Bergwelt zu mir, wenn ich das Bett nicht verlassen kann.

Rot

„Manchmal sehe ich die Sonne und kein Strahl soll mir entgehen“

Ich lasse mich nicht unterkriegen. Ich habe in meinem Leben – ich bin 41 Jahre alt – gelernt, in jedem noch so kleinen Kieselstein etwas Schönes zu sehen und an jedem Tag, auch wenn es mir noch so schlecht geht, etwas Positives zu finden. Natürlich ist mir diese Einstellung nicht einfach zugefallen, sondern ich habe sie mir in einem jahrelangen Prozess aneignen müssen. Ja, heute darf ich wirklich sagen, dass ich auch ganz schwierigen Lebenssituationen etwas Gutes abgewinnen kann, dass ich fast jeden Tag nicht nur ein einziges Kieselsteinchen, sondern gleich mehrere finde. Ein Beispiel: Ich würde liebend gern in den Bergen wandern oder im Meer schwimmen gehen, aber das ist nun mal nicht möglich. Doch dank meiner Fantasie kann auch ich in die Ferne fliegen oder auf Gipfel klettern, kann dank der vielen Bilder, die mir von überall her zugeschickt werden, an den schönen Erlebnissen meiner Kolleg:innen und Freund:innen teilhaben. Ich musste sie allerdings zuerst davon überzeugen, dass sie mich mit ihren tollen Fotos von Sonnenuntergängen und Stränden nicht verletzen oder neidisch machen, sondern mir eine große Freude bereiten, indem sie meine Fantasie bereichern. Klar gibt es auch Momente, in denen ich denke, ich würde am liebsten sterben, aber sie dauern Gott sei Dank meist nur einige Minuten. Und natürlich kann ich mit diesem ständigen Auf und Ab in meinem Leben, dem kaum vorhersehbaren Wechsel von guten und schlechten Phasen, nicht immer gleich gut umgehen.

Orange

„Es gibt einfach so Tage, da fühlt man sich nur schlecht“

So kann es vorkommen, dass ich plötzlich zusammenklappe und stundenlang ohnmächtig am Boden liege, warum auch immer. Und wenn ich schließlich wieder aufwache, verzweifelt und nahezu unfähig, mich zu bewegen, dann krieche ich – irgendwie – ins Bett, denn die Erfahrung hat mich gelehrt, dass nach ein paar ganz schwierigen Tagen auch wieder bessere folgen werden. Sogar als ich letztes Jahr nach einem Spitalaufenthalt demoralisiert und deprimiert nach Hause zurückkehrte, verunsichert, ob ich meinen Alltag je wieder auf die Reihe kriegen würde, konnte ich auf meine Erfahrung zurückgreifen. Sie – oder ich – sagte mir: Du hast es noch immer geschafft. Du gibst nie auf, du nicht. Aber aus Erfahrung weiß ich natürlich auch, wie hart es manchmal ist, durch den Tag zu kommen, und wie oft ich an meine Grenzen stoße. Dieses Nie-Aufgeben führt gerade bei mir als einer ME/CFS-Patientin oft dazu, dass ich, wenn ich mal wieder übertrieben habe, einen hohen Preis bezahlen muss. Dann stolpere ich eben über eine Synkope, anstatt dass alles im gewohnten Rhythmus weiterläuft. Anders geht es nun mal nicht.

So bin ich: Wenn mir etwas wichtig ist, dann ziehe ich es durch, zumindest, solange ich mir nicht selbst schade damit. Ich lebe heute, und deshalb will ich heute die Kieselsteine finden, die mich glücklich machen. Ich mag mich nicht grämen mit Gedanken an all das, was nicht mehr möglich ist, und quälen mit Ängsten, was morgen sein könnte. Auch dieses Gespräch über mein Leben wird vermutlich meine Kräfte übersteigen und mir ein paar Tage der Erschöpfung bescheren, aber ich finde es wichtig, dass ein Buch erscheint, welches ein praktisch unbekanntes Thema wie ME/CFS aufgreift und erklärt – was gar nicht so einfach ist! – und das die Gesellschaft für die Situation der ME/CFS-Betroffenen nicht nur in der Schweiz sensibilisiert. Also freut es mich, wenn ich etwas dazu beisteuern kann, und denke nicht an morgen. Gerade meine Geschichte kann bestimmt einen neuen Blickwinkel auf die Krankheit werfen, indem ich nicht dem typischen Bild einer ME/CFS-Patientin entspreche, da ich zusätzlich an einer schweren Stoffwechselstörung, an Rheuma, an einer Paraplegie, an einer Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung und noch an anderen Nettigkeiten leide.

Ich will aber nicht klagen, sondern im Gegenteil, ich möchte betonen, dass ich ein wunderbares Umfeld habe: tolle Nachbar:innen, die mir eine Suppe wärmen, wenn ich sie darum bitte, viele Freund:innen und Kolleg:innen, die mich jederzeit unterstützen, eine perfekte Wohnsituation mit Läden ganz in meiner Nähe, die mir sogar vorbeibringen lassen, was ich benötige, wenn ich es mir nicht selbst holen kann, und einer Stammbeiz (Stammkneipe), die mir Mahlzeiten liefert, obwohl sie coronabedingt geschlossen ist. Auch meine Eltern sind für mich da, wenn ich sie brauche, drängen sich aber nicht in mein Leben, wenn ich das nicht will, und meine Gotte (Patin) steht mir ebenfalls bei. Das nenne ich Glück haben! Zudem kommt zweimal am Tag jemand von der Spitex9 für die Körperpflege und wegen der Infusionen, die in der Nacht laufen, und dreimal pro Woche erledigt eine Raumpflegerin das Notwendigste in der Wohnung – es muss ja nicht alles immer picobello sein. Auch mein Rollstuhl mit dem Swiss-Trac, dem Rollstuhlantrieb, und mein Auto, mit dem ich allerdings nur noch in der nächsten Umgebung herumfahre, erleichtern mir das Leben. Es fehlt mir also nicht an Unterstützung, sondern höchstens manchmal an meiner Bereitschaft, diese anzunehmen, denn darin bin ich gar nicht gut. Das heißt jedoch nicht, dass ich mich nicht freue, wenn mich zum Beispiel beim Einkaufen jemand fragt, ob ich Hilfe brauche. Erwarten aber darf ich das nicht. Bleibe ich zum Beispiel in meinem Rollstuhl an einem Hang oder wegen eines Randsteins stecken, bringt es mir nichts, wenn ich wütend werde über die Leute, die achtlos an mir vorbeigehen. Besser ist es, selbst jemanden anzusprechen und um Hilfe zu bitten. Ach, es gibt so viele Hemmschwellen, die den Kontakt zwischen uns Menschen unnötig erschweren: Warum soll mich eine Person, die es interessiert, wie ich vom Rollstuhl in meinen Autositz wechseln kann, nicht einfach fragen, ob sie zuschauen dürfe? Oder warum sind die meisten Eltern peinlich berührt, wenn ihr Kind mich fragt, weshalb ich im Rollstuhl sitze? Wüssten sie selbst es nicht auch ganz gern? Die Hemmung, offen miteinander umzugehen, hat mit Hilflosigkeit zu tun: Menschen wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen. Wer hilflos ist, würde eigentlich gern etwas tun, hat jedoch keine Ahnung, wie und was, also schützt er oder sie sich und zieht sich zurück. Dem kann ich entgegenwirken, wenn ich selbst auf die Menschen zugehe. Nicht immer aber habe ich die Kraft dazu.

Gelb

„Manchmal bin ich einfach glücklich und so albern wie ein Kind“

Aufgewachsen bin ich mit meinen beiden jüngeren Brüdern in einem Dorf im Zürcher Oberland. Meine Schulzeit verlief eigentlich ganz normal, abgesehen von einigen Krankheitsepisoden halt, aber diese gehören einfach zu mir und meinem Leben. In der Kindergartenzeit zum Beispiel machte ich alle Kinderkrankheiten gleichzeitig durch: Masern, Röteln, Mumps, Wilde Blattern (Windpocken). Mein Körper war völlig überfordert mit dieser Virenlast, und dass ich mit quecksilberhaltigem Merfen-Puder, auf das ich hochallergisch bin, behandelt wurde, machte die Sache auch nicht besser. Deshalb brauchte ich fast ein ganzes Jahr, bis ich mich einigermaßen erholt hatte und den Kindergarten wieder besuchen konnte. Rückblickend gehe ich davon aus, dass diese Vireninfektionen das ME/CFS ausgelöst haben müssen, aber damals war das natürlich überhaupt kein Thema – die Krankheit ist ja in der Schweiz auch heute noch sozusagen unbekannt … Die Primar- und die Sekundarschule absolvierte ich dann mehr oder weniger unbehelligt von Gesundheitsproblemen, oder, anders gesagt, ich ließ mich durch diese, zum Beispiel durch eine anhaltende Müdigkeit und durch Stoffwechselstörungen, nicht weiter einschränken. Dann, kurz nachdem ich in die Kantonsschule übergetreten war mit dem Ziel, die Matura zu machen und Medizin zu studieren, erlitt ich aus heiterem Himmel eine Hemiplegie (eine halbseitige Lähmung) und wurde ins Kinderspital Zürich eingeliefert. Es folgten unzählige Abklärungen, durch die zwar viele mögliche Ursachen – MS, Kinderlähmung usw. – ausgeschlossen werden konnten, die aber zu keiner klaren Diagnose der Hemiplegie und der sich daraus entwickelnden Paraplegie führten. Hatte vielleicht ein massiver chronischer Kaliummangel die Nerven geschädigt? Spielten psychische Gründe eine Rolle? Fragen über Fragen. Dass das ME/CFS einer der Auslöser war, scheint eher unwahrscheinlich zu sein.

In der Kantonsschule verpasste ich fast ein ganzes Schuljahr und war schließlich gezwungen, es zu wiederholen. Aber auch nach der Rückkehr in die Schule kämpfte ich immer wieder mit gesundheitlichen Problemen: mit der Paraplegie, mit der Sensibilitätsstörung in den Beinen sowie mit einer tiefgreifenden Müdigkeit. Der nächste größere gesundheitliche Einbruch erfolgte, als ich rund 19 war und ganz plötzlich innerhalb einer einzigen Woche über 20 Kilo abnahm. Für die Schulmediziner:innen war sofort klar: Ich war anorektisch (magersüchtig) oder bulimisch (Bulimie: Ess-Brechsucht), was sonst? Niemand hörte mir wirklich zu, wenn ich erklärte, dass ich überhaupt keine Essstörung habe, dass ich sehr wohl essen wolle und mich auch nicht absichtlich übergebe, sondern die Nahrung schlicht nicht bei mir halten könne. In der schlimmsten Zeit war ich gerade mal 27 Kilo schwer, zur Schule ging ich jedoch weiterhin, wenn ich nicht gerade im Spital weilte. Dort versuchte man schließlich, mich über eine Sonde zu ernähren, was aber auch nicht funktionierte, da ich alles sofort wieder erbrach. Wussten wir’s doch, dachte man wohl, das Mädchen ist anorektisch. Also musste ich mir selbst helfen. Ich begann Schritt für Schritt auszuprobieren, welche Nahrungsmittel ich noch essen konnte – bis ich langsam wieder etwas Gewicht zulegte. Erst etwa zwei Jahrzehnte später sollte sich übrigens herausstellen, dass ich verschiedenste Intoleranzen habe: Intoleranz auf Gluten, Histamin, Fructose und Lactose!10

Etwas Gutes hatte jedoch sogar diese lebensbedrohliche Situation in meiner Jugend: Auf der Suche nach einem Arzt, der mich ernst nahm, landete ich nämlich in der Seegartenklinik bei deren Chefarzt Doktor John van Limburg Stirum, der mich zwar auch nicht heilen konnte, aber sich meiner ganzheitlich annahm und mir seither in Gesundheitsfragen zur Seite steht. Das war und ist ein Glücksfall!

In der Kantonsschule wurde ich von den Lehrkräften sowie den Mitschüler:innen immer voll unterstützt. Trotzdem entschied ich mich eines Tages, als ich nach unzähligen Absenzen dem Unterricht endlich wieder hätte regelmäßig folgen können, auf Matura und Medizinstudium zu verzichten. Ich fühlte mich zu alt, und ich überlegte mir, dass ich die medizinischen Grundkenntnisse auch mit einer Ausbildung zur Pflegefachfrau erwerben und gleichzeitig finanziell unabhängig sein konnte. Ein Studium würde ich ja später jederzeit noch anhängen können. Deshalb begann ich mich nun nach einer Praktikumsstelle in der Pflege – Voraussetzung für die Ausbildung – umzuschauen. Doch trotz des Mangels an Pflegefachkräften wollte mich kein Spital aufnehmen, denn ich wog ja immer noch nur knapp 30 Kilo und schien ganz offensichtlich magersüchtig zu sein. Die Reaktionen der Verantwortlichen waren zum Teil ganz schön verletzend: Ich dürfe den Mantel auf keinen Fall ausziehen, ich sehe ja fürchterlich aus; falls ich mich je wieder bei ihnen bewerben sollte, würde man mich zuallererst auf die Waage stellen. Die abwertenden Reaktionen machten mir sehr zu schaffen, aber umso mehr wollte ich nun meiner Umgebung beweisen, dass ich genauso gut funktionierte wie die anderen Menschen.

Diese eineinhalb Jahre zwischen Schule und Praktikum waren nicht nur wegen der Stellensuche eine schwierige Zeit, sondern auch, weil ich schon fast ein Dauergast im Spital war und zahlreiche Tests – die alle kein eindeutiges Resultat ergaben – über mich ergehen lassen musste. Auch saß ich ja weiterhin im Rollstuhl, da die Paraplegie noch nicht ganz abgeklungen war. Schließlich fand ich aber doch einen Praktikumsplatz und später auch eine Ausbildungsstelle, wo ich trotz der anfänglichen Bedenken, ich sei den Strapazen nicht gewachsen, und trotz einer schweren Lungenentzündung, einer Thrombose (eines verstopften Blutgefäßes) und der ständigen Müdigkeit mein Studium erfolgreich abschließen konnte.

Nun hatte ich ein Etappenziel erreicht, ich war diplomierte Pflegefachfrau HF (Höhere Fachschule), und die Welt stand mir offen! Unterdessen war ich ins Zürcher Oberland gezogen, wo ich zuerst in einem Spital arbeitete und anschließend diverse Leitungsfunktionen in Pflegeinstitutionen innehatte.

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ISBN:
9783863215842
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