Kitabı oku: «Sich einen Namen machen», sayfa 10

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3.4 Ebenen onymischer Markierung

„Sonnenschutz für den Großen Hund“ ist der Titel eines Beitrags, den die Max-Planck-Gesellschaft im Jahr 2013 auf ihrer Internetseite veröffentlicht hat. Zunächst ist der Leser beim Lesen dieses Titels möglicherweise irritiert, es wird jedoch schnell klar, dass die NP „den Großen Hund“ hier onymisch und nicht appellativ zu verstehen ist. Was dieses Beispiel zeigt, ist, dass es bei den Inventaren von Name und Appellativ durchaus Übereinstimmungen gibt und dass dem Leser prinzipiell „auf irgendeine Weise unmissverständlich signalisiert werden muss, wie er ein Substantiv zu interpretieren hat“ (NÜBLING 2005: 27). Im hier vorliegenden Beispiel ist es die Großschreibung des Adjektivs, die den onymischen Status der NP eindeutig kennzeichnet. Allerdings wird die „Namenhaftigkeit“ von sprachlichen Einheiten neben der Großschreibung auch durch weitere Merkmale markiert. Diese können mit NÜBLING als „Eigennamenmarker“ (2005: 25) oder als „onymische […] Indikatoren“ (2005: 28) bezeichnet werden.

Für die vorliegende Arbeit sind derartige Strategien, mit denen Formen als onymisch gekennzeichnet werden, hoch relevant. Denn auch bei den Graffitinamen gilt es zu klären, wie die Auszeichnung als Name erfolgt bzw. auf welchen sprachlichen Ebenen diese Kennzeichnung stattfindet. Der Einsatz von Onymizitätsmarkern ist dabei von zentraler Bedeutung, weil bei den Namen im Graffiti – wie im empirischen Teil dieser Arbeit noch zu zeigen ist – in der Regel kein syntaktischer Kontext gegeben ist, der Hinweise darauf liefern könnte, wie ein Substantiv zu interpretieren ist. Die Graffitinamen müssen sich demnach aus sich selbst heraus als solche zu erkennen geben. In den folgenden Abschnitten wird erläutert, wie die onymische Kennzeichnung in anderen Namenarten bzw. Namenklassen (z.B. Ruf- und Familiennamen, Ortsnamen) erfolgt. Dazu werden zunächst die besonderen grammatischen Eigenschaften von Namen, d.h. die grammatischen Indikatoren, in den Blick genommen. Die graphematischen Indikatoren finden sich – wegen der zentralen Bedeutung der Graphematik für die onymische Markierung – in einem gesonderten Abschnitt. Abschließend wird in 3.4.3 auch darauf eingegangen, welche Möglichkeiten der graphischen Kennzeichnung von Namen bestehen.

3.4.1 Grammatische Markierung der Namen

Im oben genannten Beispiel „Sonnenschutz für den Großen Hund“ ist die NP durch die Großschreibung des Adjektivs relativ eindeutig als Name identifizierbar. In anderen Fällen ist der Status einer NP bzw. eines Substantivs jedoch nicht so einfach erkennbar. So werden etwa Substantive wie Schneider, Fischer und Müller als Berufsbezeichnung, aber auch als Familiennamen genutzt. Namen wie Paradies (Stadtteil in Konstanz am Bodensee), Feierabend (Gemeinde im Kreis Dithmarschen, Schleswig-Holstein) und Sommerloch (Gemeinde im Landkreis Bad Kreuznach, Rheinland-Pfalz) zeigen, dass auch bei einigen Siedlungsnamen Verwechslungsgefahr besteht.1 Wie eine Suche bei dasoertliche.de zeigt, gibt es nicht nur Überschneidungen von Namen und Appellativen, sondern auch von Namen und anderen Wortarten: Beispielhaft können hier die Adjektive klein, rot und dünn sowie die Adverbien freitags, bald und warum genannt werden, die auch als Familiennamen existieren.2

Eine trennscharfe Linie zwischen Name und Appellativ ist in vielen Fällen jedoch kaum zu ziehen; zu denken sei hier beispielsweise an Monosemantika wie Mond, Sonne, Himmel, Hölle und Paradies, die zwar monoreferent sind, dafür allerdings klare semantische Merkmale aufweisen (NÜBLING ET AL. 2015: 35). FLEISCHER ist daher zuzustimmen, wenn er „von einem Spannungsverhältnis zwischen zwei Polen“ spricht, bei dem die Unterschiede an den Polen, sozusagen mit Blick auf die Prototypen der jeweiligen Kategorie, am offensichtlichsten sind (1992: 4).3 Diese Schwierigkeit, Name und Appellativ klar voneinander abzugrenzen, ergibt sich auch daraus, dass sich Namen zwar funktional von Appellativen unterscheiden, gleichzeitig aber größtenteils aus ihnen hervorgegangen sind. HARNISCH UND NÜBLING sprechen diesbezüglich auch vom „Dilemma“ der Eigennamen (2004: 1902).

Häufig ist es der Fall, dass sich Name und Appellativ beim Prozess der Onymisierung auseinanderentwickeln, sodass ein formaler Unterschied entsteht (NÜBLING ET AL. 2015: 50). NÜBLING ET AL. bezeichnen diesen Vorgang als „Dissoziation“ (2015: 50). Der formale Unterschied kann dabei auf zwei Wegen zustande kommen: Entweder entfernt sich der Name vom Appellativ, etwa durch Assimilations- oder Kontraktionsprozesse, oder das Appellativ entfernt sich vom Namen, indem es (als Bestandteil des Lexikons) an morphologischen, phonologischen und graphematischen Weiterentwicklungen der Sprache teilnimmt, während der Name unverändert bleibt (NÜBLING 1997b: 213). NÜBLING schreibt dazu Folgendes:

Ein Appellativ bleibt […] stärker in Wortfeld und Wortfamilie verankert und verändert sich in der Regel mit, wenn hier Verschiebungen, neue Konstellationen bzw. Innovationen eintreten. Durch die höhere Veränderungsanfälligkeit des Appellativs entfernt sich dieses vom sich zunehmend (passiv) isolierenden Eigennamen. (NÜBLING 2000: 294)

Nicht selten sterben zugrunde liegende Appellative sogar aus und existieren nur noch in Namen weiter. Das ist etwa bei einem Rufnamen wie Gertrut der Fall, der auf die germanischen Wörter für ,Speer‘ und ,Stärke‘ zurückgeht.

Beim Übergang vom Appellativ zum Namen setzt jedoch nicht immer eine Dissoziation ein, sodass sich die Inventare der Namen und Appellative – wie bereits gezeigt – in Teilen überschneiden (NÜBLING ET AL. 2015: 16, NÜBLING 2000: 280ff.). Dies gilt für einige Namenarten stärker als für andere. Insbesondere relativ junge Arten wie Warennamen, Behördennamen oder Institutionsnamen weisen häufig transparente Strukturen auf. Bei älteren Namenarten wie Familiennamen und Siedlungsnamen hat sich die formale Entfernung zum Appellativ typischerweise bereits vollzogen. Allerdings finden sich auch hier Ausnahmen, wie die oben genannten Beispiele zeigen.

Daraus ergibt sich, dass Namen verschiedene Dissoziationsgrade aufweisen: Sie können auf einer Skala zwischen Transparenz und Opazität angeordnet werden (NÜBLING ET AL. 2015: 54ff., NÜBLING 2000: 290). Völlig transparente Namen sind homonym zu Appellativen oder Wörtern anderer Wortarten, weshalb es bei Familiennamen wie Fischer und Schäfer zu Verwechslungen kommen kann. NÜBLING stellt jedoch für die Familien- und Ortsnamen des Deutschen fest, dass die Zahl der völligen Überschneidungen äußerst gering ist (2000: 285). Auch die Fälle gänzlicher Opazität machen bei Familien- und Ortsnamen einen verhältnismäßig kleinen Teil aus. Das Gros ist vielmehr zwischen den beiden Extrempunkten anzuordnen, da häufig Teile des Namens (noch) transparent sind oder lexikalische Strukturen durchschimmern (NÜBLING 2000: 285). Angesichts der Funktionen von Namen besteht der Vorteil dieser teiltransparenten Namen darin, dass keine Homonymie zu Appellativen und somit auch keine Verwechslungsgefahr besteht, durch die Nutzung appellativ-ähnlicher Strukturen jedoch die Memorierbarkeit erleichtert wird (NÜBLING 2000: 285, vgl. dazu auch WERNER 1995: 478).

NÜBLING ET AL. weisen darauf hin, dass die Unterscheidung von Namen und Appellativen im Deutschen „in die Grammatik verlegt“ ist (2015: 65). An dieser Leistung sind unterschiedliche sprachliche Ebenen beteiligt. KALVERKÄMPER stellte bereits 1978 fest, dass in der deutschen Sprache graphematische, morphologische, prosodische und phonologische Besonderheiten ein Wort als onymisch markieren (1978: 166).4 Namen werden auch auf syntaktischer Ebene von Appellativen unterschieden, hier betrifft die Markierung jedoch nicht den Wortkörper selbst.5 Zur Grammatik der Namen finden sich in der onomastischen Literatur allerdings nur wenige Publikationen; grammatische Kriterien werden bisher „too often ignored in approaches to names“ (VAN LANGENDONCK UND VAN DE VELDE 2016: 38).6 Die Ergebnisse dieser Publikationen, die die besonderen grammatischen Eigenschaften der Namen thematisiert haben, werden daher im Folgenden zusammengefasst.7

Phonologische Besonderheiten der Namen, die eine Unterscheidung von Name und Appellativ ermöglichen, beziehen sich im Deutschen beispielsweise auf unterschiedliche Lautfolgen. In Namen wie Bschorer, Gfesser und Georg finden sich Lautfolgen, die den Silbenbauregeln des Deutschen widersprechen (NÜBLING ET AL. 2015: 67).8 Weitere Unterschiede ergeben sich bezüglich der Prosodie: So werden etwa PPs (z.B. aus Präp. + Art. + Appellativ) als Onyme markiert, indem sich der Akzent vom Substantiv auf die Präposition verschiebt (NÜBLING 2005: 30). Beispielhaft für dieses Verfahren seien die Namen ˈVonderau und ˈZurbrüggen genannt, bei denen folglich jeweils die erste Silbe betont ist. Ferner unterscheiden sich Namen und Appellative phonologisch auch hinsichtlich ihrer Lautverteilung: Das e-Schwa [ə] stellt – weil es den Kern der zweiten Silbe vieler nativer zweisilbiger Wörter bildet – den häufigsten Vokal im Deutschen dar; in einer Namenklasse wie den Rufnamen erscheint dieser Laut jedoch nur selten (NÜBLING 2005: 31). Beispielhaft lässt sich dies am Rufnamen Johanna zeigen, phonetisch transkribiert als [ˌjoˈhana], der auch in nicht betonten Silben gespannte Vokale aufweist. NÜBLING konstatiert daher, dass man Wörtern ihren Namenstatus anhören kann, weil „[a]n Vollvokalen reiche, oft mit mehreren, eher offenen Silben sowie mit anderen Akzentmustern einhergehende Wörter […] in aller Regel Onymizität“ markieren (NÜBLING 2005: 31).

Auch aus morphologischer Sicht lassen sich Unterschiede feststellen, denn Namen weisen gegenüber den Appellativen weniger Flexive auf; NÜBLING spricht hier auch von einer „Sparflexion“ (2005: 37). Diese „Sparflexion“ ist das Ergebnis eines Flexionsabbaus, der sich sowohl auf paradigmatischer Ebene (Allomorphe reduzieren sich auf ein einziges Flexiv) als auch auf syntagmatischer Ebene (Dativ und Akkusativ werden nicht mehr flektivisch angezeigt und auch beim Genitiv zeigt sich eine zunehmende Deflexion) feststellen lässt (NÜBLING 2012a: 224ff.). Während Namen im Althochdeutschen noch einen flexivischen Variantenreichtum aufwiesen, gibt es heute nur noch das Flexiv -s, das sowohl den Genitiv als auch den Plural markiert (NÜBLING 2012a: 224).

Die Verwendung der Pluralform eines Namens erscheint zunächst paradox, wenn er per definitionem auf nur ein Objekt referiert. Bei Personennamen kann die Pluralform jedoch genutzt werden, um auf mehrere Träger desselben Rufnamens (Die beiden Katharinas in der Klasse 6b) oder auf mehrere Mitglieder einer Familie zu verweisen (Die Müllers kamen wieder zu früh).9 Auffällig dabei ist, dass der Plural sowohl bei Rufnamen als auch bei Familiennamen mit dem Suffix -s gebildet wird.10 Von den anderen Allomorphen wie -er, -e, -en, Null und Umlaut, die das Deutsche bietet, wird bei Namen dementsprechend kein Gebrauch gemacht (NÜBLING 2015: 13). KALVERKÄMPER bewertet diese Unterschiede in der Pluralbildung als wichtige Kennzeichnung des Namenstatus und resümiert, „daß der -s-Plural an einem Monem […] als Transponent, also als Proprium-Indiz gewertet werden muß“ (1978: 169).

Auch bei der onymischen Genitivmarkierung hat sich die Vielfalt der Flexive, die im Alt- und Mittelhochdeutschen bestand, auf das -s reduziert (Florians Mütze, das Haus der Brunes, Lauras Auto). Durchgesetzt hat sich damit das Flexiv der starken maskulinen Flexionsklasse.11 Wie die Beispiele zeigen, bilden bei den Namen auch Feminina den s-Genitiv, der bei den Appellativen endungslos ist (die Farbe der Vase, das Knallen der Tür). Endet ein Name im Nominativ allerdings bereits auf den Laut [s], wird der Genitiv – anders als in der Appellativik – nicht mit -es gebildet (die Farbe des Hauses, das Gewicht des Klotzes), sondern mit dem Nullallomorph (Klaus’ Auto, Hans’ Wohnung).

Namen blockieren im Gegensatz zu Appellativen auch den Umlaut (NÜBLING 2005: 36). Der Stammvokal bleibt beispielsweise bei der Bildung der Diminutivform unverändert. Während Appellative mit den Stammvokalen <a, o, u> ihre Verkleinerungsform häufig mit dem Umlaut bilden (Pfännchen, Büchlein, Döschen), ist dieser bei Namen nicht mehr produktiv (Julchen, Hannchen).12 Der Namenkörper bleibt also nach Möglichkeit auch dann in seiner Form erhalten, wenn er mit Suffixen wie -chen oder -lein erweitert wird.

Die onymische Markierung erfolgt auch auf syntaktischer Ebene, wobei sie sich in diesem Fall nicht auf den Wortkörper selbst bezieht, sondern auf dessen Kombinierbarkeit mit anderen Bestandteilen des Syntagmas (NÜBLING 2005: 47). Ebenjene Merkmale werden etwa besonders relevant, wenn es um die Unterscheidung von vollständig transparenten Namen und Appellativen geht. So kann bei Namen die Genitivform vor das Bezugswort gestellt werden wie in Müllers Buch. Laut DUDEN – „Die Grammatik“ besteht „eine starke Tendenz, vorangestellte Genitivattribute auf artikellose Eigennamen zu beschränken“ (2016: 839). Ländernamen wie Die Schweiz sind von der pränominalen Stellung damit ausgeschlossen und werden stattdessen postnominal positioniert (Die Größe der Schweiz). Auf diese Stellung sind auch Appellative festgelegt, sie stehen heute nicht mehr vor ihrem Bezugswort (Das Dach des Hauses gegenüber *Des Hauses Dach).

Auch der unterschiedliche Artikelgebrauch wird in Publikationen häufig zur Abgrenzung von Name und Appellativ herangezogen.13 Namen gelten prinzipiell als „inhärent definit“, weil sie durch ihre Monoreferenz aus sich selbst heraus bestimmt sind (NÜBLING ET AL. 2015: 17, Hervorh. i.O.).14 Sie benötigen daher typischerweise keinen Artikel. Die Artikellosigkeit ist allerdings kein generelles onymisches Merkmal. Sie gilt zwar weitestgehend für Personennamen, Städtenamen (Edinburgh, Dresden, Prag), viele Firmen- und Institutionsnamen (Nestlé, Maggi, Apple) sowie den Großteil der Ländernamen (Neuseeland, England, Australien) (DUDEN – „Die Grammatik“ 2016: 299f.), andere Namen sind allerdings fest mit ihrem Artikel verbunden. Dazu gehören Ländernamen wie die Schweiz und die Mongolei, Gewässernamen (die Pader und der Rhein) und Straßennamen (die Steinheimer Straße) (DUDEN – „Die Grammatik“ 2016: 300f.). In DUDEN – „Die Grammatik“ werden außerdem Namen einzelner Bauwerke (der Kölner Dom), Namen von Werken der Kunst (die Mona Lisa) und Namen historischer Epochen und Ereignisse (die Neuzeit, die römischen Verträge) in die Kategorie „primärer Artikelgebrauch“ eingeordnet (2016: 301). In diesen Fällen hat der bestimmte Artikel eine eigene Funktionalität: Er kann nicht durch Null- oder Indefinitartikel ersetzt werden und hat auch nicht die Funktion, das Objekt als hinreichend identifiziert auszuweisen. Stattdessen kann er als „namenklassenkonstituierend“ aufgefasst werden, weil er – wie in Ø Mühlbach (Siedlung) und der Mühlbach (Gewässer) – zur Unterscheidbarkeit der Referenzobjekte beiträgt (NÜBLING ET AL. 2015: 80). NÜBLING ET AL. vermuten auch, dass der Artikel vor Namen wie Türkei oder Irak die Funktion hat, Kasus und Genus anzuzeigen: „Auffälligerweise sind artikellose Eigennamen meist Neutra“, während feminine und maskuline Namen eher mit Artikel stehen, wobei der Artikel dann die Genus- und Kasusanzeige leistet (NÜBLING ET AL. 2015: 83).

Eine Besonderheit im Artikelgebrauch besteht bei den Personennamen. Diese werden zwar als „artikellos“ gelistet, sie können – je nach Region und Kontext – allerdings auch mit dem Definitartikel stehen. Laut DUDEN – „Die Grammatik“ breite sich der Artikelgebrauch vor Personennamen insgesamt aus (2016: 301). Er werde insbesondere in der gesprochenen Sprache verwendet, erhalte über Internetforen gleichwohl auch Einzug ins Medium der geschriebenen Sprache (DUDEN – „Die Grammatik“ 2016: 301). Nach NÜBLING ET AL. ist es jedoch vor allem regional bedingt, ob Personennamen – genauer der Rufname – mit oder ohne Definitartikel verwendet werden (2015: 123ff.). In Süddeutschland, der Schweiz, Österreich und auch in Luxemburg ist der Artikelgebrauch in der Umgangssprache ganz natürlich, eine Unterlassung dieser Regel kann sogar als „hochnäsig und bemüht standardintendiert“ interpretiert werden (NÜBLING ET AL. 2015: 124). In einer Mittelzone, die nördlich bis Dortmund, Kassel und Leipzig sowie südlich bis Koblenz, Gießen und Coburg reicht, werde der Artikel vor Rufnamen je nach Kontext akzeptiert, während er in nördlicheren Bereichen völlig abgelehnt werde (NÜBLING ET AL. 2015: 124f.). FLEISCHER betont auch die stilistische Funktion, die der Artikelgebrauch bei Personennamen aufweisen kann. Bei Rufnamen wirkt er

expressiv, charakterisiert alltäglich-vertraulichen Umgang. […] Der bestimmte Artikel beim bloßen Familiennamen hat – ausgehend wohl vom Gebrauch vor Gericht und in der Kanzleisprache – eine versachlichende, distanzierende und schließlich auch pejorative Wirkung; er ersetzt dann die Bezeichnungen Herr und Frau […]. (FLEISCHER 1992: 22)

Bei Rufnamen drückt der Artikelgebrauch dementsprechend eine emotionale Nähe zum Referenzobjekt aus, beim Familiennamen bewirkt er eine Abwertung. Auch in grammatischer Hinsicht ist der Artikelgebrauch funktional: Er verliert zwar die Funktion der Definitheitsanzeige, die Funktion der Numerus-, Kasus- und Genusanzeige bleibt jedoch erhalten – wobei die Numerusanzeige bei Rufnamen weniger relevant ist, da diese meist im Singular vorkommen. Auch die Genusanzeige wird in der Regel vom Namenkörper selbst geleistet, indem dieser für Frauen oder Männer typische Strukturen aufweist (z.B. höhere Silbenzahl, höhere Anzahl an Vokalen und häufiger heller Kernvokal) (NÜBLING ET AL. 2015: 131ff., OELKERS 2003). Nur bei Familiennamen (ohne vorangehenden Rufnamen) muss der Artikel mitunter die Genusanzeige leisten, weil der Wortkörper selbst dies im Deutschen nicht leistet (der Fischer vs. die Fischer). Was der Definitartikel jedoch sowohl bei Rufnamen als auch bei Familiennamen ganz deutlich markiert, ist der Kasus des Namens: Dieser wird bei Namen am Wortkörper selbst nur im Genitiv flexivisch markiert.

3.4.2 Graphematische Markierung der Namen

Wie im vorangehenden Kapitel erläutert, wirken im Deutschen unterschiedliche sprachliche Ebenen an der Differenzierung zwischen Name und Appellativ mit. Bei der onymischen Markierung kommen dementsprechend prosodische und phonologische, morphologische, morphosyntaktische, syntaktische und graphematische Strategien zum Tragen. Der Beitrag der Graphematik wird hier in einem gesonderten Abschnitt beschrieben, da die Schreibung in vielen Namenklassen einen besonders wichtigen Beitrag zur onymischen Markierung leistet (NÜBLING ET AL. 2015: 86).1 Auf die bedeutende Rolle der Graphie als onymischen Marker hat bislang in erster Linie NÜBLING aufmerksam gemacht, die dieses Thema in verschiedenen Publikationen aufgreift und beispielsweise auch beschreibt, inwiefern sich dadurch Kontraste zu anderen Sprachen ergeben (NÜBLING 1997a, 2000, 2005, NÜBLING UND MARYNISSEN 2010, NÜBLING ET AL. 2015).2 Im Folgenden werden daher insbesondere die Ergebnisse aus NÜBLINGS Untersuchungen zusammengefasst.

Dass die Graphie als onymischer Marker fungieren kann, ist möglich, weil die Namen im Deutschen – im Gegensatz zu anderen europäischen Sprachen – nie orthographisch normiert worden sind (NÜBLING ET AL. 2015: 87):

[S]ie stehen damit jenseits der Norm. Dies ist beachtlich und wird nicht in jeder Kultur so gehandhabt. Hierdurch kann man Homographie mit APP[ellativen] vermeiden. Im Dt. befrachtet man die Schreibung außerordentlich stark mit der formalen Dissoziationsfunktion. (NÜBLING ET AL. 2015: 87)

Ganz anders gestaltet sich beispielsweise die Schreibung der Familiennamen im Niederländischen. Deren Schreibung wurde erst relativ spät – im Jahr 1811 – und damit nach Einführung der Orthographie fixiert (NÜBLING UND MARYNISSEN 2010: 317). Das bedeutet, dass die Schreibung der niederländischen Familiennamen stark an die Rechtschreibung angepasst wurde und „sich die meisten FamN in den Niederlanden orthographiekonform, z.B. Bakker, Haan, Lang, Kuiper(s) ‘Böttcher’“ schreiben (NÜBLING UND MARYNISSEN 2010: 317, Hervorh. i.O.).3

Dass im Deutschen die Graphematik der onymischen Markierung dient, lässt sich am besten an besonders alten, natürlich entstandenen Namensystemen wie den Familiennamen und den Ortsnamen aufzeigen. Diese konservieren häufig alte und auch regionale Schreibungen. So finden sich in Familiennamen besonders häufig „[p]eriphere Grapheme“ wie <c>, <y>, <x>, <v> und <q>, die im Lexikon, d.h. im nicht-onymischen Wortschatz, weitaus seltener vorkommen (NÜBLING ET AL. 2015: 89, Hervorh. i.O.).4 Es sind überwiegend Fremdwörter – zum Beispiel <Baby>, <Hobby>, <Chemie> und <Cello> –, die die besagten Grapheme enthalten, während diese als Bestandteil eines Namens nicht auf eine fremdsprachliche Herkunft verweisen. <Crämer> und <Mayer> werden ohne Weiteres als deutsche Familiennamen akzeptiert.

Eine weitere onymische Besonderheit besteht in der „Aufhebung des morphologischen Prinzips“ (NÜBLING ET AL. 2015: 87). So ist es für Namen nicht relevant, morphologische Beziehungen zu anderen Wörtern oder Wortformen anzuzeigen (NÜBLING ET AL. 2015: 87). Bei einigen Namen lassen sich dementsprechend graphematische Abweichungen in der Morphemfuge erkennen, durch die die ursprüngliche morphologische Struktur weniger klar ersichtlich ist (NÜBLING ET AL. 2015: 87). Dies zeigt sich beispielsweise an Familiennamen wie Matthießen und Lorenzen, die zurückgehen auf Matthias + das onymische Suffix –sen bzw. Lorenz + –sen, in denen die Morphemgrenze verunklart ist. Auch an Familiennamen wie <Becker>, <Meurer> oder <Hollender>, die typischerweise auf frühneuhochdeutsche und/oder dialektale Schreibungen zurückgehen, lässt sich erkennen, dass im Falle von Namen dem morphologischen Prinzip nicht gefolgt wird. Der morphologische Bezug zu backen, Mauer und Holland wird hier nicht angezeigt, weil dieser Bezug für die Referenzweise der Namen nicht relevant ist (NÜBLING ET AL. 2015: 88). NÜBLING ET AL. formulieren dazu treffend:

Solche Bezüge brauchen bzw. sollen nicht im FamN aktualisiert werden – im Gegenteil: Durch all diese onymischen Sonderschreibungen vermeidet der Name solch eine falsche, ja irreführende Verbindung. Er macht sich ausdrucksseitig onymischer und distanziert sich vom APP[ellativ]. (2015: 88)

So gibt es im Deutschen häufiger die Familiennamen <Becker> als <Bäcker>, <Haase> als <Hase> und <Schumacher> als <Schuhmacher>. Wie gängig Abweichungen von der orthographischen Norm bei deutschen Familiennamen sind, belegt auch das Beispiel <Weißbrot>, für das sich laut Telekomdatenbank 2005 lediglich 24 Telefonanschlüsse finden, demgegenüber 448 Anschlüsse für <Weisbrod>, 221 für <Weißbrodt>, 124 für <Weisbrodt> etc. (NÜBLING ET AL. 2015: 87).

Auch bei der Graphotaktik, die auch als Graphemsyntax bezeichnet wird, lassen sich Unterschiede zwischen Name und Appellativ erkennen: Für das Deutsche allgemeingültige Regeln der Graphotaktik sind bei Namen außer Kraft gesetzt. So kommt es, dass Graphemkombinationen wie in Bismarck und Roth, bei denen <r> und <ck> sowie <t> und <h> gemeinsam im Silbenendrand erscheinen, zwar orthographisch unzulässig sind, solche Kombinationen jedoch regelmäßig in Namen auftreten (NÜBLING ET AL. 2015: 88, NÜBLING 2005: 34).

Namen verhalten sich auch anders in Bezug auf die Graphem-Phonem-Korrespondenzen (NÜBLING ET AL. 2015: 88f., NÜBLING 2005: 33f.). NÜBLING schreibt dazu, dass im Deutschen generell „relativ eindeutige Lese- (Graphem-Phonem-Korrespondenzen), aber mehrfache Schreibregeln (Phonem-Graphem-Korrespondenzen)“ bestehen, sodass etwa ein Phonem wie [i:] in vierfacher Weise verschriftet werden kann (2005: 33).5 In einem Wort wie Bibel wird [i:] als <i> geschrieben, in Lied als <ie>, in sieht als <ieh> und in ihr als <ih> (NÜBLING 2005: 33). Es sei daher nicht verwunderlich, „dass bei der EN-Schreibung die Phonem-Graphem-Korrespondenzen noch stärker strapaziert werden“ (NÜBLING 2005: 33). Viele Namen werden anders ausgesprochen, als es die Graphem-Phonem-Korrespondenzen nahelegen. Beispiele für dieses Phänomen finden sich im Bereich der Familiennamen: Namen wie <Schmid> und <Hofmann> werden entgegen ihrer Schreibung als [ʃmɪt] und [hɔfman] ausgesprochen (NÜBLING ET AL. 2015: 88f.). In Ortsnamen – insbesondere am Niederrhein und in Westfalen – erscheint zudem häufiger das stumme Vokalgraphem <e>, das in dialektalen Bezeichnungen die Vokallänge kennzeichnet und im Namen konserviert wurde (NÜBLING ET AL. 2015: 89). In Namen wie Buisdorf, Soest, Coesfeld (Westfalen) und Straelen (Niederrhein) werden die <e>-Grapheme daher nicht artikuliert, der vorangehende Vokal wird dafür lang gesprochen ([ˈbuːsdɔʁf], [zo:st], [ˈkoːsfɛlt], [ˈʃtʁɑ:lən]).

Ein Verfahren, das in vielen Sprachen verwendet wird, um Namen von anderen Wortarten abzugrenzen, ist die onymische Großschreibung.6 Auch im Deutschen werden Namen und einige deonymische Adjektive wie Kölner in Kölner Dom großgeschrieben (NÜBLING ET AL. 2015: 89). Deonymische Adjektive mit dem Suffix -sch- wie in grimmsche Märchen können mittlerweile auch kleingeschrieben werden. In anderen Sprachen, z.B. im Engl., Frz., Span. und Poln., in denen mit Ausnahme der Namen alle anderen Substantive kleingeschrieben werden, fungiert die Namengroßschreibung als wichtiger onymischer Marker. Im Deutschen ist sie jedoch aufgrund der Großschreibung jeglicher Substantive weniger wirkungsvoll (NÜBLING 2005: 32), HARWEG spricht sogar davon, die onymische Markierung durch Großschreibung sei „[f]ast völlig außer Kraft gesetzt oder besser: von vorneherein unmöglich gemacht“ (1999: 202). Dass in einer Sprache, die Klein- und Großschreibung aufweist, die Großschreibung in einem so geringen Maß als onymischer Marker genutzt wird, stellt nach HARWEG „weltweit eine absolute Ausnahme“ dar (1999: 204). NÜBLING vermutet, dass „das Deutsche genau wegen dieser mangelnden Kontrastwirkung der EN-Großschreibung so stark auf andere graphische Abweichungen“ setzt (2005: 33).

Schließlich kann auch auf den „besonderen Gebrauch von Syngraphemen“, zu denen Apostroph und Bindestrich zählen, hingewiesen werden (NÜBLING ET AL. 2015: 90, Hervorh. i.O.). Der Apostroph findet sich häufig in Namen wie Andrea’s Büdchen, um das Genitiv-Flexiv –s vom Namenkörper abzugrenzen. Weil der Apostroph so häufig in ebendieser Funktion verwendet wurde, wird diese Nutzung mittlerweile vom amtlichen Regelwerk akzeptiert (NÜBLING ET AL. 2015: 90f.). Ursprünglich zeigte der Apostroph die Auslassung eines Lautes an, er wurde allerdings zu einem „morphographischen Grenzsignal“ umgedeutet, „das den graphischen EN-Körper von nicht-onymischem Material […] abhebt, ihn damit schont und seiner sofortigen Erfassung dient“ (NÜBLING ET AL. 2015: 91). Im Fall von Andrea’s Büdchen ist der Namenkörper Andrea für den Leser deutlicher erkennbar und es kann zu keiner Verwechslung mit der männlichen Variante Andreas kommen.7 Auf die „Schonung, Abgrenzung und Konstanthaltung des Namenkörpers“ zielt auch die zunehmende Nutzung von Bindestrichen ab, die sich bei Komposita mit einem onymischen Bestandteil findet (NÜBLING ET AL. 2015: 92, Hervorh. i.O.). Anhand eines Kompositums wie Erdoğan-Besuch lässt sich der Nutzen der Bindestrichschreibung sehr gut erkennen. Insbesondere Komposita mit Namen, die nicht-native phonologische und graphematische Strukturen aufweisen, profitieren von einer Bindestrichschreibung, weil so der Namenkörper möglichst unangetastet bleibt und die Wortgrenze deutlich markiert ist.

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Yaş sınırı:
18+
Hacim:
770 s. 167 illüstrasyon
ISBN:
9783823301929
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