Kitabı oku: «Über Sozialismus», sayfa 2

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1. Die Einwürfe der Sozialisten gegen die bestehende Gesellschaftsordnung

Wie bei allen Reformvorschlägen zwei Stücke in Betracht zu ziehen sind – nämlich was von der Umgestaltung betroffen sein soll und worin die Umgestaltung bestehen soll – so sind auch am Sozialismus, als Ganzes genommen, und an jeder seiner Spielarten für sich, zwei Seiten zu unterscheiden: die kritische oder zerstörende und die positive oder schaffende. Wir haben zunächst das Urteil des Sozialismus über die bestehenden Einrichtungen und Übungen und über deren Erfolge, und an zweiter Stelle die mannigfachen Pläne ins Auge zu fassen, welche derselbe entworfen hat, um zu Vollkommenerem zu gelangen. In Betreff des ersten Punktes stimmen alle die verschiedenen sozialistischen Schulen überein. Die Einwendungen, die sie gegen die bestehende wirtschaftliche Ordnung der Gesellschaft erheben, sind fast genau dieselben. Bis zu einem gewissen Punkte fallen auch ihre allgemeinen Vorstellungen von der Abhilfe, die dagegen zu treffen ist, zusammen; aber in den Einzelheiten gehen ihre Meinungen, trotz dieser allgemeinen Übereinstimmung, weit auseinander. Wenn wir daran gehen, uns ein Urteil über ihre Lehren zu bilden, werden wir es ebenso naturgemäß als zweckdienlich finden, mit dem negativen, ihnen allen gemeinsamen Teil derselben zu beginnen und von ihren Meinungsverschiedenheiten erst dann zu handeln, wenn wir zu ihren positiven Bestrebungen gelangen, in denen allein sich ernste Differenzpunkte zwischen ihnen ergeben.

Dieser erste Teil unserer Aufgabe bietet keinerlei Schwierigkeiten, da er bloß in einer Aufzählung vorhandener Übel besteht. An diesen ist wahrlich kein Mangel und die Mehrzahl von ihnen liegt klar und unverhüllt zu Tage. Ja, viele darunter bilden die alltäglichsten Gemeinplätze der Moralisten, obwohl die Wurzeln derselben in eine Tiefe hinab reichen, zu der die Moralisten nur selten vorzudringen versuchen. Sie sind von so mannigfaltiger Art, dass die einzige Schwierigkeit darin liegt, ein annähernd erschöpfendes Verzeichnis derselben zu geben. Wir werden uns für den Augenblick damit begnügen, einige wenige von den wichtigsten zu erwähnen. Eines aber muss der Leser fortwährend im Auge behalten. Wenn ein Punkt der Aufzählung nach dem anderen vor seinem geistigen Auge vorüberzieht, und wenn er eine Tatsache nach der anderen, die er zu den Naturnotwendigkeiten zu rechnen gewohnt war, zur Anklage gegen die sozialen Einrichtungen verwendet sieht, hat er kein Recht, das Verfahren ein unbilliges zu schelten und zu versichern, dass die gerügten Übelstände dem Menschen und der Gesellschaft notwendig anhaften und durch keinerlei soziale Anordnungen zu beseitigen seien. Denn das hieße nichts anderes tun, als die strittige Frage umgehen. Niemand gesteht bereitwilliger zu als die Sozialisten – ja sie behaupten es sogar mit weit mehr Entschiedenheit, als durch den wirklichen Sachverhalt gerechtfertigt scheint – dass die Übel, über welche sie Beschwerde führen, innerhalb der gegenwärtigen Verfassung der Gesellschaft keine Heilung gestatten. Sie wollen, dass man erwäge, ob sich nicht irgendeine andere Form der Gesellschaft ausfindig machen ließe, welcher diese Übelstände gar nicht oder in viel geringerem Maße anhaften würden. Alle diejenigen, welche die gegenwärtige Ordnung der Gesellschaft, als ein Ganzes angreifen, und die Möglichkeit einer vollständigen Umgestaltung ins Auge fassen, haben das Recht, alle die Übelstände, welche sich gegenwärtig in der Gesellschaft vorfinden, als Argumente zu Gunsten ihrer Sache aufzuführen, gleichviel ob die sozialen Einrichtungen an ihnen Schuld zu tragen scheinen oder nicht, – vorausgesetzt, dass sie nicht das Ergebnis von Naturgesetzen sind, denen menschliche Macht nicht gewachsen ist oder die Wissenschaft noch nicht zu begegnen gelernt hat. Moralische und solche physische Übelstände, welche beseitigt wären, wenn alle Menschen handelten, wie sie sollten, lassen sich füglich gegen den Zustand der Gesellschaft, welcher sie zulässt, ins Feld führen, und können so lange als triftige Argumente gelten, bis der Nachweis geführt wird, dass jeder andere Zustand der Gesellschaft ein gleiches oder ein größeres Maß von derartigen Übeln in seinem Gefolge hätte. Nach der Meinung der Sozialisten haben die gegenwärtigen gesellschaftlichen Einrichtungen in Betreff des Eigentums und der Hervorbringung und Verteilung des Vermögens, als Mittel zur Förderung des allgemeinen Wohls betrachtet, ihre Aufgabe völlig verfehlt. Sie sagen, dass diese Einrichtungen einer ungeheuren Masse von Elend und Schlechtigkeit gegenüber sich machtlos erweisen; dass das moralische oder physische Gute, was sie zu Wege bringen, im Vergleiche zur aufgewandten Mühe, erbärmlich gering ist, und dass selbst dieses wenige Gute durch Mittel erzeugt wird, welche an verderblichen Konsequenzen, sittlicher wie physischer Art, überaus ergiebig sind.

Obenan unter den bestehenden sozialen Übeln steht die Armut. Die Institution des Eigentums wird hauptsächlich darum gerühmt und verteidigt, weil man in ihr das Mittel erblickt, durch welches der Arbeit und Genügsamkeit ihre Belohnung gesichert und die Menschheit in den Stand gesetzt wird, sich über die Stufe der Dürftigkeit zu erheben. Dies mag sich wirklich so verhalten, und die meisten Sozialisten gestehen zu, dass es sich in früheren Perioden der Geschichte so verhielt. Aber wenn diese Einrichtung, so sagen sie, in dieser Hinsicht nicht mehr oder nichts Vollkommeneres leisten kann, als sie bisher geleistet hat, dann ist ihr Leistungsvermögen ein sehr beschränktes zu nennen. Wie klein ist nicht, selbst in den zivilisiertesten Ländern Europas, der Bruchteil der Bevölkerung, welchem ein nur einigermaßen nennenswerter persönlicher Vorteil aus den Segnungen des Eigentums erwächst! Man kann sagen, dass auch die anderen ihr tägliches Brot entbehren müssten, wenn sich nicht Eigentum in den Händen ihrer Arbeitgeber vorfände; aber wenn man dies auch einräumt, so ist doch das tägliche Brot das Einzige, was sie haben, und dies oft in unzureichender Menge, fast immer von ungenügender Güte, und ohne jede Sicherheit, dass sie es in Zukunft überhaupt erhalten werden; denn ein überaus großer Teil der arbeitenden Klassen ist zu irgendeiner Lebensepoche (wenigstens zeitweilig) auf öffentliche oder private Mildtätigkeit angewiesen, und die Gesamtheit ist stets der Gefahr ausgesetzt, in eine derartige Lage zu geraten. Es wäre überflüssig, hier den Jammer der Armut zu schildern, oder die Anzahl von Menschen, welche selbst in den fortgeschrittensten Ländern in dauernder Weise den aus ihr entspringenden physischen und moralischen Leiden preisgegeben sind, abschätzen zu wollen. Dies mag den Philanthropen überlassen bleiben, welche dieses Elend mit hinreichend starken Farben ausgemalt haben. Für uns genüge die Bemerkung, dass im zivilisierten Europa, und selbst in England und Frankreich, der Zustand großer Massen von Menschen ein elenderer ist, als bei den meisten uns bekannt gewordenen Stämmen von Wilden.

Man kann einwenden, dass niemand ein Recht habe, sich über dieses harte Los zu beschweren, weil es nur solche trifft, die wegen ihrer geringeren Tatkraft oder Klugheit von anderen überholt werden. Aber selbst wenn dies wahr wäre, läge darin doch nur ein recht armseliger Trost. Wenn ein Nero oder Domitian hundert Menschen zwingen würde, einen Wettlauf zu unternehmen, bei welchem die fünfzig oder zwanzig zuletzt Ankommenden dem Tode verfallen sollten, so wäre das Unrecht darum kein geringeres, weil die Stärksten oder die Flinksten sicher wären, wenn kein ungünstiger Zufall sie aufhält, zu entrinnen. Das Jammervolle und Verbrecherische bestünde darin, dass überhaupt irgendwelche dem Tod verfielen. Nicht anders steht es im Haushalt der Gesellschaft; wenn es irgendwelche Menschen gibt, welche unter materiellen Entbehrungen oder sittlicher Herabwürdigung leiden, deren leibliche Bedürfnisse entweder gar nicht oder in einer Weise, die nur tierischen Geschöpfen genügen kann, befriedigt werden, so beweist dies, wenngleich nicht notwendigerweise ein Verbrechen der Gesellschaft, so doch pro tanto einen Misserfolg ihrer Einrichtungen. Und es heißt zum Unglück nur den Hohn hinzufügen, wenn man eine Verkleinerung des Übels darin erblicken will, dass die also Leidenden die in moralischer oder physischer Hinsicht schwächeren Mitglieder des Gemeinwesens sind. Ist denn die Schwäche eines Wesens ein Grund, Leiden über dasselbe zu verhängen? Gewährt sie nicht vielmehr einen geradezu unabweislichen Anspruch auf Schutz vor Leiden? Könnten die Glücklichen, wenn ihr Geist und Gemüt von der rechten Art wäre, ihres Glückes froh werden, wenn um dieses Glückes willen auch nur einem einzigen Menschen in ihrer Nähe aus einer anderen Ursache als durch eigenes Verschulden die Bedingungen eines begehrenswerten Daseins entzogen würden?

Es gibt eine Bedingung, unter welcher, falls sie zutreffen sollte, die sozialen Einrichtungen von jeder Verantwortlichkeit für die erwähnten Übel freigesprochen werden müssten. Da die menschliche Gattung keine anderen Mittel zur Sicherung einer genussreichen Existenz, oder der Existenz überhaupt, hat, als sie durch ihre eigene Arbeit und Enthaltsamkeit hervorbringt, so entfiele jeder Grund zur Beschwerde gegen die Gesellschaft, wenn jeder, der bereit ist, einen angemessenen Teil dieser Arbeit und Enthaltsamkeit auf sich zu nehmen, auch einen angemessenen Anteil an dem Ertrage derselben erhielte. Aber ist dies der Fall? Ist nicht vielmehr das Gegenteil davon der Fall? Anstatt dass die Belohnung der Arbeit und Enthaltsamkeit des Einzelnen entspräche, steht sie nahezu in umgekehrtem Verhältnisse zu denselben: diejenigen, welche an Arbeit und Enthaltsamkeit am meisten leisten, erhalten am wenigsten. Sogar die arbeitsscheuen, gedanken- und gewissenlosen Armen, von denen man am ehesten behaupten kann, dass sie ihre Lage selbst verschulden, unterziehen sich oft größerer und schwererer Arbeit, nicht nur als diejenigen, welche zu wirtschaftlicher Unabhängigkeit geboren sind, sondern selbst als fast alle besser entlohnten unter denen, die ihren Unterhalt erwerben; ja, die, wenn auch unzulängliche Selbstbeherrschung, der sich der arme Arbeitsmann unterzieht, kostet ihn mehr Opfer und Anstrengung, als fast jemals von den begünstigteren Mitgliedern der Gesellschaft erfordert wird. Jeder Gedanke einer austeilenden Gerechtigkeit, oder eines angemessenen Verhältnisses zwischen Erfolg und Verdienst, oder zwischen Erfolg und Anstrengung, ist bei dem gegenwärtigen Zustande der Gesellschaft so augenscheinlich chimärischer Art, dass man ihn in das Reich der Träume verweisen muss. Allerdings ist das Los des Einzelnen nicht ganz unabhängig von seiner Tugend und seiner Einsicht; diese wirken in der Tat zu seinen Gunsten, aber sie tun dies in viel geringerem Maße als viele andere Dinge, die mit Verdienst nicht das Mindeste zu schaffen haben. Der großen Mehrzahl fällt ihr Los durch die Geburt zu. Einige werden zu Reichtum ohne Arbeit geboren, andere zu Stellungen, in denen sie durch Arbeit reich werden können, die große Mehrheit zu harter Arbeit und lebenslanger Armut, gar viele zum Elend. Neben der Geburt entscheiden Zufall und Gelegenheit über den Erfolg im Leben. Wenn es jemandem, der nicht zu Reichtum geboren ist, gelingt, solchen zu erwerben, so hat sein Fleiß und seine Geschicklichkeit an diesem Erfolge gewöhnlich einen Anteil; aber Fleiß und Geschicklichkeit allein hätten dazu nicht ausgereicht, wenn nicht auch eine Gunst der Umstände und Zufälle mitgewirkt hätte, wie diese nur wenigen Menschen zu Teil wird. Wenn es wahr ist, dass manchen ihre Tugenden bei ihrem Fortkommen zu Gute kommen, so gereichen anderen, und vielleicht ebenso vielen, ihre Laster zum Vorteil: ihre Kriecherei und ihr Intrigengeist, ihre hartherzige knickerige Selbstsucht, desgleichen der Spielgeist, die erlaubten Lügen und Kniffe des kaufmännischen Verkehrs, und nicht selten auch die echte und rechte Schurkerei. Tatkraft und Talent sind für den Erfolg im Leben von viel größerem Belang als Tugend; und wenn der eine dadurch sein Glück macht, dass er seine Tatkraft und sein Talent einem Unternehmen widmet, das allgemeinen Nutzen bringt, so gedeiht dagegen ein anderer, indem er dieselben Eigenschaften dazu verwendet, einen Rivalen aus dem Sattel zu heben und zu Grunde zu richten. Das Äußerste, was ein Moralist zu behaupten wagen kann, ist dies, dass unter sonst gleichen Umständen Ehrlichkeit die beste Politik ist, und dass bei Gleichheit der übrigen Vorteile die Aussichten des ehrlichen Mannes günstiger stehen als jene des Schuftes; aber selbst dies ist in vielen Lagen und Lebensstellungen fraglich, und von mehr als diesem kann überhaupt keine Rede sein. Man kann nicht behaupten, dass die Ehrlichkeit als Förderungsmittel auch nur so viel zählt, als der Vorsprung um eine einzige Sprosse auf der Stufenleiter der Gesellschaft. Der Zusammenhang zwischen Glück und Wohlverhalten ist der Hauptsache nach folgender: es gibt einen Grad der Schlechtigkeit oder vielmehr einiger Arten von Schlechtigkeit, welcher die reichste Gunst des Schicksals wettzumachen vermag; aber das Gegenstück zu diesem Satze fehlt: Bei der Lage, in der sich die meisten Menschen befinden, ist auch der höchste Grad des Wohlverhaltens häufig unvermögend, sie ohne die Mithilfe glücklicher Zufälle in der Welt emporzuheben.

Dieses Übel also, große Armut, und zwar eine Armut, welche mit dem Verdienste sehr wenig zu tun hat, ist der erste große Misserfolg der bestehenden Einrichtungen der Gesellschaft. Der zweite ist das menschliche Fehlverhalten: Verbrechen, Laster und Torheit mit all den Leiden, die sie in ihrem Gefolge haben. Denn nahezu alle Arten des menschlichen Fehlverhaltens, es mag sich um Vergehen gegen uns selbst oder gegen andere handeln, lassen sich auf eine von drei Ursachen zurückführen: auf Armut und die sie begleitenden Versuchungen bei der großen Menge, auf Müßiggang und Mangel an Beschäftigung bei den Wenigen, deren Lebensumstände sie nicht zur Arbeit nötigen, und auf schlechte oder mangelnde Erziehung bei Beiden. Die beiden ersten Faktoren müssen zum Mindesten als Misserfolge der sozialen Einrichtungen angesehen werden, während man im dritten jetzt allgemein das Verschulden – man möchte fast sagen, die verbrecherische Schuld – derselben Einrichtungen erkennt. Ich behandle den Gegenstand hier nur obenhin und in großen Zügen; eine tiefere Erforschung der Quellen menschlicher Charaktermängel und Irrungen würde viel deutlicher das ursächliche Band darlegen, welches dieselben mit einer fehlerhaften Organisation der Gesellschaft verknüpft, aber freilich auch die Bedingtheit dieses mangelhaften Zustandes der Gesellschaft durch einen unentwickelten Zustand des menschlichen Geistes darstellen.

Bei diesem Punkt machten die Gleichmacher früherer Zeiten in der Aufzählung der Übel der Gesellschaft für gewöhnlich halt; ihre tieferblickenden Nachfolger aber, die heutigen Sozialisten, gehen weiter. In ihren Augen ist die ganze eigentliche Basis des menschlichen Lebens, wie es gegenwärtig bestellt ist, das Grundprinzip, welches die Erzeugung und Verteilung aller materiellen Güter beherrscht, seinem inneren Wesen nach verwerflich und gesellschaftsfeindlich. Es ist dies der Grundsatz des Individualismus und der Konkurrenz: Jeder für sich und gegen alle anderen. Derselbe ist auf den Widerstreit, nicht auf die Harmonie der Interessen gegründet, und unter seiner Herrschaft ist es der Kampf, der jedem seinen Platz anweist: er drängt andere zurück oder wird von ihnen zurückgedrängt. Die Sozialisten betrachten dieses System des Privatkrieges (wie man es nennen möchte)4 zwischen einem jeden und allen anderen als besonders verhängnisvoll in wirtschaftlicher wie in sittlicher Rücksicht. Vom Standpunkt der Moral sind dessen Übel augenfällig. Ihm entstammt Neid, Hass und jede Art der Lieblosigkeit, es macht jedermann zum natürlichen Feind aller anderen, welche seinen Pfad kreuzen, und jedermann muss dies fortwährend von jedem erwarten. Unter dem gegenwärtigen System kann kaum irgendeiner gewinnen, ohne dass ein anderer oder viele andere verlieren oder ihre Hoffnungen getäuscht sehen. In einer wohleingerichteten Gesellschaft müssten die vom Erfolg gekrönten Bemühungen des einen jedem anderen zum Vorteil gereichen, während jetzt das Gegenteil stattfindet; und die Quelle des größten Gewinnes ist die schlimmste von allen, der Tod: der Tod jener Wesen, welche uns am nächsten stehen und am teuersten sein sollten. In Betreff seiner rein ökonomischen Wirksamkeit erfährt der Grundsatz der individuellen Konkurrenz von Seiten der Sozialreformatoren eine nicht minder unbedingte Verurteilung, wie in sittlicher Rücksicht. In der Konkurrenz der Arbeiter erblicken sie die Ursache der niedrigen Arbeitslöhne, in der Konkurrenz der Produzenten die Ursache des Ruins und Bankrottes, und beide Übel – so behaupten sie – besitzen die Tendenz, in dem Maße als Bevölkerung und Vermögen zunehmen, beständig zu wachsen. Nach ihrer Meinung schädigt dieser Prozess alle, mit Ausnahme der großen Landeigentümer, der Besitzer von fixen Geldeinkommen und einiger weniger großer Kapitalisten, deren Reichtum sie nach und nach in den Stand setzt, alle anderen Produzenten an Wohlfeilheit zu überbieten, alle Unternehmungen der Gewerbetätigkeit unter ihre Herrschaft zu bringen, alle konkurrierenden Arbeitgeber vom Markte zu verdrängen und die Arbeiter in eine Art von Sklaven oder Leibeigenen zu verwandeln, welche in Betreff ihrer Subsistenzmittel von ihnen abhängen und gezwungen sind, diese unter jenen Bedingungen entgegenzunehmen, die es ihnen zu stellen beliebt. Mit einem Wort: die Gesellschaft eilt, nach der Ansicht dieser Denker, einer neuen Art von Feudalherrschaft, jener der großen Kapitalisten, entgegen.

Da ich in späteren Abschnitten dieses Buches reichliche Gelegenheit finden werde, meine eigene Meinung über diese und viele andere mit ihnen verknüpfte und ihnen untergeordnete Themen auszusprechen, will ich jetzt ohne weitere Vorbereitung daran gehen, die Ansichten hervorragender Sozialisten über die bestehenden Einrichtungen der Gesellschaft in einer Auswahl von Stellen aus ihren Schriften darzulegen. Ich wünsche zunächst nur als ein Berichterstatter zu gelten, der die Ansichten anderer mitteilt. Es wird sich später zeigen, wie viel von dem, was ich anführe, mit meinen eigenen Überzeugungen zusammentrifft oder denselben widerspricht.

Die klarste, bündigste, bestimmteste und detaillierteste Formulierung der Anklagen, welche die Sozialisten im Allgemeinen mit Bezug auf das wirtschaftliche Gebiet der menschlichen Angelegenheiten gegen die bestehende Gesellschaftsordnung erheben, findet sich in dem kleinen Werke von Louis Blanc, betitelt „Organisation du Travail“ („Organisation der Arbeit“). Meine ersten hierauf Bezug habenden Anführungen sollen daher dieser Abhandlung entnommen sein.5

„Die Konkurrenz ist ein Würgeengel für das Volk.

Ist der Arme ein Glied der Gesellschaft oder ihr Feind? Man antworte.

Der Boden um ihn her ist in Besitz genommen.

Darf er den Boden für sich bestellen? Nein, denn das Recht dessen, der zuerst Besitz ergriffen hat, ist zum Eigentum geworden.

Darf er die Früchte, welche Gott auf seinem Wege hat reifen lassen, pflücken? Nein, denn ebenso, wie der Boden, so sind die Früchte Eigentum.

Darf er jagen oder fischen? Nein, denn das ist ein Recht, welches die Obrigkeit verpachtet.

Darf er aus einem Brunnen, welcher auf dem Felde steht, Wasser schöpfen? Nein, denn der Besitzer des Feldes ist in Folge des Zuwachsrechts auch Besitzer des Brunnens.

Darf er, wenn er vor Hunger oder Durst stirbt die Hand ausstrecken um die Mildthätigkeit seiner Mitmenschen anzuflehen? Nein, denn es giebt Gesetze gegen den Bettel.

Darf er, müde und ohne Obdach, auf dem Strassenpflaster seine Glieder zur Ruhe ausstrecken? Nein, denn es giebt Gesetze gegen die ­Landstreicher.

Darf er sein menschenmordendes Vaterland, welches ihm alles weigert, fliehen, um weit von dem Orte, wo er geboren ist, zu versuchen, was er zum Leben gebraucht, zu erwerben? Nein, denn es ist nur unter gewissen Bedingungen, die ihm zu erfüllen unmöglich sind, erlaubt, seinen Wohnort zu wechseln.

Was soll der Unglückliche also thun? er wird euch sagen: ‚Ich habe Arme, ich habe Vernunft, ich habe Kräfte, ich bin jung, nehmet all dies und lasst mich dafür ein Stück Brot eintauschen’. So sprechen und so handeln heute die Proletarier. Aber selbst dann könnt ihr dem Armen antworten: ‚Ich habe keine Arbeit für dich‘. Was soll er dann anfangen?

Die Antwort ist sehr einfach (…)

Was ist Konkurrenz für die Arbeiter? Die Vergebung der Arbeit im Wege der Versteigerung. Ein Unternehmer bedarf eines Arbeiters, es melden sich deren drei. Wie viel fordert Ihr für Eure Arbeit? Drei Francs, ich habe eine Frau und Kinder. Gut und Ihr? Zwei und einen halben Franc. Ich habe keine Kinder, aber eine Frau. Schön und Ihr? Zwei Francs würden mir genügen: ich stehe allein da. Ihr sollt die Arbeit haben. Damit ist die Sache erledigt, der Handel ist geschlossen. Was wird nun aus den beiden anderen Proletariern? Sie werden Hungers sterben, wie zu hoffen ist. Wenn aus ihnen nun aber Diebe würden? Keine Furcht, wozu ist denn die Polizei da? Oder Mörder? Dafür haben wir ja den Henker! Und der Glücklichste von den Dreien; auch sein Sieg ist nur ein vorläufiger. Lasse einen vierten Arbeiter kommen, kräftig genug, um von zwei Tagen je einen zu fasten, der Hang, den Lohn herabzudrücken wird bis zum Alleräussersten gesteigert werden, ein neuer Paria, vielleicht ein neuer Rekrut des Bagno!6

Kann man behaupten, dass diese Schlüsse übertrieben sind, dass sie nicht möglich sind in allen Fällen, in welchen der Bedarf an Arbeit nicht genügt für die Arme, welche beschäftigt sein wollen! Ich frage meinesteils, ob der Wettbewerb vielleicht in sich ein Mittel birgt, dieses menschenmörderische Missverhältnis zu beseitigen? Wenn es einer Industrie an Armen fehlt, wer birgt mir dafür in dieser ungeheuren, durch einen allumfassenden Wettbewerb hervorgerufenen Verwirrung, dass eine andere Industrie nicht daran Ueberfluss leidet? Zu einer Verurteilung des Prinzips würde es genügen, wenn auch nur zwanzig Menschen von vierunddreissig Millionen gezwungen würden, zu stehlen, um ihr Dasein zu fristen.

Wer wäre blind genug, nicht zu sehen, dass unter der Herrschaft der unbeschränkten Konkurrenz der fortgesetzte Niedergang der Löhne eine notwendigerweise allgemeine Thatsache und keine Ausnahme ist? Hat die Bevölkerung Grenzen, welche sie nie überschreiten darf? Ist es uns gestattet, der Industrie, welche den jeweiligen Launen des individuellen Egoismus unterthan ist, dieser Industrie, welche ein Meer ist, reich an Strandungen, zu sagen: Du darfst nicht weiter gehen! Die Bevölkerung vermehrt sich stetig; gebiete der Mutter des Armen, unfruchtbar zu sein und lästere Gott, welcher sie fruchtbar gemacht hat, denn wenn du es nicht thust, wird der Raum bald zu eng für alle Mitkämpfenden werden. Eine Maschine wird erfunden; verlange, dass man sie zerbreche und schleudere den Bannfluch gegen die Wissenschaft! denn wenn du es nicht thust, werden die tausend Arbeiter, welche die neue Maschine aus ihrer Werkstatt jagt, an die Thür der nächste Werkstatt klopfen und den Lohn ihrer Genossen herabdrücken. Ein systematisches Herabdrücken der Löhne, welches die Brotlosigkeit zahlreicher Arbeiter zur Folge hat, ist die unvermeidliche Wirkung der unbegrenzten Konkurrenz. Sie ist eben ein Vorgang der Industrie, mittelst dessen die Proletarier gezwungen werden, sich gegenseitig zu ­vernichten.“

„Ist es eine Thatsache, dass das Anwachsen der Bevölkerung bedeutend stärker bei den Armen wie bei den Reichen vor sich geht? Nach der ‚Statistik der Bevölkerung Europas‘ belaufen sich die Geburten in Paris nur auf 1/32 der Bevölkerung in den besten Bezirken, in den anderen betragen sie 1/26. Dieses Missverhältnis ist eine allgemeine Thatsache und Sismondi7 erklärt dasselbe in seinem Werke über die Volkswirtschaft als eine Folge der Unmöglichkeit, in welcher Tagelöhner sich befinden, auf irgend etwas zu hoffen oder auf irgend etwas im Voraus Bedacht zu nehmen. Der allein kann die Zahl seiner Kinder nach der Höhe seines Einkommens einrichten, welcher sich Herr des Morgens weiss; aber wer von der Hand in den Mund lebt, unterwirft sich dem Joch eines geheimnisvollen Schicksals, welchem er sein Geschlecht weiht, weil er selbst sich ihm geweiht fühlt. Auf der anderen Seite bedrohen die Findelhäuser die Gesellschaft mit einer wahren Überschwemmung von Bettlern. Wo giebt es ein Mittel gegen diese Landplage?

Ja, wenn die Pest noch häufiger ihren Einzug hielte! oder der Friede nicht so lange dauerte! bei dem gegenwärtigen wirtschaftlichen Zustande ist ja die Vernichtung das einfachste Heilmittel! Aber die Kriege werden immer seltener, die Cholera lässt auf sich warten, wie soll das also enden? Und was werden wir schliesslich mit unseren Armen anfangen? Zweifellos ist es, dass eine Gesellschaft, in welcher die Masse der Lebensmittel langsamer wächst als die Zahl der Menschen, dem Abgrunde zueilt. (…)

Die Konkurrenz schafft das Elend, diese Thatsache ist durch Zahlen bewiesen.

Die Fruchtbarkeit des Armen schleudert in die Gesellschaft Unglückliche, welche arbeiten müssen, aber keine Arbeit finden: auch diese Thatsache ist durch Ziffern belegt. (…)

Da man nun nur wählen kann zwischen der Ernährung der Armen oder ihrer Vernichtung, so haben die englischen Gesetzgeber sich für das erstere entschieden;“

Soviel in Betreff der Armen. Wir wenden uns nun zu den Mittelklassen8:

„Die Billigkeit ist das grosse Wort, in dem nach den Volkswirten der Smith’schen und Say’schen Schule, alle Wohlthaten der unbegrenzten Konkurrenz sich zusammenfassen lassen. Aber warum wehrt man sich hartnäckig, die Folgen der Billigkeit in’s Auge zu fassen und ihr Verhältnis zu dem augenblicklichen Nutzen, welchen der Konsument aus ihr zieht? Die Billigkeit nutzt einzig und allein denen, welche nur Konsumenten sind, während sie zwischen die Produzenten die Keime einer vernichtenden Anarchie schleudert. Die Billigkeit ist die Keule, mit welcher die reichen Produzenten die weniger gut gestellten erschlagen. Die Billigkeit ist die Schlinge, mit welcher die kühnen Spekulanten den fleissigen Arbeiter erwürgen. Die Billigkeit ist der langsame Tod des Fabrikanten, welcher nicht die Kosten für eine teure Maschine zu erschwingen vermag, welche seine reicheren Nebenbuhler anzuschaffen im Stande sind. Die Billigkeit ist der Hinterhalt, in welchem das Monopol lauert, sie ist die Totenglocke für die mittlere Industrie, den mittleren Handel, das mittlere Eigentum: mit einem Wort, sie ist die Vernichtung der Bourgeoisie zu Gunsten weniger industrieller Alleinherrscher.

Soll deshalb die Billigkeit an sich verdammt werden? Niemand wird uns eine derartige Unvernunft zutrauen. Aber das ist ja gerade das Eigentümliche der falschen Grundsätze, dass sie das Gute in Böses verkehren und Alles verderben. In dem System der Konkurrenz ist die Billigkeit nur eine einstweilige und scheinbare Wohlthat. Sie wird nur aufrecht erhalten, so lange der Kampf dauert; sobald der Stärkere seine Nebenbuhler kampfunfähig gemacht hat, lässt er die Preise emporschnellen. Die Konkurrenz führt zum Monopol aus denselben Gründen, aus welchen die Billigkeit zur Überteuerung führt. So wird das, was ein Werkzeug des Kampfes der Produzenten unter sich gewesen ist, früher oder später die Ursache der Verarmung für die Konsumenten. Eint man dieser Ursache alle diejenigen, welche wir bereits aufgezählt haben, in erster Linie das ungeregelte Anwachsen der Bevölkerung, so wird man wohl zugeben müssen, dass die Verarmung der Massen der Konsumenten ein direkt der Konkurrenz entspringendes Übel ist.

Andererseits treibt diese Konkurrenz, welche dahin zielt, die Quellen der Konsumtion versiegen zu machen, die Produktion zu einer vernichtenden Thätigkeit. Die Verwirrung, welche eine Folge des allgemeinen Kampfes ist, entzieht dem einzelnen Produzenten die Kenntnis des Marktes. Im Dunkeln tappend, ist er für den Absatz seiner Produkte einzig und allein auf den Zufall angewiesen. Warum sollte er sich bei der Gütererzeugung einen Zügel anlegen, so lange er seine Verluste auf den so ungemein dehnbaren Lohn des Arbeiters abwälzen kann? Sehen wir doch täglich, wie Fabrikanten, obschon mit Verlust, doch weiter arbeiten, weil sie nicht den Werth ihrer Maschinen, ihrer Werkzeuge, ihrer Rohstoffe, ihrer Bauten, nicht den Rest ihrer Kundschaft verlieren wollen und weil sie, wie der Spieler, nicht auf den möglichen glücklichen Treffer verzichten wollen in einer Industrie, welche unter der Herrschaft der Konkurrenz kaum noch etwas anderes ist als ein Hasardspiel.

So zwingt die Konkurrenz – wir können dieses Resultat gar nicht genugsam betonen – die Produktion zur Zunahme und die Konsumtion zur Abnahme; so geht sie schnurstracks gerade gegen den vernünftigen Zweck jeder ­Wirtschaftsordnung; (…)

Ich habe, um Gemeinplätze und wohlfeile Wahrheiten zu vermeiden, nicht der erschrecklichen sittlichen Versumpfung erwähnt, mit welcher die Industrie in ihrer heutigen Ordnung oder vielmehr Unordnung die Bourgeoisie durchseucht hat. Alles ist käuflich und die Konkurrenz ist eingedrungen bis in das Gebiet des Gedankens.

So vernichten die Fabriken das Handwerk, die grossen Handlungshäuser saugen die kleinen Gewerbetreibenden auf, der Handwerker, welcher sein eigener Herr ist, wird durch den Tagelöhner, welcher es nicht ist, ersetzt, der Betrieb mittelst des Pfluges wird Herr über den Betrieb mittelst des Spatens, und das Feld des Armen fällt in die schändliche Hand des Wucherers; die Bankbrüche mehren sich, die Industrie wird durch die schlecht geregelte Ausdehnung des Kredits zu einem Spiel, in welchem der Gewinn Niemandem, nicht einmal dem Schurken gesichert ist, endlich, diese gewaltige Unordnung, welche so recht eigentlich geschaffen ist, bei Allen Neid, Eifersucht, Hass zu erwecken und allmählich alle edlen Gefühle zu ertöten und alle Quellen des Glaubens, der Hingebung, der Poesie zu ersticken… das ist das hässliche und nur zu wahre Bild, welches der Anwendung der freien Konkurrenz zu verdanken ist.“

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