Kitabı oku: «Es gibt keine Wiederkehr», sayfa 4
‹Der Morgen und der Morgen und der Morgen … Das Märchen eines Narren voller Lärm und ohne Wut, und es bedeutet nichts›, dachte Desmond.
Mr. Poole schwatzte weiter.
«Ihr jungen Männer seid doch alle gleich – versucht immer clever zu sein. Nehmen wir mal die Rezensionen, die Sie früher geschrieben haben, sehr kluges Zeug natürlich, keine Frage, aber scharf und unausgewogen. Als ich noch Redakteur beim Montreal Chronicle war, sagte ich meinen Rezensenten immer: ‹Ist ein Buch schlecht, rezensieren Sie es nicht. Wenn Ihnen das Buch, das ich Ihnen schicke, keine Freude bereitet, schreiben Sie gar nichts darüber. Denken Sie immer daran: Schweigen ist die stärkste Form von Verachtung.› Ich habe ihnen beigebracht, dass der Rezensent das Bindeglied zwischen Autor und Leser darstellt, und je weniger eigene Vorurteile er zeigt, desto besser.»
«Das schwächste Glied wäre demnach eines, das den Autor und den Verleger nicht in Frieden lässt?» bemerkte Desmond.
«Thane, Thane, was machen wir nur mit Ihnen! Immer zynisch, niemals ernsthaft! Ich denke da an meinen alten Freund Max – Lord Beaverbrook –, der sagte zur mir …» Desmond schaltete ab. Wer wie ein tibetanischer Heiliger oder ein schlechter Soldat im Stehen schlafen konnte, brauchte Langeweile nicht zu fürchten, wenn Mr. Poole in Fahrt kam.
Desmond lehnte sich gegen ein Bücherregal und ignorierte Mr. Pooles Vortrag über die eigene Großartigkeit. Plapperte dieser Mann von den Geisteswissenschaften, schien das so absurd und provokant wie ein kurzsichtiger Professor mit dünnen Ärmchen, der seinen Kollegen das altnordische Schwingen einer Axt demonstriert – oder wie ein offensichtlich im Sterben liegender Schwindsüchtiger, der die politischen Fragen des kommenden Jahres bespricht. Desmond fand Mr. Pooles Unfähigkeit derart offensichtlich, dass Poole selbst sich darüber im Klaren sein musste; jeder Kommentar zu seinen Ausführungen käme daher einer herablassenden Kränkung gleich. Desmond kannte diese Ratlosigkeit von gelegentlichen Versuchen, einer unattraktiven Frau zu schmeicheln; er war dann errötet beim bloßen Gedanken an die Peinlichkeit, falls sie ihn als Heuchler und Lügner zurückgewiesen hätte. Allerdings wissen Menschen dort, wo sie Stärken haben, auch um eigene Grenzen und Unzulänglichkeiten; was ihnen vollkommen abgeht, ist ihnen selten bewusst. Wenn also jemand in ernstem Ton versichert hätte, er, Desmond, besitze die Augen eines Mystikers oder die Waden eines Marathonläufers, hätte Desmond ihm wahrscheinlich geglaubt – und den Schmeichler deshalb besonders geachtet.
Um vier Uhr öffnete ein Junge die Tür und warf die Abendzeitung hinein. Desmond verrenkte seinen Hals, bis er die Überschriften lesen konnte:
DEUTSCHES FLUGZEUG VOR SHETLAND ABGESTÜRZT; VORLÄUFIGES SCHEIDUNGSURTEIL FÜR BARONIN; FRAU TOT IM APARTMENT. Desmond erstarrte und beugte sich vor:
FRAU TOT IM APARTMENT
Am heutigen Morgen wurde der Leichnam einer Frau, deren Name vermutlich Anna Raven lautet, in einem Apartment am Bedford Square aufgefunden. Der Tod trat vermutlich infolge einer Strangulation ein. Der Polizei liegen eine Reihe von Hinweisen vor; im Zusammenhang mit dem Verbrechen bittet man eine männliche Person, sich für eine Befragung bereitzuhalten.
Desmond spürte, wie er erbleichte, und stützte sich mit der Hand auf den Schreibtisch. Natürlich, sie schrieben immer etwas in dieser Art; sie konnten ihn unmöglich aufgespürt haben. Das half aber nichts; der elende Pressetext hatte ihm den Mord wieder vor Augen geführt – die Tat war nun «amtlich», und er wusste, dass sie sich wirklich zugetragen hatte. Er fürchtete plötzlich eine nahende Ohnmacht. Da wurde auch Mr. Poole aufmerksam.
«Fehlt Ihnen etwas, Thane? Sie sind ja bleich wie ein Gespenst.»
«Alles in Ordnung, vielen Dank; ich fühle mich nur ein wenig schwach, ich glaube, ich hole mir etwas Wasser, wenn Sie nichts dagegen haben; es ist wirklich alles in Ordnung.»
«Setzen Sie sich hin, Miss Prestwood wird Ihnen Wasser bringen. Beugen Sie Ihren Kopf nach unten – nein, noch tiefer –, dann werden Sie sich gleich besser fühlen.»
Mr. Poole rang mit sich; seine natürliche Freundlichkeit kämpfte gegen seine Pflichten als Arbeitgeber. Die Freundlichkeit siegte.
«Da, trinken Sie. Sie sollten lieber heimgehen und sich hinlegen; wir werden den Rest des Tages auch ohne Sie schaffen. Schlimmer, falls Sie hinfällig bleiben, wenn der Abgabetermin näher rückt. Ich bitte Miss Prestwood, Ihnen ein Taxi zu rufen.»
Desmond protestierte nur halbherzig, denn zu seinem eigenen Schrecken fühlte er sich tatsächlich krank, und er war froh, als man ihn in ein Taxi setzte. Ein paar Minuten später ging es ihm wieder besser, und als er zu Hause ankam, war er nahezu vollständig wiederhergestellt. Ähnlich wie Anna bewohnte auch er eines von mehreren Apartments in einem umgebauten Wohnhaus. Während er die Treppe hinaufstieg, schien ihm, als sei seine Wohnungstür ins Schloss gefallen. Er eilte die letzten Stufen hinauf und traf auf einen großen, kräftigen Mann, der eine Hand auf den Türklopfer legte.
«Wollen Sie mich sprechen?»
Der Mann wandte sich langsam um. Sein Gesicht wirkte weich, als rasierte er sich dreimal täglich; die Augen spielten ins Grünliche und standen ungewöhnlich weit auseinander. Seine Stimme klang belegt.
«Wohnt hier Mr. George Williamson?»
«Nein, tut mir leid.»
«Dann entschuldigen Sie mich; ich werde mich in der Adresse geirrt haben.»
Der Mann lüftete seinen schwarzen Hut und stieg die Treppe hinab, ohne eine Spur von Enttäuschung. Desmond zuckte die Achseln und trat ein.
Mrs. Fletcher, seine Haushaltshilfe, hatte an diesem Morgen offenbar sehr gründlich geputzt, denn Desmond fiel auf, dass alle Dinge, selbst seine Bücher, ein klein wenig anders standen als sonst. Zum Glück lag Annas Tagebuch an einem sicheren Ort; als Nächstes musste er die Pistole loswerden. Er inspizierte die Taschen des Anzugs, den er am letzten Abend getragen hatte. Ja, sie war immer noch da.
Bei Dunkelheit nahm er die Pistole an sich, er eilte zur Waterloo Bridge und warf sie über die Brüstung. Das war’s, so Gott will!
VIERTES KAPITEL
I. O.
NIEDERSCHRIFT EINER AUSSERORDENTLICHEN SITZUNG
DES ZENTRALKOMITEES FÜR WESTEUROPA
Anwesend: A (Vorsitzender); B, C (für die Sektion Osteuropa); D, E, F, G (Schriftführer)
Ort: Londoner Zentrale
Termin: 22.30 Uhr am 17. dieses Monats
Die Teilnehmer verständigen sich darauf, dass die Sitzung in englischer Sprache abgehalten wird. B wird für D übersetzen; E übersetzt für F.
Auf Vorschlag des Sitzungsleiters wird die Niederschrift der letzten Sitzung als bekannt vorausgesetzt.
Vorsitzender: Ich habe diese außerplanmäßige Sitzung so kurzfristig einberufen, weil ein Ereignis eingetreten ist, das die Zukunft unserer gesamten Organisation gefährden könnte. Ich will mich kurz fassen. Anna Raven, unsere wichtigste Agentin und Kontaktperson in diesem Land, wurde von Unbekannten ermordet, und man hat ihre Kontaktliste entwendet.
B: Oh Gott, war das die Gestapo? Was sollen wir tun?
E: Gestapo? Vermutlich eher der britische Geheimdienst. Ihr Deutschen denkt immer nur an eure Gestapo.
B: Sie würden die Gestapo nicht so leichtfertig abtun, wenn Sie sie so erlebt hätten wie ich! Ich habe mitangesehen, wie sie die Menschen abholen; ich war selbst bei einem Verhör zugegen. Sie werden auf meinen Namen stoßen und mich fassen. Ich muss sofort aufbrechen.
C: Haltet ihn auf, sonst gefährdet er uns alle!
Es entwickelt sich eine hitzige Debatte, die auf Anweisung des Vorsitzenden aus dem Protokoll gestrichen wird. Der Vorsitzende ruft die Versammlung zur Ordnung.
Vorsitzender: Meine Herren, meine Herren, bitte fassen Sie sich; die Situation ist nicht ganz so hoffnungslos, wie Sie vielleicht glauben. Mr. Foster, ein Kontaktmann von Mrs. Raven, hat die Angelegenheit untersucht und wartet draußen, um Ihnen zu berichten. Ich schlage vor, ihn anzuhören, bevor wir weiter beratschlagen.
Mehrere Stimmen: Einverstanden.
Mr. Foster wird hereingebeten und gibt folgende Erklärung ab.
Mr. Foster: Am Montagabend sollte Raven mich um neun Uhr aufsuchen, um letzte Details wegen der Übertragung ihrer Aufgaben auf mich zu besprechen; anschließend wollte sie abreisen, um ihre neue Position einzunehmen. Um viertel vor zehn war sie noch immer nicht eingetroffen, daher rief ich sie in ihrer Wohnung an. Weil sich niemand meldete, wurde ich unruhig; ich fuhr höchstpersönlich mit zwei Assistenten dorthin, um nach dem Rechten zu sehen. Ins Haus gelangte ich mit meinem Duplikatschlüssel, im Treppenhaus ist mir niemand begegnet. Ich fand die Wohnungstür offen; jemand hatte das Schloss mit zwei Schüssen zerstört. Im Wohnzimmer entdeckte ich Ravens leblosen Körper auf dem Boden; sie ist mit ihrem eigenen Halstuch erwürgt worden, offenbar nach einem kurzen Handgemenge. Bei meinem Eintreffen war sie noch nicht lange tot. Jemand hatte das Apartment durchsucht, alles war in Unordnung; die Kontaktliste und ein Geldbetrag waren verschwunden, ansonsten war noch alles an seinem Platz. Ich habe einige Beweisstücke an mich genommen und die Wohnung in den frühen Morgenstunden wieder verlassen.
Vorsitzender: Gibt es dazu Fragen?
C: Woraus genau besteht diese Kontaktliste?
Mr. Foster: In diesem Fall enthält sie eine kurze Darstellung unserer Ziele, Hinweise auf besondere Eigenheiten unserer britischen Kontaktpersonen, detaillierte Instruktionen zur Kontaktaufnahme mit führenden Vertretern unserer Organisation in anderen Ländern und gewisse Bemerkungen über die Mitglieder dieses Komitees.
B: Gütiger Gott, wir sind verloren!
Mr. Foster: Das Buch ist allerdings in einem speziellen Code abgefasst, und ich habe Grund zu der Annahme, dass die Personen, die es entwendet haben, bislang nicht in der Lage sein dürften, ihn zu entschlüsseln.
D: Woher wollen Sie das wissen?
Vorsitzender: Beantworten Sie diese Frage bitte nicht. Es tut mir leid, meine Herren, aber im Augenblick liegt es, glaube ich, in unser aller Interesse, so wenig wie möglich in diese Details einzusteigen. An Tagen wie diesen ist es nötig, selbst unter …
B: Was unterstellen Sie da? Wie können Sie es wagen, uns mit dieser Art von Anschuldigungen zu behelligen!
Vorsitzender: Herrr B.! Nichts, was ich sagte, war auf eine der anwesenden Personen gemünzt; ich wollte lediglich andeuten, dass diese ganze Angelegenheit äußerst verdächtig wirkt und dass es bis zur vollständigen Aufklärung am sichersten scheint, niemandem mehr anzuvertrauen als absolut unumgänglich. Und ich denke, daran sollten auch Sie sich halten, auch wenn Sie hier unter Freunden sind, die den Grund für Ihre Erregung verstehen.
B: Es tut mir leid. Verzeihen Sie mir. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Es ist manchmal schwer, zwei Herren zu dienen.
E: Mr. Foster, haben Sie denn irgendeinen Hinweis auf den Mörder gefunden?
Mr. Foster: Im Aschebehälter in der Küche habe ich ein Telegramm entdeckt, das auf den gleichen Nachmittag datiert war und in dem eine Person, die mit D.T. unterzeichnet hat, ein Treffen um halb acht abends fordert. Meine Recherchen ergaben, dass der Anruf aus den Büros von International Features kam, einer wichtigen Nachrichtenagentur. Ich konnte nur zwei Angestellte mit diesen Initialen ermitteln, über beide habe ich Erkundigungen eingeholt. Über den einen erfuhr ich nichts von Belang; im Apartment des anderen fand ich eine vollautomatische Pistole, die zum Kaliber der Kugeln passt, die ich aus Ravens Tür entnehmen konnte. Selbstverständlich habe ich mich sofort über diesen Herrn informiert und ein kleines Dossier angelegt.
Vorsitzender: Bitte lassen Sie hören.
Mr. Foster: «Desmond Thane; um die dreißig; blasse Gesichtsfarbe, dunkles Haar, etwa einsachtzig groß. Bei International Features als Redakteur angestellt. Verheiratet, lebt aber von seiner Frau getrennt. Interessen und Vorlieben außerhalb seiner Arbeit sind nicht bekannt, er scheint aber mehrere Sprachen zu beherrschen. Während der letzten Monate hat er offenbar viel Zeit außerhalb seiner Wohnung verbracht, er ist allerdings sehr verschwiegen, was seine Aktivitäten betrifft, und seine Kollegen wissen kaum etwas über ihn.» – Meine Herren, Sie müssen bedenken, dass mir die Zeit für gründlichere Ermittlungen fehlte und dass ich bei der Befragung seiner Bekannten äußerst behutsam vorgehen musste. – «Eine sorgfältige Durchsuchung seiner Wohnung förderte nichts Relevantes zutage, von der bereits erwähnten Pistole abgesehen. Sein Geschmack betreffs Kleidung und Bücher ist extravagant, und ausweislich einer Streichholzschachtel verkehrt er offenbar im Snake and Ladder, einem teuren Nachtclub. Seine Papiere bestehen überwiegend aus unbezahlten Rechnungen, und ich könnte mir vorstellen, dass sein Lebensstil über seiner Gehaltsklasse liegt. Mir war es nicht möglich, ihn mit irgendeiner politischen Organisation in Verbindung zu bringen.»
C: Die Kontaktliste haben Sie aber nicht gefunden?
Mr. Foster: Nein, leider nicht.
G: Wie schätzen Sie persönlich Thane ein?
Mr. Foster: Da möchte ich mich ungern festlegen. Bei früheren Anlässen habe ich ja bereits ausgeführt, dass ein Mann, der geistig beweglich, verschwiegen und nicht an seiner Arbeit interessiert ist, in der Regel noch einer weiteren Beschäftigung nachgeht, für die er die beiden erstgenannten Eigenschaften benötigt. Thane scheint zu dieser Sorte von Menschen zu gehören, die ich selbst gelegentlich einsetze, und könnte deshalb gefährlich werden.
Vorsitzender: Hat jemand noch weitere Fragen an Mr. Foster? Falls nicht, schlage ich vor, dass er sich verabschieden darf, denn er fliegt morgen früh nach Paris und hat noch einige Vorkehrungen zu treffen.
E: Nur noch eine Frage. Wie eng war Ihre Beziehung zu Raven?
Mr. Foster: Sehr eng. Wir waren Kollegen.
E: War Ihre Beziehung rein beruflich?
Mr. Foster: Ja.
E: Hat sie Thane jemals erwähnt oder einen anderen Namen, der mit ihm in Verbindung stehen könnte?
Mr. Foster: Nein. Sie hat immer behauptet, keine Freunde zu haben. Ich war ihr engster Vertrauter.
Mr. Foster verlässt den Raum. Die Diskussion wird fortgesetzt.
Vorsitzender: Höchst vertrauenswürdig. Er ist unser wichtigster Mann in Großbritannien und hat bislang alle Aufgaben hervorragend ausgeführt. Seine Loyalität steht ganz außer Zweifel.
E: Ohne seine Loyalität in Zweifel zu ziehen – aber könnte er nicht aus persönlichen Gründen verwickelt sein? Er ist zielstrebig und rücksichtslos; und ich schließe aus der Art seiner Ausführungen, dass sein Verhältnis zu Raven womöglich nicht rein beruflich war. Wäre es nicht denkbar, dass er sie aus, sagen wir, Eifersucht getötet hat, die Kontaktliste verschwinden ließ, um den Verdacht auf andere zu lenken, und dass er nun versucht, das Verbrechen Thane in die Schuhe zu schieben, der womöglich sogar ein erotischer Rivale war?
G: Ich glaube, wir können ganz sicher sein, dass Foster in einem solchen Fall so gründlich vorgegangen wäre, dass wir keinerlei Beweise gegen ihn in die Hand bekämen. Und ich möchte Sie alle daran erinnern, dass er ein sehr wertvoller und gefährlicher Mann ist, dessen Arbeit stets untadelig war und auf den wir derzeit gar nicht verzichten können. Ich denke, wir vertagen diese Verdächtigungen erst einmal und entscheiden lieber, was wir in Sachen Thane unternehmen.
E: Mir ist schon seit einigen Monaten unwohl dabei, wie abhängig wir von diesem Herrn sind. Mit seinem Wissen und seinen Fähigkeiten könnte er hochgefährlich werden, und ich glaube, es ist an der Zeit, ihn zu stoppen. Fürs Erste plädiere ich dafür, dass die Untersuchung dieser wichtigen Angelegenheit nicht ausschließlich in seinen Händen liegt.
G: Ich schlage vor, dass wir die Gesamtverantwortung bei Foster belassen, aber ihm jemanden an die Seite stellen – nach außen hin zur Unterstützung, aber tatsächlich als Beobachter.
Vorsitzender: Das wird er ablehnen, fürchte ich.
G: Nicht, wenn wir es behutsam angehen. Ich kenne einen exzellenten Mann für diesen Job, einen Iren, der sich O’Brien nennt. Foster kennt ihn nicht, er ist absolut verlässlich und unbestechlich, und er ist zu dumm, als dass Foster ihn ernst nehmen und gekränkt sein könnte.
E: Wenn er dumm ist, was nützt er dann?
G: Ein dummer Beobachter ist oft am besten, da er einfach nur berichtet, was er gesehen hat. Und er ist vertrauenswürdiger als ein kluger Mann.
Vorsitzender: Sehr gut, ich werde Foster diese Person bei seinen Untersuchungen zur Seite stellen. Aber lasst uns zum Fall Raven zurückkehren. Wie lautet die Meinung des Plenums?
B: Die Details dieser Angelegenheit scheinen mir belanglos, wir wissen bereits mehr als nötig. Eine unserer wichtigsten Agentinnen wurde ermordet, und einige unserer Namen befinden sich in den Händen des Gegners. Falls wir nicht unverzüglich fliehen, werde ich in Dachau enden, Sie in einer Salzmine, Sie mit einer Kugel im Hinterkopf, Sie in einem tropischen Sumpf und Sie, Herr Vorsitzender, in einem behaglichen Schloss, wo ein netter fairer Prozess auf Sie wartet und ein netter neuer Strick um Ihren Hals – sofern man Ihnen das Genick nicht mit einer Seidenkordel bricht, aus Rücksicht auf Ihre Stellung.
D: B. hat recht; wir sind erledigt, ganz gleich, wer die Liste besitzt. Wir sollten uns besser schnellstens verdünnisieren und keine Zeit mit Rumreden vertrödeln.
Vorsitzender: Meine Herren! Die eigene Schwäche zu übertreiben ist ebenso gefährlich wie das Überschätzen der eigenen Stärke, und sich die Niederlage auszumalen führt sie nur umso sicherer herbei. Bitte gestatten Sie mir eine nüchterne Darstellung unserer Lage.
Zunächst eine Mahnung! Oben auf der Tagesordnung finden Sie die Buchstaben I. O. Die stehen, wie Sie wissen, für «Internationale Opposition». Wir stehen für eine in der Geschichte gänzlich neue Bewegung: einen engen internationalen Zusammenschluss all jener, die, unabhängig von ihren politischen Zielen und Strategien, gegenwärtig nicht am Ruder sitzen – wir sind, wenn Sie so wollen, ein Bund der Entrechteten. Wir repräsentieren die großen ideologischen Minderheiten Europas – angefangen bei C, der den ursprünglichen Bolschewismus wiederherstellen möchte, über B als Vertreter des reinen und unverfälschten Nationalsozialismus bis zu F, der einem anderen Duce anhängt. Ich selbst wünsche mir für Großbritannien eine wohltätige Autokratie – anstelle unserer hartherzigen Oligarchie. Kurz, wir sind das Schattenkabinett eines großen Teiles dieser Welt – eine temporäre Einheitsfront all jener, die zeitweise Not leiden. Heute steht unser Sieg unmittelbar bevor; wir stehen kurz vor den Revolten in allen Hauptstädten unserer Zielländer, Macht und Rache sind nahe. Anschließend werden wir Gegner sein; jetzt aber sind wir Bundesgenossen, die zusammenstehen oder zusammen fallen; und in unserem Bund liegt eine größere Kraft, als einige von Ihnen zu ahnen scheinen.
Während wir uns verbündet haben, sind unsere Gegner verfeindet; das ist unsere Stärke. In Friedenszeiten haben sie oft zusammengearbeitet, das ist wahr. C wird sich noch daran erinnern, wie die Gestapo Radek und Bucharin an Stalin verriet, weil Krupp eine Dritte Internationale fürchtete; und B dürfte nicht vergessen haben, dass der französische Geheimdienst Ernst Röhm an Hitler verriet im Glauben, ein deutscher Staatskapitalismus sei leichter zu ertragen als nationaler Sozialismus. Heute dagegen führen diese Mächte Krieg gegeneinander, und die Kontakte zwischen ihren Geheimdiensten sind weitgehend abgerissen. Ihre herrschenden Klassen bekämpfen einander, ihre Geheimagenten spionieren einander aus, und sollte eine Regierung Wind von unseren Machenschaften bekommen, wird sie uns vermutlich eher zur Seite springen, als uns zu verraten. Wir sind die einzige schlagkräftige Internationale!
Nun zum Fall Raven. Sie hat in unserem Auftrag gegen die britische und die deutsche Regierung gearbeitet, und jeder dieser beiden Geheimdienste könnte sie beseitigt haben. Allerdings hätten sie dabei niemals kooperiert oder Erkenntnisse ausgetauscht – und so wären wir selbst im schlimmsten Fall nur halb verraten und nur halb vernichtet. Das wäre der schlimmste Fall; ich bin aber recht zuversichtlich, dass unsere Lage gar nicht so ernst ist, wenn wir alles in Ruhe betrachten und nichts überstürzen. Ich möchte noch einmal betonen, dass die Liste auf eine Weise kodiert ist, dass sie ohne Schlüssel unlesbar bleibt; den aber besitzen unsere Feinde bisher nicht, wer immer sie sein mögen. B, Sie gehören doch der Gestapo an. Glauben Sie, die Gestapo hatte hier ihre Hand im Spiel?
B: Ich kann es nicht sagen. Ich weiß es nicht. Seit fünf Jahren gehöre ich zu ihnen, und ich weiß immer noch nicht alles, was dort vor sich geht, nicht einmal in meiner eigenen Abteilung. Vielleicht verdächtigen sie mich bereits und verbergen manches vor mir; vielleicht planen sie schon, mich zu beseitigen. Da bin ich mir sogar sicher!
Vorsitzender: Bitte beruhigen Sie sich und antworten Sie mit Bedacht. Glauben Sie, die Gestapo wusste von Ravens Aktivitäten?
B: Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht. Mit Sicherheit stand sie nicht auf der allgemeinen Liste, aber das will nichts heißen. Vielleicht stand sie ja auf einer kleinen Spezialliste.
Vorsitzender: Passt das, was Sie über diesen Vorfall gehört haben, zu deren üblichen Methoden?
B: Nein – nein. Man hätte sie nicht erwürgt; man hätte sie erschossen, totgeschlagen oder entführt. Mag sein, dass sie diesen Thane engagiert haben; sie verwenden diese Sorte von Leuten hier in England ganz gern für spezielle Aufträge außerhalb der üblichen Agententätigkeit.
Vorsitzender: Mr. G – glauben Sie, der britische Geheimdienst war hier am Werk?
G: Es riecht nicht sehr nach unserem Geheimdienst, auch wenn Thane einer dieser Leute sein könnte, die sie von Zeit zu Zeit für belanglose Aufgaben einsetzen. Nur – warum sollten sie Raven töten? Sie befinden sich hier im eigenen Land, sie hätten Raven also leicht verhaften können, wenn nötig. Vielleicht war es ja ein ungeplanter Mord oder einer aus rein persönlichen Motiven?
F: Sicher nicht. Öffnet ein Dieb in einem bewohnten Haus eine Tür mit der Schusswaffe? Hätte ein gewöhnlicher Krimineller ein verschlüsseltes Notizbuch an sich genommen und Silberschmuck und wertvolle Steine zurückgelassen? Welches Motiv könnte sonst dahinter stecken? Mord aus Leidenschaft? Aber würde ein Mann eine Tür aufschießen und seine Geliebte erdrosseln und anschließend noch ihren Schreibtisch durchsuchen, dabei ihre Briefe ungeöffnet lassen und ausgerechnet das einzige Notizbuch mitnehmen, das er gar nicht lesen kann? Stammt das Telegramm von einem Liebhaber? Und welchen Beweis haben wir denn dafür, dass Raven überhaupt Liebschaften pflegte oder dass sie Thane kannte?
G: Das Telegramm setzt doch eine Bekanntschaft voraus.
F: Sicher, aber nicht zwingend eine persönliche und intime. Wir müssen davon ausgehen, dass Thane die Kontaktliste an sich genommen hat, egal aus welchen Gründen; solange wir sie nicht zurückhaben, gibt es weder Ruhe noch Sicherheit. Ich für meinen Teil glaube nicht an Zufälle, und nach allem, was wir gehört haben, bin ich überzeugt, dass dieser Mord aufs Konto unserer Gegner geht. Es ist jedenfalls von äußerster Wichtigkeit, dass wir unverzüglich nach dieser Prämisse handeln.
B: Ich schlage vor, Thane sofort zu töten, bevor er uns weiter schadet.
C: Ich bin strikt dagegen. Er ist unsere einzige Verbindung zur Kontaktliste, die wir, verschlüsselt oder nicht, zurückbekommen oder zerstören müssen. Außerdem ist es von äußerster Dringlichkeit, den Urheber dieser Liquidierung zu ermitteln, damit wir angemessene Schritte zu unserem Schutz unternehmen können.
E: Ich schlage vor, Thane zu einer Befragung abzuholen und ihn anschließend zu beseitigen.
Vorsitzender: Ich schließe mich meinem Vorredner an. Ich schlage vor, wir überlassen Foster diese Angelegenheit, der in ein paar Tagen nach London zurückkehrt. Wir sollten Thane aber sofort ergreifen und an einen sicheren Ort bringen.
B: Müssen wir auf Foster warten? Können wir diesen Herrn nicht selbst befragen? Überlassen Sie mir die Befragung, und ich quetsche die Wahrheit schnell aus ihm heraus.
Vorsitzender: Es ist immerhin denkbar, dass das Telegramm absichtlich im Apartment hinterlassen wurde und dass unsere Gegner, da sie die Liste nicht entziffern können, Thane als eine Art Köder benutzen in der Hoffnung, uns aufzuspüren, sollten wir versuchen, ihn zu entführen. Wenn wir seine Entführung also einigen rangniederen Agenten überlassen, zwingen wir unseren Gegner, sich zu offenbaren: Selbst der britische Geheimdienst dürfte es kaum zulassen, dass wir einen aus seinen Reihen längere Zeit festhalten. Und da Foster den Fall Raven nun schon einmal übernommen hat, scheint es das Beste, ihm diese Angelegenheit anzuvertrauen – und ich möchte hinzufügen: Jemand anderem in diesem Stadium die Verantwortung zu übertragen wäre ein Beweis mangelnden Vertrauens, der ihm gar nicht gefallen dürfte. Wobei wir alle Herrn B natürlich sehr dankbar dafür sind, uns seine Expertise zur Verfügung zu stellen.
E: Ich stimme zu. Wir können es uns noch nicht leisten, Foster zu verärgern.
Vorsitzender: Darf ich also davon ausgehen, dass wir alle einer Meinung sind? Mit Ihrer Zustimmung werde ich selbst alles Notwendige veranlassen, um Thane unverzüglich in Gewahrsam zu nehmen.
G: Und dafür zu sorgen, dass O’Brien seine Instruktionen erhält.
C: Sollte der Code, der in Ravens Kontaktliste verwendet wurde, nicht unverzüglich aufgehoben werden?
Vorsitzender: Das ist bereits geschehen. Meine Herren, habe ich Ihre Zustimmung?
B: Mir gefällt das nicht, aber ich glaube, Sie haben recht.
B, C, D, E, F und G stimmen dem Vorschlag des Vorsitzenden zu. Die Sitzung ist beendet.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.