Kitabı oku: «Reise zum Mittelpunkt der Erde», sayfa 2

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4. Entzifferung des Geheimnisses

VIERTES KAPITEL Entzifferung des Geheimnisses

E

r ist fort«, rief Martha, die herbeigelaufen kam, als er die Haustür so heftig zuschlug, dass von dem Schmettern das ganze Haus erschüttert wurde.

»Ja«, entgegnete ich, »ganz und gar fort!«

»Nun! Und sein Mittagessen?«, fragte die alte Dienerin.

»Er wird nicht zu Mittag speisen!«

»Und sein Abendessen?«

»Er wird auch nicht zu Abend speisen!«

»Nein?«, fragte Martha und rang die Hände.

»Nein, gute Martha, er wird nicht mehr essen, und niemand im ganzen Hause. Mein Onkel lässt uns alle fasten, bis es ihm gelingt, ein altes Gekritzel, das durchaus unleserlich ist, zu entziffern!«

»Jesus! So bleibt uns also nichts anderes als zu verhungern.«

Ich traute mich nicht, einzugestehen, dass uns dies bei einem so bedingungslosen Mann wie meinem Onkel unvermeidlich bevorstehe. Ernsthaft beunruhigt begab sich die alte Dienerin mit Seufzen in ihre Küche zurück. Als ich allein war, kam mir der Gedanke, zu Gretchen zu eilen und ihr alles zu erzählen. Aber wie konnte ich das Haus verlassen? Der Professor konnte jeden Augenblick zurückkommen. Und wenn er nach mir rief? Und wenn er seine Enträtselungsarbeit, die man dem alten Ödipus vergeblich vorgelegt haben würde, wieder anfangen wollte? Und was würde es geben, wenn ich auf sein Rufen nicht antworten würde? Das Klügste war, zu bleiben. Eben hatte uns ein Mineraloge aus Besançon eine Sammlung kieselartiger Geoden zugeschickt, welche zu klassifizieren waren. Ich machte mich an die Arbeit. Ich sonderte aus, machte Etiketten, ordnete in ihrem Glaskasten alle die hohlen Steine, worin kleine Kristalle eingeschlossen waren. Aber diese Tätigkeit beschäftigte mich nicht völlig. In Gedanken machte mir das alte Dokument viel zu schaffen. Mein Kopf glühte und eine unbestimmte Unruhe ergriff mich. Ich ahnte eine bevorstehende Katastrophe. Nach Ablauf von einer Stunde waren meine Geoden geordnet. Darauf wiegte ich mich in dem großen Lehnstuhl, den Kopf rückwärts, die Arme baumelnd. Ich zündete meine Pfeife an, deren lange krumme Röhre am Kopf mit dem Bild einer Nymphe verziert war, und ergötzte mich daran, die Fortschritte der Verkohlung zu beobachten, wodurch die Nymphe zu einer vollständigen Negerin geworden war. Von Zeit zu Zeit lauschte ich, ob sich auf der Treppe keine Schritte vernehmen ließen. Nichts zu hören. Wo mochte mein Onkel gerade sein? Ich sah ihn in Gedanken die schöne Allee der Altonaer Straße entlanglaufen, gestikulierend, mit kräftigem Arm die Kräuter zerschlagen, Disteln köpfen und die Schwäne in ihrem Frieden stören. Wird er triumphierend oder entmutigt heimkommen? Sollte er das Geheimnis herausbekommen haben? So fragte ich mich und nahm das Blatt Papier mechanisch in die Hand, worauf sich die von mir geschriebenen unverständlichen Zeilen befanden. Ich wiederholte:


»Was bedeutet dies?«

Ich versuchte die Buchstaben so zu gruppieren, dass sie Worte bildeten. Unmöglich. Man mochte sie zu zwei, drei, fünf oder sechs zusammenstellen, es kam durchaus nichts Verständliches dabei heraus. Doch ließ sich aus dem 14., 15. und 16. Buchstaben das englische Wort ›ice‹ bilden, aus dem 84., 85. und 86. das Wort ›Sir‹. Endlich erkannte ich mitten in dem Dokument auf der 30. Zeile die lateinischen Worte ›rota‹, ›mutabile‹, ›ira‹, ›nec‹, ›atra‹.

›Teufel‹, dachte ich, ›diese letzten Worte könnten meinem Onkel wohl Auskunft über die Sprache des Dokuments geben! Und da sehe ich sogar auf der vierten Zeile noch das Wort ›luco‹, das ›heiliger Hain‹ bedeutet. Zwar ist auf der dritten Zeile das Wort ›tabiled‹ zu lesen, das ganz hebräisch aussieht, und auf der letzten die Worte ›mer‹, ›arc‹, ›mère‹, die rein französisch sind.‹

Darüber konnte man den Kopf verlieren: vier verschiedene Sprachidiome in einer sinnlosen Phrase! In welchem Zusammenhang konnten die Wörter ›Eis‹, ›Herr‹, ›Zorn‹, ›grausam‹, ›heiliger Hain‹, ›wechselnd‹, ›Mutter‹, ›Bogen‹, ›Meer‹ stehen? Das letzte und erste allein ließen sich leicht aneinander reihen. Es wäre nicht zu verwundern, wenn in einem auf Island geschriebenen Dokument von ›Eismeer‹ die Rede wäre. Aber den übrigen Teil des Geheimschriftstücks zu begreifen, war doch eine andere Aufgabe. Ich rang also mit einer unlösbaren Schwierigkeit; mein Gehirn erhitzte sich, meine Augen blinzelten bei dem Blick auf das Blatt; die 132 Buchstaben schienen um mich herumzuhüpfen, wie die Silbertropfen, die in der Luft unseren Kopf umflimmern, wenn das Blut stark dahin dringt. Es wandelten mich Phantasiegesichte an; der Atem ging mir aus, ich brauchte Luft. Unwillkürlich fächelte ich mir mit dem Blatt Papier zu, sodass mir seine Vorder- und Rückseite abwechselnd vor die Augen kamen. Wie war ich überrascht, als ich bei einem solchen raschen Umwenden vollkommen lesbare Wörter zu erkennen glaubte, lateinische Wörter, z. B. ›craterem‹, ›terrestre‹. So bekam ich auf einmal einen Geistesblitz, diese einzigen Spuren führten mich auf den Weg der Wahrheit; ich hatte den Schlüssel der Chiffre herausgefunden. Um das Dokument zu verstehen, brauchte man nicht einmal quer über auf die Rückseite des Blattes zu lesen! Nein. Gerade so, wie es war, gerade so, wie es mir diktiert wurde, konnte es flüssig buchstabiert werden. Alle geistreichen Gedanken des Professors verwirklichten sich. Hinsichtlich der Aneinanderreihung der Buchstaben hatte er Recht gehabt, ebenso hinsichtlich der Sprache. Um dieses lateinische Schreiben von Anfang bis Ende lesen zu können, bedurfte es nur noch ›Etwas‹, und dieses ›Etwas‹ wurde mir vom Zufall gegeben. Natürlich war ich sehr im Gemüt ergriffen. Meine Augen wurden trübe, sodass sie mir den Dienst versagten. Ich hatte das Papier auf dem Tisch ausgebreitet. Ich brauchte nur einen Blick darauf zu werfen, um das Geheimnis zu lüften. Endlich wurde ich meiner Bewegung mit Mühe Herr. Um meine Nerven zu beruhigen, befahl ich mir, zweimal durch das Zimmer zu gehen, darauf wiegte ich mich wieder in dem großen Lehnstuhl.

»So will ich lesen!«, rief ich aus, nachdem ich aus tiefer Brust geatmet hatte. Ich neigte mich über den Tisch, verfolgte mit dem Finger der Reihe nach jeden Buchstaben, und las, ohne anzuhalten, ohne einen Augenblick zu stocken, mit lauter Stimme den ganzen Satz. Aber welche Bestürzung, welcher Schrecken überfiel mich! Anfänglich stand ich wie vom Schlag gerührt. Wie! Was ich eben gelernt hatte, war schon am Ziel! Ein Mensch war kühn genug, dahin zu dringen!

»Ah!«, rief ich hüpfend aus. »Nein! Nein! Mein Onkel soll es nicht erfahren! Er würde unfehlbar eine solche Reise unternehmen! Er würde auch diesen Genuss haben wollen! Nichts würde ihn abhalten können! Ein so entschlossener Geologe! Er würde auf jeden Fall hinreisen, trotz allem! Und er würde mich mitnehmen, um nimmer heimzukehren! Niemals! Nie!«

Ich war in unbeschreiblicher Aufregung.

»Nein! Nein! Das wird nicht geschehen«, sagte ich mit Nachdruck. »Und da es in meiner Macht steht, zu verhindern, dass meinem Tyrannen eine solche Idee in den Sinn komme, so will ich es tun. Wenn er das Dokument auch hin und her wendet, könnte er zufällig den Schlüssel desselben entdecken! So will ich es lieber vernichten.«

Im Kamin war noch ein wenig Feuer. Ich ergriff nicht allein das Blatt Papier, sondern auch das Pergament des Saknussemm; mit fieberhaft zitternder Hand war ich im Begriff, es miteinander auf die Kohlen zu werfen, und so das gefährliche Geheimnis zu vernichten. Da öffnete sich die Tür des Zimmers und mein Onkel trat ein.

5. Die Entschlüsselung des Dokuments

FÜNFTES KAPITEL Die Entschlüsselung des Dokuments

I

ch hatte nur noch Zeit, das unglückselige Dokument wieder auf den Tisch zu legen. Der Professor Lidenbrock schien gänzlich erschöpft. Der ihn beherrschende Gedanke ließ ihm keinen Augenblick Ruhe; er hatte während seines Spaziergangs offenbar die Sache überdacht, zergliedert, alle Hilfsquellen seines Geistes erschlossen, und er kam zurück, einen neuen Gedanken zu verfolgen. In der Tat setzte er sich in seinen Lehnstuhl, ergriff die Feder und fing an, Formeln niederzuschreiben, die einem algebraischen Rechenexempel glichen. Meine Blicke begleiteten seine zitternde Hand; ich ließ mir nicht eine einzige seiner Bewegungen entgehen. Sollte sich wohl unversehens ein unverhofftes Resultat ergeben? Ich zitterte, doch ohne Grund, denn da die einzig richtige Verbindungsweise bereits aufgefunden war, so musste jedes weitere Nachforschen wohl oder übel vergeblich sein. Drei Stunden lang arbeitete mein Onkel, ohne zu reden, ohne den Kopf zu heben, tilgte aus, schrieb weiter, radierte, fing tausendmal von neuem an. Ich wusste wohl, dass, wenn er es schaffen würde, diese Buchstaben in alle möglichen Verbindungen miteinander zu bringen, die Phrase dabei herauskäme. Aber, ich wusste auch, dass sich aus nur 20 Buchstaben 2 Quintillionen, 432 Quadrillionen, 902 Trillionen, 8 Milliarden, 176 Millionen, 614.000 Verbindungen bilden lassen. Nun waren in der Phrase 132 Buchstaben vorhanden, und diese 132 ergaben eine Anzahl verschiedener Phrasen, die mindestens aus 133 Ziffern bestanden, eine Zahl, die fast zu zählen unmöglich ist, und über alle Schätzungen hinausgeht. Bezogen auf diese unermesslich hohe Zahl an Möglichkeiten war ich beruhigt.

Inzwischen verfloss die Zeit; es wurde Nacht; der Lärm der Straßen verstummte; mein Onkel, stets über seiner Aufgabe, sah nichts, selbst die gute Martha nicht, als sie die Tür öffnete; er hörte nichts, selbst die Stimme dieser guten Dienerin nicht, als sie sagte:

»Wird der Herr diesen Abend speisen?«

Auch Martha musste sich ohne Antwort zurückziehen. Ich für meinen Teil, nachdem ich einige Zeit standgehalten hatte, verfiel in einen unausweichlichen Schlaf, und ich schlief an einem Ende des Kanapees ein, während mein Onkel Lidenbrock immer weiterrechnete und stets ausstrich.

Als ich am folgenden Morgen wieder erwachte, war der unermüdliche Forscher immer noch bei der Arbeit. Seine roten Augen, seine bleifarbige Haut, seine verwirrten Haare unter seiner fieberhaften Hand, seine geröteten Wangen, gaben hinlänglich seinen Kampf mit dem Unmöglichen zu erkennen, und in welcher Erschöpfung des Geistes, welcher Anstrengung des Gehirns ihm die Stunden verfließen mussten. Wahrlich, er dauerte mich. Trotz der Vorwürfe, die ich glaubte ihm machen zu dürfen, war ich einigermaßen gerührt. Der arme Mann war dermaßen von seiner Idee eingenommen, dass er sich zu erzürnen vergaß. Alle seine Lebenskräfte konzentrierten sich auf einen einzigen Punkt, und da sie nicht ihren gewöhnlichen Ableitungsweg hatten, so konnte man fürchten, ihre Spannung werde ihm jeden Augenblick den Kopf zersprengen. Ich konnte den eisernen Schraubstock, in dem sein Schädel eingespannt zu sein schien, mit einer Handbewegung, mit einem einzigen Wort lockern! Aber ich tat es nicht. Doch war ich gutmütig. Weshalb blieb ich denn unter solchen Umständen stumm? Einzig und allein im Interesse meines Onkels.

›Nein, nein‹, dachte ich immerzu. ›Nein, ich werde nicht reden! Er würde hinreisen wollen, ich kenne ihn, nichts würde ihn zurückhalten können. Es ist ein vulkanischer Gedanke, und um zu tun, was andere Geologen nicht getan haben, würde er sein Leben riskieren. Ich will schweigen; ich will das Geheimnis, in dessen Besitz mich der Zufall gesetzt hat, für mich behalten! Es ihm mitzuteilen wäre sein Tod. Er mag es erraten, wenn er kann. Ich will mir nicht einen einzigen Tag den Vorwurf aufbürden, ihn in sein Verderben geführt zu haben!‹

Nachdem ich diesen Entschluss gefasst hatte, kreuzte ich die Arme und wartete ab. Aber ich hatte doch die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Als die gute Martha aus dem Hause auf den Markt gehen wollte, fand sie die Tür verschlossen, und es war kein Schlüssel im Schloss. Wer hatte ihn weggenommen? Offenbar mein Onkel, als er am Abend von seinem Ausgang heimgekehrt war. War es absichtlich oder aus Versehen? Wollte er uns der Pein des Hungers aussetzen? Das wäre doch ein wenig stark. Wie! Martha und ich, wir sollten unter der Verlegenheit leiden, die uns auf der Welt nichts anging? Ganz gewiss, und ich erinnerte mich eines anderen Falles der Art, welcher uns in Schrecken setzen konnte. In der Tat, vor einigen Jahren, zu der Zeit als mein Onkel an seiner großen mineralogischen Klassifikation arbeitete, enthielt er sich einmal 48 Stunden des Essens und das ganze Haus musste sich dieser wissenschaftlichen Diät fügen. Ich bekam damals Magenkrämpfe, die einem Jungen von etwas gefräßigem Charakter sehr wenig erquicklich waren. Nun dünkte es mir, das Frühstück werde ebenso ausfallen, wie tags zuvor das Abendessen.


Doch entschloss ich mich, heroisch zu sein, und den Forderungen des Magens nicht nachzugeben. Martha nahm das sehr ernst und verzweifelte, die gute Frau. Mir machte die Unmöglichkeit, das Haus verlassen zu können, viel zu schaffen, aus gutem Grunde.

Mein Onkel arbeitete immerfort; seine Phantasie verlor sich in der idealen Welt der Kombinationen; er lebte fern von der Erde und wahrhaftig außerhalb der irdischen Bedürfnisse. Gegen Mittag quälte mich der Hunger ernstlich. Martha hatte tags zuvor in aller Unschuld alle Vorräte der Speisekammer aufgezehrt; es war gar nichts mehr im Hause vorhanden. Doch hielt ich standhaft aus; es war mir eine Art Ehrensache geworden.

Es schlug zwei Uhr. Es wurde lächerlich, unerträglich sogar. Ich machte über die Maßen große Augen. Ich fing an, zu der Ansicht zu kommen, dass ich die Wichtigkeit des Dokuments übertrieb; dass mein Onkel nicht daran glauben, eine bloße Mystifikation darin finden würde; dass im schlimmsten Falle, wenn er das Abenteuer versuchen wollte, man ihn gegen seinen Willen zurückhalten könne; dass er endlich doch selbst den Schlüssel der Chiffre finden könnte, und dann hätte ich umsonst gefastet. Diese Gründe, die ich am Tag zuvor mit Unwillen verworfen hätte, schienen mir jetzt geeignet; es kam mir so ganz lächerlich vor, dass ich so lange gewartet hatte, und ich entschloss mich, alles zu sagen. Ich suchte daher, als der Professor aufstand, und, um auszugehen, seinen Hut aufsetzte, eine Gelegenheit, der Sache beizukommen, aber nicht zu grell. Wie! Das Haus verlassen und uns abermals einschließen! Nimmermehr.

»Onkel!«, sagte ich.

Er schien mich nicht zu hören.

»Onkel Lidenbrock!«, rief ich nochmals laut.

»Was?«, fragte er, wie ein Mensch, der plötzlich aufwacht.

»Nun! Dieser Schlüssel!«

»Welcher Schlüssel? Der von der Haustür?«

»Nein«, sagte ich, »der Schlüssel des Dokuments!«

Der Professor sah mich über die Brille hinweg an; er bemerkte wohl etwas Ungewöhnliches in meinen Gesichtszügen, denn er fasste mich lebhaft beim Arm und fragte mich, unfähig zu reden, mit seinen Augen. Doch war die Frage klar ausgesprochen. Ich bewegte den Kopf von oben nach unten. Er schüttelte den seinigen etwas mitleidig, als habe er es mit einem Narren zu tun. Ich machte ein noch stärkeres Zeichen der Bejahung. Seine Augen glänzten lebhaft; seine Hand drohte. Diese stumme Unterhaltung unter diesen Umständen hätte den gleichgültigsten Zuschauer interessiert. Und wahrlich, ich wagte nicht einmal ein Wort zu sagen, aus Besorgnis, mein Onkel möge mich in den ersten freudigen Umarmungen erdrücken. Aber es war doch notwendig geworden, zu antworten.

»Ja, dieser Schlüssel ...! Zufällig ...!«

»Was sagst du?«, rief er in unbeschreiblicher Gemütsbewegung.

»Hier«, sagte ich, und hielt ihm das Blatt Papier hin, worauf ich geschrieben hatte. »Lesen Sie.«

»Aber das bedeutet nichts!«, entgegnete er, indem er das Blatt zerknitterte. »Nichts!«, und fing an, den Anfang zu lesen, aber vom Ende an.

Ich hatte meine Phrase noch nicht fertig gelesen, als der Professor einen Schrei, mehr noch, ein wahres Gebrüll hören ließ! Es war seinem Geist ein Licht aufgegangen. Er war ganz verwandelt.

»Ach! Geistreicher Saknussemm!«, rief er aus. »Du hattest also anfangs deine Phrase umgekehrt geschrieben?«

Und er fiel über das Papier her, mit trübem Auge, bewegter Stimme, und las das Dokument vollständig vom letzten Buchstaben aufwärts bis zum Ersten.

Es lautete also:

In Sneffels Yoculis craterem kem delibat

umbra Scartaris Julii intra calendas descende,

audas Viator, et terrestre centrum attinges.

Kod feci. Arne Saknussemm.

Was sich in gutes Deutsch so übersetzen lässt:

›Steig hinab in den Krater des Sneffels Yocul,

welchen der Schatten des Scartaris vor dem ersten

Juli liebkoset,

kühner Wanderer, und du wirst zum Mittelpunkt

der Erde gelangen.

Das hab ich vollbracht. Arne Saknussemm.‹

Als mein Onkel dies gelesen hatte, hüpfte er, als habe er unversehens eine Leidener Flasche berührt. Er war außer sich vor Freude, Überzeugung und Kühnheit. Er ging hin und her, fasste seinen Kopf mit beiden Händen, rückte die Stühle, legte seine Bücher aufeinander, spielte – kaum zu glauben – Ball mit seinen kostbarsten Klappersteinen, schlug mit der Faust hierhin, mit der Hand dorthin. Endlich wurden seine Nerven ruhiger und er sank erschöpft in seinen Lehnstuhl.

»Wie viel Uhr ist es gleich?«, fragte er nach einer kleinen Weile.

»Drei Uhr«, antwortete ich.

»Da ist aber die Zeit schnell vergangen. Ich habe Hunger zum Umfallen. Zu Tische. Danach ...«

»Danach ...«

»Du packst meinen Koffer!«

»Gut«, sagte ich.

»Und den deinigen!«, fügte der unbarmherzige Professor beim Eintritt in das Speisezimmer hinzu.

6. Hypothesen über das Innere des Erdballs

SECHSTES KAPITEL Hypothesen über das Innere des Erdballs

B

ei diesen Worten lief mir ein Schauder über den ganzen Rücken. Doch nahm ich mich zusammen. Ich entschloss mich sogar, mich wacker zu halten. Wissenschaftliche Gründe allein konnten den Professor Lidenbrock abhalten. Nun gab es deren, und zwar gewichtige, gegen eine solche Reise. Nach dem Mittelpunkt der Erde zu reisen! Welche Torheit! Ich sparte meine Einwendungen für einen günstigen Moment auf und machte mich ans Essen.

Wie fluchte mein Onkel, als er den Tisch nicht gedeckt sah. Alles klärte sich auf. Die gute Martha bekam wieder ihre Freiheit, eilte auf den Markt und rührte sich dergestalt, dass nach einer Stunde mein Hunger gestillt war und mir die Lage wieder zum Bewusstsein kam. Während der Mahlzeit war mein Onkel fast lustig; er ließ Scherze hören, die bei einem Gelehrten nie sehr gefährlich sind. Nach dem Dessert winkte er mir, ihm in sein Kabinett zu folgen. Ich gehorchte. Er setzte sich ans eine Ende des Tisches, ich ans andere.

»Axel«, sagte er mit ziemlich sanfter Stimme. »Du bist ein sehr gescheiter Junge; du hast mir da einen wackeren Dienst geleistet, als ich des Ringens müde, schon den Gedanken aufgeben wollte. Wohin wäre ich geraten? Niemand kann das wissen! Ich werde es dir niemals vergessen, und du wirst an dem Ruhm, den wir erlangen werden, deinen Anteil haben.«

Nun, dachte ich, ist er guter Laune; da ist es Zeit, über den Ruhm zu disputieren.

»Vor allem«, fuhr mein Onkel fort, »empfehle ich dir völliges Schweigen, verstehst du mich? Es fehlt in der Gelehrtenwelt nicht an Neidern, und es würden viele die Reise unternehmen wollen, die bis zu unserer Rückkehr nichts mitbekommen sollen.«

»Meinen Sie«, fragte ich, »die Zahl solcher Verwegenen sei so groß?«

»Ganz gewiss! Wer würde zögern, solch einen Ruhm gewinnen zu wollen?

Wäre dieses Dokument bekannt, so würde ein ganzes Heer von Geologen hineilen, Arne Saknussemms Spur zu verfolgen.«

»Davon bin ich aber gar nicht überzeugt, lieber Onkel, denn die Echtheit des Dokuments ist durch nichts erwiesen.«

»Wie? Und was ist mit dem Buch, worin wir es gefunden haben?«

»Gut! Ich gebe zu, dass Saknussemm diese Zeilen geschrieben hat, aber folgt daraus, dass er die Reise wirklich unternommen hat, und kann das alte Pergament nicht bloß eine Fopperei sein?«

Es tat mir fast Leid, dies letztere, etwas kecke Wort herausgesagt zu haben. Der Professor runzelte die Stirn, und ich fürchtete für die Fortsetzung unserer Unterhaltung Schlimmes. Zum Glück hatte es nichts zu bedeuten. Mein strenger Genosse entgegnete mit leichtem Lächeln:

»Das werden wir sehen.«

»Ach!«, sagte ich etwas verdutzt. »Aber erlauben Sie mir vorzubringen, was sich alles über das Dokument sagen lässt.«

»Rede, lieber Junge, geniere dich nicht. Ich lasse dir alle Freiheit, deine Meinung zu sagen. Du bist nun nicht mehr mein Neffe, sondern mein Kollege. Also vorwärts.«

»Nun, so will ich Sie erst fragen: Was sind diese Yokuls, Sneffels und Scartaris, wovon ich nie ein Wort habe reden hören?«

»Das ist ganz leicht. Ich habe just vor kurzem von meinem Freund August Petersmann in Gotha eine Karte bekommen, die mir gerade zu rechter Zeit kam. Nimm den dreißigsten Atlas im zweiten Fach der großen Bibliothek, Reihe Z Brett 4.«

Ich stand auf und fand in Entsprechung dieser genauen Angabe rasch den gewünschten Atlas. Mein Onkel schlug ihn auf und sagte:

»Hier ist eine der besten Karten von Island, die Handersonsche; ich glaube, die wird uns bei allen Schwierigkeiten helfen.«

Ich beugte mich über die Karte.

»Sieh diese aus Vulkanen bestehende Insel«, sagte der Professor, »und beachte, dass sie alle mit dem Namen Yokul bezeichnet sind. Dies Wort bedeutet im Isländischen ›Gletscher‹, und unter dem hohen Breitengrad Islands geschehen die meisten vulkanischen Ausbrüche durch die Eisdecke.«

»Gut«, entgegnete ich, »aber was ist dann Sneffels?«

Ich hoffte, er könne diese Frage nicht beantworten. Wie irrte ich mich! Mein Onkel fuhr fort:

»Folge mir auf die westliche Küste Islands. Siehst du seine Hauptstadt Reykjavik? Ja? Gut. Fahre über die unzähligen Fjorde dieser zerrissenen Seeküste, und halte etwas unter dem 65. Breitengrad an. Was siehst du da?«

»Eine Art Halbinsel, gleich einem abgenagten Knochen.«

»Der Vergleich ist richtig, lieber Junge; und weiter siehst du nichts auf dieser Halbinsel?« »Doch, einen Berg, der aus dem Meer emporgewachsen scheint.« »Gut! Das ist der Sneffels.«


»Der Sneffels?«

»Der ist es, ein 5.000 Fuß hoher Berg, einer der merkwürdigsten auf der Insel, und gewiss der berühmteste der ganzen Welt, wenn sein Krater den Eingang zum Zentrum der Erde bildet.«

»Aber das ist unmöglich!«, rief ich mit einem Achselzucken und mich gegen eine solche Annahme sträubend.

»Unmöglich!«, entgegnete der Professor Lidenbrock mit strengem Ton. »Und warum?«

»Weil dieser Krater offenbar mit Lava verstopft ist, die Felsen glühen, und dann ...«

»Und wenn es ein verloschener Krater ist?«

»Verloschen?«

»Ja. Die Zahl der noch tätigen Vulkane auf der Erdoberfläche beträgt gegenwärtig nur etwa 300. Aber es gibt eine noch weit größere Anzahl verloschener Vulkane. Unter die letzteren gehört der Sneffels, der seit langen Zeiten nur einen Ausbruch gehabt hat, und zwar im Jahre 1219. Seitdem ist er allmählich stille geworden und er gehört nicht mehr zu den tätigen Vulkanen.«

Auf diese genauen Angaben hatte ich durchaus nichts zu entgegnen; ich warf mich also auf die übrigen Schwierigkeiten, die das Dokument enthielt.

»Was bedeutet das Wort Scartaris?«, fragte ich. »Und was hat der erste Juli damit zu tun?«

Mein Onkel besann sich einige Augenblicke. Einen Moment lang hatte ich Hoffnung, aber auch nur einen Moment lang, denn bald antwortete er mir folgendermaßen:

»Was du Dunkelheit nennst, ist für mich Licht. Dies beweist die sinnreiche Sorge, womit Saknussemm seine Entdeckung genau bezeichnen wollte. Der Sneffels hat mehrere Krater und es war daher erforderlich, denjenigen, welcher zum Mittelpunkt der Erde führt, anzugeben. Wie hat es nun der gelehrte Isländer gemacht? Er hat bemerkt, dass beim Herannahen des ersten Juli, also gegen Ende des Juni, eine der Bergspitzen, der Scartaris, ihren Schatten bis zu der Mündung des fraglichen Kraters wirft, und er hat diese Tatsache in dem Dokument niedergeschrieben. Dies war die genaueste Angabe, sodass man, wenn man sich einmal auf dem Gipfel des Sneffels befindet, unmöglich mehr in Zweifel sein kann, welcher Weg einzuschlagen ist.«

Allerdings wusste mein Onkel eine Antwort auf alles. Ich sah wohl, dass ihm bei den Worten des alten Pergaments nicht beizukommen war. Ich setzte ihm daher von dieser Seite aus nicht mehr zu, und da ich ihn vor allem überzeugen musste, so ging ich zu den wissenschaftlichen Einwendungen über, welche meines Erachtens ganz andere Bedeutung hatten.

»Nun«, sagte ich, »die Phrase Saknussemms, ich muss es zugeben, ist klar und lässt über ihren Sinn keinen Zweifel mehr. Ich gebe sogar zu, dass das Dokument denn Anschein völliger Echtheit hat. Dieser Gelehrte ist in das Innere des Sneffels hinabgestiegen, hat gesehen, wie der Schatten des Scartaris den Rand des Kraters vor dem ersten Juli bestrich; er hat sogar aus den sagenhaften Erzählungen seiner Zeit entnommen, dass dieser Krater zum Zentrum der Erde führe; aber dass er selbst dahin gedrungen, dass er von einer Reise dahin wieder zurückgekehrt sei, das glaube ich durchaus nicht!«

»Und warum nicht?«, fragte mein Onkel mit ausnehmend spöttischem Ton.

»Weil alle Theorien der Wissenschaft beweisen, dass eine solche Unternehmung undurchführbar ist!«

»Alle Theorien sagen das aus?«, fragte der Professor mit gutmütiger Miene. »Ja, die schlechten Theorien! Die armseligen Theorien werden uns genieren!«

Ich sah, dass er sich über mich lustig machte, aber ich fuhr dem ungeachtet fort:

»Ja! Es ist eine ausgemachte Sache, dass die Wärme unter der Erdoberfläche mit 70 Fuß Tiefe um einen Grad zunimmt; nehmen wir nun dies steigende Verhältnis als sich gleich bleibend an, so muss, da der Erdradius 1.500 Meilen beträgt, im Zentrum eine Temperatur von mehr als 200.000 Grad herrschen. Die Stoffe im Innern der Erde befinden sich daher im Zustand des glühenden Gases, denn die Metalle, Gold, Platin, die härtesten Steine halten einer solchen Hitze nicht stand. Ich darf also fragen, ob es möglich sei, in eine solche Umgebung zu gelangen!«

»Also, Axel, die Hitze macht dir zu schaffen?«

»Allerdings. Kämen wir bis zu einer Tiefe von nur zehn Meilen, so wären wir an der Grenze der Erdrinde, denn da ist die Temperatur bereits über 1.300 Grad.« »Und du hast Angst zu zerschmelzen?« »Ich überlasse Ihnen die Entscheidung der Frage«, antwortete ich mit Humor.

»So will ich dir meine Meinung genau sagen«, entgegnete der Professor Lidenbrock, indem er einen hohen Tonfall annahm: »Weder du noch irgendein Mensch weiß einigermaßen zuverlässig, was im Innern des Erdballs vorgeht, da man kaum erst den zwölftausendsten Teil ihres Radius’ kennt; daher ist die Wissenschaft außerordentlich vervollkommnungsfähig und jede Theorie wird von einer neuen umgestürzt. Hat man ja bis auf Fourier geglaubt, die Temperatur der Planetenräume sei stets abnehmend, und jetzt weiß man, dass die höchste Kälte der Ätherregionen nicht über 40 bis 50 Grad unter Null steigt. Warum könnte es mit der Wärme im Innern nicht ebenso der Fall sein? Weshalb sollte sie nicht in einer gewissen Tiefe eine nicht mehr zu übersteigende Höhe erreichen, anstatt bis zu einer Höhe zu steigen, wo die störrischsten Metalle schmelzen?«

Da mein Onkel die Frage auf das Gebiet der Hypothesen verpflanzte, so hatte ich nichts darauf zu entgegnen.

»Nun denn, ich will dir nur sagen, dass echte Gelehrte, wie unter anderen Poisson, bewiesen haben, dass, wenn im Innern des Erdballs eine Hitze von 200.000 Grad herrschen würde, das aus den zerschmolzenen Stoffen erzeugte glühende Gas eine solche Spannkraft erlangen würde, dass die Erdrinde nicht mehr Widerstand zu leisten vermöchte und zerspringen würde, wie die Wände eines Dampfkessels durch die Ausdehnung des Dampfes.«

»Das ist Poissons Ansicht, lieber Onkel, nichts weiter.«

»Einverstanden, aber es ist auch die Ansicht anderer ausgezeichneter Geologen, dass das Innere des Erdballs weder aus Gas, noch Wasser, noch schwereren Steinen besteht, als die wir kennen, denn in diesem Fall würde die Erde ein zweifach geringeres oder doppelt so hohes Gewicht aufweisen.«

»Oh! Mit Zahlen lässt sich alles beweisen!«

»Und ist es mit Tatsachen, lieber Junge, ebenso? Ist es nicht ausgemacht, dass die Zahl der Vulkane seit den ersten Tagen der Welt beständig abgenommen hat? Und wenn es eine Zentralwärme gibt, kann man daraus nicht schließen, dass sie immer schwächer wird?«

»Lieber Onkel, wenn du dich aufs Feld der Vermutungen begibst, habe ich nichts mehr zu sagen.«

»Und ich habe zu sagen, dass die Ansichten der berufensten Männer mit der meinigen übereinstimmen. Erinnerst du dich, wie mir im Jahre 1825 der berühmte englische Chemiker Humphry Davy einen Besuch abstattete.«

»Durchaus nicht, denn ich kam erst neunzehn Jahre später auf die Welt.«

»Nun, Humphry Davy besuchte mich auf einer Durchreise in Hamburg. Wir besprachen uns lange, unter anderem über die Hypothese der Flüssigkeit des inneren Kerns der Erde. Wir stimmten darin überein, dass das Erdinnere nicht flüssig sein kann, und zwar aus einem Grunde, auf den die Wissenschaft nie eine Antwort gefunden hat.«

»Und welcher ist das?«, fragte ich etwas verunsichert.

»Weil diese flüssige Masse gleich dem Ozean der Anziehung vonseiten des Mondes ausgesetzt wäre, und folglich zweimal täglich im Innern Ebbe und Flut herrschen müsste, welche durch Emporheben des Erdbodens zu periodischen Erdbeben Anlass gäben.«

»Aber es ist doch unverkennbar, dass die Erdoberfläche der Verbrennung ausgesetzt gewesen ist, und man darf annehmen, dass die äußere Kruste sich erst abkühlte, während sich die Hitze ins Zentrum zurückzog.«

»Irrtum«, entgegnete mein Onkel. »Die Erde ist erst durch Verbrennung ihrer Oberfläche in Hitze geraten, nicht anders. Ihre Oberfläche bestand aus einer großen Menge an Metallen, wie Kalium und Natrium, welche die Eigenschaft haben, bei der bloßen Berührung mit Luft und Wasser in Brand zu geraten. Diese Metalle gerieten in Brand, als die atmosphärischen Dünste als Regen auf den Boden herabkamen; und allmählich, als die Gewässer durch die Ritzen der Erdrinde drangen, veranlassten sie abermals Brand mit Explosionen und Ausbrüchen. Daher die zahlreichen Vulkane in der ersten Zeit der Welt.«

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
295 s. 60 illüstrasyon
ISBN:
9783868209532
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