Kitabı oku: «Der Herzenfresser», sayfa 2

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(Monate später …) Vom mächtigen Gebirgsstock des Hochschwab wehte ein unangenehmer, kalter Wind. Ein Vorbote des nahenden Winters. Für November nicht allzu ungewöhnlich in dieser Gegend.

»Was stehst du da vor der Tür herum? Komm doch endlich herein«, sagte Pfarrer Johannes fröstelnd und hielt die Tür auf.

Maria reagierte nicht.

»Komm doch rein, mein Kind!«

Maria trat mit gesenktem Haupt an ihm vorbei in die Stube.

»Was ist denn los? Du wirkst so betrübt?«

Er versuchte sie am Arm anzufassen, doch sie zog ihn schnell zurück. Er wusste sich nicht anders zu helfen, als nach seiner Köchin Edeltraud zu rufen. Sie eilte herbei und bemerkte sofort die angespannte Situation.

»Was ist denn passiert?«, fragte Edeltraud.

»Ich bin so traurig!«, schluchzte Maria und fiel ihr in die Arme.

»Aber was ist denn los?«, fragte Pfarrer Johannes mit betont ruhiger Stimme.

Maria antwortete nicht.

»Du hast doch keinen Grund unglücklich zu sein«, sagte Pfarrer Johannes beschwichtigend und lenkte ab: »Wir sollten uns alle freuen, denn die Ernte ist in diesem Jahr besonders gut ausgefallen, die ganz großen Unwetter haben einen weiten Bogen um die Gegend gemacht. Gott hat uns dafür belohnt, dass diese gottlosen Altmanners verschwunden sind!«

Maria riss sich los und rannte aus der Stube. Edeltraud wollte ihr folgen, doch Pfarrer Johannes hielt sie zurück: »Lass mich machen! Sie braucht jetzt göttlichen Beistand.«

Edeltraud sah ihn mit großen Augen an und murmelte fast unhörbar: »So, so. Göttlichen Beistand.«

»Jawohl, göttlichen Beistand!«, sagte er betont, schickte Edeltraud in die Küche und vergewisserte sich im Flur, dass sie an ihren Arbeitsplatz zurückgegangen war. Dann suchte er Maria in ihrer Kammer auf.

»Ich will allein sein«, greinte Maria, die bäuchlings auf ihrem Bett lag, das Gesicht ins Kissen vergraben.

Er ignorierte ihren Wunsch, zog einen Hocker ans Bett und setzte sich. »Sag mir endlich, was geschehen ist? Ich bin schließlich auch dein Beichtvater. Ich werde nicht eher gehen, als bis du mir erzählt hast, was dir widerfahren ist.«

Maria drehte sich ruckartig um.

»Der Herr Graf und ich werden uns nicht mehr sehen. Es wird keine weiteren Treffen mehr mit ihm geben. Sein Stand erlaube es nicht. Ich verstehe das nicht. Ich liebe ihn doch, und er liebt mich. Ich weiß es, und ich spüre es.«

Pfarrer Johannes wurde zornig: »Du weißt wohl, dass das alles eine Sünde ist?!«

Sie verschränkte trotzig ihre Arme: »Hochwürden sprechen von Sünde?! Wenn das so ist, dann …«

»Aufhören!«, schrie er sie an und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige.

Sie lachte auf: »Züchtigen Sie mich ruhig weiter.«

»Nicht ich habe dich gezüchtigt. Es war Gott. Er hat mich angeleitet.«

Daraufhin bekreuzigte er sich und rannte aus der Kammer nach draußen auf den Hof. Er atmete schwer und betrachtete seine Hände. Er konnte nicht glauben, was er soeben getan hatte.

»Hochwürden?«

Er reagierte nicht.

»Hochwürden?«

Widerwillig drehte er sich um: »Was ist, Edeltraud?«

»Gott sieht alles.«

Mit einem kräftigen Ruck stieß er die Köchin zur Seite und kehrte zu Maria in die Kammer zurück, die sich wieder aufs Bett gelegt hatte und schluchzte.

»Mein Kind, ich glaube, wir sollten miteinander reden.«

Er bemühte sich um einen gütigen Tonfall und strich ihr zärtlich übers Haar. Unwillig drehte sie sich weg. Das schmerzte ihn.

Maria zitterte nun am ganzen Körper, sie war bleich und wimmerte: »Ich fühle mich nicht wohl!«

Einen Moment später wurde sie ohnmächtig.

Nun war es Johannes, der erschrak. Hilflos tätschelte er ihre Wangen, um sie wach zu bekommen. An diesem schönen, bleichen Gesicht konnte er sich kaum sattsehen. Er hielt kurz inne, rief aber dann nach Edeltraud. Und diesmal war sie es, die ihn zur Seite schubste. Sie legte eine Hand auf Marias Stirn, beugte sich über ihre Brust und horchte, ob sie noch atmete.

»Sie braucht kalte Umschläge«, sagte sie dann, »wenn Hochwürden so gütig wären und schleunigst den Dorfbader holen könnten?«

»Den Dorfbader?«, fragte er ängstlich, denn er war es gewohnt, dass Edeltraud für alles immer selbst ein Heilkraut zur Hand hatte.

»Ja, den Dorfbader«, antwortete sie ungeduldig.

»Ich hoffe doch nichts Schlimmes?«

Anstatt zu antworten, bedachte Edeltraud ihn mit einem strengen Blick und bedeutete ihm, endlich zu gehen. Im Gehen hörte er Edeltraud noch sagen: »Oh mein Gott, warum lässt du das alles nur zu?«

†††

»Sie kommt wieder zu sich. Geht und lasst mich jetzt mit ihr allein«, vernahm Maria eine Stimme. Gleich darauf waren hektische Schritte und der dumpfe Knall einer zuschlagenden Tür zu hören.

Langsam öffnete sie ihre Augen und starrte zur hölzernen Decke ihrer Kammer. Da beugte sich jemand mit schmalem, faltigen Gesicht und braunem Vollbart über sie. Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln und gewährte ihr einen Blick auf Zahnlücken und allerlei gelbe und verfaulte Zähne, an denen Essensreste klebten.

»Hab keine Angst, Maria. Ich werde dich jetzt untersuchen«, sagte der Dorfbader und verbreitete dabei einen so üblen Mundgeruch, dass sie beinahe erbrechen musste.

Gekonnt öffnete er ihr Kleid und begann den Unterleib mit seinen kalten, rauen Händen abzutasten.

Manchmal zuckte sie ein wenig zusammen, was er mit einem wissenden Brummen quittierte. Er hatte offenbar einen Verdacht.

»Wann hattest du deine letzte Blutung, mein Kind?«

Als sie die Frage mit zitternder Stimme beantwortete, war die Sache für ihn klar: »Liebe Maria, du bist in anderen Umständen, du wirst Mutter!«

Sie konnte seinem schlechten Atem noch immer nicht ausweichen. Nun war es zu viel. Sie begann zu würgen. Er half ihr, sich aufzurichten, und sie erbrach sich.

»Ja, ja! Das ist jetzt ganz normal«, sagte er.

†††

Pfarrer Johannes hatte sich auf einen Stuhl in eine dunkle Ecke seiner Stube zurückgezogen und dachte in sich zusammengesunken nach. So sehr er sich auch bemühte, er konnte keinen klaren Gedanken fassen und starrte reglos auf den Boden. Erst allmählich fand er wieder zu sich. Er war die oberste Autorität im Dorfe. Er war es, der jedes Fehlverhalten schonungslos anprangerte, und nun würde ausgerechnet auf seinem Pfarrhof eine junge, unverheiratete Mutter mit einem Kind der Sünde leben. Noch dazu durfte der Kindsvater niemals öffentlich werden. Aber was, wenn sie es irgendwann doch verriet? Würden die Leute ihr glauben? Die Folgen wären unabsehbar. Sein Blick richtete sich auf das Kreuz an der Wand.

Oh mein Gott! Was soll ich nur tun? Hilf mir!

Da klopfte es an die Tür.

»Ja bitte?«

Edeltraud trat mit einer flackernden Kerze ein und stellte sie auf den Tisch.

»Hochwürden sitzen so ruhig im Dunkeln. Ist ihm nicht ganz wohl zumute?«

Ihre Stimme hat einen gefährlichen Unterton.

»Ich will mit Gott alleine sein«, zischte er und faltete die Hände, als wolle er sich einem stillen Gebet hingeben. In Wahrheit war ihm nicht danach zumute.

Die sonst so bockige Edeltraud folgte seinem Wunsch und wandte sich zur Tür.

»Halt!«, rief er ihr nach, »niemand darf erfahren, was hier los ist.«

Sie drehte sich um.

»Hochwürden, die Schwangerschaft wird sich aber auf Dauer nicht verbergen lassen, und jeder wird sich fragen, wer wohl der Vater ist.«

Er zuckte zusammen.

»Könnte man das Kind nicht …«

»… wegmachen lassen?«, beendete sie empört den Satz und bekreuzigte sich. »Was für eine Sünde! Außerdem ist Hochwürden wohl nicht bewusst, dass es sich hierbei um eine ziemlich brutale Methode handelt, bei der auch für die werdende Mutter Todesgefahr besteht. Oder will Hochwürden die eine Sünde mit zwei Toten tilgen?! Und das vor dem Angesicht Gottes?«

Sie wies auf das Kreuz an der Wand.

»Was weißt du schon von Gott, du einfältiges Weib? Hier im Dorf bin ich es, der weiß, was Gott will! Hier handele ich nach seinem Willen.«

Edeltraud stürmte zornig aus der Stube und schlug die Tür hinter sich zu.

Pfarrer Johannes war wohl zu weit gegangen. Wieder einmal.

Diese Weiber sind das reinste Unglück auf Erden.

Er erhob sich und begann nervös auf und ab zu gehen. Er hasste es, wenn der Holzboden unter jedem seiner Schritte knarrte, und er hasste es, wenn er dabei im schwachen Kerzenschein seinen eigenen Schatten an der Wand wie einen bösen Geist umherwandeln sah.

Es muss doch noch eine Lösung geben!

Lieber Gott, bitte hilf mir doch!

Er versuchte sich zu konzentrieren, und nach einer Weile erhellte sich sein Gesicht.

»Ja, so könnte es gehen!«, murmelte er und schaute auf das Kreuz. »Ich danke dir, oh Herr!«

†††

Am nächsten Tag ging es Maria schon etwas besser. Pfarrer Johannes rief sie zu sich in die Stube und rückte ihr einen Stuhl zurecht. Er selbst zog es vor, stehen zu bleiben. Mit strenger Miene baute er sich vor ihr auf.

»Du wirst also ein Kind der Sünde gebären.«

Vor Scham verbarg sie das Gesicht in ihren Händen.

Er wandte ihr den Rücken zu und starrte aus dem Fenster.

»Du hast mit deinen Reizen verführt, nur um deine niedrigen Gelüste zu befriedigen. Du hast damit eine große Sünde begangen. Du hast dich vom Teufel leiten lassen.«

Die Worte schlugen auf sie ein wie Fausthiebe. Sie begann zu schluchzen.

»Halte dich zurück!«, forderte er scharf, »dein Geheule nützt dir nichts. Du kannst es nicht mehr ungeschehen machen.«

Er drehte sich wieder zu ihr um, baute sich abermals bedrohlich vor ihr auf und schrie: »Auf einem Pfarrhof ist kein Platz für eine elende Sünderin! Du trägst ein Kind der Schande in dir. Gott wird dich dafür bestrafen. Und wenn es ihm gefällt, bricht auch noch über uns alle, über das ganze Dorf, ein Unglück herein.«

Sie sackte in sich zusammen.

Plötzlich sagte er mit sanfter Stimme: »Aber vielleicht gibt es eine Möglichkeit, Gott gnädig zu stimmen. Du hast es in der Hand.«

Sie schaute zu ihm auf, zog ein kleines Tüchlein unter ihrer Schürze hervor und schnäuzte sich.

»Wie könnte ich Gott gnädig stimmen? Was muss ich dafür tun?«

»Hm … ja … du musst … heiraten. Und zwar so früh wie möglich. Das Kind muss in aufrechter Ehe geboren werden-«

»Heiraten?«, wimmerte sie. »Aber Hochwürden wissen doch, dass es völlig ausgeschlossen ist, den Kindesvater zu heiraten.«

Abrupt drehte er sich wieder um. »Ich weiß, ich weiß. Aber ich … eh … Gott hat jemanden für dich.«

Sie seufzte: »Ich soll einen völlig fremden Mann heiraten?«

»Du wirst wohl ein Opfer bringen müssen«, sagte er schroff, »Gott will es so. Es gibt da jemanden, der sich nach einer Frau sehnt, aber zu schüchtern ist, eine anzusprechen. Er hat es mir einmal bei passender Gelegenheit gestanden. Du brauchst einen Mann, und dieser Mann sucht eine Frau. Gott führt auf diese Weise zusammen, was zusammengehört.«

»Ich kann das nicht«, heulte sie auf.

Er fuchtelte wild mit seinen Armen.

»Das ist doch die Höhe! Willst du dich etwa dem Wunsch Gottes verweigern? Begreifst du nicht, du dumme Gans? Du kannst Gott damit milde stimmen. Wenn schon nicht für dich, dann tue es wenigstens für das Dorf. Du musst für deine Sünden die Verantwortung übernehmen.«

»Was verlangt Gott denn da von mir? Warum habe ich die Last dieser Sünde alleine zu tragen? Warum nicht auch der Kindesvater?«

Er lief hochrot an und spuckte bei jedem seiner Worte: »Weil der Kindesvater ein hilfloses Opfer deiner Reize geworden ist. So ist das.«

†††

Wahrscheinlich hat der liebe Gott meine innigen Gebete erhört und alles wird gut, dachte Maria.

Pfarrer Johannes hatte sich in den letzten Tagen rar gemacht, und auch sonst hatte alles seinen üblichen Lauf genommen. Nur diese lästigen Kreuzschmerzen und diese Übelkeit erinnerten sie immer wieder daran, dass sehr wohl alles anders war als sonst. Gelegentlich musste sie sogar ihre Arbeit unterbrechen, um sich in ihre Kammer zurückzuziehen. Sie achtete aber stets darauf, nicht allzu lange abwesend zu sein. Weder Pfarrer Johannes noch der liebe Gott sollten Anlass zur Klage haben.

Als sie sich wieder einmal ausruhte, klopfte es heftig an die Tür ihrer Kammer und Edeltraud trat aufgeregt ein.

»Maria, ein Mann ist soeben hier aufgetaucht und trifft sich mit unserem Herrn Pfarrer in der Stube!«

Maria fuhr erschrocken auf.

»Wer ist es?«

»Ich hab ihn nicht genau gesehn«, antwortete ihr Edeltraud zögernd.

Maria glaubte ihr nicht. Wahrscheinlich wollte sie sie nur vor der furchtbaren Wahrheit verschonen. Sie begann zu schluchzen: »Was ist das für ein ungerechter Gott, der so etwas zulässt?«

»Maria, versündige dich nicht«, warnte Edeltraud und bekreuzigte sich, »Gott ist allmächtig und weiß, was er tut.«

»Warum verschließt er dann seine Augen vor meinem Unglück?«

»Gott sieht dein Unglück, weil er alles sieht. Du musst ihm einfach vertrauen. Er hat sicherlich nur Gutes mit dir vor.«

In diesem Augenblick rief Pfarrer Johannes nach Maria, worauf sie sich schwerfällig erhob und sich die Tränen aus den Augen wischte. Edeltraud warf ihr einen liebevollen Blick zu.

»Fürchte dich nicht.«

Mit gesenktem Haupt schlich Maria hinüber in die Pfarrstube und würdigte weder Pfarrer Johannes noch diesen Mann eines Blickes. Sie sollten ruhig spüren, was sie dachte.

»So mein Kind, setz dich zu uns an den Tisch«, sagte Pfarrer Johannes – und nach einer kurzen Pause fragte er den Mann: »Na, was sagst du zu ihr?«

»Ein … ein ganz schönes Weib«, antwortete dieser stark lispelnd.

»Siehst du, Gott hat deine Gebete erhört und schenkt dir gerne dieses Weib«, sagte der Pfarrer.

Sie hörte mit immer noch gesenktem Kopf, wie Pfarrer Johannes ihrem künftigen Mann auf die Schulter klopfte. Ihr wurde klar, dass sie nicht weiter so tun konnte, als ginge sie das alles nichts an und wagte aufzuschauen.

Ein kleiner, unscheinbarer Mann lächelte ihr entgegen. Sein Gesicht war sonnengegerbt, sein dunkles Haar hing in fettigen Strähnen bis zu den Schultern herab. Über der Oberlippe wuchs ein kümmerlicher Bart. Seine Kleidung war abgetragen, hier und da zerrissen und dürfte schon länger nicht mehr gewaschen worden sein – so wie der Kerl selbst. Er verbreitete den Geruch von abgestandenem Schweiß, Stall und kaltem Rauch. Es war ihr nicht möglich, sein Alter einzuschätzen.

»Ich werde mich persönlich um die Hochzeit kümmern«, sagte Pfarrer Johannes. »Zuvor solltet ihr euch aber schon ein wenig im Dorf zeigen. Gemeinsam. Die Leute sollen schließlich sehen, dass ihr zusammengehört und Brautleute seid.«

Bei diesen Worten senkte Maria wieder den Kopf und begann bitterlich zu weinen. Pfarrer Johannes ließ sich nicht beeindrucken und wandte sich wieder dem Mann zu: »Wirst sehen, die wird schon noch. Aber jetzt geh hinaus vor das Pfarrhaus und warte, ich komm gleich nach.«

Als der Mann verschwunden war, sagte Johannes: »Na, was sagst du zu deinem zukünftigen Gemahl?«

Ihr gruselte bei dieser Vorstellung.

»Wer ist das überhaupt?«

»Rudolf Reininger.«

Sie hatte von diesem Reininger bisher nur gehört, doch das war schockierend genug gewesen. Im Sommer lebte er als Hirte auf der Turnauer Alm, und die Leute im Dorf erzählten, dass er in seiner Einsamkeit ein Eigenbrötler geworden sei. Einige behaupteten sogar, dass er gar keine Frau bräuchte, weil er es ohnehin mit seinen Tieren treibe.

»Ausgerechnet Reininger soll als mein Ehemann herhalten und als Vater meines Kindes ausgegeben werden?«, fragte sie verzweifelt.

»Beruhige dich, mein Kind! Ich weiß, was die Leute über ihn reden. Doch er hat mir hoch und heilig versprochen, dass dies nur Gerüchte sind. Er spricht mit Tieren, aber nur, weil er sonst niemanden hat, der ihm zuhört.«

†††

»Hast ja selbst gesehen. Maria ist eine fesche und liebe Frau. Du musst gut auf sie aufpassen. Und vergiss nicht, es ist dein Kind, das sie gebären wird. Die wahre Vaterschaft geht dich nichts an. Wehe dir, du hältst dich nicht daran, dann Gnade dir Gott. Hast du das verstanden?«, mahnte Pfarrer Johannes und legte seinen Arm freundschaftlich auf Reiningers Schulter, worauf dieser nur aufgeregt nickte.

Pfarrer Johannes wusste, dass es Reininger in Wahrheit egal war, denn er würde froh sein, bald ein Weib an seiner Seite zu haben, bei ihm auf der Turnauer Alm in seiner armseligen Hütte.

»Brauchst bald nicht mehr mit den blöden Tieren reden. Die verstehen dich sowieso nicht.«

»Die mögen es aber, wenn ich mit ihnen rede«, widersprach Reininger.

»Natürlich. Hast ja recht. Aber mit dir selber reden brauchst dann nicht mehr.«

Pfarrer Johannes spielte dabei auf eine Geschichte an, die ihm zugetragen worden war. Reininger war einmal von einem Dorfbewohner bei einem Selbstgespräch beobachtet und dann ausgelacht worden. Reininger war damals zuerst erschrocken und dann wütend geworden und hatte den unliebsamen Gast mit kräftigen Stockhieben von der Alm vertrieben.

›Der selbstredende Reininger‹, wurde alsbald in den Wirtshäusern zur allgemeinen Belustigung unbarmherzig veralbert.

»Und wenn sie mir davonläuft?«, fragte Reininger.

»Wohin soll sie denn laufen?«

»Naja … weg!«

Pfarrer Johannes tätschelte ihm die Wange.

»Keine Angst, die kommt nicht weit, da passen ich und Gott schon auf.«

Jetzt machte Reininger ein glückliches Gesicht und leckte sich mit der Zunge über seine ausgetrockneten Lippen.

†††

»Oh, der Herr Bräuer!«, Pfarrer Johannes hob eine Hand zum Gruß. »Was für eine Überraschung!«

Bräuer rang sich ein Lächeln ab.

»Darf ich reinkommen oder reden wir zwischen Tür und Angel?«

Pfarrer Johannes machte keine Anstalten, ihn ins Pfarrhaus zu bitten. Dieser Bräuer sollte ruhig spüren, was er von ihm hielt.

»Sie schwänzen regelmäßig meine Gottesdienste, und nun wollen Sie so einfach zu mir hereinkommen, in mein geweihtes Haus? Was gibt’s?«

»Ich will wissen, was hier los ist?«

»Was soll denn los sein?«

»Die Turnauer kommen aus dem Staunen nicht heraus. Ehrlich gestanden, ich auch nicht. Der eigenbrötlerische Reininger heiratet Maria? Wie ist das denn hergegangen?«

Pfarrer Johannes lehnte sich lässig an den Türstock und verschränkte die Arme.

»Haben Sie dagegen etwas vorzubringen?«

»Stecken gar Hochwürden dahinter?«

»Was erlauben Sie sich! Auch ich war überrascht. Die Brautleute sind von sich aus zu mir gekommen und haben um meinen Segen gebeten. Da sie mich von ihrer tiefen Liebe überzeugen konnten, ist es meine göttliche Pflicht, diesen braven Leuten das heilige Sakrament der Ehe zu spenden.«

Bräuer schüttelte den Kopf.

»Das glauben Sie doch wohl selbst nicht!«

Pfarrer Johannes hob warnend den Zeigefinger.

»Wollen Sie mich gar der Lüge bezichtigen? Gott ist mein Zeuge!«

»Gott ist Ihr Zeuge?«, rief Bräuer belustigt aus. »Soll ich jetzt vielleicht in die Kirche rübergehen und ihn fragen?«

»Warum nicht? Vielleicht schadet es gar nicht, wenn Sie einmal in die Kirche gehen«, brüllte Pfarrer Johannes zurück.

Bräuer tippte sich an die Stirn.

»Was soll ich dort? Ich rede doch nicht mit einer Holzfigur!«

Pfarrer Johannes holte tief Luft.

»Sie sind ein Frevler und Ketzer! Sie sollten brennen! Sie glauben wohl, Sie können hier einfach in unser Dorf kommen und die Leute durcheinanderbringen.«

»Von welchen Leuten reden Sie?«

»Ach, tun Sie doch nicht so unschuldig, Herr Bräuer! Sagt Ihnen der Name Altmanner etwas?«

Bräuer wurde zornig.

»Sie sind wohl noch stolz darauf, diese Menschen um ihr gesamtes Hab und Gut gebracht zu haben!«

»Ich habe niemanden um sein Hab und Gut gebracht. Es lag nicht in meiner Hand.«

»Ah so? In wessen Hand lag es dann? Aber kommen Sie mir jetzt nicht mit Gott!«

»Auch, wenn es Ihnen nicht gefällt: Es lag in der Hand dieser Holzfigur, wie Sie es nennen. So, und nun sollten Sie gehen, Herr Bräuer!«

Darauf drehte sich Pfarrer Johannes um und knallte Bräuer die Tür vor der Nase zu.

3

(Wochen Später …) Maria trat vor das Pfarrhaus, um ein wenig frische Luft zu schnappen. Sie betrachtete ringsum die Berggipfel, von denen mittlerweile schon der erste Schnee herabblinzelte. Alle Jahre wieder. Manchmal ein wenig früher, manchmal ein wenig später. Sie genoss diesen Anblick. Auch genoss sie es, dass Pfarrer Johannes gemeinsam mit Edeltraud an diesem Nachmittag in den Nachbarort aufgebrochen war, um Besorgungen zu machen.

Es tat ihr einfach gut, einmal alleine zu sein, nur mit sich selbst und ihren Gedanken. Und derlei schwirrten viele in ihrem Kopf herum, war es doch der letzte Tag vor ihrer befohlenen Hochzeit.

Was wird wohl der Herr Graf dazu sagen? Oder Altmanner, sofern er jemals davon erfährt?

Sie zog sich wieder vor den Kamin der Pfarrstube zurück, schob ihren Stuhl näher an das knisternde Feuer und schloss die Augen. Sie versuchte, sich ihr zukünftiges Leben vorzustellen, als sie plötzlich auf ein leises Knarren aufmerksam wurde. In diesem Hause knarzte und knarrte es andauernd irgendwo. Das lag am vielen Lärchenholz im Gebälk. Doch dieses Knarren war anders. Unnatürlich.

Es knarrte schon wieder. Sie bekam ein mulmiges Gefühl. Schritte. Die Türklinke senkte sich. Ganz langsam wie von Geisterhand. Gänsehaut. Ohne weiter zu überlegen, huschte sie ängstlich hinter die Tür. Dort, so hoffte sie, würde sie nicht bemerkt werden und könnte in einem geeigneten Augenblick fliehen.

Zaghaft öffnete sich die Tür einen Spalt weit, verharrte und ging dann weiter auf. Ganz langsam. Eine Gestalt mit dunklem Umhang und schlapprigem Hut schlich herein. Sofort kroch Maria ein verräterischer Geruch in die Nase.

»Reininger!«, schrie sie auf. »Was willst du hier?«

Die Gestalt fuhr herum.

»Kannst es wohl nicht mehr erwarten, mich zu holen? Bis zur Hochzeit morgen musst du dich schon noch gedulden!«, schimpfte sie.

Reininger hatte Augen und Mund weit aufgerissen und brachte keinen Ton heraus. Sie konnte erkennen, dass er irgendetwas unter seinem Umhang verborgen hielt.

»Was hast du da?«

Er zögerte.

»Hast du nicht gehört? Heraus damit!«

Langsam holte er einen kunstvoll verzierten Stab aus Holz hervor und bot ihn ihr mit zitternden Händen an. Er schluckte ein paar Mal.

»Bitte, nimm diesen Hirtenstab als Geschenk«, stammelte er, »mehr kann ich meiner zukünftigen Frau nicht geben. Es ist alles, was ich hab.«

Er wischte sich Tränen aus den Augen.

Der Auftritt rührte sie.

»Rudolf, ich kann das nicht annehmen.«

Er senkte seine Augen traurig zu Boden und rang nach Worten.

»Ich … ich bin kein schlechter Mensch. Ich will dir ja nichts tun!«

Sie spürte, dass er es ernst meinte und hatte Mitleid mit diesem vereinsamten Menschen, von den anderen wenig geachtet und bei jeder Gelegenheit verhöhnt. Deshalb streckte sie nun doch ihre Hand nach dem Geschenk aus. Er begriff und lächelte überglücklich. Dann machte er sich sofort wieder auf den Weg hinaus.

»Rudolf!«, rief sie ihm nach, »warte!«

Sie trat nah an ihn heran und sah ihm tief in die Augen.

»Durch die Vermählung werde ich zu deiner Frau. Ich werde für dich da sein, aber ich werde dich nicht lieben.«

Er nahm es ohne eine Regung zur Kenntnis und verschwand.

†††

Niemand wusste, wo Reininger steckte. Auch nicht Pfarrer Johannes. Und das ausgerechnet an diesem Tag. Umso peinlicher als Pfarrer Johannes die Vermählung ganz bewusst gleich nach dem allgemeinen Gottesdienst eingefädelt hatte. Alle Turnauer sollten schließlich Zeugen dieses Ehebunds werden. Er kannte seine Schäfchen ganz genau und wusste, dass sie sich dieses einmalige Ereignis nicht entgehen lassen würden.

Nervös blickte er zwischen den Gebeten immer wieder in Richtung Sakristei zu seinem Messdiener, der ihm von dort ein Zeichen geben sollte, wenn Reininger endlich eintraf. Der Messdiener zuckte nur mit der Schulter. Pfarrer Johannes wurde wütend. Innerlich.

Wenn dieser Eigenbrötler nicht kommt, schicke ich ihn persönlich zur Hölle!

Aber irgendwann gegen Ende des Gottesdienstes kam dann doch das erlösende Zeichen, worauf Pfarrer Johannes erleichtert seine Augen nach oben zu Gott richtete und ihm dabei mitten im Vaterunser ein lautes ›Halleluja!‹ entfuhr. Ungewollt störte er damit den monotonen Gebetsfluss der Leute – der schließlich stockte. Alle Augen waren nun nicht mehr auf das große Kreuz am Altar gerichtet, sondern erwartungsvoll auf ihn, den Pfarrer.

»Fürchtet euch nicht!«, verkündete er. »Mir hat soeben Gott eine Frohbotschaft übermittelt!« Etwas Besseres war ihm nicht eingefallen, aber es wirkte, denn die Leute lächelten verzückt.

†††

Reininger hatte sich ordentlich gewaschen, die Haare geschnitten und den Bart sorgfältig gestutzt. Seinen ganzen Körper hatte er über und über mit frischem Rosenwasser eingerieben. Irgendwo in seiner Hütte war er ausgerechnet an diesem Tag auf dieses Fläschchen gestoßen. Weiß der Teufel, von wem er es einmal bekommen hatte. Überdies hatte er sich eine dunkle Festtracht mit einem weißen Hemd und ziemlich steifen Lederschuhen angezogen, die bei jedem Schritt klapperten und seine Füße blutig rieben. Doch er biss die Zähne zusammen. Es waren natürlich nicht seine eigenen Sachen. Woher auch? Er musste dafür einen Bauern beknien und ihm hoch und heilig versprechen, nicht hineinzufurzen und alles gleich am nächsten Tag sauber wieder zurückzubringen. Aber Reininger hätte es sich so oder so nicht unter den Nagel gerissen, denn die Sachen waren ihm viel zu groß. In die Jacke hätte er ohne Probleme ein weiteres Mal hineingepasst, und die Hose musste er am Bund wie einen Sack zusammenschnüren, damit sie ihm nicht hinunterrutschte.

»Hast dich fein rausgeputzt!«, sagte der Messdiener und nickte ihm anerkennend zu.

Reininger verzog keine Miene.

»Wenn die heilige Messe gleich vorbei ist, wird der Herr Pfarrer in die Sakristei kommen und dir den Ablauf deiner Hochzeit erklären!«

Reininger atmete aufgeregt durch.

»Na, na, so schlimm ist es nicht«, beruhigte ihn der Messdiener und grinste schelmisch. Dann trat er näher an Reininger und flüsterte ihm ins Ohr: »Denk einfach an die Hochzeitsnacht! Da kannst du deine Alte so richtig rannehmen und ihr dabei auf die Tutteln greifen! Naja, allzu große Tutteln hat die Maria ja nicht, was man so sieht. Aber macht nichts. Für dich wird’s schon reichen. Glaub mir, das tut gut! Naja, vielleicht nicht gleich beim ersten Mal, aber mit der Zeit wird’s dann. War bei mir und meiner Alten auch so. Jedenfalls viel besser als Selbermachen oder mit deinen Viechern auf der Alm! Hahaha!«

Reininger schob den Messdiener von sich weg, schaute verärgert und beschämt auf ein großes Gemälde an der Wand, das Jesus Christus mit riesigem Heiligenschein zeigte.

Ob der Heiland das wohl auch gehört hat? Noch dazu aus dem Mund eines Messdieners und ausgerechnet hier an diesem geweihten Ort?

Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als Pfarrer Johannes schnellen Schrittes hereinpolterte und sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn wischte.

»Grüß Gott, mein lieber Reininger! Wo warst eigentlich so lange? Egal. Hauptsache, du bist da. Aufgeregt?«

Er nickte.

»Brauchst nicht zu sein! Mache einfach nur, was ich dir jetzt sage. Also: Zuerst gehst du von hier aus vor den Altar, machst eine Verbeugung und bekreuzigst dich. Dann trittst du ein paar Schritte zurück und wartest. In der Eile habe ich den Messdiener zum Brautvater auserkoren, und er wird Maria vom Haupteingang herein bis zu dir vor den Altar geleiten. Die Orgel wird spielen, und wenn sie verstummt, rede nur mehr ich. Du brauchst dann auf meine Aufforderung hin nur mit einem ›Ja‹ zu antworten. Ist doch nicht so schwer, oder?«

Pfarrer Johannes bedeutete dem Messdiener hektisch, endlich die Braut zu holen, die gleich nebenan im Pfarrhof von Edeltraud geschmückt wurde. Unbemerkt von Pfarrer Johannes zwinkerte der Messdiener noch rasch Reininger zu und erinnerte ihn mit einer eindeutigen Handbewegung an das genussvolle Kneten der Brüste.

Pfarrer Johannes ergriff einen Becher, füllte ihn mit Wein und trank ihn in einem Zug aus. Er rülpste herzhaft und schenkte sich noch ein paar Mal nach.

»Wenn alles vorbei ist, lieber Reininger, darfst auch einen Schluck von meinem Messwein trinken. Aber erst danach, denn sonst wirst du mir noch übermütig.«

Jetzt wurde ihm der Becher lästig. Er stellte ihn zur Seite und trank direkt aus der Flasche.

»Heute bin ich ganz trocken im Mund.«

Schon drang der wuchtige Klang der Orgel in die Sakristei.

»So, Reininger, es ist soweit! Du musst jetzt hineingehen«, befahl Pfarrer Johannes, »und denke daran, was ich dir gesagt habe.«

Dem Bräutigam wurde unerträglich heiß, und er begann zu schwitzen. Bald roch er trotz des vielen Rosenwassers seinen eigenen Schweiß und schämte sich erstmals in seinem Leben dafür. Unsicheren Schrittes schlurfte er vor den Altar. Schneidende, dicke Luft. Gelegentliches Husten und Räuspern. Er vermied es, sich zum Kirchenschiff umzudrehen. Er spürte jedoch die vielen bohrenden Blicke im Nacken. Er, der einsam auf einer abgelegenen Alm lebte und bislang von niemandem beachtet worden war, stand plötzlich im Mittelpunkt des Dorfs. Doch er hatte sich nichts vorzuwerfen. Schließlich war es ja kein Geringerer als der Herr Pfarrer höchstpersönlich, der ihn zu dieser Eheschließung angehalten hatte, und damit war ihm der Segen Gottes gewiss.

Pfarrer Johannes folgte betend aus der Sakristei, kniete feierlich vor dem Altar nieder und bekreuzigte sich. Dann wandte er sich um, baute sich mächtig vor Reininger auf und lächelte verzückt.

Ein schwacher Luftzug verriet, dass das Kirchentor geöffnet und die Braut vom Messdiener unter der dröhnenden Orgelmusik hereingeführt wurde. Neugierig wagte Reininger jetzt einen Blick nach hinten, doch Marias schönes Gesicht zeigte keine Regung. In einem bäuerlichen Festtagsgewand schritt sie würdevoll auf ihn zu, mied dabei jeglichen Augenkontakt, schaute nur starr geradeaus. Als sie vor dem Altar angekommen war, ließ der Messdiener ihre Hand los und trat zur Seite. Die Orgel verstummte. Kein Räuspern mehr. Kein Schnäuzen. Kein Husten. Es war absolut still.

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