Kitabı oku: «Reise zum Mittelpunkt der Erde», sayfa 3
»Das ist doch eine geistreiche Hypothese!«, rief ich etwas widerwillig.
»Und Humphry Davy machte mir es durch ein sehr einfaches Experiment nachvollziehbar. Er fertigte eine metallene Kugel hauptsächlich aus den Metallen an, von denen ich gerade sprach, als ein vollständiges Ebenbild unseres Erdballs. Als man dieselbe mit einem feinen Tau auf ihrer Oberfläche benetzte, schwoll sie auf, oxydierte und bildete ein kleines Gebirge; an dessen Spitze öffnete sich ein Krater, es fand ein Ausbruch statt und setzte die Kugel einer derartigen Hitze aus, dass man sie nicht mehr in der Hand halten konnte.«
Wahrlich, die Beweisgründe des Professors fingen an, auf mich Eindruck zu machen; er machte sie zudem mit seiner gewöhnlichen Leidenschaft und seinem Enthusiasmus geltend.
»Du siehst, Axel«, fügte er hinzu, »dass der Zustand des inneren Kerns zu unterschiedlichen Hypothesen bei den Geologen geführt hat; nichts ist weniger bewiesen, als die Tatsache einer inneren Hitze; meiner Ansicht nach ist sie nicht vorhanden, kann gar nicht vorhanden sein; doch, wir werden es sehen und wir werden dann wissen, wie Arne Saknussemm, woran man sich hinsichtlich dieser Frage zu halten hat.«
»Nun ja!«, entgegnete ich, indem ich diesen Enthusiasmus zu teilen anfing. »Ja, wir werden es sehen, wenn man dort überhaupt sehen kann.«
»Und warum sollte man nicht? Können wir nicht auf elektrische Erscheinungen rechnen, die uns Licht geben, und selbst auf die Atmosphäre, die bei Annäherung an das Zentrum durch ihren Druck erleuchtet werden kann?«
»Ja!«, antwortete ich. »Ja! Das ist möglich, nach allem, was du gesagt hast!«
»Das ist sicher!«, entgegnete mein Onkel triumphierend. »Aber sei bloß schweigsam, verstehst du? Kein Wort von all diesem; kein Mensch soll auf die Idee kommen, das Zentrum der Erde vor uns entdecken zu wollen.«
7. Reisevorbereitungen
SIEBTES KAPITEL Reisevorbereitungen
S
o schloss diese merkwürdige Unterredung. Ich war fieberhaft erregt. Ich verließ das Kabinett meines Onkels total verblüfft und Hamburgs Luft reichte nicht aus, um mich darin zu erholen. Ich eilte daher an das Elbufer nach der Dampffähre hin, welche als Verbindung der Stadt mit der Hamburger Eisenbahn dient. War ich von dem, was man mich eben gelehrt hatte, überzeugt? War ich nicht vielmehr dem Professor Lidenbrock erlegen? Sollte ich im Ernst annehmen, dass er entschlossen sei, zum Zentrum der Erde zu kommen? Hörte ich soeben die tollen Spekulationen eines Narren oder die wissenschaftliche Darlegung eines großen Genies? Und vor allem, wo hörte die Wahrheit auf, wo begann der Irrtum? Ich schwankte zwischen tausenden sich widersprechenden Hypothesen, ohne mich an einer festhalten zu können. Doch erinnerte ich mich, dass ich überzeugt war, obwohl mein Enthusiasmus anfing geringer zu werden; aber ich hatte unverzüglich abreisen wollen, ohne mir Zeit zum Überlegen zu lassen. Ja, es hätte mir nicht an Mut gefehlt, augenblicklich meinen Koffer zu packen. Doch muss ich gestehen, eine Stunde danach war diese Überreizung schon abgeflaut, die Spannung meiner Nerven ließ nach und kam wieder aus den Abgründen der Erde zur Oberfläche hoch.
›Das ist ja lächerlich!‹, sagte ich zu mir. ›Es hat keinen rechten Sinn! Solch einen Vorschlag kann man einem verständigen Jungen nicht im Ernst machen. Das alles ist eitel Sonnenschein! Ich habe nur schlecht geschlafen, einen schlimmen Traum gehabt.‹
Inzwischen war ich am Ufer der Elbe entlang um die Stadt herum- und auf die Straße nach Altona gekommen. Eine richtige Ahnung hatte mich auf diesen Weg geführt, denn ich bemerkte bald mein liebes Gretchen, das raschen Schrittes tapfer nach Hamburg heimging.
»Gretchen!«, rief ich ihr von Weitem zu.
Das Mädchen stand still, etwas betroffen, schien es, auf offener Straße so angerufen zu werden. Mit zehn Schritten war ich bei ihr.
»Axel!«, sagte sie überrascht. »Du bist mir entgegengegangen, das ist ja wirklich nett.«
Als mich Gretchen aber nun anschaute, entging ihr meine unruhige, verstörte Miene nicht. »Was ist mit dir?«, fragte sie, indem sie mir die Hand reichte. »Was mit mir ist, Gretchen?«, fragte ich zurück.
Und in zwei Sekunden, in drei Sätzen hatte ich meine hübsche Vierländerin über die Lage der Dinge in Kenntnis gesetzt. Einige Augenblicke schwieg sie. Ob ihr Herz gleich dem meinigen klopfte, weiß ich nicht, aber ihre Hand in der Meinigen zitterte nicht. Hundert Schritte gingen wir stumm nebeneinander her.
»Axel!«, sagte sie endlich.
»Liebes Gretchen!«
»Das wird eine schöne Reise werden.«
Bei diesen Worten sprang ich auf.
»Ja, Axel, eine Reise, des Neffen eines Gelehrten würdig. Ein Mann muss sich durch ein großes Unternehmen beweisen!«
»Wie? Gretchen, du rätst mir nicht von solch einem Unternehmen ab?«
»Nein, lieber Axel, und ich würde euch gerne begleiten, wenn nicht ein armes Mädchen ein Hindernis für euch wäre.«
»Ist das wirklich dein Ernst?«
»Wirklich.«
Ach. Wie sind doch Frauen, junge Mädchen, weibliche Herzen stets unbegreiflich! Seid ihr nicht die schüchternsten Wesen, so seid ihr die Tapfersten! Vernunft hat bei euch keine Geltung. Wie? Dieses Kind ermunterte mich, die Reise mitzumachen! Sie hatte keine Furcht vor einer abenteuerlichen Fahrt! Sie drängte mich dazu, den sie doch liebte. Ich war verlegen und, um es offen zu sagen, schämte ich mich.
»Gretchen«, fuhr ich fort, »wir wollen sehen, ob du morgen noch genauso sprichst.«
»Morgen, lieber Axel, werde ich reden wie heute.«
Wir gingen Hand in Hand, aber in tiefem Schweigen unseres Weges weiter. Die Gemütsbewegungen des Tages hatten mich kleinlaut gemacht.
›Immerhin‹, dachte ich, ›ist der erste Juli noch weit entfernt, und bis dahin kann sich noch manches ereignen, was meinen Onkel von der tollen Lust, eine Reise unter die Erde zu machen, abbringen mag.‹
Es war schon dunkel geworden, als wir bei dem Hause in der Königstraße anlangten. Ich hatte vermutet, wir träfen die Wohnung ruhig an, meinen Onkel, wie gewöhnlich, schon zu Bette und Martha mit Abstauben des Speisezimmers beschäftigt. Aber ich hatte die Ungeduld des Professors nicht berücksichtigt. Ich fand ihn unter einer Truppe Lastträger, welche allerhand Waren in die Allee brachten, mit lautem Geschrei hin- und herrennend; die alte Dienerin wusste nicht, wo ihr der Kopf stand.
»Aber, so komm doch, Axel; eile doch, Unglückseliger!«, rief mein Onkel schon von Weitem, als er mich erblickte. »Und dein Koffer ist auch noch nicht gepackt, und meine Papiere sind noch nicht geordnet, und der Schlüssel meines Reisesacks ist nicht zu finden, und meine Gamaschen fehlen noch!«
Ich war wie vom Donner gerührt, die Stimme versagte mir. Kaum vermochten meine Lippen die Worte hervorzubringen: »Also reisen wir ab?«
»Ja, Unglückseliger, und du gehst spazieren, anstatt bei der Hand zu sein!«
»Wir reisen ab?«, fragte ich nochmals mit schwacher Stimme.
»Ja, übermorgen in aller Frühe.«
Ich wollte nichts weiter hören und flüchtete in mein Zimmerchen. Es war nicht mehr daran zu zweifeln. Mein Onkel hatte den Nachmittag dazu verwendet, einen Teil der Reiseutensilien anzuschaffen: Die Allee lag voller Strickleitern, Fackeln, Reiseflaschen, eisernen Haken, Spitzhacken, beschlagenen Stöcken, Spaten – wofür man mindestens zehn Mann zum Herbeischleppen brauchte. Ich brachte eine entsetzliche Nacht zu. Am folgenden Morgen hörte ich schon früh, wie man mich rief. Ich war entschlossen, meine Tür nicht zu öffnen. Aber wie hätte ich einer so süßen Stimme widerstehen können, die mir zurief: »Lieber Axel!« Ich ging aus meiner Kammer und dachte, mein verstörtes, blasses Aussehen, meine roten Augen würden auf Gretchen wirken, sodass sie ihre Gedanken änderte.
»Nun! Mein lieber Axel«, sagte sie zu mir. »Ich sehe, du befindest dich besser und die Nacht hat dich beruhigt.«
»Beruhigt?«, fragte ich.
Ich eilte vor meinen Spiegel. Ei nun! Ich sah nicht so übel aus wie ich gedacht hatte. Kaum zu glauben.
»Axel«, sagte Gretchen zu mir. »Ich habe gestern lange mit meinem Vormund geplaudert. Er ist ein kühner Gelehrter, ein mutiger Mann, und du wirst dich erinnern, dass sein Blut in deinen Adern fließt. Er hat mir von seinen Plänen erzählt, von seinen Hoffnungen, weshalb und wie er sein Ziel zu erreichen gedenkt. Ich zweifle nicht, dass er es erreichen wird. Ach! Lieber Axel, wie schön ist es, sich so seiner Wissenschaft hinzugeben! Welcher Ruhm wird Herrn Lidenbrock zuteil werden und auf seinen Genossen abfärben! Bei der Rückkehr wirst du ein Mann sein, seinesgleichen, frei zu reden, zu handeln, frei endlich zu ...«
Errötend stockte das Mädchen. Seine Worte machten mir wieder Mut. Dennoch wollte ich noch nicht an unsere Abreise glauben. Ich zog Gretchen mit mir in das Arbeitszimmer des Professors.
»Lieber Onkel«, fragte ich. »Es ist also ausgemacht, dass wir abreisen?«
»Wie? Du zweifelst noch daran?«
»Nein«, sagte ich, um ihm nicht zu widersprechen. »Nur möchte ich Sie fragen, ob es solch eine Eile damit hat.«
»Jawohl! Die Zeit drängt! Die Zeit, die unwiederbringlich schnell entflieht!«
»Wir haben ja doch erst den 26. Mai und bis Ende Juni ...«
»Hm! Meinst du denn, Unwissender, dass man so leicht nach Island kommt? Wärest du nicht wie ein Narr vor mir weggelaufen, so hätte ich dich mit auf das Kopenhagener Büro zu Liffender & Cie. genommen. Da hättest du erfahren, dass von Kopenhagen nach Reykjavik nur einmal monatlich, am 22., ein Boot abgeht.«
»Und?«
»Und? Wenn wir bis zum 22. Juni warten würden, würden wir zu spät ankommen, um zu sehen, wie ›des Scartaris Schatten den Krater des Sneffels liebkost‹. Wir müssen daher so schnell wie möglich nach Kopenhagen kommen, um daselbst für die Überfahrt ein Beförderungsmittel zu finden. Geh und pack deinen Koffer!«
Darauf war kein Wort zu entgegnen. Ich begab mich wieder in mein Zimmer. Gretchen folgte mir nach und bemühte sich selbst, meine Reiseutensilien in einen kleinen Ranzen zu packen. Das betrübte sie doch weniger, als wenn es sich um einen Ausflug nach Lübeck oder nach Helgoland gehandelt hätte. Ihre kleinen Hände bewegten sich ohne Eile hin und her. Sie redete ruhig und zählte mir die plausibelsten Gründe zugunsten unserer Unternehmung auf. Sie wirkten zauberhaft auf mich und ich konnte ihr nicht zürnen. Manchmal, wenn ich aufbrausen wollte, achtete sie nicht darauf und setzte mit methodischer Ruhe ihre Arbeit fort. Endlich war der letzte Riemen des Ranzens geschnallt und ich kam herab ins Erdgeschoss.
Diesen Tag über kamen die Lieferungen von physikalischen Instrumenten, Waffen, elektrischen Apparaten noch häufiger. Die gute Martha verlor den Kopf.
»Ist der Herr ein Narr geworden?«, fragte sie mich.
Ich machte ein Zeichen der Bestätigung.
»Und er nimmt Sie mit?«
Gleiches Ja.
»Wohin soll es denn gehen?«, fragte sie.
Ich deutete mit dem Finger nach dem Innern der Erde.
»In den Keller?«, fragte die alte Dienerin.
»Nein«, antwortete ich, »noch tiefer hinab!«
Der Abend kam. Ich wusste gar nicht mehr, wie die Zeit verflossen war.
»Morgen früh«, sagte mein Onkel, »exakt um sechs Uhr reisen wir ab.«
Um zehn Uhr sank ich wie eine träge Masse auf mein Bett. Während der Nacht kam mir wieder die Angst. Ich träumte in einem fort von Abgründen! Ich verfiel dem Wahnsinn. Ich fühlte mich von des Professors starker Hand ergriffen, fortgezogen, in einen Schlund gestürzt. Ich fiel in unergründliche Schluchten hinab mit der wachsenden Schnelligkeit fallender Körper. Mein Leben war nur noch ein endloses Fallen. Um fünf Uhr wachte ich auf, zerschlagen von Erschöpfung und Aufregung. Ich begab mich ins Speisezimmer hinab. Mein Onkel saß am Tisch und schlang sein Frühstück hinunter. Ich blickte ihn mit einer Art Grauen an. Aber Gretchen war zugegen. Ich sprach nichts, konnte auch nichts essen. Um halb sechs Uhr hörte man das Rattern eines Wagens in der Straße. Es kam eine große Kutsche, die uns zur Altonaer Eisenbahn bringen sollte. Sie war bald mit den Koffern meines Onkels bepackt.
»Und dein Koffer?«, fragte er mich.
»Er ist gepackt«, antwortete ich und es wurde mir schwach.
»So bring ihn schnell herunter oder du bist schuld, wenn wir den Zug verpassen!«
Gegen mein Schicksal anzukämpfen, schien mir damals unmöglich. Ich begab mich wieder in meine Kammer, ließ meinen Ranzen die Treppe hinabrutschen und folgte hinterdrein. In diesem Augenblick gab mein Onkel die ›Zügel‹ seines Hauses in Gretchens Hände. Meine hübsche Vierländerin bewahrte ihre gewohnte Ruhe. Sie umarmte ihren Vormund, konnte aber, als sie meine Wange mit ihren süßen Lippen berührte, eine Träne nicht zurückhalten.
»Gretchen!«, sprach ich.
»Geh, lieber Axel, geh!«, sagte sie zu mir. »Du verlässt deine Braut, aber bei der Rückkehr findest du deine Frau.«
Ich schloss Gretchen in meine Arme, dann setzte ich mich in den Wagen. Martha und das junge Mädchen sagten uns von der Schwelle des Hauses aus Lebewohl. Darauf rannten die Pferde, durch das Pfeifen ihres Kutschers auf Trapp gebracht, im Galopp über die Altonaer Straße.
8. Auf dem Weg nach Island
ACHTES KAPITEL Auf dem Weg nach Island
V
on Altona aus, welches zu den Außenbezirken Hamburgs gehört, führt eine Eisenbahn nach Kiel, von wo wir ans Ufer des Belts gelangten. In zwanzig Minuten kamen wir auf holsteinisches Gebiet. Um halb sieben hielt der Wagen vor dem Bahnhof; die zahlreichen Gepäckstücke meines Onkels, seine umfangreichen Reiseartikel wurden abgeladen, transportiert, gewogen, etikettiert, in den Gepäckwagen verladen und um sieben Uhr saßen wir uns im selben Eisenbahnabteil gegenüber. Der Dampf zischte, die Lokomotive setzte sich in Bewegung. Wir befanden uns auf dem Weg. Ich hatte mich immer noch nicht damit abgefunden. Doch wirkten die frische Morgenluft, die bei der Schnelligkeit der Fahrt rasch erneuerten Eindrücke darauf hin, mich durch Zerstreuung aus meiner großen Befangenheit zu reißen. Die Gedanken des Professors eilten dem Zug, der für seine Ungeduld zu langsam fuhr, offenbar voraus. Wir befanden uns allein im Abteil, sprachen aber kein Wort miteinander. Mein Onkel überprüfte seine Taschen und seinen Reisesack mit sorgfältiger Aufmerksamkeit. Ich sah wohl, dass es ihm für die Ausführung seiner Pläne an nichts mangelte. Unter anderem hatte er ein sorgfältig zusammengelegtes Blatt Papier mit dem Wappen des dänischen Konsuls aus Hamburg, der ein Freund des Professors war. Mit Hilfe desselben konnten wir in Kopenhagen leicht Empfehlungen an den Gouverneur von Island bekommen. Ich bemerkte auch das merkwürdige Dokument in der geheimsten Tasche des Portefeuilles aufs Sorgfältigste verstaut. Ich verfluchte es aus tiefstem Herzen und sah mir das Land an. Es war eine ungeheure Reihe wenig abwechslungsreicher Ebenen, die einförmig, schlammig und ziemlich fruchtbar waren: Eine Landschaft, die zur Anlage von Eisenbahnen sehr geeignet war und gerade Linien zuließ, welche den Eisenbahngesellschaften so erwünscht sind. Aber diese Einförmigkeit konnte mir nicht einmal langweilig werden, denn bereits drei Stunden nach unserer Abfahrt hielt der Zug in Kiel zwei Schritte vom Meer entfernt. Da unser Gepäck nach Kopenhagen eingeschrieben war, brauchten wir uns nicht darum zu kümmern. Doch wurde es vom Professor während des Transports zum Dampfboot mit prüfenden Augen überwacht. Hier wurde es im unteren Schiffsraum eingelagert.
Mein Onkel hatte bei seiner übermäßigen Eile die Stunden des Anschlusses von Dampfboot und Eisenbahn so wohl berechnet, dass wir einen vollen Tag zu verlieren hatten. Das Dampfboot ›Ellenora‹ ging nicht vor Abend ab. Daraus entsprang ein neunstündiger Fieberzustand, währenddessen der zornwütige Reisende die Schiffs- und Eisenbahnverwaltung zum Teufel wünschte, samt den Regierungen, welche dergleichen Missstände gestatteten. Ich musste darin einstimmen, als er den Kapitän der ›Ellenora‹ darüber zur Rede stellte. Er wollte ihn nötigen, unverzüglich heizen zu lassen. Der aber hieß ihn seines Weges gehen.
In Kiel muss wohl, wie anderwärts, ein Tag hinzubringen sein. Wir gingen an den grünen Ufern des Hafens entlang, in deren Hintergrund sich das Städtchen erhebt, spazieren, durchliefen die belaubten Gebüsche, welche ihm das Aussehen eines Nestes unterm Gezweig geben, die Villen zu bewundern, welche sämtlich mit Badehäuschen versehen sind; so kam unter Herumlaufen und Fluchen zehn Uhr abends heran.
Die Rauchwolken der ›Ellenora‹ wirbelten in die Lüfte; das Verdeck zitterte unter den Stößen des Dampfkessels; wir befanden uns an Bord im Besitz von zwei Lagerstätten übereinander in der einzigen Kammer des Bootes. Um zehn Uhr fünfzehn Minuten wurden die Anker gelichtet und der Dampfer fuhr rasch über die dunklen Fluten des Großen Belts. Es war dunkle Nacht, ein hübscher Seewind, und das Meer wogte stark; einige Feuer an der Küste schimmerten durch die Finsternis; später, ich weiß nicht wo, glänzte ein Leuchtturm hell über die Fluten. Um sieben Uhr früh landeten wir in Korsör, einem Städtchen an der Westküste Seelands. Hier stiegen wir unverzüglich in den Waggon einer weiteren Eisenbahn und fuhren durch eine Landschaft, die nicht minder flach war, als die Ebenen Holsteins. Nach drei Stunden gelangten wir in der Hauptstadt Dänemarks an. Mein Onkel hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Ich glaube, in seiner Ungeduld trat er den Waggon mit Füßen. Endlich gewahrte er eine Mündung ins Meer.
»Der Sund!«, rief er.
Zu unserer Linken befand sich ein ungeheurer Bau, der einem Spital glich.
»Das ist ein Irrenhaus«, sagte einer unserer Reisegefährten.
›Gut‹, dachte ich, ›da sollten wir bis ans Ende unserer Tage bleiben! Und so groß dies Spital ist, so wäre es doch zu klein für alle Narrheit des Professors Lidenbrock!‹
Endlich, um zehn Uhr, stiegen wir in Kopenhagen aus; das Gepäck wurde auf eine Kutsche geladen und mit uns zum Hotel ›Phönix‹ an der Bredgade gefahren. Das dauerte eine halbe Stunde, denn der Bahnhof liegt außerhalb der Stadt. Darauf nahm mich mein Onkel, nachdem er ein wenig seine Toilette geordnet hatte, mit sich. Der Portier des Hotels sprach deutsch und englisch, aber der Professor, der vieler Sprachen kundig war, fragte ihn in gutem Dänisch und auf Dänisch gab ihm der Mann an, wo das Museum der Nordischen Altertümer lag. In dieser merkwürdigen Anstalt sind eine Menge wunderbarer Dinge aufgestapelt, woraus man die Geschichte des Landes mit seinen alten Steinwaffen, seinen Humpen und Schmucksachen wieder aufbauen könnte. Der Direktor desselben, der gelehrte Professor Thomson, war ein Freund des hamburgischen Konsuls. Mein Onkel hatte einen Brief an denselben, der ihn warm empfahl. Im Allgemeinen empfängt ein Gelehrter den anderen ziemlich schlecht. Aber hier war es ganz anders. Als dienstfertiger Mann ließ Herr Thomson dem Professor Lidenbrock und selbst seinem Neffen einen herzlichen Empfang zuteil werden. Dass mein Onkel dem trefflichen Direktor gegenüber sein Geheimnis bewahrte, brauche ich wohl kaum zu sagen. Unsere Absicht bestand ganz einfach darin, Island als Liebhaber ohne Interesse zu besuchen. Herr Thomson stellte sich uns ganz zur Verfügung und wir liefen über die Quais, um ein abfahrendes Schiff zu finden. Ich hoffte, es werde ganz an Beförderungsmitteln fehlen, aber ich täuschte mich. Eine kleine dänische Corvette, die ›Valkyrie‹, sollte am 2. Juni nach Reykjavik in See stechen. Der Kapitän, Herr Bjarne, befand sich an Bord. Sein baldiger Passagier drückte ihm in seiner Freude tüchtig die Hände. Der wackere Mann war über diese Herzlichkeit etwas perplex. Er fand es ganz natürlich, dass er, wie es seine Aufgabe war, nach Island fahre. Meinem Onkel kam das als etwas Erhabenes vor. Der würdige Kapitän benutzte diesen Enthusiasmus, um uns für die Überfahrt doppelt bezahlen zu lassen. Aber wir machten uns daraus nicht viel. Herr Bjarne strich eine ansehnliche Summe Speziestaler ein und sagte: »Erscheinen Sie Dienstag um sieben Uhr früh an Bord.« Wir dankten Herrn Thomson für seine Bemühung und begaben uns ins Hotel ›Phönix‹ zurück.
»Das läuft ja prima! Prima!«, sprach mein Onkel. »Welch glücklicher Zufall, dass wir dieses Schiff zur Abfahrt bereit fanden! Jetzt wollen wir frühstücken und dann die Stadt besichtigen.«
Wir begaben uns zum Kongens-Nytorv, einem großen Platz, wo sich ein Posten befand mit zwei aufgemotzten unschuldigen Kanonen, die keinem Menschen Angst machen. Dicht daneben, im Haus Nr. 5, befand sich ein französisches Speiselokal, das von einem Koch namens Vincent geführt wurde. Dort frühstückten wir ausgiebig für den mäßigen Preis von vier Mark. Danach freute ich mich wie ein Kind darauf, die Stadt zu besichtigen; mein Onkel ließ sich führen; übrigens sah er nichts, weder den unbedeutenden Königspalast, noch die hübsche Brücke aus dem 17. Jahrhundert, die vor dem Museum über den Kanal führt, noch das ungeheure Grabmal Thorwaldsens, das an den Wänden mit abscheulichen Gemälden verziert ist und die Werke dieses Bildhauers enthält, noch in einem ziemlich schönen Park das allerliebste Schloss Rosenberg, noch den bewundernswerten Renaissance-Bau der Börse, noch deren Turm, der aus den verschlungenen Schwänzen von vier bronzenen Drachen gebildet ist, noch die großen Mühlen der Festungswerke, deren ungeheure Flügel gleich den Segeln eines Schiffes im Seewind schwellen. Was hätten wir da, meine hübsche Vierländerin und ich, für herrliche Spaziergänge entlang des Hafens machen können, wo die Zweidecker und Fregatten unter ihrer roten Bedachung ruhten, an dem grünen Gestade der Meerenge, durch das schattige Buschwerk, in dessen Schoße sich die Zitadelle birgt, deren Kanonen zwischen Holunder- und Weidenzweigen ihre schwarzen Mündungen hervorstrecken! Aber ach! Mein armes Gretchen war fern und konnte ich hoffen, sie jemals wiederzusehen?
Mein Onkel jedoch hatte kein Auge für diese Schönheiten. Umso mehr aber gefiel ihm ein Glockenturm der Insel Amak, welche den südwestlichen Teil Kopenhagens bildet. Wir richteten unsere Schritte dorthin, bestiegen ein kleines Dampffahrzeug, welches zum Verkehr auf den Kanälen diente, und in einigen Augenblicken legte es am Quai Dock-Yard an. Nachdem wir durch einige enge Straßen gekommen waren, wo Galeerensträflinge in halb gelben, halb grauen Hosen unter dem Stock der Aufseher arbeiteten, kamen wir zur Vor-Frelsers-Kirk. Diese Kirche bietet nichts Auffälliges. Dagegen wurde die Aufmerksamkeit des Professors durch einen ziemlich hohen Turm angezogen, um dessen Spitze sich von der Plattform an außen im Freien eine Treppe spiralförmig windet.
»Steigen wir hinauf!«, sagte mein Onkel.
»Und was ist mit meinem Schwindel?«, fragte ich.
»Dann umso eher, man muss sich gewöhnen.«
»Doch ...«
»Komm, sag ich dir, wir haben keine Zeit zu verlieren.«
Ich musste mich fügen. Der Küster, der gegenüber wohnte, gab uns einen Schlüssel und wir begannen hinaufzusteigen. Mein Onkel ging mit munterem Schritt voran. Ich folgte nicht ohne Angst nach, denn es wurde mir sehr leicht schwindelig. Die Haltung eines Adlers und die Unempfindlichkeit seiner Nerven besaß ich nicht. Solange wir uns in der inneren Schnecke befanden, ging alles gut. Aber nach etwa 150 Stufen wehte mir die Luft ins Gesicht; wir waren bis zur Plattform gekommen, von wo aus die Treppe in freier Luft begann, mit einem schwachen Geländer und Stufen, die stets enger wurden und bis zum Unendlichen zu führen schienen.
»Es ist mir nicht möglich! Niemals!«, sprach ich.
»Solltest du wohl so feige sein? Steig hinauf!«, entgegnete der Professor unnachgiebig.
Ich musste ihm durchaus folgen und klammerte mich an. In der freien Luft schwand mir die Besinnung; bei den heftigen Windstößen fühlte ich den Turm schwanken, meine Beine versagten mir den Dienst; ich rutschte bald auf den Knien, dann auf dem Leib; ich schloss die Augen, es wurde mir übel. Endlich, indem mein Onkel mich am Kragen fasste, kam ich bei der Kuppel an.
»Jetzt schau«, sagte er, »und schaue genau hin! Du musst lernen, in einen Abgrund zu blicken!«
Ich öffnete die Augen. Ich sah die Häuser platt und zusammengedrückt, wie mitten im Nebelrauch. Über meinem Kopf zog flockiges Gewölk und durch eine optische Täuschung schien es mir unbeweglich, während der Turm, die Kuppel, wir zugleich mit in fantastischer Eile fortgezogen wurden. In der Ferne sah man auf der einen Seite grüne Felder, auf der andern das im Sonnenlicht schimmernde Meer. Bei der Spitze von Helsingör breitete sich der Sund aus, mit etlichen weißen Segeln, und östlich zeigten sich im Nebel wogend die halb verwischten Gestade Schwedens. Dies alles zusammen wirbelte vor meinen Augen. Dem ungeachtet musste ich aufstehen, mich gerade halten, schauen. Meine erste Schwindel-Lektion dauerte eine Stunde. Als ich endlich wieder hinabsteigen und den festen Boden des Pflasters betreten durfte, war ich in allen Gliedern steif.
»Morgen wiederholen wir die Lektion«, sagte mein Professor. Und wirklich, fünf Tage wurde diese Schwindelübung fortgesetzt und ich machte, mit meinem und gegen meinen Willen, spürbare Fortschritte in der Kunst, von einem hohen Standort aus zu blicken.