Kitabı oku: «Das Theater leben», sayfa 4
das theater von versagern,
ist ein mechanismus die schlechten dinge zu stärken;
der patient stirbt und wir kleben pflaster auf die wunden.
die leute machen vieles mit, bis sie nicht mehr mitmachen, was zu viel ist
im theater nähern wir uns diesem stadium
dem stadium, in dem zu viel nicht mehr geduldet wird,
und etwas neues passieren muss.
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FRAGEN. 1963
ich lande bei den fragen weil ich keine antworten habe.
von den drei sendungen die wbai new york city [eine populäre liberale radiostation] über das theaterleben brachte war dies die dritte.
was ist der unterschied zwischen fragen und antworten
stellt hamlet seine ehre oder sein schicksal in frage
warum gehst du ins theater
ist es wichtig ins theater zu gehen
ist es wichtig zu lesen
unterscheiden sich leute die ins theater gehen von denen die nicht
ins theater gehen
was passiert mit dir wenn du ins theater gehst
wenn du das theater verlässt bist du dann anders natürlich verändert dich jeder moment erfahrung und drei stunden später bist du also anders aber ich meine hast du dich aktiv verändert
willst du dich aktiv verändern
bist du zufrieden
ist es gut, sich zu verändern
kann etwas unverändert bleiben
worüber rede ich
suchst du im theater antworten
hast du überhaupt fragen
wie lang ist lebenslänglich
ist es wichtig was passiert
ist es wichtig wie lange wir leben
ist es wichtig wie wir leben
warum stelle ich diese simplen fragen die sich jeder ständig stellt denke ich vielleicht du stellst diese fragen nicht
was passiert mit uns
was passiert im theater
gehst du ins theater um das leben zu verstehen
was ist einfacher, das leben im theater zu beobachten oder auf der straße
hast du im theater schon mal freude empfunden
hast du auf der straße schon mal freude empfunden
woran hast du freude
erlebst du sinnlichkeit im theater
gehst du ins theater um sexuell stimuliert zu werden
reibst du dich gern an der person neben dir
gehst du ins theater um den intellekt zu schulen
gehst du ins theater um zu sehen ob es versteht was los ist
gehst du ins theater weil es dir vielleicht die wahrheit sagt
gibt es so etwas wie wahrheit
sagen zeitungen die wahrheit
erfassen stückeschreiber die wahrheit besser als redakteure
lügen die zeitungen, lügen die stückeschreiber, lügen die schauspieler
lügen stückeschreiber oder redakteure oder schauspieler absichtlich
gehst du ins theater um zu sehen wie gut sich ein schauspieler als jemand anders ausgeben kann
denkst du die aufgabe des schauspielers ist es das richtige sein zu verkörpern
was ist das richtige sein
kann ein schauspieler dir das richtige sein zeigen
zeigt der schauspieler richtiges sein indem er faust spielt
was ist einsicht
machst du gebrauch von deiner einsicht
ist es einfach fragen zu stellen
was hat aristoteles über katharsis gesagt
gehst du ins theater um gereinigt zu werden
kannst du dich erinnern ob das theater dich je gereinigt hat
gehst du erwartungsvoll ins theater und voller hoffnung
ist das theater ein weg dinge zu lernen die du nicht weißt
wofür ist lernen gut
bist du dir irgendwelcher antworten sicher
sind alle dinge gleich
ist irgendetwas von wert
ist töten unter umständen in ordnung
was ist der unterschied zwischen einem elefanten und einem taschentuch
darfst du jemanden töten um deinen besitz zu verteidigen
darfst du leute ins gefängnis werfen
machst du dich über homosexuelle lustig
meinst du die schwarzen sind ein klein bisschen unterlegen
meinst du die weißen sind körperlich und geistig verwahrlost
lügst du
macht es etwas aus ob du lügst
wie oft lügst du am tag
findest du lügen notwendig um in der welt zurechtzukommen
ich frage nochmal ob du zufrieden bist
bist du mit irgendetwas zufrieden
hast du befriedigenden sex
ich meine gefällt es dir wenn du sex hast
hast du genug sex
weißt du wie man liebt
liebst du
wirst du geliebt
weißt du wie man hasst
und hasst du
warum finde ich verstörendes theater besser als gefälliges theater obwohl ich gerne gefalle
woher kommen wir wer sind wir wohin gehen wir. gauguin
wer sind die könige die mit diamanten vor den augen zwischen unseren schatten fratzen schneiden. barker
wir müssen einander lieben oder sterben. auden
wie lautet die frage. shakespeare. stein.
weißt du dass ich in meine eingeweide gegriffen und sie als fragen auf der bühne verstreut habe
weißt du dass ich nicht weiß was ich sonst tun soll
weißt du dass ich dich brauche dass ich sterbe und sterben werde ohne dich
was ist nützlich
was ist eine gute frage
wie findet man antworten
was bringt die gefängnismauern zum einsturz
wo geht es lang
wie ist das verhältnis zwischen dem schauspieler und dem zuschauer
was ist rede
was muss dringend untersucht werden
haben wir zeit alle fragen zu stellen
welche willst du stellen
wirst du sie jetzt stellen
was brauchen wir
wie können wir es bekommen
wie können wir einander berühren
was können wir tun damit es passiert
wie können wir theater machen das aus liebe liebe macht und zwar sofort
wie können wir ein theater machen das dem leben der zuschauer gerecht wird
wie können wir ein theater machen wenn wir keine antworten haben sondern nur eine vage idee wie man fragen stellt
ich lande bei den fragen weil ich keine antworten habe
aber ich will die antworten
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FRAGEN. 1968
wie alle menschen satt machen
wie alle kriege verhindern
wie alle gefängnistore öffnen
wie gewalttätigkeit abschaffen
wie rassismus ausmerzen
wie das geld loswerden (kapitalismus)
wie den zu frühen tod verhindern
wie militarismus beenden
wie autoritäre systeme abschaffen
wie das klassensystem abschaffen
wie antworten finden auf all diese fragen
wie machen wir das jetzt?
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Ai. Aiee. Vordringen. Schlitzen. Jeden Tag Stacheldraht, jede Stunde eine Mauer, unnatürliche Barrieren, Gefängnis Welt, alle sind abgeschottet – geografisch, wirtschaftlich, psychologisch, abgeschottet durch Klasse, Privatbesitz, Benachteiligung, die Gesellschaft der Türen, gefangen in fehlendem Bewusstsein, abgeschottet vom Wissen und all seinen Lügen, abgeschottet, weil Wissen und alles, was dazugehört, begrenzt ist oder fehlt, abgeschottet von Flüssen, Schwerkraft, Einwanderungsbeamten …
Jeden Tag müsste ich mich bei meinen besten Freunden melden, aber ich scheitere an der Aufgabe. Jemand stellt mir eine Frage, aber eine Antwort hervorzupressen strengt zu sehr an, ich sage irgendwas, hilflos, ein Lächeln flattert auf meinen Lippen, und wir sind beide enttäuscht. Ich bin eingesperrt in meinem Ich, in dem, was ich geworden bin und weiter sein werde, wenn ich nicht entkomme.
Und ich leide nicht mal Hunger. Ich bin in Privilegien gehüllt. Warum leide ich?
Vordringen. Zu dir. Wir kämpfen darum, die Todesmaschine zu zerlegen. Die Todesmaschine ist der Kapitalismus. Wir kämpfen darum, die Tore des Gefängnis Welt zu öffnen. Das Gefängnis Welt ist die gesellschaftliche Struktur. Wir kämpfen darum, zur Möglichkeit eines Daseins vorzudringen.
Nichts ist natürlicher als Veränderung. Darum geht es im Anarchismus. Anarchismus entspringt der einfachen Erkenntnis dieser Tatsache, wie sich der Körper von Sekunde zu Sekunde verändert, die Jahreszeiten, die Geschichte der Menschheit und des Planeten von der Frühgeschichte über die Marxsche Frühgeschichte bis heute, und immer weiter bis zur nächsten Stufe. Dinosaurier und Dodos kommen und gehen, und wir? Der Anarchist will Verhältnisse schaffen, in denen dieser Prozess, dieses Werden des Universums, so passiert, dass sich Leben und Freude bestmöglich entfalten.
Ein Prinzip des Anarcho-Kommunismus: Wenn man die Wirtschaft verändert, verändert sich auch die Mentalität; wenn wir in einer Gemeinschaft leben, werden wir uns verändern.
Der Kampf: wegkommen von den Orten, wo Bücher sind, aber kein Licht, etwas zu sehen, wo es Essen gibt, aber keine Maschinen, um effizient Getreide anzubauen. Mein ganzes Leben habe ich nach Mitteln gesucht, die uns ausreichend mit Essen und Gedanken versorgen, damit wir gut genährt sind, Frucht.
Noch vor zehn Jahren waren wir eingesperrt, wir hatten maximale Sicherheit. Dies ist ein Film über den Ausbruch aus dem Gefängnis, dieses Theaterleben.
Der Revolutionär wandelt auf Messers Schneide. Buber.
Stücke und Aktionen als Wegmarken meines Lebens, das Theaterleben ist der Prozess, durch den ich vom einen zum anderen gelange, der halbe Lebensweg, verloren im dunklen Wald, im brennenden Wald der Nacht, im Ofen, in der Grube, dem Abgrund, da heraustanzen.
Dieses Buch ist ein Film, der über zehn Jahre entsteht. Es handelt davon, wie wir Barrieren überwanden, die uns vor zehn Jahren blockierten, wie da herauskommen und immer weitergehen, das ist der Code, in dem es geschrieben ist.
Der wandernde Körper, der wandernde Geist. Die großen herrlichen schrecklichen Kämpfe sind unsere Ehre.
Vordringen, den Sturm überleben, das Festland erreichen, raus aus dem Tod im Leben, hin zu dir.
Croissy-sur-Seine, Frankreich, 27. Februar 1970
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DREI MEDITATIONEN ÜBER STRATEGIE
Eins.
Zerfall der Sprache ist gleichbedeutend dem Zerfall von Werten, von Denkweisen, der kranken Ratio. Der Zerfall der Sprache bedeutet, dass neue Formen der Verständigung gefunden werden. Zerfall der Sprache bedeutet Ausfall der Computer. Zerlege die Sprache der kontrollierenden Mächte und du greifst ihre müde Logik an, ihre straffen Strukturen. Die Dinge durchschütteln, verändern, uns dem überlassen, was wir nicht verstehen, denn was wir zu verstehen glauben, verstehen wir sowieso nicht, unsere Logik ist falsch, steif und systematisch, brecht sie auf. Atmet durch.
Die Sprache (Gedanken) befreien von den Fesseln der sokratischen Logik, das starke Geschütz der herrschenden imperialistischen Demokratie. Wir nehmen der regierenden Klasse die Sprache weg und unterwerfen sie der Fantasie, den Turbulenzen des Verstandes. Breton. Was man in den Zwanzigern Wortrevolution nannte, bleibt heute nicht auf die Literatur beschränkt. Freie Assoziation wendet sich, wie die künftige Ordnung, gegen die uniforme Assoziation jener Gesellschaftsstruktur, die heute Körper und Geist beherrscht.
‚Kill the Pig‘ [68er-Anti-Polizei-Slogan in den USA], die Paraphrase für ‚Tod dem Tyrannen‘, ist die Umkehrung von ‚Lang lebe der Zar‘.
Der Sklavenhandel ist inzwischen gut getarnt. Die Länge des Pfeils. Wenn der Pfeil zu lang ist, bricht der Schaft. Der Prozentsatz wird in Zahlen angegeben. Die Pfeile fliegen mit dem Wind. Ruhe. Der Geist bläst aus Nordosten mit 20 Prozent. Aus W 1 Prozent. Aus S bis SSO 18 Prozent. Wege vorbei an vergangenen Jahren. Mittagszeit. Grauen.
Positionen werden angezeigt und Profite, die blau gestrichelten Linien für die Verluste, Annäherungen, zu erwartende Gezeitenstrudel, Annäherungen. Schwach, dehnbar, der feste Schaft. Der Gezeitenhub ist enorm. Das Netz der Gewässer. Der Einfluss des Festlands. Die Pfeile mit dem festen Schaft. Der unruhige Geist dämmert über dieser Tabelle weg. Bewegung des Wassers. Genitalien, deren Erträge im Verborgenen sind, über die Schichten verteilt. Die Biologen verstehen die Schallstreuung der Schwimmblase noch nicht ganz.
Wir brauchen bessere Methoden, unsere Ziele auszumachen. Die möglichen Schichten auseinanderzuhalten. Proben und Vorräte mitzunehmen, nichtexistente Untiefen zu umschiffen und die akustische Energie der neuen Sprache auszumessen.
Vielleicht werden auch die Schichten eines Tages erfasst. Wenn wir andere Instrumente haben und freie Köpfe.
Bis wir gar nicht mehr daran denken, nicht mit diesem Kopf, dem jüdischen Verstand, auch nicht mit diesem Ozean Auge, dem verirrten Organ, mit winzigen piepsenden Raupen, nicht mit elektrischen Drähten und Messungen, sondern mit Tonbandgerät und Video, weil die es sich für uns merken und wir nicht alles in unserem Rückenmark abspeichern müssen; die Schichten selbst werden eines Tages erfasst, wahrscheinlich unter besseren Umständen, mit freien Köpfen, aber nicht mit diesen Worten, mit dieser Dichtung, sondern einer neuen Art, die eines Tages der Erfassung dient. Ich heule. Aber du, Achmed, musst aufhören zu grübeln.
Wo ein „O“ steht, können Winde aufkommen und offenbaren, wie sinnlos die gebrechliche Gangart ist, Iliana stakst. Denk nicht so viel darüber nach. Geh weiter zum nächsten Chakra, meditiere, handle.
Jede größere Abweichung vom normalen Druck kann Unruhe auslösen und eine Schwingung, die weder bei dir noch bei mir eine Spur von Depression hinterlässt, du, der du dich für so klug hältst, so gut wie unsterblich, warum weißt du so wenig über Navigationsgeräte und konstruktive Vitalität? Ertrinken ist nicht ungewöhnlich, besonders an der Luft. Erstickung. Die Arbeit unserer Beobachtungsposten ist hochgeschätzt.
Am Froschaufkommen hat sich wenig verändert. Heute schon eine Gruppe entdeckt. Wenn du dich für Wind interessiert, lass dir einen frischen um die Nase wehen. Wenn das Netz angeht, zieh neue Schlussfolgerungen. Schnitt. Neue Information setzt sich durch. Vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren hat es angefangen, aber im letzten Juli … sie setzt sich durch. Kreaturen sind sehr empfindlich und haben eine hohe Sterberate. Fühlst du dich nicht schon besser mit dem Wind um deine Nase? Atme, vergiss nicht zu atmen.
Rio de Janeiro, 20. Oktober 1970
Zwei.
MEDITATION ÜBER AKTION. 1967
in unserer zeit brauchen wir unbedingt die realität
eine generation wütet: geh nicht wählen zahl keine steuern wehr dich gegen die polizei verbrenne dein geld schlitz reifen auf aufstand zerstöre die kultur gib die vergangenheit auf scheiß auf alles besonders auf den sterilen superreiniger iss weniger zieh weniger an arbeite weniger tu nichts was nicht unmittelbar der poesie des wandels nützt breche jedes gesetz stemm die bürgersteige auf geh auf der erde find ein anderes leben nimm deine kinder aus der schule mach aus fahnen mehlsäcke zerstöre die ganze regierung die zeitverschwendung schluss mit den stechuhren streik streik schlage heiligen terror in unsere herzen kehre die peristaltik um vertreibe die geldwechsler stürme die banken verbanne die bomben und alles was damit zu tun hat weg damit schau hin lös es auf lass dir flossen wachsen fliege fokussier dich gib zu fressen schick licht aus den augen schönheit aus den ohren nächtliche euphorie ist ein weg hin zur erlösung schlage krach schrei blinzel wälze fick kriech krabbel kotz saug mach das dach auf für den regen mach die lunge auf für das blut die zellen für die pflanzen hoch fünffingrige cannabis weißes coca der träge mohn die geheimnisse des kaktus die magischen formeln der erde sind unsere chemischen waffen gegen die mörder mach alles neu vertausch rechts und links in diesem gehirn das tötet pfeif den erbarmungslosen modernen verstand zurück setz diese liste fort mit allen arten von aktion bis jedes fühlende lebewesen zu essen hat rechts und links zertrümmert das liebeshindernis und streift seine wut ab seine sexuelle rache rache auf alles und jeden
macht alles platt
fang nochmal an
düsseldorf nach hamburg parma nach perugia, märz 1967
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Pause machen und von vorn anfangen. Patchen
ATMEN:
Notizen für die erste Lektion
„Ohne ausreichend Sauerstoffzufuhr sind die Funktionen des Nervengewebes gestört, das betrifft besonders die Zellen des oberen zentralen Nervensystems.“ K. M. Bykow, Lehrbuch der Physiologie.
Die steife Haltung von Rückgrat und Brustkorb: die militärische Haltung eines stolzen und halsstarrigen Volkes: rausgestreckte Brust, die schmale Taille, künstlich erzeugt und tödlich, indem man die Bauchmuskeln nach innen saugt und die Luft anhält.
Wie die Luft in die Luftröhre gelangt und von da in die Bronchien. Wie wir nicht genug Luft einatmen, um die ganze Lunge zu füllen. Und deshalb bekommen die Zellen nicht ausreichend Sauerstoff, um sich zu regenerieren. Wie der Körper erstickt. Wie das Gehirn verfault.
Wie wir Angst haben, Luft zu holen. Wie wir in Steifheit und Angst gefangen sind. Angst, einen Muskel, das Zwerchfell, zu bewegen. Wie wir trainieren müssen, um das Atmen zu wagen. Prana Yoga. Übungen, die Lungen zu füllen, ein Bewusstsein für den körperlichen Apparat zu entwickeln, das Bewusstsein einsetzen, um die psycho-physische Unterdrückung zu überwinden.
Atmen: Der Revolutionär setzt es ein, ohne dass die herrschenden Kräfte es ihm nehmen könnten: weil es den Verstand aus den niederen Regionen holt, emporkommen lässt, es befreit Fantasie und das Verstehen, Vision, Hoffnung, Erfindungskraft, Esprit, Stärke, physische Kraft, es verlängert die Lebenszeit, es ist männlich und weiblich, dieses Einatmen und Ausatmen, es nimmt die sexuelle Scheu, und das befreite Bewusstsein, das folgt, ist unbrauchbar geworden für die Autoritäten, die wollen, dass wir steif bleiben, ängstlich, dumm und weitermachen.
Ritus: Weihe des Körpers: die Wiederholung bestimmter Handlungen um das Verständnis der heiligen Essenz zu erhöhen vertiefen auszudehnen: sich das Heilige bewusst machen: das Atmen zu einem bewussten Ritual machen: an der Lebenskraft festhalten.
Über Meditation: Kombination von gesteigertem körperlichen Bewusstsein und intensivierter Aufmerksamkeit: der Körper ruht, wir atmen sorgfältig, die Zellen versorgen und reinigen, damit sie produktiv arbeiten, und der Verstand überwindet die Grenzen, die ihm die Herren unseres Unglücks gesetzt haben.
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MEDITATION. 1966
Notstand! die reiter reiten über uns hinweg! wir fressen uns selbst! auszehrung! wenn wir einander berühren, gehen die bomben hoch, pest, pest, die verhungerten beine können nicht tanzen, die geschwollenen bäuche, die kinder, die aufgegebenen hoffnungen, die ausgeplünderten menschen, denen die systeme das leben ausgequetscht haben, das system ist die pest, hilfe, hilfe, ich rufe nach euch, aber ihr seid in eurem versteck, ich rufe nach euch und sehe in euren augen angst, ich könnte euch wahnsinnige entbehrungen aufhalsen, die pest der schlacht, die pest der veränderung, ich bin der apokalyptische irre, die pest im endstadium, epidemie der verzweiflung, dicke stinkende luft, sterbend blicken wir in den spiegel, faules fleisch, und wir wissen, wir sterben ungeliebt ohne zu lieben, die pest, dass wir unfähig sind, unsere liebe zu zeigen, schrecklicher knoten unausgedrückter liebe, die steinhart wird in meinen lenden, bis ich mich kaum mehr auf die straße schleppen kann, lähmung, pest, das unausgelebte fleisch frisst sich selbst, krebs, versteck dich, halts maul, lösch das licht, polizei, feinde, zielscheiben, kriegspest, die folterwerkzeuge des imperialismus, entzündete wunden, plutokratie, dynastien, pest der macht, wasser pest, fabrik pest, notstand, notstand, pest der selbstzufriedenheit, der komplizenschaft, der aristokratischen manieren, pest der sauberkeit, scheiße, placebo theater, gift theater, u-boot schlegel, angriff durch partygeplauder, lackierter intellekt, pest für den schwarzen mann, ausbeutung, herablassung, verachtung, debilität, debakel, armut, fehltritt, es ist die plage der selbstsucht, leute sind abgeschottet, eingefangen, köpfe in kapuzen, hälse mit stricken, abgeführt, verschleppt, gestoßen, ein leben lang stolpern, bis wir endgültig fallen, verhungert, erschossen, verrottet, zu jung, tot im bett von der pest ausgezehrt, früher geschmeidig jetzt brüchig, unfertig, verbogen, wie alte planken, ungenutzt, zersplittert, tot. Elend!
Wir wissen das alles.
Das ist das tägliche Leben. Wir sehen es nicht und können es nicht sehen, so wie wir sind: Deshalb handelt es sich um einen Notstand.
Mit dem Wort Notstand bezeichnen wir Zeiten, in denen das Tempo anzieht. In so einer Zeit sind wir jetzt.
All das wissen wir, aber wir fühlen es nicht. Deshalb ist 1966 das Theater des Notstands das einzig mögliche Theater.
Egal, was ich mache, ich bin neuerdings Arzt. Mein Fachgebiet ist es, die Dinge zu erkennen, wie sie sind.
Ich sehe die herrliche Landschaft, das Sonnenlicht, ich spüre den Impuls zu lieben, ich sehe Venedigs architektonische Pracht, ich habe Euklid studiert und die Sätze gelesen, die Sonette, die mystischen Lehren der Chassidim, die Exzellenz der chinesischen Kalligrafie, chinesischer Faltwände, Brückenbögen, Carpaccios visuelle Errungenschaften, das Gamelan, den Parthenon, die Farben, ich habe den Sprachen der Menschen aufmerksam zugehört, mexikanische Haut betrachtet, jüdische Brüste, ich habe Männer und Frauen überall geleckt, ich habe die Sierra Nevada erkundet, ich habe den Ort gesehen, an dem Aischylos den Felsen in Worte spaltete, Regen, Regenbogen, Schnee in Schweden, den Atlantik, die See, Schicksal, Glas, Kunstgewerbe, Massen, Prozessionen, Gebräuche, Gewänder, Akrobaten, Filme, Erfindungen, Schiffe, ich erkenne jeden Ruhm an, Schönheit entkommt mir nicht, ich bin immer wachsam, ich messe Freiheit, wo immer ich bin, die Länge des Feldes, das ein Mensch ablaufen kann, wie weit einer denken kann, wie weit man gehen kann mit körperlichem Spiel.
Ich sehe alle Gefahren, die Auflösung, ich bin nicht zufrieden, ich sehe den Notstand in jedem Haus, an jedem Ort.
1966. Es geht nicht um das, was wir nicht wissen, sondern um das, was wir nicht fühlen.
Das Theater des Notstands ist das Theater des Gefühls.
Gefühl, für eine fühllose Gesellschaft.
Vereinigung, für ein zerrissenes Volk.
Umsetzung. Das Volk als eins, einig.
Nicht Theater für Menschen, sondern im Einklang mit ihnen.
Die Kluft zwischen menschlicher Natur und dem menschlichen Verstand schließen. Stein. Wir wissen, was Klassenhass und Rassenhass ist, aber wir bringen nichts als mickrige liberale Gesten zustande, weil wir nicht fühlen, was wir glauben. Die Welt verändern.
Das Theater der Veränderung. Des Notstands. Des Gefühls.
Wenn wir spüren, spüren wir den Notstand: wenn wir ihn spüren, werden wir handeln: wenn wir handeln, werden wir die Welt verändern.
Ein Theater des Handelns.
Meine Berufung ist das Theater, mein Leben ist in der Welt, also ein Theater des Handelns in der Welt. Kunst ist kein Beruf, für den Macher wie für den Zuschauer ist sie ein Weg zur Wahrheit und Bewusstwerdung. Ajit Mookerjee. Tantra-Kunst.
Man darf sich nicht mehr abgrenzen. Das ist vorbei. Die Pest der Abgrenzung. Man darf nicht von Veränderung sprechen und unverändert bleiben. Was man auf der Bühne zeigt, muss man auch leben. Sonst ist alles ungültig. Die Pest der Lügen. Kunst als Anti-Lüge.
Vielleicht die einzig gültige Funktion, die sie in diesem Notstand noch hat.
Das Theater des Notstands, Gefühls, Wandels, Handelns widerlegt die Lüge, die Zuschauer wären tot, indem es beweist, dass sie teilhaben. Der Zuschauer wird zum Performer, das Theater wird zum Leben, der Notstand ist die Wahrheit.
Taormina, Sizilien, 13. März 1966