Kitabı oku: «England's Dreaming [Deutschsprachige Ausgabe]», sayfa 10
»Die Hippiekultur hatte sich sehr dem Mainstream angenähert. Zum ersten Mal begrüßte die Boheme Fast Food. Es ging darum, ›ja‹ zur modernen Welt zu sagen. Punk, so Warhol, enthielt alles, was kultivierte Leute und Hippies verabscheuten: Plastik, Junk-Food, B-Movies, Werbung, Geldmacherei. Man hatte die ewig netten Leute satt, die ständig auf ihren Überzeugungen, ihrer Güte und ihrer Gesundheit herumritten. Punk hingegen hatte Feuer und hieß, sechzig Zigaretten am Tag zu rauchen und mit Speed die ganze Nacht wach zu bleiben.«
»Eine Sache im Punk war, in die Vergangenheit zurückzugehen und die richtigen Einflüsse herauszupicken«, sagt Holmstrom, »wir haben nichts Neues erfunden, wir nahmen einfach das, was uns am meisten beeinflusst hatte und spielten damit.« Diese Fassung von Punk enthielt ebensoviele Widersprüche wie Bands: die Ramones als Cartoonfiguren, die Konfrontationen von Suicide, der gehauchte Sixties Pop von Blondie und der Romantizismus der Jahrhundertwende von Verlaine und Hell. In den frühen Ausgaben von Punk schrieb Patti Smith über Rimbaud, Television über Gérard de Nerval und Richard Hell über Nietzsche.
»Es hatte was sehr Rigoroses«, sagt Harron. »Es gab immer ein künstlerisches Element. Es gibt ein großartiges Interview mit Richard Hell, das Legs für Punk führte. Darin zeigte sich unsere Einstellung: die Leute mussten etwas Negatives sagen. Ich mochte diese Zeit des Verfalls. Nihilismus lag in der Luft, eine Todessehnsucht. Zum Lebensgefühl in New York in dieser Zeit gehörte die Sehnsucht nach Vergessen, man war dabei, sich aufzulösen und zu zerfallen wie diese bankrotte, heruntergekommene Stadt. Und dennoch gab es da etwas, das auf mystische Weise wunderbar war.«
Ahead the dim blur an alien land
Time to give ourselves into strange god’s hands
Pere Ubu, »30 Seconds Over Tokyo« (1975)
Urbanismus, romantischer Nihilismus, musikalische Einfachheit als Tor zum Unbewussten, die Teenage News – diese Impulse waren nicht ausschließlich New York und London vorbehalten. »Von 1968 bis 1975 gab es in Cleveland eine kleine Gruppe von Leuten, die Musikstile entwickelten, die viel später ›New Wave‹ genannt wurden«, schreibt Charlotte Pressler. »Irreführenderweise, weil der Begriff die aktuelle Situation so darstellt, als existierte bereits ein Stil, auf den sich die neuen Bands bezogen. Ihre Aufgabe war eine andere: den Stil zu entwickeln und gleichzeitig darum zu ringen, die Autorität und das Selbstvertrauen zu finden, um ihn auch spielen zu können. Und das mussten sie in einem totalen Vakuum tun.«
»Cleveland ist eine Arbeiterstadt mit sehr unverbildeten Geschmäckern«, sagt der Historiker Mike Weldon, »aber aus irgendeinem Grund ist es eine wichtige Stadt für die Musikmedien. Platten haben dort ihren Durchbruch. Vielleicht ist es das Tor zum Mittleren Westen. In den frühen Siebzigern war Cleveland ein wichtiger Absatzmarkt für Bruce Springsteen, David Bowie. The New York Dolls, Television spielten dort, noch bevor sie eine Platte draußen hatten, und gleichzeitig kamen über die ausgezeichneten örtlichen Radiosender die damals besten britischen Bands raus: T. Rex, Dr. Feelgood, Roxy Music. Es gab immer eine kleine Gruppe von Leuten, die diese Musik liebte: Sie gründeten Bands und machten eigene Songs, aber sie bekamen nie Unterstützung in Cleveland. Die örtlichen Medien berichteten nicht über sie. Bis 1978 interessierte sich kein Label dafür. 1973 bis 1974 gab es eine kleine Undergroundszene, zu der Rocket From The Tombs gehörten, die später Pere Ubu wurden und von denen einige bei den Dead Boys spielten. Es gab die Electric Eels und die Mirrors. Aus Akron kamen die Bizarros, Devo. Die meisten hatten sich 1977 schon wieder aufgelöst.«
Handzettel der Electric Eels, Dezember 1974 (Im Besitz von Mike Weldon)
»Die meisten dieser Leute kamen aus der Mittelklasse oder der oberen Mittelklasse«, schreibt Pressler. »Sie waren sehr intelligent. Es gab keinen Grund, weshalb sie nicht in die Welt ihrer Eltern hätten eintreten sollen. Dennoch kehrten sie alle dieser Welt den Rücken, und das bedeutete eine Reihe sehr schmerzhafter Entscheidungen. Trotzdem waren es keine Aussteiger im Sinne der sechziger Jahre. In gewisser Weise hatten sie etwas für die Konsumgesellschaft übrig und verachteten die sogenannte Gegenkultur. Die Aussteiger der 60er Jahre verabschiedeten sich von einer Welt und traten in eine andere Welt ein, die aus Leuten bestand, die wie sie waren; jene Leute aber waren allein.«
Die Gruppen aus Cleveland verwandten dieselben Bausteine wie die in New York oder London, aber die Entwicklung in der Isolation führte zu einer Boheme, die stolz darauf war zu scheitern. »Am nihilistischsten waren die Electric Eels«, sagt Weldon. »John Morton war der Chef: Er und Dave E., der Sänger, schrieben die Songs mit lustigen, cleveren Texten. Gewalt war der Gruppe nicht fremd. John nannte es gerne ›Art Terrorism‹. Brian McMahon, der Gitarrist, und John gingen in die Bars von Stahlarbeitern und tanzten zusammen. Da kam es zu ernsthaften Schlägereien.«
»1974 trugen sie Sicherheitsnadeln und zerrissene Hemden, T-Shirts mit beleidigenden Sachen drauf, White Power Logos und Hakenkreuze: Das war anstößig. Und sie hatten die Absicht, Anstoß zu erregen. Sie wollten die Leute verwirren, aber ich glaube nicht, dass sie ausgesprochen rassistisch waren. Sie waren unerhört und außergewöhnlich. Live verloren sie oft schnell die Kontrolle. Ich glaube nicht, dass sie ernsthaft glaubten, irgendetwas würde passieren außer, dass sie rausgehen und verhaftet werden würden.«
Es war das Problem, das sich während der nächsten Jahre endlos wiederholen sollte. Indem sie versuchten, die Selbstgefälligkeit der Kultur zu sprengen, erlagen die Electric Eels genau jenem Nihilismus, der ihr Instrument war. Ihre erste Single, aufgenommen kurz bevor sie sich Mitte 1975 trennten, verband eine unmöglich verzerrte Produktion mit Worten, die die Wände hochzukriechen schienen. »Cyclotron« wirbelt mit kurz aufblitzenden, surrealen Bildern herum, die sie der riesigen Einöde der Popkultur und dem Reichtum der Vorstädte entnahmen, während sich »Agitated« direkt in das Zentrum des Sturms begibt, ein geschlossener Kreis der Frustration und Ablehnung: »I’m so agitated / So agitated / So agitated / I’m so agitated / I’m so agitated ...«
»Ich würde gerne den Ursprung dieser tiefen Wut kennen, die sich durch diese Geschichte zieht wie ein messerscharfer Draht«, schreibt Charlotte Pressler. »Sie war nicht einfach auf Klassenhass zurückzuführen; sie war gewiss nicht politisch; sie saß zu tief, um die Möglichkeit von Veränderung akzeptieren zu können. Die Eels haben sie wohl am intensivsten ausgestrahlt; aber sie war auch bei allen anderen vorhanden. Es war eine verzweifelte sture Ablehnung der Welt, eine totale Verweigerung: die Art von Angelegenheit, die Männer früher in die Wüste trieb, aber unsere Wüste war das Flachland. Wir waren alle mit Zivilschutzübungen und nächtlichen Träumen über die Bombe aufgewachsen. Man hatte uns als Kindern das Ende der Welt versprochen, und jetzt bekamen wir es nicht.«
Die isolierten Leute aus Cleveland hatten zwei Möglichkeiten, diese Ablehnung auszuleben. Die erste war, ihren ganzen Zorn herauszuschleudern. Die zweite, das Drehbuch der Selbstzerstörung zu schreiben, ein Drehbuch, das die Intensität des Begründers des Teenagermythos, James Dean, wieder anklingen ließ. »Ain’t it fun when you know you’re gonna die young«, sang Peter Laughner Anfang 1975: In zweieinhalb Jahren hatte er sein Ziel erreicht. Mit siebzehn hatte Laughner in einer Lederjacke posiert und sich eine schwere Kette mit Vorhängeschloss um den Hals gelegt. Seine unausgesetzten Bemühungen, die Negationen der Velvet Underground und der Stooges fortzuführen, machten ihn »zu einer zentralen Figur des Underground in Cleveland«.
1973 gründete Laughner Rocket from the Tombs mit David Thomas, ein Bär von einem Mann, der eigentlich Englisch-Professor werden wollte. Nachdem Laughner ausgestiegen war, wurde die Gruppe zu Pere Ubu. Ihre erste Single stand in der Tradition der romantischen Vorstellung von Avantgarde, die in Alfred Jarrys Paris begonnen hatte. Scott Krauss’ federnde Schlagzeugrhythmen und Tim Wrights finstere Bassläufe reisten ohne Umweg ins »Herz der Finsternis«: »Image Object & Illusion: go down to the corner / Where none of the faces fit a human form / Where nothing I see there isn’t deformed.«
Pere Ubu entstand aus einer losen Gruppe von Leuten, die alle in der Nähe desselben Wohnblocks, dem Plaza, wohnten. »Es war ein wirklich schönes altes Gebäude in einer schrecklichen Gegend«, sagt David Thomas. »Wir standen auf diesen urbanen Pioniergedanken, ein Haufen Kids, die in Mittelklassefamilien in den Vorstädten geboren worden waren und zurück in die Stadt zogen, weil sie fanden, dass die Stadt leben sollte. Die Stadt, die ich liebte, wurde von allen anderen gehasst: Sie war völlig verlassen, die Leute flohen, sobald die Sonne unterging. Sie war heruntergekommen, aber wir fanden sie als romantisch veranlagte Jugendliche schön. Ich fragte mich, an welchem Punkt eine Zivilisation ihren Höhepunkt überschreitet und wann der Niedergang beginnt. Diese ganzen ausgestorbenen Städte werden vom Dschungel überwuchert. Wann stirbt die Stadt? Wann verstehen die Leute, die dort leben, die Vision der Bauherren nicht mehr? Wir hatten das Gefühl, dass uns Cleveland gehörte, weil es niemand sonst haben wollte. Aber das ist jetzt alles verschwunden. Die Stadt wurde wieder zum Leben erweckt. Und nun reißen sie das wirklich hübsche unbewohnte alte Zeug ab und stellen Eigentumswohnungen hin.«
Pere Ubu waren die erste neue Gruppe aus Cleveland, die es außerhalb der Stadt schaffte. Im Winter 1975 fuhren sie nach New York, um im Max’s und CBGB’s zu spielen. Im März 1976 veröffentlichten sie »Final Solution«, eine zu einem »dumpfen Teenager Angstsong« vereinfachte Version von »Summertime Blues« von Blue Cheer. Das Stück war so nihilistisch, dass sich die Gruppe weigerte, es live zu spielen, wegen der Nazisymbole, die in der neuen Kultur kursierten. Es war ihre erste A-Seite, welche die Traumlandschaft umriss, die sich Pere Ubu zu eigen machte. Unterbrochen von einem Synthesizer, der wie tosender Wind polterte, wurde man von »30 Seconds Over Tokyo« auf einen »selbstmörderischen Trip« mitgerissen, der einem derart zusetzte, dass man sich in einer Zukunft aufzulösen schien, die gleichermaßen hoffnungsvoll und entsetzlich war.
»Lose his senses«, sangen Television in »Little Johnny Jewel«. Mit solchem Ergründen des Unbewussten wurden die fremden Götter der Zeit wieder ausgegraben. Unter dem Mantel des Nihilismus verbarg sich ein undeutlicher, aber hartnäckiger Hinweis auf die rechtsgerichtete Reaktion, die sich im Westen seit Mitte der Siebziger zusammenbraute. »Wir glauben nicht an Liebe oder diese Scheiße«, sagt einer der Herausgeber von Punk in der ersten Ausgabe, und im Interview mit den Ramones war zu lesen: »Dee Dee mag Comics, alles mit Hakenkreuzen drin, besonders Enemy Ace.«
Endgültige Lösungen der unterschiedlichsten Art wurden heraufbeschworen, um den Tod der alten Kultur zu beschleunigen, aber die Nazisymbole blieben. Die Ramones waren ursprünglich von einem Künstler namens Arturo Vega ausstaffiert worden, der im Obergeschoss des Hauses neben dem CBGB’s wohnte: »Alle hingen da rum«, sagt Legs McNeil: »Arturo war ein schwuler Mexikaner und ein minimalistischer Künstler, der Hakenkreuze herstellte, die im Dunkeln leuchteten.« Das frühe Material der Ramones war mit militaristischen Anspielungen auf akronyme Organisationen wie dem CIA oder der SLA (Symbionese Liberation Army) übersät, am deutlichsten in »Blitzkrieg Bop« und »Today Your Love, Tomorrow The World«. »What they want, I don’t know«, sangen die Ramones über ihre Generation. Die formale Strenge ihrer Musik verlieh solchen Slogans eine faszinierende Vieldeutigkeit. »Ich stritt mich mit ihnen über dieses Zeug«, sagt Mary Harron, »Arturo hatte ein paar wirklich eklige Ideen, aber Joey Ramone war ein netter Kerl, er war kein fieser Rechter. Die Ramones waren problematisch. Es war schwer dahinterzukommen, wie sie politisch dachten.«
»The Dictators kamen aus Co-op City in Detroit, die Ramones aus Forest Hills, wir kamen aus Cheshire«, sagt McNeil. »Wir hatten alle dieselben Bezugspunkte: White Castle Hamburger, Muzak, Einkaufszentren. Wir waren alle weiß: Schwarze hatten damit nichts zu tun. Die Hippies wollten in den Sechzigern immer schwarz sein. Wir sagten:
›Scheiß auf Blues, scheiß auf black experience.‹ Wir hatten damals mit schwarzen Leuten nichts gemein: Wir hatten zehn Jahre lang political correctness, und jetzt wollten wir Spaß, so wie das bei Kids eben ist. Es war merkwürdig: Man sah Typen, die in einen Punk-Club gingen und auf dem Weg in die Disco an schwarzen Leuten vorbeiliefen. Sie sahen sich gegenseitig an, nicht mit Abscheu, aber man sah, wie sich die einen fragten: ›Ist es nicht komisch, dass die da rein wollen.‹ Es gab ganz klare rechte Zwischentöne, aber wir fühlten uns nicht nach ›lasst uns eine faschistische Jugendbewegung starten‹ oder so. Ich glaube, niemand wollte da zuviel hineininterpretieren. Es war mehr emotional. Wenn die Symbolik benutzt wurde, war das mehr wie: ›Schaut euch diese Typen an, ist das nicht blöd?‹«
Dieser Aspekt der Polemik und der Pose verschleierte die wahre Wiederkehr des Verdrängten: Ein weißer, vorstädtischer, pubertärer Nihilismus, der seit den sechziger Jahren in Vergessenheit geraten war. Ebenso wie die Musik von jedem schwarzen Einfluss zugunsten eines monolithischen, unsynkopierten Sounds befreit wurde, verhießen einige der dazugehörigen Haltungen sowohl auf den Kitzel des Tabubruchs als auch auf einen üblen Beigeschmack aufgrund der möglichen Implikationen. Dennoch war diese Erkundung des Verbotenen im Punk der Ursprung seiner Macht.
Nichts verdeutlicht das besser als das Kleidungsstück, das vor allen anderen mit Punk in Verbindung gebracht werden muss; das Kleidungsstück, das Punk aus dem Tabu heraus und in die Einkaufsstraßen brachte. »Man musste eine schwarze Lederjacke kaufen«, sagt Legs McNeil. »Man musste diese Grundinvestition tätigen. Wir sahen uns die Ramones im CBGB’s an. Wir trugen diese trotteligen T-Shirts und Jeansjacken. Es war peinlich. Die Ramones trugen Lederjacken: Joey sagte, sie hätten sie von The Wild One. Ich ging am nächsten Tag los und kaufte mir meine erste. Niemand in New York trug schwarzes Leder: wenn doch, machten einem die Leute auf der Straße Platz. Es war nicht wie jetzt. Die Leute wollten zurück zur Aggression, wollten beweisen, dass sie keine Weicheier waren und zogen eine Lederjacke an.«
In der neuen von Punk definierten Ästhetik gab es ein letztes Problem: Homosexualität. Das Wort mochte alle schon bekannten rockspezifischen Bedeutungen haben, aber ein anderer Ursprung kam aus dem Knast, wie Peter Crowley in Punk Nummer 3 erklärte, wo es »die Jungs bezeichnet, die ihren Arsch für die ›Wölfe‹ hergeben.« Gleichzeitig piesackten die Ramones die Liberalen, sie sangen »53rd and 3rd«, ein Song, in dem Dee Dee Ramone seine Erfahrungen beschrieb, als er sich auf einem Stricher-Treffpunkt herumtrieb. Die zerrissenen Jeans und engen T-Shirts, Elemente ihres Stils, der schnell um die Welt gehen sollte, waren den Jungs dort abgeguckt.
Punk musste also den Makel der Homosexualität abschütteln, nicht aufgrund kleinstädtischer Vorurteile, sondern weil in den Worten von Leee Black Childers »Schwule den Großteil des Publikums darstellten«. Es wurde zu einer Möglichkeit für Punk, das Unsagbare in einem pluralistischen, liberalen Milieu zu sagen. »John und Legs schrieben ein paar Sachen über Wayne County und traten damit einen riesigen Krieg los. Eine Menge der Bands, für die sie eintreten wollten, wie Blondie, weigerten sich, eine Rolle in diesem anti-homosexuellen Schaustück zu übernehmen. Das ist prima: In einer wachsenden Szene macht es eine Weile lang Spaß, eine Fehde auszutragen. Es schafft Interesse.«
Als die Gruppen aus dem CBGB’s Schritte in Richtung des amerikanischen Mainstream unternahmen und im ständigen Austausch zwischen London und New York anfingen, Einfluss auf England auszuüben, blieb der amerikanische Punk diesen Widersprüchlichkeiten verhaftet. Im Herbst 1975 veröffentlichte die Patti Smith Group ihre erste Langspielplatte. Television zogen die Aufmerksamkeit von Plattenfirmen auf sich, ebenso wie die Ramones, Blondie und die Talking Heads, und zwar in einem Maße, das für die New Yorker Rock-Szene ungewöhnlich war und teilweise der erfolgreichen Übersetzung des CBGB’s durch Punk zu verdanken war, die Plattenfunktionären wie Seymour Stein unmittelbar einleuchtete.
Allerdings schlummerten in dieser Verbindung Probleme, deren Lösung mehrere Jahre in Anspruch nehmen würde. Wie konnte man gleichzeitig hart und ein Versager sein? Wie konnte man mit rechter Symbolik spielen und nicht darauf reinfallen? Wie konnte man einen Text von Rimbaud nehmen und die mythologische Kurve seines Lebens ignorieren? Von Beginn an war in Punk nicht nur die Tendenz zur Selbstzerstörung, sondern eine kurze Haltbarkeitsdauer eingeschrieben. Trotz der Bekundungen vieler Gruppen trug die Bewegung ihr Scheitern in sich: Auf konventionelle Art erfolgreich zu sein, hieß, dass man nach den eigenen Maßstäben gescheitert war. Scheitern bedeutete, erfolgreich zu sein.
John Lydon in St. Albans, Hertfordshire College of Art and Design, Februar 1976 (© Ray Stevenson)
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Can’t go on/ Drag along/ Can’t go wrong/ Sing along/ Pied Piper will lead you to the water.
John Lydon für PIL, »Pied Piper« (1980)
»Ihren allerersten Auftritt«, sagt Adam Ant, »hatten die Sex Pistols als Vorgruppe der Band, in der ich spielte, Bazooka Joe. Das werde ich nie vergessen. Sie kamen als Gang herein. Sie sahen aus, als wären ihnen alle anderen Scheißegal. John hatte ausgebeulte Nadelstreifenhosen mit Hosenträgern und ein zerrissenes T-Shirt an, auf dem ›Pink Floyd‹ stand. Darüber hatte er ›I hate‹ geschrieben. Jones war zierlich, er sah aus wie ein junger Pete Townshend. Matlock hatte farbbespritzte Hosen und ein Damenoberteil aus rosa Leder an. Paul Cook sah aus wie Rod Stewart, eigentlich wie ein kleiner Mod. Malcolm dirigierte sie, sagte ihnen, wo sie stehen sollten. Viv war da. Es kamen nicht viele: vielleicht ein Dutzend Leute – Jordan, Michael Collins, Andy Czezowski. Sie spielten ›Substitute‹, und ›Watcha Gonna Do About It‹ mit verändertem Text: ›I want you to know that I hate you baby.‹ Dann verlor John das Interesse. Er aß Bonbons, wickelte sie aus, lutschte dran und spuckte sie wieder aus. Er guckte glasig ins Publikum. Es gab keine Gitarrensoli, nur ganz schlichte Songs. Sie spielten fünf davon und das war’s: Gute Nacht. Der Rest meiner Band fand sie furchtbar, weil sie dachten, dass sie nicht spielen konnten: Es sagte sogar jemand was in der Richtung zu Glen und er antwortete: ›Na und?‹ Aber ich fand sie sehr angespannt und straff. Nur John hatte nicht gelernt, wie man die Stimme hält. Zum Schluß fing Rotten an, Bazooka Joe als einen Haufen beschissener Arschlöcher runterzumachen, und unser Gitarrist Danny Kleinman sprang aus der ersten Reihe nach vorne und nagelte John hinten an die Wand. Er brachte ihn sogar dazu, sich zu entschuldigen.«
»Es war verdammt wild«, sagt Steve Jones. »Ich war so nervös, dass ich eine Mandrax nahm. Als wir zu spielen anfingen, begann sie zu wirken, und ich jagte den Verstärker hoch. Es war ein Hundert-Watt-Verstärker in einem kleinen Raum ohne Bühne, und es war großartig. Alle sahen uns an. Es kam mir vor, als wären Millionen von Leuten da. Man konnte sehen, dass wir Furore machen würden.« »Wir trugen das Equipment aus der Denmark Street rüber«, sagt Paul Cook, »wir waren alle total breit und nervös. Es muss ein schrecklicher Krach gewesen sein, weil uns jemand den Stecker rauszog, es gab eine große Schlägerei.«
»Der Eindruck, den sie bei mir hinterlassen haben, war total«, sagt Adam. »Sie hatten eine bestimmte Einstellung, die ich noch nie gesehen hatte: Sie hatten Eier in der Hose und eine sehr teure Ausrüstung, die nicht aussah, als würde sie ihnen gehören. Sie hatten diesen Ausdruck in den Augen, der sagte: ›Wir werden riesengroß.‹ Ich stand wie versteinert da. Als sich Danny auf John stürzte, bin ich nicht dazu gesprungen, um ihm zu helfen. Ich habe Bazooka Joe am nächsten Tag verlassen. Ich dachte: ›Ich hab genug von Teddy Boys‹, und mir schien, dass die Sex Pistols einfache Lieder spielten, die ich auch spielen konnte. Ich wollte einfach weg und meine eigene Band gründen.«
»Ob sie gut waren oder nicht, war irrelevant«, sagt Andy Czezowski: »Ich wollte Aufregung und sie stopften ein Loch.« Live-Künstler sind nur so interessant wie die Gefühle, die sie hervorrufen, oder die Situationen, die sie auslösen. Das Publikum verleiht ihnen Macht. Die Sex Pistols begannen als Hype, eine Gruppe von vier unterschiedlichen Teenagern, die zusammengeworfen worden waren, um Hosen zu verkaufen, aber sie wurden sehr rasch zu einem Prisma, durch das Gegenwart und Vergangenheit deutlich erkennbar wurde. Von Anfang an polarisierten und elektrisierten die Sex Pistols ihr verschwindend kleines Publikum. »Wir riefen unmittelbar Reaktionen hervor«, sagt Paul Cook, »also dachten wir, dass wir etwas richtig machten.«
Die Reaktion setzte sich zu Beginn aus 50 Prozent Gleichgültigkeit, 25 Prozent Feindseligkeit, 20 Prozent Ausgelassenheit und 5 Prozent sofortiger Zuneigung zusammen. Bis zu ihrem ersten Fernsehauftritt im August 1976 konnte man die Gruppe nur live sehen. Neun Monate lang tourten sie durchs Land. Für die meisten, die sie sahen, war ihre Musik einfach nur kratzender, nagender Lärm, aber bei jedem Konzert hörten ein oder zwei Leute zu und waren sofort bekehrt, verließen ihr früheres Leben und folgten ihnen.
»Es muss sehr befriedigend für sie gewesen sein, dass auf alles, was sie taten, so heftig reagiert wurde«, sagt Al McDowell, der von Glen Matlock angesprochen worden war, damit er sie für ihr zweites Konzert an der Central School of Art, einen Tag nach St. Martin’s, ins Programm nahm. »Alles hatte Atmosphäre. Es war bedrohlich, und es gab einem das Gefühl von Revolte, das sich auf die Geschichte ’68 in Paris bezog. Sie waren auf Anhieb attraktiv für Leute, die feindselig eingestellt waren.«
Am 5. Dezember organisierte McLaren ein Konzert an der Chelsea School of Art. Geeignete Auftrittsorte für die Sex Pistols zu finden, wurde schnell zum Problem. McLaren weigerte sich, den einfachen Weg zu gehen. Er wollte die gängigen Pub Rock-Läden mit ihrer Hackordnung und ihren stereotypen Reaktionen meiden, aber in einem Zeitalter ohne Video waren Live-Auftritte die einzige Möglichkeit, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Nachdem er die Musikpresse gelesen hatte, stellte McLaren fest, dass es eine lebendige Collegeszene gab, aber nach ein paar Anrufen stellte er zwar zufrieden fest, dass die Reaktionen auf den Namen »Sex Pistols« negativ waren, was jedoch dazu führte, dass niemand sie buchen wollte. Der einzige Weg war, zu lügen und zu betrügen.
Die Masche funktionierte ungefähr so: McLaren rief die Sekretärin oder irgendeinen unteren Collegebeamten an: »Wir sind die Vorgruppe. Ich habe Fred aus dem Büro angerufen, und er sagte, dass wir kommen sollen. Wir brauchen nur zehn Minuten zum Aufbauen, und wir spielen eine halbe Stunde. Ok?« Oder: »Wir sind Freunde der Band – sie haben gesagt, wir könnten auch kommen und eine halbe Stunde aushelfen.« Zwischen November und Februar gaben die Sex Pistols ungefähr fünfzehn Konzerte in und um London: In St. Albans, Ravensbourne, Nord-Ost London, dem City of London Polytechnics und am Westfield College.
»Es war nicht sehr aufregend«, sagt Paul Cook. »Die hatten immer die ganzen Hippiebands im Programm. Wir haben sie einfach ausgelacht. Wir kamen an, und da standen ein paar Leute rum, die zusahen. Es war eine gute Übung für uns. Alle wussten, dass wir zu diesem Zeitpunkt zusammenhalten mussten, weil wir alle nervös waren. John war ziemlich steif, aber er war nicht auf den Mund gefallen, wenn es Buhrufe gab. John kam mit sich so gut klar auf der Bühne, dass sich alle kaputtlachten. Wir sind wirklich sehr viel besser geworden.«
Die Gruppe trat unerwartet und ohne Ankündigung auf und sammelte Anhänger in den verschlafenen Städten um London. Die Traumlandschaft der Vorstadt hat einen mächtigen und unerkannten Stellenwert in der englischen Popkultur. »Bromley ist perfekt«, sagt Simon Barker.
»Es ist zwanzig Minuten mit dem Zug von London entfernt, also war es auch mit dreizehn ziemlich einfach, eine Tageskarte nach London zu kaufen. Man lief die King’s Road runter und sah sie sich an, dann kam man zurück nach Bromley. Das Leben in einer Kleinstadt gibt einem eine bessere Perspektive auf die Dinge. Wenn man nach London fährt und Leute mit Schlaghosen sieht, will man, dass einem die Mutter Dreiecke in die Hosen näht und so ein Zeug. Dann ist man modischer als alle anderen in Bromley.«
Mit ihrem Auftritt am 9. Dezember gelang den Sex Pistols der Anschluß an ein Netzwerk von Teenager-Stylisten, die mehr als alle anderen ein subkulturelles Ambiente um die Gruppe herum schufen.
»Es war Samstagabend und es gab nichts zu tun«, sagt Barker. »Wir sind zum Ravensbourne College gegangen. Es spielte eine Band namens Fogg, aber wir haben sie uns nicht angesehen. Ich kam da hin und sah Malcolm: Ich hatte ihn im Laden gesehen und ich dachte:
›Wow, was macht der hier?‹ Dann waren die Sex Pistols dran, und ich war die einzige Person, die geklatscht hat. Die ganzen Studenten waren wütend. Die Gruppe war grauenhaft, aber visuell wirklich brillant. Man konnte sehen, was sie mit ihrem Sound machen wollten. Wir hatten diese Gruppe von Leuten. Steve Bailey und ich sind zusammen in die Schule gegangen, die Bromley Technical High. Billy Broad ging auf eine andere Schule in Bromley. Ich hab ihn durchs College kennengelernt. Siouxsie trafen wir auf einem Konzert von Roxy Music. Wir liebten es, aufzufallen. Wir waren beeinflusst von Bowie, Roxy und ›Clockwork Orange‹, aber wir hatten unsere eigene Masche. Bowie hatte seine Haare rot gefärbt, aber wir gingen zum Friseur, sahen diese ganzen Tuben mit verrückten Farben und sind durchgedreht. Als Bowie und Roxy aufkamen, war das für mich ein Wendepunkt, weil mir die Art und Weise, wie ich aussehen wollte, und der Stil klar wurden, aber bei den Eltern waren sie verhasst. Es war wirklich phantastisch. Es wurde einem allmählich klar, dass es nicht nur man selbst und die Freunde waren, dass es mehr war als nur Musik und Klamotten, dass es auch die Filme waren, die man sah und das alles. Es wurde ein Lebensstil. Roxy hat das fortgesetzt. Eno sehen, wie er mit Salvador Dalí Tee trinkt. Bowie hatte den Weg bereitet, aber sie trieben es noch weiter. Die Hälfte der Zeit hat er nicht verstanden, was er tat.«
»Es hat mich immer in die Stadt gezogen«, sagt Siouxsie. »Ich hasste die Vorstadt.« Geboren als Susan Janet Ballion, wuchs sie in Chislehurst auf. »Ich hasste die Straße, in der wir wohnten, sie grenzte an die Mittelklasse. In gewisser Weise noch puritanischer als die echte Mittelklasse und beinahe gehässig. Meine Schwester war Go-Go-Tänzerin; das war eine meiner Möglichkeiten rauszukommen. Ich ging mit ihr zu ihren Verabredungen in den ›Gilded Cage‹ und ins ›Trafalgar‹: Ich liebte die strahlenden, völlig unwirklichen Lichter. Ein paar der Pubs waren halb schwul, halb hetero. Dort gab es Disco Tex und die Sex-O-Lettes, Bowie und Roxy; Barry White war riesengroß. Nach der Schule besuchte ich ein paar Monate lang die Sekretärinnenschule. Ich ging zu den Modelagenturen und stand auch damals schon auf starkes Make-up mit kräftigen Farben. Sie sagten, ich wäre zu dünn und zu aufgedonnert. Sie wollten natürliche Models mit Oberweite. Also arbeitete ich in Pubs und Clubs im West End. Nachts war es ekelhaft, voller Araber, aber tagsüber kamen Geschäftsleute, eigentlich nur die Typen aus der Gegend. Ich brachte meine Plattensammlung mit und tanzte alleine dazu: Bowie, Brass Construction, ›Hard Work‹ von John Handy. Ich kannte den Laden schon, bevor ich von der Gruppe erfuhr: Ich hatte ein paar Netzstrümpfe mit goldenen und schwarzen Troddeln dran gekauft. Ich erinnere mich an Vivienne. Sie sah toll aus: Sie hatte blonde Haare mit purpurfarbenen Lippen. Ich fühlte mich wirklich hingezogen. Simon erzählte mir von den Pistols. Das erste Mal, als ich sie sah, waren da nur ein paar Studenten, die herumliefen, und alle hielten Abstand. Es war nicht aggressiv. Sie haben einfach ihre Musik gespielt. Rotten hat niemanden hasserfüllt angestarrt, so wie er es später machte. Glen war der lauteste. Ich dachte, er strengt sich zu sehr an. Er war derjenige, den sie mit SEX-Klamotten herausgeputzt hatten, und sie sahen quietschsauber an ihm aus.«
Das Erscheinen dieser merkwürdig gekleideten Teenager bei jedem ihrer Konzerte gab den Sex Pistols Auftrieb. Intern schwankten sie zwischen Arroganz und Streitereien, aber das Blatt begann sich zu wenden. Die Gruppe hatte ein gewisses Grundniveau erreicht, sie hatten fanatische Anhänger und einen umtriebigen Manager. Weihnachten unternahmen McLaren und Rhodes einen fruchtlosen Ausflug nach Paris, um im europäischen Zentrum des Punk Interesse an den Sex Pistols zu wecken, aber London entwickelte eine ganz eigene Anziehungskraft. »Ich habe alles, was ich in Frankreich Anfang 1976 hatte, aufgegeben«, sagt Chrissie Hynde. »Ich konnte riechen, dass in London etwas passierte. Als ich die Sex Pistols sah, dachte ich, London ist das Ding.«
Die erste größere Wirkung als Vorboten einer neuen Romantik erzielten die Sex Pistols innerhalb eines spezifischen Londoner Milieus. Am 4. Februar hielten Malcolm und Vivienne im Rahmen einer Veranstaltungsreihe am Institute of Contemporary Arts (ICA), »Fashion Forum – New Designers«, einen Vortrag über ihre Kleider. Die Band saß im Publikum. Unter anderem standen auch Swanky Modes, Howie und Miss Mouse auf dem Programm. »Die Idee war damals«, sagt Max vom Lehrkörper des ICA, »die ganze Mode, Kunst, Anthropologie, und Populärkultur miteinander in Verbindung zu bringen, was seitdem auch sehr verbreitet ist. Es gab da auf jeden Fall bereits seit sechs Monaten so ein Gefühl in London. Ich erinnere mich daran, zwei Jungs bemerkt zu haben, die Lederjacken trugen und gebleichte blonde Haaren hatten. Das klingt jetzt sehr normal, aber zu der Zeit teilte man die Leute in Schwule, Rocker oder Fifties Revivalists ein, also war die Verknüpfung eine echte Weiterentwicklung. Es gab da eine neue Linie, die plötzlich auftauchte: Gerade geschnittene Hosen, man trug keine Jeans mehr und wenn, dann die 501, dass Männer wieder kurze Haare trugen und Frauen ihre färbten, diese Stilmischung aus schwul, Soul Boy und Rocker.«
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