Kitabı oku: «Aphrodite Schatzsucherin», sayfa 2

Yazı tipi:

“Es war einmal .....

... an einem Ort, an dem sich die Menschen wenig zu sagen haben ... In einer Bar, auf einer kleinen Insel im Meer traf sie ihn.

Was sie für ein Wunder hielt und er - doch das mag er selber wissen lassen.

Denn hier ereignete sich das, was die Suchende später meine Wiederkehr nennen sollte; die Wiederkehr der Aphrodite. Obschon ich immer war.

Mochten so viele Menschen auch verlernt haben, uns Göttinnen und Götter zu sehen, so gab es uns doch. Mochten wir scheinbar aufgehört haben, Verbindungen mit den Menschen einzugehen - so war ich doch stets bereit, mich mit ihnen zu verbinden.

Begrenzungen beginnen im Kopf. Menschen halten ihre Weltvorstellungen für das, was immer war. Ideen bekommen Glaubensgesetze.

Frau und Mann glauben sich seit Dem Grossen Einschnitt getrennt von der grossen Mutter, die wir Gaia nennen. Das mag an ihrem Machtkonzept liegen.

Schöpfung bietet wohl zwei Möglichkeiten, die der Liebe und die der Macht. - Und mit der Macht eine Geisteshaltung des Herrschens und des Beherrscht-Werdens. Die meisten Geistesschulen lehren nur die Möglichkeit der Macht. Ganze Erdenstämme haben so etwas Wesentliches verloren, ohne es zu bemerken. Die Mehrheit der Menschen hält dies für den Lauf der Dinge. Nur ein unbestimmtes Sich-Sehnen nach All-Seligkeit ist Menschenfrau und Mann geblieben. Sich sehnen nach Wiedervereinigung lebt in Menschenliebe und in den mannigfaltigen Menschenglauben. Gerade auch in der Kunst. In der Musik.

Wenn dieses Sich-Sehnen stark genug ist, kann es manchmal die Grenzen überschreiten. Es kann zu mir führen. Denn auch ich bin Instrument.

Aber ich schweife ab. Zurück zu den Ereignissen der Insel. - Der Weg war lang und beschwerlich. Oft schien es, als sollte das Wunder nie geschehen.

Doch siehe selbst.”

Kapitel 3

Piräus oder Peiraieus war vor langer Zeit der Name der bergigen Halbinsel südwestlich von Athen gewesen, mit einem beinahe einhundert Meter hohen Hügel Kastella, der einstmals Mounychia genannt worden war. Seit dem sechsten Jahrhundert for Christus hatte Mounychia eine Burg getragen von der aus man die drei tief eingeschnittene, runde Hafenbecken Piräus, Zea und Mounychia hatte sehen können. Themistokles, ein Wegbereiter der Attischen Demokratie, hatte sie 493 vor Christus zum Hafen von Athen bestimmt.

In Perikleischer Zeit wurde eine Stadtanlage mit rechtwinklig sich schneidenden Strassen angelegt, die Häfen ausgebaut und mit Säulenhallen und Schiffshäusern versehen. Nach dem Peloponnesischen Krieg war Piräus zerstört und wieder aufgebaut worden, blühte als Handelshafen. Brannte nieder und wurde erneut errichtet - ein unermüdliches Aufbauen und wieder zerstören im Zeitraffer der Geschichte. Nun, im zwanzigsten Jahrhundert nach Christus, war Piräus der grösste Passagierhafen Europas und der drittgrösste Hafen der Welt.

Zsófia liest im Reiseführer, während sie eingekesselt von Menschen in einer Schlange wartet. Stinkende Abgase, ungeduldiges Autohupen, lärmende Motoren scheinen in der flimmernden Glut der Attischen Sonne noch zuzunehmen und Zsófia fühlt sich verloren in einem chaotischen Gewimmel von stinkenden Lastwagen und klapprigen Wohnmobilen, Motorradfahrern und Trauben von Fussgängern. Ihr Auto, das sonst ein schützendes Haus gegen diese Einflüsse ist, ist ihr nun kein Trost. In der stickigen Luft hängt ein vibrierendes Warten darauf von den grossen Walfisch-Mäulern der Fährschiffe verschluckt zu werden. Endlich kann sie die 'Theés Várka' ausmachen, die Ilos ihr als das Schiff zu der Insel genannt hatte und sie steuert darauf zu. Im Schritt-Tempo reiht sie sich in die Warteschlange. Mit der linken Hand streicht sie sachte über das Lenkrad. Trotz Krieg, Benzin-Boykott, undichter Öl-Leitung und unwegsamen Bergstrassen in Mazedonien. Trotz Situationen, in denen sie sich wie eine Gejagte gefühlt hatte. Denn als Frau alleine zu reisen war gefahrvoll gewesen. Sie versucht die Erinnerung zu verscheuchen. Sie hat es überstanden.

Das Ziel, das sie vor Augen gehabt hatte, ist jedoch nicht mehr da. Hier steht sie auf einem kleinen Floss mitten im Chaos. Müde und verletzlich.

Auf dem Schiff Rucksackreisende mit Schlafsäcken auf dem Boden. In der Bar griechische Familien, spielende Kinder. Sie scheint die einzige zu sein, die alleine reist. Überwältigt von grellen Farben, starken Gerüchen und fremden Lauten sitzt Zsófia auf einer der Bankreihen an Deck. Blinzelt in die weisse Sonne und bestaunt Ozean und Himmel, als sehe sie zum ersten Mal. Als die erste Insel in Sicht kommt, bestaunt sie die karge, geschwungene Hügellandschaft, die schroffen ockergelben Felsen.

Sie hört Klaviermusik auf ihrem Walkman. Das melancholische Piano, die Seevögel, der Wind und das Blaugrün des Meeres erfüllen sie mit Freude über diesen vollkommenen Moment. Aber auch mit Bedauern, ihre Freude mit niemandem teilen zu können.

Alleinsein. Jeder Mensch ist in letzter Konsequenz allein - ach ja, das abgeklärte Philosophen-Ich. Aber die meisten kommen scheinbar besser damit zurecht, meldet sich ihr inneres Kind. Oder machen sie es sich nur nicht bewusst?

Die Mehrzahl der Menschen scheint ihren Platz zu haben. Einfach so. - Sind die, die nicht alleine sind, zu mehr Zugeständnissen bereit? Erdulden sie mehr?

Doch sie macht grosse Zugeständnisse und ist dennoch alleine. Ihre Anstrengungen, sich anzupassen und gemocht zu werden sind erfolglos. Das ist von klein an so gewesen. Zsófia wünscht sich den Mut, ein neues Leben anzufangen, an einem Ort, an dem ihre Rolle noch nicht festgelegt wäre. An dem sie anders sein könnte. Keine vorgenannten Erwartungen sondern ein leeres Blatt Papier, auf das sie ein neues Selbst und eine neue Lebensgeschichte schreiben könnte.

Zsófia lehnt sich an die Schiffsbalustrade. Fühlt das Eisen unter einer weissen Schicht Farbe. Schaut in das bewegte Wasser unter sich. Seewind spielt mit ihrem Halstuch, hebt die langen Seidenenden in die Luft. Zsófia löst den Knoten und hält das Tuch spielerisch in die Luft. Nuancen von Blau die ineinander laufen. Nun von der Sonne fast aufgelöst in Licht.

Mitreisende betrachten die junge Frau, die ein Tuch im Wind schwenkt. Aber sie ist selbstvergessen und bemerkt es nicht.

Karl hatte ihr das Tuch geschenkt, als sich ihr Zusammensein gejährt hatte. Er hat ein Auge für schöne Dinge. Sie liebt die Batik des seidenen Gewebes. Ein Windhauch bläht in das Tuch und sie hebt es fasziniert über ihren Kopf. Blinzelt in die bläuliche Weisse. Dann auf einmal öffnen sich ihre Finger. Es ist keine Entscheidung, es geschieht einfach. Das Tuch schwebt hoch in die Luft und fällt dann langsam in sich zusammen. Segelt in das Wasser. Schwimmt noch für einen Moment lang auf der Oberfläche und verschwindet dann.

Einfach fort. Ist es wirklich geschehen? Warum hatte sie losgelassen? Ihr Tuch!

Zsófia presst die Hände auf ihre Brust. Sie steht an der Reeling und ist fassungslos. Starrt ins Leere bis ihre Augen die Augen eines anderen treffen. Ein Mann, nicht grösser als sie, mit langem Haar und arabischen Gesichtszügen. Er lächelt und sie wendet sich abrupt ab. Beschämt, verwirrt. Immer noch betroffen darüber, ihr Tuch losgelassen zu haben. Es für immer verloren zu haben im Wasser. Sie läuft die eisernen Treppenstufen hinab, und das Klappern ihrer Schuhe ist ihr unangenehm. Unentschlossen steht sie auf dem nächsten Deck. Wandert auf und ab um sich zu beruhigen.

“Wer den Ort verlassen will, an dem er lebt, ist nicht glücklich”, schreibt Milan Kundera. “Die, die sich selbst finden wollen, sollten an Ort und Stelle bleiben, weil sonst die Gefahr besteht, dass sie sich ganz und gar verirren.” Wer hatte das gesagt?

Hat Zsófia verlassen? Ist sie nicht hier auf dem Fährschiff, weil sie Angst hat, Endscheidungen zu treffen?

‘Fortgelaufen bin ich.’

Die 'Theés Várka' läuft ein. Ob Ilos Bruder sie erwarten wird? Menschen, Motorräder, Lastwagen strömen aus dem Dunkel des Schiffsrumpfes dem nun weit aufgestossenen Schiffsschlund entgegen. Zsófia lässt sich von diesem Strom ziehen, wird vom Bruder des Illos aufgelesen und in eine etwas abseits gelegene Pension am Hang der Felseninsel gebracht. Griechenland ist das Land der Rosen. Hier liegt die Liebe in der Luft, hatte Ilos gesagt. “Wenn man denn diese Liebe ertragen kann”, denkt sie.

Das Reden fällt schwer, wenn man es eine Weile nicht getan hat und sie schaut sich die Begrüssungen und die ersten Höflichkeiten an, wie einen Film. Schon ist sie wieder allein, hält sich an ihren Büchern fest und schläft schliesslich ein, weil sie nichts anderes zu tun hat.

Die nächsten Tage verlaufen in selbstgewählter Einsamkeit. Ihre Gedanken in der Heimatstadt bei einem Mann, der nicht gut für sie ist.

Sie hat strenge Glaubenssätze und fühlt sie sich schlecht behandelt. Sie will gut sein und weiss nicht, dass unter ihrer Güte Wut schwelt. So versteckt sie sich im Lande der Rosen und der lächelnden Sonne – versteckt sich hinter ihrer Moral, die schon die ihrer Mutter und Grossmutter gewesen war, schwenkt sie wie eine unsichtbare Fahne vor sich her und sondert sie sich ab vom Insel-Leben.

Einem überschaubaren Leben, wo sie schnell jeden Kellner und jeden Reisenden kennt. Allzu bald haben ihre Tage einen eingespielten Rhythmus. Morgens in aller Frühe, verlässt Zsófia ihr Zimmer. Dort sitzt der Pensionswirt Alexis am wackligen Holztisch auf der Veranda und bietet ihr starken Mocca und Feigen aus seinem Garten an. Gleichbleibend freundlich, mit einem Lächeln. Im Stillen nennt sie ihn Alexis Zorbas, nach der exzentrischen Hauptfigur des Kinofilmes. Anthony Quinn hatte ihn gespielt. Ihr Gastgeber hat stechende, dunkle Augen, kinnlange graue Haare. Wie alt mag er sein?

Später wandert sie in das Hafen Cafe, bestellt als einziger Gast gesüssten Frappe mit Tiropites Teigwaren. Es ist früh, die Feriengäste schlafen noch, die Fischer jedoch sind längst auf See. Dann geht sie an den Strand, geniesst die Wärme der Sonne auf der Haut, bis der heisse Sand schliesslich mit Menschen bevölkert ist, die sie vom Rande beobachtet, wenn sie nicht liest.

Abends geht sie am Hafen spazieren, sitzt am Meer, lauscht den Wellen. Es ist eine einschläfernde, ereignislose Zeit, die Zsófia erlebt, wie eine Beobachterin. Gestreichelt von Seewind, Wellen und Sonnenlicht; friedvoll, aber sprachlos und getrennt von den anderen Menschen.

Eines Nachmittags bemerkt sie etwas Ungewöhnliches. Ein Blitzen in der Sonne. Aus einem der Fenster in ihrem Ferienhaus. Ein Spiegel? Eine Kamera? Es mag ein Fernglas sein. Wer beobachtet den Strand? Nach zwei weiteren Tagen weiss sie es. Es ist Alexis, der mit einem Teleskope am Fenster sitzt, und die Sterne studiert, wie er ihr beim Mokka erklärt. Und das Meer. Wohl auch die Badenden am Strand, denkt sie, aber sie sagt es nicht.

Nun betrachtet sie den Mann genauer. Beobachtet sein Mienenspiel, seine Gesten, seine Gestalt. Das zerfurchte Alexis Zorbas Gesicht, das volle, graue Haar, die muskulösen Arme, den drahtigen Körper. Sie riecht sein Rasierwasser und nimmt zum ersten Mal seine Manneskraft wahr. Sie springt ihr nun geradezu ins Gesicht. Sie fühlt sich davon abgestossen. Aber sie beschäftigt sich in Gedanken mit ihm. Was er wohl denkt, wenn er dort am Fenster sitzt? Ob er sich wünscht, eine der badenden Frauen in den Armen zu halten? Hat er ein Liebesleben, wo sie mit ihrer Moral im luftleeren Raum erstickt? Tut das Land der Rosen erste Wirkung? Zsófia ist verwirrt, verflucht die Verwirrung.

Als Alexis Zorbas bei einem ihrer Morgengespräche bemerkt, dass sie einen schönen Körper habe, denkt sie an das Fernglas. Sie errötet. Ärgerlich darüber zu erröten.

Sie nimmt ihm sein Tun übel und doch sind die Gefühle mehrschichtig. Das Sonnenbad wird zu einer Art von Tanz für Zsófia. Sie ist nicht länger unsichtbar. Sie wird gesehen, aber sie kann nicht berührt werden. Sie mag das. Wenn sie geht und wenn sie sich bückt, tut sie es mit Anmut. Wenn sie sich in den heissen Sand schmiegt, sich dehnt und entspannt, dann geschieht es mit dem Gedanken, dass Alexis Zorbas sie womöglich betrachtet. Sie will beachtet werden. Sie will Frau sein. Aber sie will keine Nähe.

Sie fühlt sich schuldig dafür, dass sie gesehen werden will. Verurteilt sich in Gedanken. Den Mann. Aber zumeist sich selbst. Schuld. Sünde.

Die lächelnde Sonne beginnt sich in ihre Träume zu brennen. Sie ist hier, im Inselland der Mythen und Legenden. Eine ansteigende Unruhe lässt sie nicht mehr schlafen. Wenn sie dann nachts dem Wellenschlag des Meeres lauscht und die Umrisse ihres nackten Fleisches sich im Mondlicht vom Dunkel des Zimmers abheben, fühlt sie Sehnsucht. Ein Gefühl, sich zu verschwenden. Auszutrocknen – an einer Verpflichtung festzuhalten, die keine Berechtigung hat. An ihr festzuhalten aus Angst. Zu verdorren, weil sie es sich nicht erlaubt, eine wilde Frau zu sein.

Sie wäre gerne wild und leidenschaftlich. Wie damals die Frauen an den Beltane Feuern von Avalon. Starke Frauen von Stämmen und Völkern lange vor den Religionen der Neuzeit. Bei Vollmond tanzen vor den Flammen, einen Mann nehmen, seinen Körper fühlen und lieben, lieben, lieben. Auf der braunen Erde, im saftigen Gras. Eine Beltane Nacht.

Kapitel 4

Drei Mädchen zelten am Strand zwischen knorrigen, windgeduckten Bäumen und Zsófia kommt mit ihnen ins Gespräch. Zsófia hat in diesem Jahr ihren siebenundzwanzigsten Geburtstag gefeiert. Nun, mit den drei Achtzehnjährigen, die so frei und unbeschwert wirken, fühlt sie sich alt.

Die drei sind zusammen aufgewachsen, haben gerade ihre Schule beendet und sind hungrig auf das Erwachsensein. Nach diesem Urlaub würden sich ihre Leben verändern. Eine würde Musik studieren, die andere eine klassische Ausbildung als Sängerin beginnen, die dritte eine Banklehre anfangen.

"Ich bin Musikerin", Zsófia sagt es, doch tief in ihr schreit alles ‘Lüge! Lüge!’ Sie ist keine Musikerin mehr. Ihr Beruf verschlingt ihre Zeit, verschlingt Zsófia. Wenn sie auf Musik-Konzerte geht, fühlt sie ein hässlich, nagendes Gefühl des Neides, weil sie die Hoffnung mehr aus ihrem Können zu machen, aufgegeben hat. 'Brotlose Kunst' hatte ihre verstorbene Mutter es genannt, “Wer hoch hinaus will, fällt tief hinunter.” Seltsam, wenn immer sie an ihre Mutter denkt, fallen ihr alte Sprichwörter ein. “Zeige mir deine Freunde und ich sage dir wer du bist. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.”

Die Mädchen erzählen ihr ihre Geschichten. Drei Freundinnen, die zusammenhalten, zusammen lachen und weinen. Sie fühlt sich in der Runde fehl am Platze. Aber werden nicht auch die drei einander verlieren? Dies ist vielleicht ihr letzter gemeinsamer Urlaub, bevor es jede von ihnen in verschiedene Richtungen verschlagen wird. Der Gedanke stimmt Zsófia traurig.

Das alles im Fluss der Veränderung ist - im grossen Leben-Sterben-Leben-Zyklus, eben damit Menschen sich erinnern und wachsen können - hat Zsófia vergessen.

Aphrodite könnte es ihr erklären, aber noch schweigt sie dazu.

Das Lachen wird schwer, wenn man es tief innen nicht fühlt. Als die drei Mädchen die Insel verlassen, um mehr zu entdecken, geht mit ihnen die Unbeschwertheit. Es ist besser, wieder allein zu sein und nicht mehr lachen zu müssen, sagt sich Zsófia. Und doch hat die Fröhlichkeit der Mädchen etwas in ihr geweckt. Zsófia schnürt leichtes Handgepäck, gibt ihren Bus in die Obhut von Alexis Zorbas und steigt erneut auf die weisse 'Theés Várka'. Sie ist neugierig geworden, will die gleichförmigen Tage durchbrechen, irgendwo absteigen. Auf Deck schaut sie auf die erste sich nähernde Insel. Wollten hier nicht die drei Mädchen landen? Sie weiss nicht recht warum, diese Insel gefällt ihr nicht und so wartet sie auf die nächste. Schlendert schliesslich die schmale Strasse des Hafens entlang.

Wie auf allen kleinen Inseln des Mittelmeeres, die den Reisezirkus verschlafen haben, spielt sich auf dieser Strasse das ganze Leben ab. Hier reihen sich Tavernas mit wackligen Holztischen im Freien an kleine Bäckereien mit frischen Brotlaiben, an Krambuden und armselige Lebensmittelläden mit grossen Kühltruhen für Wasser in Plastikflaschen. Darin eingereiht eine kleine orthodoxe Kirche - von aussen ein weiss verputztes Haus wie alle anderen, nur die bunten Fenster und die immer brennende Kerze dahinter verraten seine Bedeutung.

Zsófia findet ein Zimmer und geht gleich darauf an den Strand. Es ist ungewöhnlich windig und sie hängt fröstelnd ihren Gedanken nach. Der Wind trägt Mädchenstimmen herüber. Unverkennbar, das sind die drei. Zwischen den Felsen am Stand. Soll sie zu ihnen gehen? Wird sie stören? Zaghaft geht sie auf die Stelle zu und ist überrascht über die Freude, die sie auslöst.

"Unsere letzte Reisestation war eine Katastrophe. Kein Platz zum Zelten. Wir hatten riesig viel Wind und Clara wurde krank. Aber hier ist es gut. Wir haben einen Job in der Bar und alle Getränke frei." Die schöne Elisabet schlingt anmutig ein wehendes blaues Tuch um ihr Haar. Goldenes Engelshaar, das ein ebenmässiges Mädchengesicht umrahmt. Ihre Augen sind türkis, wie das Meer der Hellenen. Gebannt sieht Zsófia sie an. Neben der hellen Süsse der jungen Frau kommt sie sich schwer und reizlos vor. Fahrig streicht sie ihr widerspenstiges Haar aus dem schweissnassen Gesicht.

"Wir haben hier tolle Leute kennengelernt. Künstler aus Athen. Georgos wird dir gefallen. Spielt in der Rockband Socrates und seine Familie hat ein Haus hier auf der Insel.”

Zsófia schüttelt den Kopf, “sagt mir nichts.”

“Socrates ist eine bekannte Rockband in Griechenland." Clara’s Augen leuchten vor Begeisterung. "Georgos ist der Frontmann. Er ist wunderbar. Wenn du ihn siehst, weisst du, was wir meinen."

Zsófia hebt abwehrend die Hände. Die Schwärmerei für den Sänger befremdet sie. Zögernd erzählt sie von ihrem Leben zuhause, von ihrem Partner und von seinen Geschichten mit anderen Frauen. Aber da ist mehr. Mehr als sie sagen will. Mehr, als sie sich selbst eingestehen will.

"Ich würde ihm nicht glauben. Der geht bestimmt fremd, jetzt, wo du fort bist.", kommentiert Katharina. Schlanke Gestalt, weisse Haut, Mädchengesicht; all das passt nicht zu ihrer abgeklärten Rede. Die jungen Mädchen scheinen soviel vom Leben zu wissen. Zsófia weiss, dass ihr etwas fehlt, aber sie weiss nicht, was es ist.

Die Sonne ist untergegangen, als sie zur Bar hinüber wandern. Der einzigen, die es an diesem Hafen gibt. Der Bar auf der Insel, auf der sich die Menschen zumeist wenig zu sagen haben.

Es ist Abend, die Inselbesucher essen und feiern in den Freiluft-Restaurants am Hafen ihre Ferien. Kleine bunte Lichterketten werfen ihren Schein auf die nun ungewöhnlich stille See.

Zsófia sitzt auf der Veranda der windschiefen Hafenbar, nippt an einem Getränk und grübelt darüber nach, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Ihr Blick gleitet auf das in der Dunkelheit glänzende Meer, zurück zu dem im Mondlicht gräulich schimmernden Sandstrand. Ihr Blick verhält an der schwarzen Silhouette einer einsam stehenden Gestalt. Als sich ihre Augen auf das Dunkel eingestellt haben, vermag sie Einzelheiten auszumachen. Ein grosser, schlanker Mann mit blossem Oberkörper und schulterlangem Haar. Mit dem Rücken zu ihr. Bewegungslos steht er da und Zsófia kann nicht aufhören, auf seine Silhouette zu schauen. Sie starrt in die Dunkelheit auf den Mann und eine seltsame Empfindung steigt in ihr auf.

Ein ungeheurer Schmerz in der Brust, aber gleichzeitig fühlt sie sich davon erhellt, so wach, als würde jede Zelle ihres Körpers gleichgeschaltet in diesem einzigen, instinktiven Gefühl.

Sie hört die Stimmen der drei Mädchen, antwortet mechanisch, wo sie gefragt wird und ist doch wie hypnotisiert von dem allein stehenden Mann. Als er fortgeht, ist sie unsagbar enttäuscht.

Sie betrachtet die Gäste an den Nachbartischen. Lachende Frauen und Männer, gelangweilte Frauen und Männer. Eine durch die Tischreihen tanzende Kellnerin mit Plateau Absätzen, wehender Hose und bauchfreiem Oberteil. Sie lächelt ein geheimnisvolles Lächeln, findet Zsófia.

"Voll mit Drogen", kommentiert Katharina.

Da kommt der Mann zurück. Er hat sich umgezogen. Zsófia bemerkt seinen leichten Gang, sieht, dass er seine Schultern etwas einzieht und seinen Kopf gesenkt hält, so als wolle er nicht seine ganze Grösse zeigen. Die Lässigkeit mit der er die gewellten Haare zurückstreicht, wirkt, als wisse er, dass er auffällig ist und als sei es ihm nicht wichtig. Die Selbstverständlichkeit schöner Menschen, denkt Zsófia und streicht über ihre geschwungene Nase. Eine herbe Schöne, so wird sie beschrieben. Herb hat sie sich stets gefühlt. Herb und hölzern. Schön dagegen nie.

Nun sieht sie zum ersten Mal sein Gesicht. Das er so einnehmend aussieht, ist ein Schock für sie. Der Mann geht durch die Tischreihen direkt auf sie zu. Ihr Herz schlägt heftig und sie sieht nach unten, damit er nicht die Bewunderung in ihren Augen lesen kann.

"Sein Name ist Georgos", sagt Elisabet halblaut. "Ein aussergewöhnlicher Mann, nicht wahr?"

Zsófia kann nicht antworten und nickt nur ohne Elisabet anzusehen. Als Georgos zu sprechen beginnt, verliebt sie sich in seine Stimme. Ein wenig träge, wohltönend und etwas rau. Sie wagt einen scheuen Blick in seine dunklen Augen und entdeckt eine Andeutung von Melancholie darin. Als er sie flüchtig anlächelt, errötet sie.

Dann wendet sich Georgos zu Elisabet und Katharina und so kann sie ihn ansehen. Fühlt er es auch? Er muss es fühlen.

Um sich abzulenken - um irgend etwas zu tun, was den inneren Aufruhr beruhigen könnte, nimmt sie Claras Hand und beginnt, die Linien darin zu deuten - etwas, was ihr ein rumänischer Freund gezeigt hatte. Doch nun sind die anderen um sie.

Georgos sieht ihr in die Augen - ihr Herz beginnt in der Brust zu springen - und sagt mit einem spöttischen Lächeln, das er Handlesen für Humbug halte. Mit Anstrengung erwidert Zsófia seinen Blick und sagt, dass es eine Wissenschaft sei.

"Bist du eine Wahrsagerin?", Georgos lächelt sie freundlich an.

Sie schaut in wohlwollende, dunkle Augen in einem Freibeuter-Gesicht. Erstes Grau in langen Haaren. Sie verspürt den Drang, über die knochigen Wangen des Mannes zu streichen, die ungebändigte Haarmähne zu berühren. Verlegen senkt sie den Blick und bleibt an seinen langfingrigen, gebräunten Händen hängen. Schöne Hände.

"Und du? Bist du ein Schatzsucher?"

Georgos lacht milde, schaut sie zum ersten Mal wirklich an. Tastet mit seinen Augen über Zsófias olivfarbenes Gesicht, ihre traurig schauenden, grauen Augen. Dichte schwarze, geschwungene Brauen, die beinahe zusammen wachsen. Eine kräftige, romanische Nase. Volle Rosenblätter Lippen. Krauses schwarzes Haar von einer Hornklammer zusammen gehalten. Er bemerkt, dass sie ihren Körper unter Kleiderschichten zu verbergen sucht. Eine kleine Frau. Weibliche Hüften, schlanke Fesseln und gute Hände klagend gen Himmel gerichtet. Wie eine der Frauen italienischer Schwarz-Weiss-Filme. Eine Anna Magnani, die nicht weiss, wer sie ist und darauf wartet von einem Filmhelden wachgeküsst zu werden.

Georgos widersteht dem Drang ihre Hand zu streicheln. Er kann fühlen, dass sie Schmerzen in sich trägt, und das ist wie ein Widerhall von etwas in ihm selbst. Er fühlt sich zu ihr hingezogen und so stösst er sich innerlich von ihr ab. Er kann und will für niemanden da sein. Er ist nicht gut damit und er will es auch nicht sein.

Langsam nickt er ihr zu: “Schatzsucher erkennen einander, aber sie müssen alleine bleiben.”

Zsófia senkt ihren Blick. Sie will nicht hören, was er sagt.

Später geht Zsófia mit den Mädchen und Georgos den Strand entlang. Die Schuhe versinken im feuchten Sand und die Musik einer Tanzbar kommt in Wellen herüber. Als sie sie erreichen, erscheint der Platz Zsófia wie aus einem Film. Von Vollmond erhellt, von Wellen des Meeres umarmt. Tische in den Sand gestellt. Eine Hütte mit einem Strohdach, im schummrig, dunklen Inneren eine schmale Tanzfläche, eine roh zusammengezimmerte Bar und ein direkter Zugang zum Meer. Auf einer Holzbank an der Hauswand sitzen Liebespaare und lassen ihre Füsse ins Wasser baumeln. Georgos steht mit seinen Freunden an der Theke, beachtet sie nicht mehr. Doch für Zsófia ist der Moment überirdisch, über allem liegt ein Zauber, weil er da ist. Sie lehnt sich in eine Nische in der Mauerwand, hört die Musik, beobachtet die Tanzenden. Immer wieder wandert ihr Blick zurück zu Georgos. Bewundert, wie er das Haar aus dem Gesicht wirft, die Lachfalten in seinen Augenwinkeln, wenn er spricht.

Da schlendert Elisabet zu Georgos herüber. Sie ist schön mit ihrem honig-goldenen Haar, den grossen Augen im ebenmässigen Mädchengesicht. Elisabet unterhält sich unbefangen und frei mit Georgos. Sie macht anmutige Gesten mit schlanken Armen, um ihre Worte zu unterstreichen. Wiegt ihre schmale Taille, beugt sich spielerisch vor, wie um Georgos zu necken. Dann wirft sie lachend ihren goldenen Haarteppich zur Seite. Wie sehr würde sich Zsófia wünschen, statt ihrer dort zu stehen. Gleichzeitig wird sie von Mutlosigkeit befallen. Georgos sieht sie doch gar nicht. Er hat nicht gefühlt, was sie gefühlt hatte. Die Welt hatte nicht den Atem angehalten in dem Moment am Strand, als sie ihn gesehen hatte.

Gerade beugt sich Elisabet vor, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Georgos lacht und streichelt ihr zärtlich über die Wange. Ein so inniger Moment, dass Zsófia den Atem anhält. Schon ist er vergangen. Einträchtig schlendern die beiden zur Tanzfläche.

Zsófia stöhnt auf. Abrupt steht sie auf, läuft den dunklen Strand entlang, zurück in ihr Zimmer. Dunkelheit. Einsamkeit. Zsófia wirft sich auf ihrem Bett von einer Seite zur anderen und weint. Erstickt fast an ihrem Schluchzen. Schmerzen. Ihr Herz zerspringt. Jede Faser ihres Körpers und jeder Gedanke mit Blei beschwert. Das Atmen tut weh. Es quält sie und sie will diesen schmerzenden Körper nicht mehr. Will nicht mehr denken, will keine Sehnsucht mehr, kein Wünschen, kein Hoffen.

Die Wellen. Der Wasserlauf mengt sich nun in ihr Schluchzen. Ihr wird leichter. Sie ist müde. Etwas zieht an ihr. Ist dies noch Wachsein, ist dies Traum? Sie gibt sich hin, gleitet, leicht, ziellos, bis sie Klänge vernimmt. Fremdartige Töne schweben mit dem Rauschen der ozeanischen Wellen zu ihr herüber. Sie bewegt sich darauf zu, als könne sie auf den Klangwellen gleiten. Fühlt sich schwerelos, wie eine Feder. Treibt dahin. Sie will die Augen nicht öffnen. Einfach nur gleiten. Doch etwas scheint an ihr zu ziehen, scheint zu wollen, dass sie die Augen öffnet und als sie dem nachgibt, macht sie flimmernde Farben aus. Blautöne, Grüntöne. Allmählich sieht sie mehr. Sie befindet sich in einer gigantischen Röhre.

'Ein Wassertunnel', kommt es ihr in den Sinn. 'Ich schwebe durch einen blauen Tunnel aus Wellen und Licht.'

Zsófia bewegt langsam die Arme und bemerkt, dass sie ihre Bewegungen steuern kann. Ein Gleiten in einer Art Flüssigkeit. Sie geniesst es. Langsam nähert sie sich einer Öffnung und wird schliesslich von einer Woge getragen. An Land gespült. Sie liegt auf der Erde und schaut verwundert in das Halbdunkel. Um sie erstreckt sich eine wundersame Mondlandschaft und in der Ferne erhebt sich eine majestätische Anhöhe. Das Land ist in ein bläulich-gelb schimmerndes Licht gehüllt, aber sie kann die Quelle des Scheins nicht ausmachen. Wie eine Schlafwandlerin steht sie auf und macht unbeholfen ihre ersten Schritte. Sie geht durch eine fremde Landschaft. Niemals zuvor hat sie derartiges gesehen. Es ist eine unwirkliche Welt der Felsen. Menschengrosse Brocken, einige sanft gerundet, andere spitz zackig und bedrohlich. Sie geht weiter und weiter, viele Stunden lang.

Es geht steil hinauf. Sie fühlt, sie muss auf den Gipfel. Es scheint unerreichbar, aber immer, wenn sie glaubt, es ginge nicht weiter, findet sie eine Wölbung, an der sie sich festhalten kann, einen Vorsprung, in dem ihre Füsse Halt finden, wenn sie nur ihren ganzen Mut zusammen nimmt.

Sie klettert immer höher.

Und ihre Kraft lässt nicht nach, sie nimmt zu.

Mit jedem Sprung, mit jedem sich hochziehen an einem neuen Hindernis des gewaltigen Berges. Verwundert spürt sie eine Energie in sich heranwachsen, wie sie es nie zuvor erlebt hat. Sie fühlt, wie sie wächst, zusammen mit den mächtigen Felsen die braun wie die Erde und doch gleichzeitig metallisch schimmern, als seien sie nicht von dieser Welt.

Dann ist sie auf dem Gipfel des Berges. Sie ist am Ziel. An einen riesenhaften Stein gelehnt, blickt sie auf eine lichtüberflutete Ebene, auf der die Pracht der Pflanzen sie blendet. Mohnblumen, tausendfach vibrierendes Orange, Apfelsinenbäume, daneben Zitronenhaine, leuchtendes Grün, strahlendes Gelb. Schliesslich gigantische Rosensträucher, ein unermessliches Meer voller Rosen, ein Ozean des sich verschwendenden Blühens in reinstem Purpur-Rot.

Ihr wird schwindelig von diesem tanzenden, schwingenden, pulsierenden Rot und der betörende Duft der Blumen lässt sie niedersinken. Jasmin, Lavendel, Rose - vor Glück schiessen ihr heisse Tränen in die Augen. Sie weint, eingehüllt in die unermessliche Farbenpracht der schweren Blütensüsse. Aus weiter Ferne klingt eine seltsame und so herzbewegende Musik - ein unbestimmter, klagender Flötenklang, so als stimme ein tausendköpfiges Orchester seine holzgeschnitzten Instrumente. Tief nimmt sie die ausserirdische Welt in sich auf und schliesst die Augen.

₺168,06