Kitabı oku: «Ehre und Macht», sayfa 9

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Kapitel 7

Wolfsgrün

Ende November 1209

Mühsam setzte Krystina einen Fuß vor den anderen. Seit Ewigkeiten waren sie nun schon gegangen, doch der schwarze, unheimliche Wald schien kein Ende zu nehmen. Langsam sank die Dämmerung herab und es würde keine Stunde mehr dauern, bis es ganz finster wurde.

„Ich kann nicht mehr weiter“, sagte sie und ließ sich an Ort und Stelle niedersinken.

Falk, der vor ihr hergelaufen war, drehte sich um. „Es ist nicht mehr weit. Vielleicht noch eine viertel Stunde, dann erreichen wir das Waldgut meines Freundes. Kommt, wir haben keine Zeit zu verlieren. Es wird bald dunkel sein.“ Er ging zu ihr und versuchte sie an den Armen hochzuziehen.

„Nein, lasst mich“, wehrte sie beinahe wütend ab. „Das sagt Ihr seit zwei Stunden. Gebt doch zu, dass hier in dieser Wildnis nichts als Gestrüpp kommt. Ihr könnt mich nicht dazu bewegen, auch nur einen Schritt weiterzugehen, ich glaube Euch nicht mehr.“ Tränen traten ihr in die Augen.

„Krystina, es ist wirklich nicht mehr weit“, antwortete Falk geduldig. „Ich habe Euch nur Mut machen wollen, als ich sagte, wir seien bald am Ziel. Doch jetzt ist es in der Tat nur noch ein kleines Stück“, versuchte er sie zu überzeugen.

Drei Tage liefen sie bereits durch den dichten Wald, immer einem kleinen Trampelpfad folgend, den Mensch und Tier im Laufe der Jahrhunderte hier festgetreten hatten. Einen Tag, nachdem sie von dem kleinen Weiler aufgebrochen waren, erreichten sie den Gebirgskamm. Links von ihnen lag ein großes Moorgebiet, das stellenweise den Weg unpassierbar machte. Sie mussten oft in das unwegsame Dickicht ausweichen, immer in der Angst, doch in ein Sumpfloch zu geraten. Zum Glück hatte es in den vergangenen Tagen nicht weiter geschneit. Die Sonne leckte tagsüber einen großen Teil des Schnees wieder auf. Allerdings blieben die klaren Nächte empfindlich kühl. Da die Schergen Lounys ihnen wahrscheinlich nicht mehr auf den Fersen waren, hatte Falk sich getraut, ein kleines Feuer zu entfachen. Auch war es ihm gelungen, mit der Schlinge einen Hasen zu fangen. So hatten sie genug Fleisch, um eine Weile ihren ärgsten Hunger stillen zu können.

„Keinen einzigen Schritt“, sagte Krystina trotzig und starrte vor sich hin.

„Nun gut, dann bleibt hier sitzen“, sagte Falk ungerührt. „Wenn es nicht die Kälte ist, die Euch in Eurem geschwächten Zustand umbringt, dann sind es mit Sicherheit die Wölfe...“

„Wölfe!“, rief sie entsetzt. Und wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, hörte sie in der Ferne das Jaulen eines Hundes. Oder war es doch ein Wolf? Sie schaute sich ängstlich um.

Falk hatte das Geheul auch wahrgenommen. „Hört Ihr?“, fragte er. „Ein Hund. Das heißt, wir sind in der Tat nicht mehr weit vom Haus meines Freundes entfernt.“ Auch in seiner Stimme schwang Hoffnung mit. Er setzte sich neben sie auf den Boden. Ein paar Minuten ausruhen konnte ja nicht schaden.

„Wieso habt Ihr einen Freund hier mitten in der Wildnis?“, fragte Krystina unvermittelt.

Er schlang die Arme um seine Knie und legte das Kinn darauf. Von unten herauf warf er ihr einen langen Blick zu. Schon dachte sie, er würde nicht antworten.

„Ich hatte bis jetzt ein sehr bewegtes Leben“, begann er dann. Fast wäre ihr ein Auflachen entschlüpft. Doch sie hielt sich zurück, da ihre Neugier, mehr vom seinem Leben zu erfahren, zu groß war. „Ich bin schon unzählige Male auf den Pässen über das Gebirge gegangen. Wie unwegsam das ist, habt Ihr am eigenen Leib erfahren.“ Er verzog schmerzlich das Gesicht. „Es gibt kürzere und leichtere Wege auf der westlichen Route. Doch waren wir leider gezwungen, einen großen Umweg zu machen.“ Falk hielt kurz inne, als müsste er überlegen, was er sagen sollte. „Vor vielen Jahren, ich kam damals auch von Veldstejn, bin ich oben im Moor vom Weg abgekommen. Ich stak schon bis zu den Oberschenkeln im Morast und bereitete mich langsam darauf vor, meinem Schöpfer gegenüberzutreten. Da erschien plötzlich vor meiner Nase eine lange Stange. Ein wild aussehender Kerl hielt sie mir wortlos hin. Mir war es in diesem Moment vollkommen egal, wer mir half, Hauptsache, ich wurde gerettet. Es stellte sich heraus, dass es ein Wolfsjäger war, wie sie sich schon seit Jahrhunderten hier oben im Gebirge angesiedelt hatten.“ Falk hörte auf, zu reden und schaute abwesend in das aufkommende Dunkel.

„Und dieser Wolfsjäger ist der Freund, zu dem wir wollen?“, hakte Krystina nach.

Falk schüttelte sich kurz, als wolle er in die Gegenwart zurückfinden. Unvermittelt stand er auf. „Ja, genau der. Kommt. Wir haben es gleich geschafft.“ Er streckte seiner Frau die Hand entgegen. Krystina ergriff sie und er zog sie schwungvoll nach oben. Sie taumelte kurz und hielt sich an seiner Schulter fest. Da legte Falk den Arm um ihre Taille, länger als notwendig war, bis sie das Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Er lief einige Schritte, bevor er sie wieder losließ. Da der Pfad sehr schmal war, sah sich Krystina bald gezwungen, wieder hinter ihm zu laufen. Doch sie konnte das unheimliche Gefühl nicht loswerden, dass sie die Blicke einer geheimnisvollen Kreatur aus dem dichten Gestrüpp heraus verfolgten. Sie lief dicht zu Falk auf und schob verstohlen ihre kleine Hand von hinten in seine. Erstaunt blieb er stehen und sah sie fragend an.

„Ich habe Angst. Etwas verfolgt uns“, wisperte sie.

Falk spähte über ihre Schulter. „Ich sehe nichts.“

„Seid Ihr sicher, dass es vorhin ein Hund war, den wir gehört haben?“

„Ja, Mädchen, ganz sicher. Glaube mir, wenn ein Wolf heult, wirst du es merken“, sagte er in vertraulichem Tonfall. „Außerdem sind Wölfe scheue Tiere. Es kommt selten vor, dass sie Menschen anfallen. So kalt ist es noch nicht, sie finden genug Nahrung tief im Wald.“

„Wieso gibt es dann Wolfsjäger? Heißt es nicht immer, Wölfe sind Bestien, die es auf die Menschen abgesehen haben?“ Die junge Frau blickte wenig überzeugt.

„Das sind Legenden. Es sind vor allem die Pelze, die begehrt sind. Mir tun die armen Kreaturen nur leid, die wegen der Eitelkeit und Gier der Menschen ihr Leben lassen müssen. Es sind stolze, schöne Tiere.“

Krystina schaute Falk erstaunt an. Hatte der Ritter etwa auch eine weiche Seite?

„Kommt jetzt“, sagte er rau. Er nahm erneut ihre Hand und wandte sich zum Gehen. Die Dunkelheit hatte sich fast vollständig zwischen den Bäumen ausgebreitet. Der Pfad war nur noch ungenau zu erkennen. Schon wollte Krystina eine Bemerkung darüber machen, als sie die Umrisse eines hohen Zaunes sah. Sie näherten sich einem großen Tor und Falk hämmerte mit der Faust dagegen. Der Hund schlug erneut an und bellte wie wild, als er die Neuankömmlinge bemerkte.

„Ruhig, Zacharas!“, rief eine tiefe, männliche Stimme. „Wer ist da draußen?“, fragte er dann barsch.

„Falk von Schellenberg, Meister Jorge“, antwortete Falk laut. „Ich bin auf der Durchreise von Vildstejn, will nach Schellenberg.“

„Falk?“ fragte der andere erstaunt. „In der Tat, ich erkenne deine Stimme.“ Mit einem lauten Knarren schwang ein Flügel des Tores nach außen auf. Der Hund begann wieder zu bellen. „Schweig, verflixter Köter“, fuhr ihn sein Herr an. Dann nahm er eine Fackel aus der Halterung neben dem Tor und trat heraus.

Krystina staunte nicht schlecht, als sie den vierschrötigen Mann auf sich zukommen sah. Ein zotteliger Pelz war über seine Schultern geworfen. Ein schwarzer Bart verdeckte sein halbes Gesicht und langes, dunkles Haar fiel ihm ungebändigt über den Rücken. Unwillkürlich trat sie einen Schritt hinter Falk.

„Falk, mein Freund, du bist es in der Tat. Und nicht allein, wie ich sehe.“ Er fixierte Krystina, die sich vergeblich unsichtbar zu machen versuchte. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, und seine Augen blickten freundlich.

„Sei gegrüßt, Jorge. Und das ist mein Eheweib, Krystina von Schellenberg.“ Falk zog sie an seine Seite. Als Krystina ihren neuen Namen aus dem Mund Falks hörte, wurde ihr wieder bewusst, dass sie jetzt seine Frau war. Fast hatte sie es vergessen, sie waren wie zwei gute Freunde in den letzten Tagen miteinander umgegangen. Ihr Herz machte einen Sprung.

„Meine Ehrerbietung“, sagte Jorge und verbeugte sich etwas übertrieben vor Krystina. „Doch, was treibt Euch in der Nacht hier in diese Einsamkeit? Und noch dazu zu Fuß und ohne Gefolge und Gepäck?“

„Das ist eine lange Geschichte, mein Freund. Doch die würde ich dir lieber bei einem Humpen Bier und vor einem wärmenden Feuer erzählen.“

„Du hast recht. Kommt herein in mein bescheidenes Heim. Meine Frau wird euch willkommen heißen. Bestimmt hat sie das Abendmahl bereits auf dem Herd.“ Mit einer einladenden Geste lud er sie ein, in den Hof zu treten. Dann ging er voran auf das große Holzhaus zu, dass sich zwischen mehreren anderen Gebäuden erhob.

„Frau?“, flüsterte Krystina fragend. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass eine ihrer Geschlechtsgenossinnen freiwillig hier in dieser Ödnis leben würde. Doch bevor Falk zu einer Antwort ansetzen konnte, rief Jorge laut nach seinem Weib. In der Tür erschien eine hochgewachsene, schlanke Frau. Sie mochte dreißig Jahre zählen. Sie trug ein schlichtes Gewand, über das sie sich eine Schürze gebunden hatte. Ihre blonden Zöpfe fielen ihr über den Rücken fast bis zur Taille. Kein Schleier bedeckte ihren Kopf. Ihre schönen, hellen Augen nahmen einen fragenden Ausdruck an, als sie die Neuankömmlinge sah.

„Els, das ist Falk von Schellenberg“, sagte Jorge zu seinem Weib. Els schaute freundlich und knickste vor Falk. Es schien ihr gar nicht aufzufallen, wie abgerissen und schmutzig er aussah. Auch überschattete langsam ein dunkler Bart seine Züge.

„Ich habe Els schon viel von dir erzählt, Falk. Die Geschichte, als du wie ein unwissender Tor in den Sumpf geraten bist, will sie immer wieder hören.“ Jorge lachte dröhnend. Els lief rot an und senkte verschämt den Kopf. „Nun, Weib, lasse unsre Gäste nicht länger warten. Sie sind fast erfroren und haben bestimmt Hunger.“ Er hob seine Augenbrauen und sah Falk vielsagend an.

Falk und Krystina folgten dem Wolfsjäger in das Innere seines Hauses. Eigentlich war es nur eine große Halle, in deren Mitte ein riesiger Herd eine wohlige Wärme verströmte. Material zum Heizen hatten sie hier wahrlich genug. Direkt vor dem Herd war ein großer Tisch, an dessen Seiten zwei lange Bänke standen. Vier Männer saßen nebeneinander auf der einen Seite, geradeso, als würden sie ungeduldig auf Jorges Rückkehr warten.

„Meine Brüder Jos und Mattis kennst du ja“, sagte er zu Falk und wies mit der Hand auf die zwei, welche dem Feuer am nächsten saßen. „Und das sind meine Knechte Willem und Ancel“, fuhr er fort. Falk nickte den Männern freundlich zu und sie brummten einen schüchternen Gruß. „Setzt euch“, forderte Jorge seine Gäste auf. Das ließen sich die beiden nicht zweimal sagen. Sie rutschten auf die freie Bank, Krystina ganz nah an das Feuer heran. Kaum hatten sie sich niedergelassen, stellte Els zwei hölzerne Schüsseln vor sie hin, in denen ein dicker Brei dampfte. Krystinas Magen begann zu knurren. Sie konnte sich kaum beherrschen, nicht den Löffel zu fassen und den Brei gierig in sich hineinzuschaufeln. Stattdessen bedankte sie sich artig und wartete, dass auch die anderen etwas bekamen. Zu guter Letzt stellte die Hausherrin noch eine große Platte mit deftigen Stücken Fleisches in die Mitte des Tisches. Etwas umständlich ließ sich Jorge Falk gegenüber nieder. „Greift zu. An Nahrung mangelt es uns hier nicht“, forderte er seine Gäste auf. „Das Wild ging mir letzte Woche in die Falle.“ Nach einem kurzen Dankgebet nahm er sich einen gewaltigen Schlegel und begann mit großem Appetit das Fleisch mit seinen Zähnen herunterzuziehen.

Kristina fasste den Löffel und kostete den Brei. Er schmeckte überraschend gut und war mit viel Honig gesüßt. Nachdem sie ihren ersten Hunger gestillt hatte, wandte sie sich ihrer Gastgeberin zu. „Wie kommt es, dass Ihr hier mitten im Wald wohnt?“, fragte sie die ältere Frau.

„Nun, es mag Euch hier sehr einsam erscheinen. Aber dem ist gar nicht so. Denn es gibt außer den Tieren etliche Bewohner des Waldes.“ Sie lächelte. „Ich bin die Tochter eines Köhlers. Mein Vater hat seinen Meiler nur einen viertel Tagesmarsch von hier. Mein erster Mann, Gott habe ihn selig, ist vor drei Wintern bei der Holzabfuhr zu Tode gekommen. Er war ein freier Waldbauer aus Bockau. Nach seinem Tod bin ich zu meinem Vater zurückgegangen. Wir hatten keine Kinder und der Bruder meines Gemahls hat den Hof übernommen“, setzte sie etwas wehmütig hinzu.

„Und Ihr seid die einzige Frau hier auf dem Hof?“, fragte Krystina erstaunt und Mitleid schwang in ihrer Stimme mit.

„Nein, wir haben eine Magd. Aber Susica ist bei ihrer Schwester. Doch verzeiht mir, wenn ich Euch danach frage“, fuhr sie fort. „Wie kommt es, dass Ihr so kurz vor dem Winter hier über den Pass kommt? Es ist doch schrecklich beschwerlich und auch nicht ganz ungefährlich.“

„Das hat dich nicht zu interessieren, Weib!“, fuhr sie der Wolfsjäger an.

Erschrocken senkte Els den Blick. „Verzeiht, ich wollte nicht ungebührlich sein“, murmelte sie.

„Natürlich, für Eure Gastfreundschaft schulde ich Euch wahrlich eine Erklärung“, antwortete Krystina und ignorierte Jorge vollkommen. Was mischte der sich in ein Gespräch, das sie mit seiner Frau führte? Sie warf Falk einen kurzen Blick zu.

„Ja, ich glaube auch, dass wir euch eine Antwort auf eure Fragen schuldig sind“, kam dieser ihr zu Hilfe. Mit wenigen Worten schilderte er, dass er sich auf der Flucht vor den Schergen des böhmischen Gaugrafen von Louny befand. Doch erwähnte er nicht, dass Krystina erst seit kurzem seine Frau war und welche Rolle sie bei der ganzen Sache spielte. Sie war ihm dankbar dafür. So musste sie keine unbequemen Fragen beantworten.

„Wir sind auf dem Weg nach Schellenberg. In der Mark Meißen hat Miro keinen Einfluss. Er glaubt uns wahrscheinlich auf dem Rübenauer Pass über Blatno.“ Falk grinste. „Doch, wie du dir bereits denken kannst, sind wir über Greselin, am Kranichsee vorbei. Wir wollen weiter nach Zvonica. Es sollen sich dort ja etliche Franken angesiedelt haben in den letzten Jahren. Vielleicht gelingt es uns, unterwegs zu einem Tross zu stoßen, der uns auf einem Karren mitnimmt.“ Er schaute kurz zu Krystina. „Mein Weib und, ehrlich gesagt, auch ich, sind des ständigen Laufens müde. Außerdem wird es Zeit, dass ich nach Hause komme und mich wieder einmal um meine Ländereien kümmere.“ Ein schiefes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

„Nun, einen Karren kann ich euch leider nicht geben. Wir haben nur ein Grautier im Stall und ein Pferd, das wir zur Holzabfuhr brauchen.“

„Holzabfuhr?“, fragte Falk erstaunt. „Ist die Wolfsjägerei nicht einträglich genug?“

„Nun, es gibt Zeiten, da ist es ratsam, die Jagd zu reduzieren. Was habe ich davon, den Wolf auszurotten? Ich will mit seinem Pelz Geld verdienen. Also heißt es, Isegrim sich vermehren lassen.“ Jorge hob die Hände, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. „Im Winter und im Frühjahr schlagen wir Holz“, setzte er hinzu.

„Nicht alle denken so“, antwortete Falk. „In den kaiserlichen Forsten um die Reichsstadt Chemnitz schonen die Jäger keinen der Wölfe. Sie hocken auf ihren Freigütern und lassen sich von den höfischen Beamten eine Menge Silber dafür zahlen, dass sie Pelze liefern.“

Die Männer schwiegen eine Weile und schauten nachdenklich ins Feuer. Falk warf Krystina einen Blick zu und sah, dass sie sich vor Müdigkeit kaum noch aufrecht halten konnte. Sie war blass und ihre Augen glänzten wieder fiebrig.

„Könnt ihr uns Herberge für ein, zwei Nächte gewähren“, fragte er Jorge. „Mein Weib ist unterwegs krank geworden und bedarf ein wenig der Ruhe. Sobald ich in Schellenberg bin, werde ich dir eine Wagenladung mit Vorräten bringen lassen. Der Winter steht vor der Tür und ich glaube, ein paar Sack Mehl und einige Fässer Freiberger Gerstensaftes könnt ihr gut gebrauchen.“

„Ihr seid meine Gäste, Falk. Dein Weib soll sich ausruhen, auf einen Tag mehr oder weniger kommt es nicht an. Els wird sich um sie kümmern. Und was dein Angebot anbelangt, ein Fass des meißnischen Bieres ist hier immer willkommen. Stimmt`s Männer?“, wandte er sich an die vier anderen. Sie grinsten breit.

Die Knechte erhoben sich bald darauf und zogen sich mit einem kurzen Gruß zurück in eine Ecke der Halle, wo sie sich auf ihre Strohsäcke legten. Jorge füllte die Humpen noch einmal nach und prostete seinen Brüdern und Falk zu. Die beiden jüngeren Männer waren unterdessen auch etwas gesprächiger geworden und bald diskutierten die vier eifrig die Lage im deutschen Reich.

Krystina fielen vor Erschöpfung langsam die Augen zu. Auch sie hatte dem dunklen Bier zugesprochen und die Anstrengungen der letzten Tage forderten ihren Tribut.

„Kommt, Herrin“, sagte Els leise. „Ich zeige Euch, wo ihr Euch niederlegen könnt.“ Dankbar erhob sich Krystina und folgte der Frau, ohne den Blick bemerkend, den Falk ihr hinterherschickte. Eigentlich würde er sich auch lieber zurückziehen, aber die Höflichkeit gebot es, den Hausherrn entscheiden zu lassen, wann die Nachtruhe begann.

Els führte Krystina in einen Verschlag am Ende der Halle. Ein dichter Vorhang hing vor dem Durchgang und schützte die Frauen so vor den Blicken der Männer. Auf einer Bettstatt lagen zwei Strohsäcke, die mit dicken Wolfspelzen bedeckt waren.

„Ihr könnt hier schlafen. Es ist die Kammer von Jorges Brüdern. Doch sie schlafen heute Nacht in der Halle vor dem Feuer.“

„Ich danke Euch, Els“, sagte Krystina mit vor Müdigkeit belegter Stimme.

„Ich bringe Euch noch einen kleinen Trog mit Wasser, dann könnt Ihr Euch ein wenig waschen. Und die Tür hinten am Ende der Kammer führt nach draußen. Ihr wisst schon...“, sagte sie mit einem etwas verlegenen Lächeln.

„Ich danke Euch nochmals. Es wäre wirklich himmlisch, etwas Wasser zu haben, ohne dabei an einem eiskalten Bach knien zu müssen.“

Els nickte. Dann verließ sie die Kammer. Wenig später kam sie mit einem kleinen Henkeltrog voll warmen Wassers zurück. „Ich wünsche Euch eine gute Nacht, Herrin“, sagte sie respektvoll.

„Ich dir auch“, antwortete Krystina. Nachdem Els durch den Vorhang verschwunden war, ging sie zu der Tür und probierte vorsichtig, ob diese sich öffnen ließ. Mit Erleichterung stellte sie fest, dass die Tür nur mit einem kurzen Riegel verschlossen war. Schnell schlüpfte sie hinaus, in der Hoffnung, dass in der Zwischenzeit keiner auf die Idee kam, den Riegel wieder vorzulegen. Nach wenigen Augenblicken war sie zurück. Sie zog ihr Übergewand aus und wusch sich Gesicht und Hände. Was würde sie jetzt für ein Bad geben. Doch war sie schon froh, in einem richtigen Bett schlafen zu können, ohne Angst, dass sie jemand verfolgte. Sie kroch unter die Felle. Im selben Moment war sie eingeschlafen.

Kapitel 8

Schellenberg

Dezember 1209

Die Burg Schellenberg thronte oben auf einem Felsen über dem Zschopautal. Der mächtige Bergfried und die hohen Türme an jeder Ecke der Mauer waren weithin sichtbar und demonstrierten die Stärke und den Einfluss, welche die Bewohner der Veste hatten.

Falk und Krystina näherten sich der Burg von Westen. In dem kleinen Dorf, das zur Staleburc, einer Grenzfeste direkt am Rande des Dunkelwaldes, gehörte, waren sie auf einen Tross von Händlern gestoßen. Diese reisten von Böhmen her auf der Salzstraße und wollten in Freiberg Geschäfte tätigen, bevor sie weiter in die Mark Landsberg zogen. Falk erzählte ihnen wieder die Geschichte von seiner armen, schwangeren Frau, und dass sie aus dem Böhmischen geflohen seien, um in der Mark Meißen zu einem Verwandten von Falk zu gehen, bei dem sie Aufnahme finden würden. Er sagte ihnen, er selbst sei Söldner in der Armee des böhmischen Königs gewesen und wolle nun ein kleines Stück Land bewirtschaften, das er von seinem ältesten Bruder geerbt hätte. Die Kaufleute schenkten ihnen Glauben und waren voller Mitleid. Bereitwillig ließen sie Falk und Krystina auf einem Karren, der mit Ballen irgendeines zarten, netzartigen Stoffes beladen war, wie man ihn nur in Prag webte, aufsitzen. Trotz der schlechten Straßen fielen sie bald, auf das Polster der weichen Ballen gebettet, in einen tiefen Schlaf. Als sie am gestrigen Abend in Dithrichsdorf ankamen, schliefen sie so fest, dass die Kaufleute sie mit Gewalt wecken mussten. Im Haus des Dorfältesten wurde ihnen ein Schlafplatz im Verschlag bei den Kühen angewiesen. Falk wusste, dass Dithrich der Locator des Ortes war, wollte sich aber nicht zu erkennen geben. Sein abgerissener Zustand hätte ihn in Erklärungsnöte gebracht. Dithrichsdorf gehörte zur Herrschaft derer von Einsiedel. Falk hatte keinen besonders guten Draht zu Gunther von Einsiedel und zog es auch deshalb vor, unerkannt zu bleiben. So beschloss er, erst am nächsten Morgen nach Schellenberg aufzubrechen. Auch die Kaufleute reisten weiter. In Flöhe, unweit von Schellenberg, wollten sie einen Posten mit Sätteln und Schilden aufzunehmen, den Flößer den Fluss Flawa abwärts aus dem Böhmischen brachten.

Unterhalb der Schellenburg verabschiedeten sich Falk und Krystina von den Händlern. Ein steiler Weg brachte sie hoch auf den Berg. Krystina kam nur noch langsam voran. Die lange Wanderung von Louny bis nach Schellenberg hatte ihre Kräfte vollkommen aufgezehrt. Es dauerte über eine Stunde, bis sie endlich vor der hochgezogenen Zugbrücke standen. Falk überkam ein unheimliches Gefühl, als er sich hier draußen vor seiner eigenen Burg ausgesperrt fand. Doch wusste er, dass die Wachen immer oben auf den Zinnen der Wehrmauer patrouillierten und die Wanderer längst gesehen haben mussten. Natürlich ahnten sie nicht, dass es ihr eigener Herr war, der wie ein Bettler vor dem Tor stand.

Falk rief den Burghauptmann beim Namen und begehrte Einlass. Tankmar von Rauenstein spähte über die Mauer.

„Falk?“, fragte er erstaunt. „Bist du es wirklich?“ Erschütterung schwang in seiner Stimme mit. Er konnte kaum glauben, dass sein Herr wie ein Strauchdieb vor dem Tor um Eintritt bat. Sie hörten, wie er Anweisungen schrie, die Zugbrücke unverzüglich herabzulassen. Nach wenigen Minuten standen Falk und Krystina im Burghof. Fast hätte sich Falk auf die Knie fallen lassen, um den Boden seines Heimes zu küssen. Eine Welle der Erleichterung erfasste ihn, und Tränen stiegen ihm in die Augen. Er nahm Krystinas Hand und zog sie unter den erstaunten Blicken der Burgbewohner wortlos mit sich in Richtung der Halle. Der große Palas war direkt an die südwestliche Wehrmauer angelehnt. Ein schönes Portal, dessen Rundbogen von rankenverzierten Säulen gestützt wurde, öffnete sich und eine kleine rundliche Frau erschien. Als sie Falk sah, begann ihr ganzes Gesicht zu strahlen.

„Oh Herr, ich fasse es nicht. Ihr seid wieder zurück.“ Die Stimme drohte ihr zu versagen. „Doch um des Himmels Willen, was ist Euch geschehen? Wo sind Euer Pferd, Eure Männer? Begleitet Euch gar niemand?“ Fassungslos rang sie die Hände.

„Marthe, halte ein“, sagte Falk mit erschöpfter Stimme. „Lass uns eintreten. Du wirst noch früh genug erfahren, weshalb ich allein und zu Fuß nach Hause komme.“

Er nahm abermals Krystinas Hand und trat durch die Tür.

„Bei Gott, es ist Falk! Dem Himmel sei Dank, du lebst.“ Ein stattlicher Kerl schlug ihm kräftig mit der flachen Hand auf den Rücken.

„Du scheinst mich wirklich vermisst zu haben, Jiri“, sagte Falk unter Lachen und zog den anderen kurz an sich. Zwei weitere Männer, die in der Halle am Tisch gesessen hatten, näherten sich.

„Nun, Jost. Wie mir scheint, bist du nochmals gewachsen“, neckte Falk den jüngeren.

„Verdammt, Falk, der Teufel soll mich holen ...“, begann Jost, sein früherer Knappe.

„Das kann schneller gehen, als du denkst, mein Freund“, sagte Falk und verzog das Gesicht.

„Gott sei`s gedankt, du bist heil zurück. Doch sag uns, wie konntest du bei Nacht und Nebel aus Schellenberg verschwinden, ohne uns mitzunehmen?“, fuhr Jost mit vorwurfsvoller Stimme fort. „Dein Onkel Wolfram hat doch freiwillig das Feld geräumt.“

„Lasst uns doch erstmal reinkommen, Männer. Ihr werdet es noch früh genug erfahren. Mein Onkel Friedrich brauchte mich für eine Mission.“

Dann wandte sich Falk zu dem stillen Mann, der hinter seinen zwei Kumpanen geblieben war. Er gab ihm die Hand, als würde der andere ihn auch ohne Worte verstehen. Milek von Slavetin, ein ehemaliger Knappe Miros von Louny, später Falks Schützling und Ritter auf Schellenberg, war ihm treu ergeben, denn Falk hatte auch ihn einst aus großer Not gerettet. Milek war nur wenige Jahre jünger als Falk, doch seine schlanke Gestalt und seine feinen Gesichtszüge ließen ihn fast noch jugendlich erscheinen. Dennoch hatte ihm Ottokar im letzten Jahr die Ritterwürde verliehen, weil er den böhmischen König auf einer Jagd vor dem Angriff eines Ebers geschützt hatte. Er selbst war damals schwer verletzt worden. Wenn die Verwundung auch nicht lebensbedrohlich gewesen war, zog er heute noch sein linkes Bein etwas nach.

„Ich wäre mit dir gegangen, ganz gleich, was uns erwartet hätte“, sagte er mit leisem Vorwurf in der Stimme. Falk nickte. Er drehte sich zu seiner jungen Frau um, fast so, als wäre ihm jetzt erst wieder ihre Anwesenheit bewusst geworden.

„Ach, übrigens, das ist eure neue Herrin, Krystina von Schellenberg. Du wirst sie morgen durch das Haus führen“, wandte er sich an Marthe, die händeringend hinter ihnen stand. Die Männer schauten Falk ungläubig an.

„Ich möchte, dass sie von allen voller Respekt und mit Ehrfurcht behandelt wird. Das kannst du gleich dem Gesinde mitteilen, Marthe. Und dann lasse die Badestube anheizen. Doch zunächst bringe uns ein anständiges Frühstück.“ Er grinste und zog seine Frau hinter sich her in den Saal, gefolgt von seinen drei fassungslosen Rittern.

Es war schon spät am Vormittag als Krystina erwachte. Sie räkelte sich wohlig in den weichen Daunen und ein Gefühl der Geborgenheit überkam sie. Ihre Blicke schweiften durch den Raum. Zunächst war sie verwirrt, nichts hier kam ihr bekannt vor. Schlagartig setzte sie sich auf. Panik überfiel sie, ihr Herz begann zu rasen. Sie fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Plötzlich sah sie die Bilder des gestrigen Tages wieder vor sich. Sie war auf Schellenberg! Langsam ließ sie sich wieder in die Kissen sinken und ihre Gedanken schweiften zurück zu den Ereignissen des Vortages.

Falk hatte sie in die Halle geführt und vor einem wuchtigen Kamin in einen reich geschnitzten Sessel gedrückt. „Ruh dich etwas aus, ich bin gleich zurück“, waren seine einzigen Worte gewesen. Dann verließ er die Halle wieder. Es dauerte nicht lange und die alte Marthe erschien mit einigen Bediensteten. Sie rückten einen kleineren Tisch vor sie hin und deckten ihn mit mehreren Schüsseln und Platten, auf denen sich Berge von Speisen türmten. Außer einer irdenen Schüssel mit dampfendem Gerstenbrei, gab es weitere mit gekochten Birnen in dicker Milch und mit gestampften Rüben. Der Anblick der Hühnerschenkel, des Schinkens und des goldgelben Käses auf den Tellern ließen ihr trotz ihrer Erschöpfung das Wasser im Munde zusammenlaufen. Eine hübsche Magd schenkte ihr in einem ziselierten, gläsernen Pokal Wein ein. Jeder im Raum behandelte sie mit Respekt, aber sie spürte auch die Angst, welche die Leute unterschwellig beherrschte. Keiner wagte das Wort an sie zu richten und allesamt war darauf bedacht, ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Die alte Marthe stellte sich hinter ihren Stuhl und beaufsichtigte die Mädchen, welche Krystina bedienten.

„Ich danke dir, Marthe, es ist himmlisch, endlich wieder an einem ordentlich gedeckten Tisch sitzen zu können.“ Sie drehte sich zu der alten Frau herum und lächelte sie an. Marthe lächelte zaghaft zurück.

„Bist du die Wirtschafterin hier?“, fragte Krystina.

„Ja, Herrin.“

„Komm her, Marthe, setze dich zu mir“, sagte sie freundlich und wies mit der Hand auf den Hocker neben sich.

Erschrocken fuhr Marthe zurück. „Das schickt sich nicht, Herrin. Der Herr würde mich bestrafen.“

Verwundert schaute Krystina die Wirtschafterin an. Sollte Falk wirklich ein so strenger Herr sein, dass die Leute Angst vor ihm hatten? Sie schaute zu den Mägden und den zwei Männern, welche dicke Holzscheite neben dem Kamin aufschichteten. Keiner wagte, sie direkt anzuschauen, dennoch zuckten sie bei ihren kleinsten Bewegungen zusammen, in der Erwartung, einen Befehl entgegenzunehmen.

Krystina fühlte sich unwohl und nahm sich vor, Falk zu fragen, warum die Menschen hier so verschreckt waren. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er sie schlecht behandelte. Vor ihrem geistigen Auge erschien der Abend, als sie sich auf die Burg Vildstejn geschlichen hatten. Falk war beinahe liebevoll mit der alten Köchin umgegangen und sie hätte alles für ihn getan. Auch der Wolfsjäger hatte Falk bereitwillig geholfen. Und die drei Ritter vorhin schienen auch keine Furcht vor ihm zu haben, auch wenn sie ihm sehr respektvoll begegneten.

Nach dem Mahl lehnte sich Krystina in ihrem Sessel zurück und döste vor sich hin. Sie wusste nicht so recht, was sie jetzt tun sollte und beschloss, einfach zu warten. Es mochte schon auf den Nachmittag zugehen, als Falk wieder in der Halle erschien. Fast hätte sie ihn nicht erkannt. Wahrscheinlich war er im Badehaus gewesen. Seine Wangen waren glattrasiert. Durch die Strapazen der letzten Tage war er hagerer geworden, aber das ließ seine markanten Gesichtszüge besonders deutlich hervortreten. Das noch feuchte, rabenschwarze Haar fiel ihm glänzend auf die Schultern. Er trug eine dunkelblaue Tunika, die ihm bis zu den Knien reichte. Seine Füße steckten in weichen, braunen Lederschuhen, deren Riemen bis über die Wade hochgebunden waren und seine dunklen Beinkleider zusammenhielten. Ein ärmelloser, tiefgelber Mantel vervollständigte seinen Aufzug. Falk sah einfach prächtig aus, ganz der mächtige Adlige, der er zu sein schien. Angesichts seiner imposanten Erscheinung kam sich Krystina klein und unbedeutend vor. Erst jetzt wurde ihr so richtig bewusst, dass sie noch immer ihre schmutzigen, schäbigen Kleider anhatte. Etwas eingeschüchtert sah sie ihrem Gemahl entgegen. Jetzt ahnte sie ein kleines bisschen, wie es den Bediensteten der Burg ergehen mochte. Sein Blick war finster als er auf sie zuging, und sie fragte sich unwillkürlich, womit sie sein Missfallen erregt haben könnte.

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