Kitabı oku: «Öffentliches Baurecht für Architekten und Bauingenieure»

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Öffentliches Baurecht für Architekten und Bauingenieure

Prof. Dr. Jörg Menzel

Dezernent Umwelt und Technik

Landratsamt Karlsruhe

Dr. Werner Finger

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Dipl.-Ing. Kirsten Rickes

Amtsleiterin

Baurechtsamt Stuttgart

2. überarbeitete Auflage, 2020


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

2. Auflage 2020

Print ISBN 978-3-415-06410-2

E-ISBN 978-3-415-06707-3

© 2015 Richard Boorberg Verlag

E-Book-Umsetzung: Datagroup int. SRL, Timisoara

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

A. Einleitung – Baurecht in Deutschland

I. Baurecht – wieso?

II. Abgrenzung privates und öffentliches Baurecht

III. Unterscheidung Bauplanungs- und Bauordnungsrecht

B. Bauplanungsrecht

I. Was ist Bauleitplanung bzw. der Zweck der Bauleitplanung?

1. Allgemeines

2. Pläne in der Bauleitplanung

3. Die drei Bereiche

a) Bebauungsplan

b) Innenbereich

c) Außenbereich

4. Erschließung

II. Der Bebauungsplan

1. Grundzüge des Verfahrens zur Aufstellung der Bauleitpläne

a) Zuständigkeit

b) Aufstellungsbeschluss

c) Frühzeitige Beteiligung

d) Förmliche Beteiligung

e) Abwägung

f) Satzungsbeschluss

g) Genehmigung, Ausfertigung, Inkrafttreten (öffentliche Bekanntmachung)

h) Vereinfachtes und beschleunigtes Verfahren

2. Fehlerhafte Bebauungspläne

3. Arten der Bebauungspläne

a) Übersicht

b) Zweck der einzelnen Pläne

4. Festsetzungen im Bebauungsplan – Wie „lese“ ich einen Bebauungsplan?

5. Anwendung „alter“ Bebauungspläne – Regelungsgrundlagen der jeweiligen BauNVO

6. Abweichungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans

a) Ausnahmen gemäß § 31 Abs. 1 BauGB

b) Befreiungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB

III. Die Baunutzungsverordnung

1. Bedeutung der BauNVO

2. Art der baulichen Nutzung

3. Maß der baulichen Nutzung

IV. Der Innenbereich, § 34 BauGB

1. Abgrenzung Innenbereich/Außenbereich

2. Zulässigkeitsmaßstab des § 34 Abs. 1 BauGB

3. Faktisches Baugebiet, § 34 Abs. 2 BauGB

4. Abweichung bei Bestandsgebäuden bzw. Bestandsnutzungen, § 34 Abs. 3a BauGB

V. Der Außenbereich

1. Allgemeines

2. Privilegierte Vorhaben, § 35 Abs. 1 BauGB

3. Sonstige Vorhaben, § 35 Abs. 2 BauGB

4. Folgenutzungen

VI. Sicherung der Bauleitplanung

1. Veränderungssperre

2. Zurückstellung des Baugesuchs

3. Teilung von Grundstücken

4. Vorkaufsrechte der Gemeinde

5. Erhaltungssatzungen

VII. Bezug zu anderen Rechtsbereichen

1. Natur- und Artenschutz

2. Denkmalschutz

3. Immissionsschutz

4. Wasserrecht

5. Sanierungsrecht

VIII. Entschädigung, Enteignung im Öffentlichen Baurecht

1. Entschädigung

2. Enteignung

C. Bauordnungsrecht

I. Allgemeines

1. Anwendung

2. Begriffe

3. Bedeutung der Landesbauordnungen („Polizeirecht“) – Anwendung der früheren Landesbauordnungen

4. Stellung, Befugnisse und Verantwortung der Entwurfsverfasser

II. Materielles Recht

1. Abstandsflächen

2. Brandschutz

a) Schutzziele

b) Anforderungen an Bauteile

c) Anforderungen an Rettungswege

3. Barrierefreiheit von öffentlichen Gebäuden und Wohngebäuden

4. Garagen/Stellplätze

a) Ermittlung der Zahl der notwendigen Stellplätze

b) Garagenverordnung

5. Sonderbauten

a) § 38 LBO

b) Sonderbauvorschriften

6. Gestaltungsregelungen, örtliche Bauvorschriften

7. Ausnahmen, Abweichungen, Befreiungen, Erleichterungen

a) Abweichungen nach § 56 Abs. 1 und 2 LBO

b) Ausnahmen nach § 56 Abs. 3 und 4 LBO

c) Befreiungen nach § 56 Abs. 5 LBO

d) Erleichterungen nach § 38 LBO

e) Abweichungen von Technischen Baubestimmungen nach § 73a LBO

8. Baulasten

III. Formelles Recht

1. Wann ist ein Bauvorhaben baugenehmigungspflichtig?

2. Der Bauvorbescheid

3. Arten der Genehmigungsverfahren

4. Ablauf eines Bauantragsverfahrens

5. Der vollständige und bearbeitungsfähige Bauantrag

6. Die Beteiligung des Nachbarn im Baugenehmigungsverfahren

7. Das gemeindliche Einvernehmen

8. Von der Baugenehmigung bis zum fertigen Gebäude

a) Bautechnische Nachweise (Standsicherheit, Schallschutz)

b) Der „Rote Punkt“

c) Rohbau- und Schlussabnahme

9. Abweichende oder ungenehmigte Bauausführung

10. Baustopp, Nutzungsuntersagung und Abriss

D. Technische Regelungen

I. Bauprodukte und Bauarten

II. Regeln der Technik

III. Wärmeschutz, Energieeinsparung und erneuerbare Energien

E. Rechtsschutz im Baurecht

I. Selbstkontrolle der Verwaltung

II. Klageverfahren

1. Anfechtungsklage

2. Verpflichtungsklage

III. Nachbarschutz

IV. Einstweiliger Rechtsschutz

V. Normenkontrollklage

VI. Übersicht zum Rechtsschutz im öffentlichen Baurecht

F. Anhang

Stichwortverzeichnis

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

seit der Herausgabe der ersten Auflage der Publikation „Öffentliches Baurechts für Architekten und Bauingenieure“ sind einige Jahre vergangen. Zwischenzeitlich gab es eine Reihe von gesetzgeberischen Veränderungen im Bauplanungs- und im Bauordnungsrecht. Mit der aktualisierten zweiten Auflage möchten wir das Werk auf einen aktuellen Stand bringen. So sind beispielsweise neu hinzugekommen das Thema „urbane Gebiete“ oder Änderungen aus der Landesbauordnung Baden-Württemberg.

Für die Reaktionen auf die erste Auflage danken wir und Hinweise sind eingearbeitet worden.

Wir wünschen all denjenigen, die sich mit dem Thema Öffentliches Baurecht befassen eine spannende und hoffentlich hilfreiche Lektüre.


Die Autoren
Kirsten Rickes
Dr. Werner Finger
Prof. Dr. Jörg MenzelKarlsruhe, im Sommer 2020

Die Autoren danken den Städten Karlsruhe, Rastatt, Stuttgart und Stutensee, den Gemeinden Bad Schönborn, Sulzfeld/Baden, Pfinztal, Zaisenhausen und Weingarten/Baden sowie dem Badischen Landesmuseum Karlsruhe für die Unterstützung bei der Erstellung dieses Buches.

Liebe Leserinnen und Leser,

Öffentliches Baurecht – eine Materie, die für angehende, aber auch ausgebildete Architekten und Bauingenieure nicht als die „Spannendste“ gilt.

Die Kenntnisse des Baurechts spielen jedoch im täglichen Geschäft der Planer eine zentrale Rolle. Die Grundzüge im Öffentlichen Baurecht sollten beherrscht werden, um das planerisch Wünschenswerte mit dem rechtlich Machbaren in Einklang zu bringen. Nur so kann der Planer seinem Kunden eine möglichst verbindliche Einschätzung zur Planung und deren Gestattung geben und nur dann kann er auch auf „Augenhöhe“ mit den zuständigen Genehmigungsbehörden sprechen und verhandeln.

Für Studentinnen und Studenten der technischen Studiengänge ist die Befassung mit dem Öffentlichen Baurecht oft ein „notwendiges Übel“. Man sieht zunächst nicht die Möglichkeiten und Chancen, die sich ergeben können, wenn man auch in diesem Bereich einen Überblick hat.

Unser Ziel ist es daher, den in der Ausbildung befindlichen künftigen Architekten und Bauingenieuren ein Rüstwerkzeug mitzugeben, damit die Grundlagen gelernt oder zentrale Bereiche nachgelesen werden können.

Wir hoffen aber auch, dass unser Buch ebenso ausgebildeten Planern noch eine Hilfestellung geben kann. Vor allem zu Beginn der beruflichen Tätigkeit dürfte die eine oder andere Frage zum Planungsrecht auftreten und hier kann das Buch eine hilfreiche Orientierung geben.

In den Kontakten mit den Studierenden, aber auch mit ausgebildeten Planern kam immer wieder die Frage auf, wo es Literatur zum „Öffentlichen Baurecht“ gibt, die für diese Berufsgruppe einerseits ausreichend genug ist und sie andererseits nicht schon zu einem Juristen werden lässt. Wir fanden nichts Entsprechendes und haben uns an den Versuch gewagt, diese Lücke zu füllen.

Dabei haben wir die Erfahrungen aus der Praxis der Genehmigungsbehörden, in der universitären Ausbildung und aus der Rechtsberatung in dieses Buch einfließen lassen. Ob uns das gelungen ist, müssen Sie entscheiden; Anregungen nehmen wir gerne auf.

Allen Leserinnen und Lesern, ob lernend, lehrend oder in der Praxis, wünschen wir gutes Gelingen und auch eine Portion Freude beim Öffentlichen Baurecht.


Die Autoren
Kirsten Rickes
Dr. Werner Finger
Prof. Dr. Jörg MenzelKarlsruhe, im Oktober 2014

Abkürzungsverzeichnis


A
a. a. O.am angegebenen Ort
Abb.Abbildung
Abs.Absatz
ALRAllgemeines Landrecht der Preußischen Staaten
Alt.Alternative
ArgebauArbeitsgemeinschaft der Bauministerkonferenz
Art.Artikel
ASVGAgrarstrukturverbesserungsgesetz
Az.Aktenzeichen
B
BauGBBaugesetzbuch
BauNVOBaunutzungsverordnung
Bd.Band
BGBBürgerliches Gesetzbuch
BImSchGBundesimmissionsschutzgesetz
BImSchVBundes-Immissionsschutzverordnung
BMZBaumassenzahl
BNatSchGBundesnaturschutzgesetz
BPBebauungsplan
BauPrüfVOVerordnung über bautechnische Prüfungen
BVerwGBundesverwaltungsgericht
BWBaden-Württemberg
bzw.beziehungsweise
C
ca.circa
CPlVOCampingplatzverordnung
D
d. h.das heißt
DINDeutsche Industrienorm
E
EEWärmeGErneuerbare-Energien-Wärmegesetz
EnEGEnergieeinsparungsgesetz
EnEVEnergieeinsparverordnung
etc.et cetera
EWärmeGErneuerbare-Wärme-Gesetz
F
ff.fortfolgende
FFHFlora-Fauna-Habitat
FNPFlächennutzungsplan
G
GaVOGaragenverordnung
GemOGemeindeordnung
GFZGeschossflächenzahl
GGGrundgesetz
ggf.gegebenenfalls
GRZGrundflächenzahl
H
Halbs.Halbsatz
I
i. S. d.im Sine des
i. S. v.im Sinne von
i. V. m.in Verbindung mit
K
KWKKraft-Wärme-Kopplung
L
lat.lateinisch
LBOLandesbauordnung
LBOAVOAllgemeine Ausführungsverordnung zur LBO
LBOVVOVerfahrensverordnung zur Landesbauordnung
LTBListe der Technischen Baubestimmungen
M
max.maximal
MDRMonatsschrift für Deutsches Recht (Zs.)
Min.Minute
MVIMinisterium für Verkehr und Infrastruktur
N
n. Chr.nach Christus
Nr.Nummer
Nrn.Nummern
NRGNachbarrechtsgesetz
NWNordrhein-Westfalen
O
OLGOberlandesgericht
ÖPNVÖffentlicher Personen-Nahverkehr
OVGOberverwaltungsgericht
R
Rn.Randnummer
S
s.siehe
s. a.siehe auch
s. o.siehe oben
s. u.siehe unten
sog.sogenannte/r/s
T
TA-LärmTechnische Anleitung zum Schutz gegen Lärm
TA-LuftTechnische Anleitung zur Reinhaltung der Luft
TBTechnische Baubestimmung
U
u. a.unter anderem
V
VGHVerwaltungsgerichtshof
vgl.vergleiche
VkVOVerkaufsstättenverordnung
VOBVergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen
VStättVOVersammlungsstättenverordnung
VwGOVerwaltungsgerichtsordnung
VwVVerwaltungsvorschrift
VwVfGVerwaltungsverfahrensgesetz (des Bundes oder eines Landes)
W
WGWassergesetz
WHGWasserhaushaltsgesetz
Z
z. B.zum Beispiel
Zs.Zeitschrift

A. Einleitung – Baurecht in Deutschland

1

Wer sich mit dem Thema Baurecht befasst, wird sich vielleicht fragen, weshalb manche Vorschriften entstanden sind und was deren Sinn ist. Zum Einstieg daher ein kurzer historischer Überblick. Die eine oder andere Regelung wird aus dem Gesamtverständnis – nach unserer Meinung – leichter nachvollziehbar.

2

Wie in den meisten Rechtsgebieten entwickelte sich auch das Baurecht über einen langen Zeitraum bis hin zu den heute geltenden Vorschriften. Dabei spielten und spielen u. a. gesellschaftliche Tendenzen eine Rolle. Eine Trennung in die Bereiche des öffentlichen und privaten Rechts sowie des Strafrechts, wie wir sie heute kennen, gab es in dieser Form zunächst jedoch noch nicht. Was die in dieser Publikation behandelte Materie des öffentlichen Baurechts angeht, kann Folgendes festgehalten werden: Insgesamt sind die rechtlichen Regelungen der gesetzgeberische Versuch, ein Spannungsfeld zwischen den Wünschen des Einzelnen und den Vorstellungen der Allgemeinheit zu lösen. Ein weiteres Ziel ist es, Gefahren für Menschen, Tiere oder Sachen zu verhindern.

3

Mit der schriftlichen Fixierung von rechtlichen Vorgaben (sog. Kodifizierungen) werden die Aufgaben des Baurechts deutlich, sie sind nachlesbar und festgehalten. So kannte schon der Sachsenspiegel, eine Sammlung von Rechtsvorschriften um 1220 n. Chr., Vorgaben zur Gefahrenabwehr:


Sachsenspiegel Landrecht Bd. II Art. 51 § 1 (Abstände zu Öfen und Schweineställen)

Je nachdem, in welchen Teilen Deutschlands Vorgänge zu beurteilen waren, gab es früher viele unterschiedliche Rechtsregelungen. Beispielsweise können die Regelungen des Code Napoleon, die in Teilen des westlichen Deutschland galten, als auch die Vorgaben des Allgemeinen Landrechts der Preußischen Staaten (ALR) von 1794 genannt werden. Im ALR etwa werden die zentralen Gesichtspunkte des Baurechts deutlich: Baufreiheit, sofern nicht andere beeinträchtigt werden, keine Verunstaltung durch Bauten und Abwehr von Gefahren.


§ 65 I 8 ALR: „In der Regel ist jeder Eigenthümer seinen Grund und Boden mit Gebäuden zu besetzen oder sein Gebäude zu verändern wohl befugt. Doch soll zum Schaden oder zur Unsicherheit des gemeinen Wesens, oder zur Verunstaltung der Städte und öffentlichen Plätze, kein Bau und keine Veränderung vorgenommen werden.“ § 10 II 17 ALR: „Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publico, oder einzelnen Mitgliedern desselben, bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizey.“


Abb. 1: Auszug aus einem Baufluchtenplan der Gemeinde Sulzfeld/Baden aus dem Jahr 1962. Bauflucht wird als Bezeichnung für die in einer Linie (Baufluchtenlinie) verlaufende Stellung von Baukörpern verwandt. Der Plan zeigt darüber hinaus die geplanten Wege/Parkplätze und die zulässige Geschossigkeit von Baukörpern.

4

Die Festlegung von Baufluchtlinien (also dem, was heute zum Städtebaurecht gezählt wird) resultiert aus solchen Vorschriften, wie auch das, was heute mit der Gefahrenabwehr zum Ordnungsrecht gehört (und früher als „Baupolizeirecht“ bezeichnet wurde). Letzteres fällt in die Regelungskom petenz der einzelnen Bundesländer. Die Trennung der Bereiche des Öffentlichen Baurechts in das Planungsrecht einerseits und das Bauordnungsrecht andererseits gab es allerdings noch nicht in der inzwischen vorhandenen Ausprägung.

5

Allmählich entwickelten sich Städtebaurecht (und damit Bauplanungsrecht) und Bauordnungsrecht parallel weiter. Als eine der vorbildlichen Regelungen gilt auch heute noch das Baurecht für das Königreich Sachsen vom 01. 01. 1900. Planungsgrundlagen für die Stadtentwicklung wurden hier rechtlich fixiert. Andere Länder in Deutschland erließen nach und nach auch vergleichbare rechtliche Regelungen.

6

Die Weiterentwicklung des Baurechts erfolgte auch in der Weimarer Republik und teilweise selbst während der NS-Diktatur. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand der Aufbau der Städte und Gemeinden (sog. „Trümmergesetze“) im Vordergrund. Erst 1960 kam es für Westdeutschland zum einheitlichen Bundesbaugesetzbuch und 1971 zum Städtebaugesetz. Beide Gesetze wurden im Baugesetzbuch (BauGB) von 1986 zusammengefasst.

7

Nach der Wiedervereinigung wurden Gesetze beschlossen, die helfen sollten, baurechtliche Probleme zeitnah zu lösen, so z. B. für die Lösung der Wohnungsnot. Mit dem Baugesetzbuch-Maßnahmengesetz von 1993 wurden Erleichterungen für die Planung der Gemeinden erlassen. Auch die Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen Investoren und planender Gemeinde wurde durch Vorhaben- und Erschließungspläne erleichtert.

8

Im Jahr 2004 kam es zu einer Neufassung des Baugesetzbuches. Diese wurde seither mehrfach geändert. Eine stärkere Einbeziehung des Umweltschutzes (z. B. §§ 1a und 2a BauGB) und das Ziel der erleichterten Innenentwicklung (z. B. § 13a BauGB) sind dabei besonders hervorzuheben. Eine Reihe von Änderungen im Bundesrecht gab es in den letzten Jahren, u. a. eine zunächst zeitlich befristete Einbeziehung von Außenbereichsflächen in die Bauleitplanung nach § 13b BauGB, in der Baunutzungsverordnung zum Thema Kinderbetreuung, die Einführung des „urbanen Gebietes“ nach § 6a BauNVO oder vorrübergehende Regelungen vor dem Hintergrund der Flüchtlingswelle. Aktuell gewinnt in der Praxis der Planer der Gesichtspunkt des Hochwasserschutzes immer stärker an Bedeutung. Mit den Vorgaben im Wasserhaushaltsgesetz des Bundes und den Landeswassergesetzen gibt es zum Teil große Einschränkungen für Bauvorhaben, wenn ein sog. 100-jähriger Hochwasserschutz nicht eingehalten werden kann (vgl. hierzu z. B. § 78 Wasserhaushaltsgesetz).

Aktuell liegt der Entwurf eines Baulandmobilisierungsgesetzes auf Bundesebene vor. Ziel ist vor allem die Bereitstellung von Bauland und die Sicherung bezahlbaren Wohnraums. Geplant ist die Einführung eines neuen Bebauungsplantyps, den „Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung“ in § 9 BauGB. Damit würde ein weiterer „Spezialplan“ geschaffen, der systematisch gezielte Steuerungen im Innenbereich ermöglichen soll. Solche gibt es z. B. in § 9 Abs. 2a (Ziel: Sicherung zentraler Versorgungsbereiche), § 9 Abs. 2b (Ziel Ausschluss von Vergnügungsstätten). Näheres zu diesen Plänen enthält unser Grundlagenbuch aber nicht. Weiterhin ist auch eine Ergänzung der BauNVO mit einem neuen Gebietstypus, dem „Dörflichen Wohngebiet“ angedacht. Neben diesen zwei wichtigen Punkten sind weitere Erleichterungen im BauGB und der BauNVO mit dem Ziel der Wohnraumversorgung in dem Gesetzentwurf enthalten.

I. Baurecht – wieso?

9

Wieso überhaupt muss sich ein Planer mit einer juristischen Materie auseinandersetzen? Genügt es nicht, wenn man sich den notwendigen Sachverstand bei einem ausgebildeten Juristen besorgt oder dort um Beratung nachfragt? Ja und nein: Die Grundlagen des Baurechts muss ein Planer beherrschen. Er oder sie ist verantwortlich für die Einhaltung von „öffentlich-rechtlichen“ Vorschriften, so heißt es z. B. in § 43 Abs. 1 Landesbauordnung Baden-Württemberg. Ein Planer wird zwar nicht über alle Details und die Auslegung der Vorschriften im Einzelnen alles wissen müssen, die zentralen Regelungen zu kennen und ein Problembewusstsein zu haben, gehört aber zur planerischen Verantwortung. Beispielhaft ist eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz (Urteil vom 12. 12. 2007, Az. 1 U 180/07, MDR 2008, 746) zu nennen, in der die Reichweite der Kenntnis und der rechtlichen Prüfung für einen Architekten beschrieben wird. Der Entwurfsverfasser muss erkennen, in welchem Gebiet (Bebauungsplan, Innen- oder Außenbereich) er plant und wie die rechtliche Bewertung aussieht. Daher sind die Kenntnisse im Baurecht nötig. In dem vorliegenden Buch geht es speziell um das öffentliche Baurecht.

10

Hierzu ein Einstiegsfall, der eine gewisse Aktualität hat:


Ein Unternehmer, der sich auf das Thema Windkraft spezialisiert hat, möchte mehrere Windräder mit einer Nabenhöhe von über 150 m errichten. Er kennt Flächen, die aus seiner Sicht wegen einer guten Windhöffigkeit geeignet sind. Nun will er diese errichten. Kann er das ohne Weiteres?

Hier stellen sich Fragen der Raumordnung, des Bauplanungsrechts (gibt es einen Teilflächennutzungsplan für Windkraft oder kann das Vorhaben als sog. privilegiertes Vorhaben im Außenbereich geplant werden?) bis zum Thema des einzuleitenden Verfahrens (Baugenehmigungsverfahren oder immissionsschutzrechtliches Verfahren?).

Auch der „Klassiker“ sei hier angesprochen:


Sie erhalten den Auftrag, ein Wohnhaus zu entwerfen, das etwas ganz Besonderes sein soll. Wie groß darf es sein? Wäre auch eine andere, ergänzende Nutzung neben Wohnen zulässig? (dazu Rn. 28)

Es gibt Fragen, wie die der bauleitplanerischen Beurteilung (gibt es einen Bebauungsplan, liegt das Vorhaben im Innen- oder Außenbereich?) und der bauordnungsrechtlichen Bewertung (z. B. Abstandsflächen), denen Sie sich als Planer stellen müssen.

11

Das öffentliche Baurecht wirkt auf drei zentrale Bereiche ein:

– den Einzelnen, der ein Vorhaben umsetzen, also z. B. ein Haus bauen möchte,

– die Städte und Gemeinden, die eine Steuerung der gemeindlichen Entwicklung wünschen und planen sollen, sowie

– die Allgemeinheit, die vor Gefahren, die durch Bauen entstehen können, geschützt werden möchte.

Für diese Grundstruktur gibt es rechtliche Vorgaben aus dem öffentlichen Baurecht:

Der Grundsatz der Baufreiheit ist für jedermann im Grundgesetz durch Art. 2 (freie Entfaltung der Persönlichkeit) und Art. 14 (Eigentumsrechte) abgesichert, jedoch unterliegt er bestimmten Einschränkungen. Inhalt und Schranken der Baufreiheit werden durch Gesetze bestimmt. Der Einzelne muss also im Sinne des Allgemeinwohls Beschränkungen hinnehmen, da diese für ein geordnetes Zusammenleben notwendig sind. Zwischen den Interessen des Individuums und der Allgemeinheit soll – was das Baurecht betrifft – ein Ausgleich geschaffen werden.

Einige Beispiele solcher Beschränkungen:

– Vorschriften des Immissionsschutzes (wegen Lärm, Geruch),

– des Natur- und Umweltschutzes (wegen Sicherungen von geschützten Tier- und Pflanzenarten),

– des Denkmalschutzes (wegen des Erhalts des Kulturgutes),

– des Hochwasserschutzes (wegen der Gefahrenabwehr für Menschen und Gebäude).

12

Zu den Aufgaben der Städte und Gemeinden gehört das grundgesetzlich garantierte Planungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG). Mit ihrer städtebaulichen Planung, z. B. durch Festsetzungen in Bebauungsplänen, wird ein Rahmen geschaffen. Entweder schränken die gemeindlichen Planungen die Möglichkeit des Bauens für den Einzelnen ein oder aber sie schaffen Baurechte durch die entsprechenden Festsetzungen in Bebauungsplänen.

Die Planung der Gemeinde ist stets mit der Einbeziehung der Bevölkerung und von Fachstellen verbunden, bevor sie verbindlich festgelegt wird.


Abb. 2: Bekanntmachung der Gemeinde Zaisenhausen vom 20. 02. 2017.

13

Als weitere zentrale Aufgabe des Baurechts ist der Schutzgedanke relevant. Die Gefahrenabwehr ist in den Landesbauordnungen die zentrale Vorschrift (z. B. § 3 Landesbauordnung Baden-Württemberg). Soziale Gesichtspunkte (z. B. § 3 Abs. 4 Landesbauordnung Baden-Württemberg), aber auch ästhetische Belange bei der Bauausführung (z. B. § 11 Landesbauordnung Baden-Württemberg) sind weitere Zielvorstellungen des Baurechts.


Abb. 3: Einsturzgefährdetes Gebäude – mögliche Gefahren gilt es zu verhindern (z. B. durch Absperrungen oder Abriss, falls eine Sanierung nicht vorgenommen wird).

14

Um das öffentliche Baurecht zu verstehen, müssen sowohl Vorgaben aus dem Grundgesetz, dem Bundesrecht als auch landesrechtliche Regelungen beachtet werden. Dass dies so ist, folgt aus der föderativen Struktur der Bundesrepublik Deutschland und den damit verbundenen Zuständigkeiten. Vgl. zur Verdeutlichung die folgende Übersicht:


RechtsmaterieInhaltliche Regelung (beispielhaft)
Verfassung(Grundgesetz der Bundesrepublik)Verfassungsrechtliche Vorgaben (persönliche Freiheiten, Eigentumsrechte)
BundesrechtRegelungen zur Bodenordnung, des Städtebaurechts, der Raumordnung
LandesrechtGefahrenabwehr

15

Neben den Vorschriften im öffentlichen Recht gibt es auch andere Rechtsbereiche, die in unserem Leben eine wichtige Rolle spielen.

Grundsätzlich unterscheiden wir im Recht das

– Privat- (oder auch Zivil- [vom lat. ius civile]) Recht.

– Öffentliche Recht,

– Strafrecht.

Vereinfacht ausgedrückt geht es beim Privatrecht um die rechtsgeschäftlichen Beziehungen zwischen Privatpersonen, beim Öffentlichen Recht ist „der Staat“ als Hoheitsträger gefragt und beim Strafrecht wird ein Vorgang unter dem Gesichtspunkt der Vorgaben des Strafgesetzbuches beurteilt.

16

Das vorliegende Buch befasst sich mit dem „Öffentlichen Baurecht“. Darunter versteht man Regelungen, die staatlichen Organen oder einem entsprechenden Hoheitsträger zugewiesen sind. Typisches Beispiel für das Baurecht ist die Erteilung einer Baugenehmigung, die nur durch die entsprechende staatliche Stelle ausgesprochen werden darf (vgl. z. B. §§ 48, 58 Landesbauordnung Baden-Württemberg).

Hingegen regelt das private (oder zivile) Baurecht Rechtsbeziehungen zwischen „gleichrangigen“ Personen. Der Planer etwa, der von seinem Kunden (dem Bauherrn) einen Auftrag zum Entwurf bekommt, diesen erstellt und auch ausführt, wird privatrechtlich tätig. Fehler bei der Tätigkeit sind daher grundsätzlich dem Privatrecht zuzurechnen.

Auch die Nachbargesetze der Bundesländer regeln die Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen (Nachbarn) und gehören nicht zum öffentlichen Baurecht. Beispielswiese das Nachbarrechtsgesetz des Bundeslandes Baden-Württemberg (NRG), in dem z. B. Regelungen zur Ableitung von Regenwasser (§ 1 NRG), zum Hammerschlags- und Leiterrecht (§ 7c NRG) oder zu Abständen bei Bepflanzungen (§§ 11 ff. NRG) enthalten sind.

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