Kitabı oku: «Österreich im Jahre 2020», sayfa 2

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Zwirner verließ uns und wir machten uns für den Mittagstisch bereit, stürzten uns vorher noch in ein Schwimmbecken, um uns nach dem heißen Tage etwas abzukühlen, und gingen um 5 Uhr mit Zwirner zu Tische. Er führte uns in den mächtigen Speisesaal des Gemeindepalastes, der an 1.500 Quadratmeter fassen mochte und wie sich einer in jeder Gemeinde und jedem Quartier findet. Dort stellte uns Zwirner dem Beamten vor, der in diesem Saale, in welchem sich die ganze Gemeinde zur Mahlzeit versammeln kann und auch, bei der Hauptmahlzeit meist zu zwei Dritteln versammelt ist, präsidierte, und dieser verkündete dann mit lauter Stimme, dass die Herren Julian West und N. Forest aus Boston in Amerika zu Besuch hier seien, was nicht übergroße Verwunderung erregte, wohl aber von einigen mit einem freundlichen „Cheer“ beantwortet wurde.

Zwirner führte uns an seinen Tisch, an dem nur unverheiratete junge Leute saßen, mit welchen wir uns bald im Gespräche befanden, da man uns ermunterte, von Amerika zu erzählen. Nach dem Essen geleitete uns Zwirner in den Park, der die Wohnhäuser umgibt, und bot uns Zigarren an, die wir gerne annahmen. Wir sprachen unsere Verwunderung aus, dass Zwirner nicht selbst auch rauchte, worauf er sagte: „Die Österreicher rauchen nicht.“

Da stieß mich Mr. Forest mit dem Ellenbogen: „Da hat man die Freiheit; den Österreichern verbietet die wohlweise Regierung das Rauchen, als ob sie kleine Kinder wären.“ Zwirner verstand nicht, was Mr. Forest englisch zu mir sagte, aber er erbat sich lächelnd Aufklärung, da er meine, etwas von „Austria“ vernommen zu haben, und fügte zugleich bei, er wolle nicht annehmen, dass wir von etwas gesprochen hätten, was Mr. Forest zu verbergen wünsche, da dies in Österreich als ungesellig gelte und man wohl in Amerika nicht anders denken dürfte. Ich gestand ihm, dass wir Gegner des Kommunismus seien und im Rauchverbot eine unerhörte Bevormundung erblickten.

„Ihr irrt, liebe Freunde!“, sagte hierauf Zwirner, „in Österreich lebt ein freies Volk, und niemand kann uns das Rauchen verbieten.“ – „Weshalb wagt ihr aber dann nicht zu rauchen?“, war meine Frage. – „Das mag einer Erklärung bedürfen“, sagte Zwirner. „Österreich war einstens das gesegnete Land der Raucher; die österreichische Regierung hatte das Tabakmonopol im Lande und erzeugte ungeheure Mengen von Zigarren, Rauch- und Schnupftabak im Jahre. Sie begünstigte das Rauchen, weil damals, vor 150 Jahren, das Tabakmonopol große Summen abwarf. Als dann nach und nach die Gemeinwirtschaft eingeführt wurde, hatte die Regierung Mittel genug zur Verfügung, um alle staatlichen Bedürfnisse zu befriedigen, und es wurde die Frage aufgeworfen, ob denn das Rauchen ein wirkliches oder eingebildetes Bedürfnisse sei. Man stritt hin und her und es gab Provinzen, die für das Rauchen waren, und andere wollten es abschaffen. Die Regierung wollte nichts von Gewalt wissen und meinte, nur der Jugend könne der Genuss von Tabak verwehrt werden, wenn man das für zweckdienlich halte.

Da sich, wie gesagt, einige Provinzen für das Rauchen, andere dagegen ausgesprochen, schlug die Regierung vor, dass man das Rauchen zwar den Erwachsenen freigeben, aber eine besondere Krankheits- und Mortalitätsstatistik für Raucher und Nichtraucher führen solle. So geschah es und wurden die Nichtraucher für die Ersparnisse an Rauchtabak mit anderen Genüssen entschädigt. Es stellte sich nun klar heraus, dass das Rauchen manche spezifische Krankheiten im Gefolge habe und dass der Raucher jährlich 3-8 Tage seines Lebens zusetze, je nach der Menge und Stärke des verbrauchten Tabaks und der Widerstandsfähigkeit der Konstitution. – Da verminderte sich nach und nach die Zahl der Raucher, den jungen Leuten verwehrte man den Tabak ganz und gar, und es fand sich, dass die Leute nicht nur gesünder waren, als vorher, sondern auch jährlich das Dreifache jenes Aufwandes in Ersparung gebracht wurde, den die Versorgung des Volkes mit neuen Büchern und die gesamte Bibliotheksverwaltung verursacht.“

„Nun aber, wie kommt es, dass wir doch mit Zigarren bewirtet werden?“, fragte ich.

„Wir sind gastfreundlich und sehen jährlich 400.000 Ausländer in unseren Grenzen. Wir suchen jedem Fremden die Annehmlichkeiten seiner Heimat zu bieten und nur für Fremde haben wir Tabak.“

Mr. Forest schwieg für diesmal und hoffte auf eine bessere Gelegenheit, über die kommunistische Sache zu triumphieren.

Zwirner schlug nun vor, einen Plan für die nächsten Tage zu entwerfen. „Wir haben“, sagte er, „Dienstag, den 14. Juli 2020 und, da wir mitten in der Ernte sind, kann ich mich nicht beurlauben lassen. Für nächsten Sonntag stehe ich euch ganz zur Verfügung, aber an Wochentagen muss ich mich bis 4 Uhr meinem Berufe widmen. Da wir günstiges Wetter haben, schlage ich euch für morgen einen Ausflug auf das Kahlengebirge vor und am Donnerstag findet im Prater ein Kreiswettrennen statt, welches in den Nachmittagsstunden abgehalten wird, und damit ließe sich ein Besuch der Rotunde verbinden. Für später können wir dann weitere Pläne machen. Am Kahlenberge könnte ich euch morgen nachmittags abholen.“

Wir gingen auf den Plan ein und Zwirner verließ uns, um das Nötige im Gemeindepalaste zu besorgen. Man stellte uns nämlich Karten aus, womit wir wegen unserer Verpflegung für Mittwoch und Donnerstag an die Verwaltung der Wirtschaften am Kahlenberge und im Prater angewiesen wurden, da es gebräuchlich sei, dass jeder dort seine Mahlzeiten einnehme, wo er beherbergt wird.

Nun führte uns Zwirner in sein Wohnzimmer, um dort in Ruhe mit uns Gedanken auszutauschen über das, was uns hauptsächlich beschäftigte. Seine Stube war einfach, aber hell, rein, gut gelüftet und für die jetzige Jahreszeit angenehm kühl. Das Mobiliar schien sehr spärlich und einfach, aber es fehlte nichts, was zur Bequemlichkeit dient. Die Stube lag im dritten Stockwerke nach einer Seite, wo besondere Ruhe herrschte, und Zwirner hatte diese Lage gewählt, weil er beschaulich war und gerne seine Muße mit Studien verbrachte. Wir sahen eine ungeheure Menge von Büchern aufgestapelt, viele auch in englischer Sprache, dann viele Jahrgänge alter Zeitungen und Fachschriften, welche Aufschluss geben über den Stand der Sozialwissenschaft im 19. Jahrhundert, über die Statistik damaliger Zeit und über die Bewegung, die damals durch alle Völker ging, und wie ein Wetterleuchten das Nahen eines erfrischenden Gewitters verkündete. Zwirner klärte uns darüber auf, wie er in den Besitz des Materials gelangt sei. Er sagte, dass niemand Privateigentum habe und alle Bücher in öffentlichen Bibliotheken verwahrt würden. Wien habe zehn große öffentliche Bibliotheken, jede mit Millionen von Bänden, da dort nach und nach alle Privatbibliotheken Aufnahme fanden und seit Einführung der Gemeinwirtschaft alljährlich eine halbe Million Bände den Zentralbibliotheken zuwüchsen.

Die Wiener Bibliotheken umfassten unter anderem alle Unica und bezögen seit Jahren alles, was auf dem ganzen Erdkreise jährlich erschienen, ohne einen Unterschied der Sprache. Mit allen kommunistischen Staaten stehe die Regierung im Büchertausche und beziehe auf diesem Wege alljährlich viele Tausende von Werken, da beispielsweise Deutschland allein jährlich 12.000 Werke herausgebe gegen etwa 7.000 Werke im 19. Jahrhundert.

Gemeiniglich sende man sich nur ein Probeexemplar zu, finde aber die Reichsbibliotheksverwaltung, dass das Volk an etwas Interesse nehmen dürfte oder dass die Verbreitung eines Werkes nützlich sei, so bestelle man eine große Anzahl von Exemplaren, auch bis zu hundert, so dass jeder Kreis mit einem Exemplar versorgt werden könne. Am Schlusse des Jahres verrechne man sich wechselseitig und rechne man gemeiniglich Band für Band, den Band zu 500 Seiten, die Seite zu 250 Worten. Den inneren Wert eines Werkes ziehe man nicht in Betracht, weil es sich ja doch nur um einen Abdruck handle und die Staaten untereinander den Grundsatz beobachten, dass Wissenschaft und Kunst international seien.

„Und die Schriftsteller erhalten auch kein Honorar?“, warf ich ein.

„Diese erhalten natürlich kein Honorar in Geld, da die Geldwirtschaft abgeschafft ist, aber man hat von alter Zeit her den Gebrauch, für geistige Arbeit von höherem Werte besondere Vorteile und Begünstigungen einzuräumen.“

„Wie bemisst man aber diese und wer schätzt den Wert der Arbeit ab?“

„Den Wert der Arbeit schätzt die Regierung ab, wie man im 19. Jahrhundert die Verdienste eines Staatsbeamten abschätzte und entlohnte, teils durch Beförderung, teils durch Auszeichnungen, teils doch auch durch Prämien!“

„Da kann man sich die Protektionswirtschaft vorstellen“, fluchte Mr. Forest, „und wer gegen die Regierung schreibt oder den Ministern nicht den Hof macht, wird natürlich umsonst auf Belohnung warten.“

„Man schreibt in Österreich nicht für und nicht gegen die Regierung, denn, nachdem der Klassenstaat durch Verstaatlichung des Besitzes sich in einen Volksstaat verwandelt hat, haben alle politischen Fragen an Bedeutung verloren und es kann höchstens Verdienst oder Verschulden Einzelner in Frage kommen, wobei Wissenschaft und Kunst nicht beteiligt sind. Allerdings ist bei der Bewertung geistiger Arbeit ein sicheres Urteil nicht zu gewinnen, aber es wird damit folgendermaßen gehalten. Man unterscheidet in der Literatur Wissenschaft und Kunst.

In der Wissenschaft handelt es sich um Forschung und Mitteilung ihrer Ergebnisse oder um bloße Tradition. Erstere veröffentlicht der Forscher in den Fachblättern oder in selbstständigen Werken. Gehört er dem offiziellen Verbande der wissenschaftlichen Körperschaften, also einer Akademie, einer Hochschule oder einem vom Staate eingerichteten wissenschaftlichen Institute an, so gilt das Ergebnis seiner Forschung als geistiges Eigentum des Staates, der ihm Unterhalt gewährt und alle Forschungsbehelfe zur Verfügung stellt. Das schließt aber nicht aus, dass für epochemachende Entdeckungen besondere Entlohnungen in munifizenter Weise bewilligt werden, wie es überhaupt mit der Belohnung besonderer Verdienste gehalten wird.“

„Wie kann das doch mit den kommunistischen Prinzipien in Übereinstimmung gebracht werden und wie stimmt das mit der Forderung der Gleichheit?“, fragte Forest.

„Wir halten Gleichheit nicht für eine Forderung des Kommunismus in dem Sinne, dass Mann für Mann dasselbe genießt. Wir verstehen unter Gleichheit einmal die Festhaltung der gleichen Würde für jeden Menschen. Jeder ist Mensch und das ist der höchste Adelsbrief. Gleichheit herrscht ferner darin, dass jeder eine vollkommene Erziehung und eine vollkommene Ausbildung erhält, so dass alle seine geistigen und leiblichen Anlagen zur vollen Entfaltung gelangen, gleichviel, wer sein Vater oder seine Mutter wäre. Wir verstehen ferner unter Gleichheit, dass jedem in seinem Berufe alle jene Erleichterungen gewährt werden, die ihn in den Stand setzen, das Höchste zu leisten. Nur durch höhere Leistungen kann sich der Mensch noch ein wenig über seine Mitmenschen erheben. Die Geburtsvorrechte wurden eben deshalb abgeschafft, damit jeder nach Verdienst geehrt und entlohnt werden kann. Das heißt, damit die natürliche Ungleichheit zu voller Entfaltung soll gelangen können hat man alle künstliche und aus der Knechtung entstandene Ungleichheit abgeschafft.

Wir sind ferners der Überzeugung, dass, wenn man jedem die gleiche Gelegenheit bietet, das Höchste zu leisten, wozu ihn die Natur befähigt hat, darin allein auch wieder der angemessene Lohn liegt; denn, wenn man einem Manne, der zweimal so stark ist, als sein Nebenmann und daher zweimal so große Lasten bewegt, auch zweimal so viel Nahrung gibt, so ist das eher gleich, als wenn man diesen verschiedenen Leuten genau gleichviel Nahrung zumessen wollte. Keinesfalls bewirkt das eine soziale Ungleichheit und so wenig man daran denken könnte, einer hundertpferdigen Dampfmaschine genau so viele Kohlen zuzuführen, wie einer einpferdigen, ebenso wenig könnte man jedem Arbeiter genau und mechanisch dieselbe und gleichviel Nahrung zumessen.

Erwägen wir aber genauer, welcher Art die Güter sind, auf welche hervorragende Künstler, Forscher und Erfinder vorzugsweise Anspruch erheben werden, so werden sie wohl unter den Begriff geistiger Nahrung fallen. Das Volk also, der Abnehmer aller geistigen und materiellen Werte, die durch Menschenarbeit geschaffen werden, hat selbst ein Interesse daran, dass höheres Verdienst auch höheren Lohn findet. Er stellt sich nämlich als produktive Auslage dar.

Unsere verhältnismäßige Gleichheit folgt weit genauer dem Verdienste, als die Gesellschaftsordnung des 19. Jahrhunderts, die Milliarden des Jahresproduktes an Leute verschwendete, welche überhaupt gar nichts leisteten. Aber wir meinen, dass jeder Arbeiter, schaffe er mit den Händen oder mit dem Kopfe oder mit den Nerven, wo z. B. gespannte Aufmerksamkeit notwendig ist, sich einigermaßen aufreibt, einen Teil seines Lebens einsetzt, und das eben in verschiedenem Maße, nach Art und Menge seiner Leistung, und nach diesem Verhältnisse muss der Lohn abgestuft werden. Wie man dem Acker selbst wiedergibt, was man ihm in der Landwirtschaft entzieht, wie man den Ackergaul selbst verschieden füttert, je nachdem er mehr oder weniger angestrengt arbeitet.“

Da unterbrach ihn das Glockenzeichen, das zur Abendmahlzeit rief, und wir pilgerten, ehe wir noch erfahren hatten, wie es mit der Kunst in der Literatur gehalten wird, nach dem großen Speisesaale. Unser Weg führte am Schwimmbecken vorüber, in dem sich noch Jung und Alt beiderlei Geschlechts tummelte, und durch den Blumengarten, der den Zwischenraum der Häuser ausfüllt. Wir fanden den Speisesaal hell erleuchtet und kaum zur Hälfte gefüllt. Man kam und ging und die hübschesten jungen Mädchen dienten als Heben von Tisch zu Tisch.


3

Wir wollen nun mit wenigen Worten der beiden nächsten Tage gedenken, wo wir uns mehr überlassen waren, weil Zwirner sehr hart arbeiten musste. Wir fuhren den nächsten Tag auf den Kahlenberg, wohin die Eisenbahn und eine Zahnradbahn, die vor 150 Jahren erbaut, seither aber sehr verbessert worden war, führt und von wo wir zuerst Wien, mit viel weniger Türmen, als im 19. Jahrhundert, geschmückt und nicht erweitert, wie man damals dachte, sondern eher zusammengerückt – so lehrten Bilder an den Wänden des Speisesaales – sahen, und wir waren verwundert, überall Grünes zwischen die Häusergruppen gemengt zu sehen, mehr als das sonst in einer Großstadt der Fall ist. Von einer großen Terrasse sahen wir hinab auf die schimmernde Stadt und die umliegenden Weingärten, links die Donau mit dem fruchtbaren Marchfelde und blauen Gebirgen in weiter Ferne und rechts, vom Bergrücken ausgehend, auf dem wir standen, wohl in zwanzig Farbentönen, immer duftiger und blauer werdend, abgestuft, ein herrliches Gewoge bewaldeter Berge, die, zu immer mächtigerer Höhe ansteigend, sich bis weit nach Süden hinziehen, wo der berühmte Schneeberg deutlich sichtbar ist. Es sind weitläufige Wohngebäude und Wirtschaften auf dem Kahlenberge zu sehen; eine alte Kirche, die da gestanden haben soll, ist nicht mehr erhalten und führen Waldwege im Bogen nach einer zweiten Bergkuppe, zwischen uns und der Donau gelegen, welche Leopoldsberg genannt wird und auch bewohnt ist. Die Wohnhäuser dienen alten Leuten, die Gefallen daran haben, Winter und Sommer zum Aufenthalte und werden oft Tausende von Besuchern hinaufgeführt, die sich einige Stunden erlustigen, auch wohl bis spät in die Nacht bleiben und nicht selten im großen Saale sich mit Musik und Tanz vergnügen, wie auch sehr oft Männergesang ertönt, zur Übung oder zur eigenen Lust oder um fremde Besucher zu ehren, die sich eben in Wien befinden und eine Einladung auf diesen Berg annehmen. Dass alles für Staatsrechnung geht, ist selbstverständlich.

Die weiten Wälder, von Wiesen unterbrochen, bieten Tausenden genussreiche Gelegenheit, sich zu ergehen und dem Ballspiel, Cricket oder Lawn-Tennis zu huldigen, wozu die Erfordernisse reichlich vorhanden sind. Es ist ein Aussichtsturm hier und in einer Stunde etwa kann man auf herrlichen Wegen den Hermannskogel erreichen, auf welchem auch ein uralter Turm steht, dessen Entstehungsgeschichte der Kastellan erzählt. Wir legitimierten uns in der Wirtschaft auf dem Kahlenberge mit der Anweisung des Tullner Beamten und wurden mit allem versorgt. Wir ließen Zwirner telefonisch benachrichtigen, dass wir gleich nach dem Mittagstisch nach Payerbach fahren wollten, um die herrliche Nacht auf dem Schneeberg zu verbringen. Man versah uns, als wir aufbrachen, mit einer Tasche, in der wir die nötigsten Reiseerfordernisse und Mundvorrat mitnahmen, und wurden ersucht, Tasche und Reiserequisiten in Tulln abzugeben, von wo sie wieder gelegentlich zurückgebracht würden.

Ein Amerikaner, den wir zufällig trafen, schloss sich an und über die Zahnradbahn, Franz-Josefs-Bahn und Südbahn kamen wir um zehn Uhr nach Payerbach, wanderten im Mondschein nach Reichenau und von da auf den Schneeberg, wo wir ein wenig ruhten und zum Aufgang der Sonne geweckt wurden. Mit vielen anderen Besuchern genossen wir das erhebende Naturschauspiel, ruhten dann wieder und kamen gegen Mittag nach Payerbach, um direkt in den Prater zu fahren. Dort kamen wir eben gegen Ende des Wettrennens an, das ebenso verlief, wie anderwärts und zu anderer Zeit, nur durfte nicht gewettet werden und die zahllosen Frauen und Mädchen waren nicht demi-reputation.

Nun waren wir doch froh, zu unserem verspäteten Mittagessen zu kommen, das uns angewiesen war, denn unser Mundvorrat war verbraucht und wir wollten nicht, was wir recht wohl hätten tun können, uns in einen beliebigen Speisesaal begeben, da wir Abweisung fürchteten. Recht müde kamen wir gegen neun Uhr nach Tulln und ließen uns das Abendbrot schmecken. Zwirner gab uns das Versprechen, die Rückstellung der Reiseeffekten zu veranlassen, was ja sehr leicht sei, da kaum ein Tag vergehe, dass nicht jemand mindestens nach Nußdorf ginge, und von dort nähmen dergleichen die Schaffner der Zahnradbahn mit.

Wir wunderten uns, dass da Ordnung möglich sei, und Zwirner sagte, wenn die Sachen in drei Tagen nicht kämen, würde man gewiss nach Tulln telefonieren, und wo könnte denn ein Reisender die Sachen, welche offenbar nicht ihm gehören, hinschaffen? Sie würden ihm abgenommen werden und sicher immer wieder an ihren Ort kommen, denn die Zentralstellen vermitteln alle Anfragen und Kommunikationen.

Zwirner erklärte uns das Fernsprechwesen. Es seien schon ursprünglich alle Ortschaften mit den Bezirksvororten, diese mit den Kreisvororten und diese mit den Provinzstädten durch Fernsprechleitungen verbunden worden. In Wien liefen alle Leitungen zusammen und die Kreisstädte hätten auch telegraphische Verbindung mit den Provinzstädten und diese mit Wien. Die Leitung führe überall von Kanzlei zu Kanzlei, könne aber auch von den Einzelnen benützt werden. Eigenes Bedienungspersonal sei nicht notwendig, da die Telefone überall dort angebracht seien, wo das Anrufen von irgendjemand gehört werden muss.


4

Es war ein heller Nachmittag und ein Gewitter hatte die Luft abgekühlt.

Ich sagte, dass ich den amerikanischen Gesandten besuchen müsse, da ich sein Landsmann sei, und Zwirner erwiderte darauf, dass er sich erkundigen wolle, ob der amerikanische Gesandte Abendempfang habe. Er begab sich nach dem Gemeindepalaste und kam bald mit der Nachricht zurück, der amerikanische Gesandte habe sich für den Abend beim Fürsten Hochberg zum Besuche angesagt und er werde sich übrigens freuen, mit seinen Mitbürgern Messrs. West und Forest dort zusammenzutreffen. Zwirner habe nun beim Fürsten Hochberg, wo übrigens seine Schwester Hausgenossin sei, angefragt, ob es angenehm wäre, wenn er mit den Herren West und Forest aus Boston dort den Abend zubringen würde, hauptsächlich in der Absicht, den amerikanischen Gesandten dort zu begrüßen. Der Fürst habe zustimmend geantwortet.

Zwirner bemerkte, dass wir nicht begriffen, was ein Fürst in einem kommunistischen Staate zu suchen habe und wie sich diese geselligen Verhältnisse erklären ließen, und sagte: „Die Stellung des Adels werde ich euch ein andermal erklären, aber es ist ganz natürlich, dass wir den amerikanischen Gesandten aufsuchen, wo er eben seinen Abend zubringt, und dass wir uns beim Fürsten Hochberg zu diesem Zwecke einladen. Hat man nicht eben geschäftliche oder, wie wir sagen, dienstliche Besprechungen mit jemand zu pflegen, so sucht man sich abends zu treffen, weil der Abend im ganzen Reiche für gesellige Zusammenkünfte bestimmt ist. Die Last, Empfangsabende zu halten, fällt überall dem Verwaltungsbeamten zu, aber in Wien empfängt der Kaiser oder sein Vertreter täglich und ebenso empfangen die Minister, einige Volkstribunen und der Adel. Wir haben 200 adelige Familien, deren Oberhäupter diese Repräsentationspflichten erfüllen müssen und so gewissermaßen kleine Sukkursalen des kaiserlichen Hofes vorstellen. Es hat zwar jedes städtische Quartier seinen Palast, wo jedermann seinen Abend angenehm verbringen kann, aber in Wien strömen berühmte Menschen aus aller Herren Länder zu vielen Tausenden zusammen, und will man Berühmtheiten treffen, so ist es am besten, man geht zu Hofe oder in diese kleineren adeligen Zirkel. Bei Hofe ist das Gewühl der Besucher betäubend und man geht gerne einmal, aber sehr ungern zweimal hin. Dagegen sind die Empfänge des Adels außerordentlich angenehm. In dem Palaste eines solchen Magnaten können sich nur etwa zweihundert Personen versammeln. Man verliert sich nicht, jedermann kann beachtet werden, sich aber auch, wenn es ihm beliebt, der Beschaulichkeit hingeben, man findet die schönsten Frauen, deren wir jetzt eine Legion haben, und die interessantesten Männer, viele Künstler und Gelehrte und niemand beklagt sich, er habe je dort einen Abend verloren. Ich muss beim Fürsten Hochberg ebenso aufgenommen werden, wie jeder andere Bewohner des Reiches oder Fremde, aber man sagt sich immer vorher an, weil die Räume nicht besonders groß sind und man dort ungemütliches Gedränge vermeiden will. Das Haus des Fürsten Hochberg ist übrigens auch mein Haus, die Erfrischungen, die in seinem Hause herumgereicht werden, bestreitet das gesamte Volk und ich bin bei Hochberg ebenso zu Hause, wie in Tulln oder sonstwo im weiten Reiche. Unter der Anfrage, ob mein Besuch angenehm wäre, ist nichts Anderes zu verstehen, als eine Erkundigung, ob die Zahl der angemeldeten Besucher eine bestimmte Grenze nicht schon überschritten hat. In früheren Zeiten allerdings konnte eine abschlägige Antwort auch aus anderen Gründen erfolgen. Als die neue Gesellschaftsordnung begründet wurde und man mit der degradierten Bevölkerung aus dem 19. Jahrhunderte zu rechnen hatte, besaß der Adel das heute kaum je mehr ausgeübte Recht, allen jenen den Zutritt zu verwehren, welche einer solchen Gesellschaft nicht hätten zur Zierde gereichen können. In drei Generationen seit 1930 ist aber der Charakter des Volkes so verändert worden, dass der Adel wohl jeden Einheimischen in seinen Zirkeln zulassen kann.“

„Wie hält man es aber mit den Fremden?“

„Wenn ein verdächtiger Fremde sich bei Hochberg zu Besuch melden würde, so würde der Fürst sich beim Quartierbeamten vorher Belehrung einholen und man würde den Mann etwa mit einer Ausrede und einem Theaterbillet auf andere Gedanken bringen. Für uns hat sich längst ein natürliches Gefühl der Schicklichkeit herausgebildet, welches uns lehrt, Störungen aus dem Wege zu gehen und Empfindlichkeiten zu schonen. So gibt es Leute, welche wegen zwischen ihnen bestehender Abneigung nirgends zusammentreffen dürfen, da sie nur zu leicht in Streit geraten oder doch mindestens nebeneinander des geselligen Abends nicht froh werden könnten. Dem Zusammentreffen solcher Personen wird immer geschickt ausgewichen und ist der Fernsprecher für uns eine wahre Wohltat, weil sich die verantwortlichen Beamten jederzeit davon unterrichtet halten, welche Gefahren etwa zu besorgen sind.“

Eben fuhr ein schmucker Junge eine Kutsche, mit zwei Pferden bespannt, vor und wir stiegen ein, um uns zu Hochberg zu begeben. Der junge Pferdelenker hatte sich die Begünstigung ausgebeten, so oft als möglich mit der Lenkung der Pferde betraut zu werden, weil ihm das besonderes Vergnügen bereite. Er war der Sohn des Arztes und man sagte uns, dass er mit den Pferden, die diese Tage nicht waren eingespannt worden, nachdem er uns zu Hochberg gebracht haben würde, spazieren fahren wolle und dann werde er uns wieder abholen, da der Empfang um 11 Uhr zu Ende sei.

Die Fahrt ging nicht nach dem Stadtpalast der Hochbergs, da der Hof und der Adel bereits seit anfangs Mai die Landhäuser und Schlösser bezogen hatten, und der Fürst Hochberg hatte auf Wunsch des kaiserlichen Obersthofmeisteramtes die Repräsentation im kaiserlichen Lustschlosse zu Königstetten übernommen, wo auch einige Künstler und Gelehrte, gewesene Minister und einige Berühmtheiten aus dem deutschen Reiche Gäste des Kaisers waren. Es ging dort lustig zu und abends versammelte sich eine täglich wechselnde Gesellschaft von Fremden, die von Wien auf Besuch herauskamen, und von Beamten und Ärzten aus der Nachbarschaft, die sich gerade einen Abend frei machen konnten. Daher fuhren auf derselben Straße auch mehrere Wagen, die beinahe zugleich mit uns gegen 7 Uhr in der Einfahrtshalle des Schlosses hielten.

Das Schloss war im 19. Jahrhunderte Eigentum eines Grafen Bray und dann von der Zivilliste übernommen und neu aufgebaut worden. Es war damals ein jämmerliches Haus, zwischen Hütten eingekeilt. Jetzt steht es prächtig und frei da und der Blumenteppich an dessen Vorderseite ist ebenso herrlich, als der weitausgedehnte Park, der sich rückwärts zum Teile den Berg hinan zieht. Auch das Dorf war im 19. Jahrhunderte armselig und die kaum 1.200 Seelen zählende Gemeinde in mehr als zweihundert elenden Hütten verteilt, zwischen welchen schmutzige Straßen liefen.

Im ersten Empfangssaale eilte der Fürst Hochberg auf uns zu, uns zu begrüßen und willkommen zu heißen, nachdem ein Student, der die Ferien im Schlosse zubringt und eine Art von Sekretariat führt, um dem Fürsten die Repräsentationspflichten etwas zu erleichtern, ihm unsere Namen genannt und den Zweck unseres Besuches in Österreich, wie auch den Hauptzweck unseres Erscheinens bei diesem Empfangsabende gemeldet hatte. „Very glad to see you here; the Ambassadeur will be here this moment. In the mean while my daughter will keep you company and I shall have a talk with you afterwards.“ Damit enteilte der Fürst anderen gemeldeten Besuchern entgegen. Die Tochter des Fürsten, Lori Hochberg, lud uns zu sich in eine Fensternische, wo wir Platz nahmen, und nachdem die junge Dame einige Worte Englisch mit uns gesprochen, streifte ihr Blick unseren Freund Zwirner und sie richtete an ihn die Frage: „Werden wir Englisch konversieren?“ Darauf sagte Zwirner, dass er nicht Englisch verstehe, dass wir uns aber ganz gut in deutscher Sprache verständlich machen könnten. Darauf sagte die Prinzessin, sich der deutschen Sprache bedienend: „Ihr müsst wissen, dass wir in Österreich in einem wahren Babel leben. Als unser Land die neue Gesellschaftsordnung annahm, waren vier Hauptsprachstämme im Reiche vertreten, und acht Sprachen wurden gesprochen. Man einigte sich unter Franz Josef dem Standhaften, die deutsche Sprache als allgemeines Verständigungsmittel mindestens für die Gebildeten gelten zu lassen, was übrigens damals viel bestritten wurde. Seither hat sich ganz Österreich mit Vorliebe auf Sprachstudien geworfen und ist niemand im Lande, der nicht wenigstens zwei Sprachen geläufig spräche, viele sprechen aber an fünf und sechs lebende Sprachen, wie uns auch die Geschichte überliefert, dass Franz Josef der Standhafte mit jedem Bürger seines Reiches in der Sprache verkehrte, die diesem geläufig war, und als er einmal bei einem offiziellen Anlasse eine kroatische Ansprache mit einer deutschen Rede beantwortete, soll es einen Sturm im Wasserglase gegeben haben und der damalige Ministerpräsident für die Länder der ungarischen Krone musste Rede stehen.“

Diese jetzt zu einer Nationaltugend gewordene Polyglottie sei der Hauptgrund, weshalb seit 40 Jahren die Fremden aus allen Weltteilen Österreich und gerade Wien mit Vorliebe aufsuchten und die 30 Hochschulen in Wien, worunter auch an mehreren Vorlesungen in fremden Sprachen gehalten würden, von Studierenden aus Australien ebenso, wie Kolonien in Ostafrika besucht würden.

Wir waren noch nicht zu Worte gekommen, was uns recht lieb war, denn wir wurden überall überschüttet mit Aufklärungen und Freundlichkeiten und fürchteten, recht ungeschickte Dinge zu sagen, aber jetzt erlaubte ich mir doch, einzuwerfen, dass wir verwundert gewesen seien, dass Zwirner nicht Englisch verstehe, da er uns doch in englischer Sprache geschrieben habe. – Das erkläre sich wohl leicht, sagte Zwirner. Er habe gewiss ebenso viel Sprachentalent als irgendein anderer Österreicher, aber, da sein Beruf der eines landwirtschaftlichen Arbeiters sei, habe er sich die englische Sprache nicht für seine Berufsausbildung eigen machen müssen, sondern seine Privatstudien hätten ihn darauf geführt. Der Volksunterricht führe jeden in alle Zweige menschlichen Wissens so weit ein, dass er auf autodidaktischem Wege sein Wissen bereichern könne, wie es ihm gutdünkt. Da er sich nun mit dem Studium des Standes der sozialen Frage im neunzehnten Jahrhunderte zu seinem Vergnügen befasse, habe er die Notwendigkeit empfunden, die Zeitungen, Pamphlete und sozialpolitischen Werke Englands und Amerikas aus jener Zeit zu durchforschen, und dazu sei ihm die Kenntnis der englischen Sprache, aber nur insofern notwendig gewesen, dass er fließend lesen und schreiben lernen musste, was ihm nach jahrelangen Bemühungen auch gelungen sei.

Mit dem romanischen Sprachenstamme sei er vertraut, da er sich als zweite Landessprache die italienische Sprache gewählt habe, und nachdem die englische Sprache eine Mischung von deutschen und romanischen Wörtern und Formen sei, habe er sich mit Hilfe der Grammatiken und Wörterbücher in der Gemeindebibliothek von Tulln und durch jahrelanges Lesen von englischen Büchern eine vollkommene Vertrautheit mit dieser Sprache erworben. Da er aber niemals jemand habe Englisch sprechen hören, verstehe er kaum ein einziges englisches Wort, das man zu ihm spricht.

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314 s. 7 illüstrasyon
ISBN:
9783903081796
Editör:
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