Kitabı oku: «Der Raubgraf», sayfa 6
Achtes Kapitel.
Anders als in Graf Albrechts Gemach sah es in dem Zimmer seines jungfräulichen Gastes aus. Und das war Siegfrieds Werk. Alles, was er unter dem Rat und Beistand oder auch trotz der Abwehr der alten Ursula an Hausrat und vermeintlichem Schmuck und Zier aus den vergessensten Räumen der weiten Burg herschleppen konnte, das brachte er während Odas Abwesenheit in ihrem Zimmer an, so dass dieses zwar einen ganz wohnlichen Anstrich gewann, aber auch in einer etwas bunt zusammengewürfelten Ausstattung prangte.
Teppiche lagen auf dem Fußboden, Teppiche mit stark verschossenen Heiligenbildern hingen an den Wänden. Auf einem Schranke standen zwischen alten Tongefäßen ein ausgestopfter Auerhahn und eine holzgeschnitzte Mutter Gottes. Mit gepresstem Leder bezogene Stühle und gestickte Fußbänkchen hatte Siegfried herbeigeschafft, hatte sogar einen zierlich gearbeiteten Frauenpanzer aufgestöbert und über dem Kamine aufgehängt, hatte über einen viereckigen und einen runden Tisch farbig benähte Linnen breiten lassen und den kleinen Metallspiegel der seligen Mutter rings mit Pfauenfedern umsteckt. Auf die Tische hatte er eine Laute und eine schon vergilbte, aber sauber geschriebene Ausgabe des Reinhart Fuchs von Heinrich dem Glichesäre gelegt.
Oda lächelte und Eilika lachte, als sie diese Anstalten, ihnen die Gefangenschaft möglichst bequem zu machen, gewahrten. Sie wussten auch, von wem sie herrührten, denn sie hatten Siegfried zwischen den einzelnen Gebäuden der Burg mehrmals hin und her gehen und sich mit den aufgestapelten Dingen wie noch mit allerhand seltsamem Gerümpel tragen sehen, das glücklicherweise nicht alles Platz gefunden hatte. Aber Siegfrieds freundliche Fürsorge rührte Oda, und sie nahm sich vor, dem jungen Ritter dafür zu danken.
Eines Tages musste Graf Albrecht nach seiner Burg Botfeld bei Elbigerode verreiten, ich Oda blieb mit Siegfried allein. Er frug sie, ob sie sich das Regensteiner Felsennest nicht endlich einmal ansehen wollte; er würde sie gern führen und ihr alles zeigen. Diesen Vorschlag nahm sie freudig an, und sie gingen beide hinaus und erstiegen die oberste Platte des Felsens, von der man die Feste in ihrem ganzen Umkreise übersehen konnte.
Der breite Rücken des Berges, der eigentlich nur ein ungeheuerer, teils bewaldeter, teils wild zerklüfteter Felsblock war, nach Norden und Westen steil abfallend, von Süden und Osten sanfter ansteigend, bestand aus mehreren höher und tiefer gelegenen Flächen, die durch Felsentreppen miteinander verbunden und groß genug waren, um jede für sich eine stattliche Burg zu tragen. Es hatte auch wirklich jede einzelne derselben ihre eigene sehr starke Befestigung, die ebenso wie die dazu gehörigen Gebäude zum Teil aus dem gewachsenen Felsen heraus oder in ihn hinein gearbeitet waren. Gänge, Wölbungen, Hallen und Gemächer waren aus lebendigem Stein, und im Innern der Häuser schlossen sich die gemauerten Räume unmittelbar an die aus dem Felsen gehöhlten und fanden in ihnen ihre Fortsetzung und Ergänzung. Der höchstbelegene und wichtigste Teil der Feste bestand sogar nur aus natürlichem Felsen und enthielt in mehreren Geschossen übereinander geräumige Hallen und Kammern mit klafterdicken Wänden und rund ausgemeißelten Türen und Fensterbögen. Das ganze aber, das mit seinen bald vorgeschobenen, bald versteckt zurücktretenden Werken, Türmen, Ecken und mächtigen Felsbauten, seinen Häusern, Gärten und Gehöften dem hier nicht Heimischen planlos kraus und darum noch abenteuerlicher und größer erschien, als es schon an und für sich in hohem Grade war, dieses großartige, die kühnsten Vorstellungen übersteigende Ganze war in unregelmäßigen Zickzack- und Bogenlinien, je nach Umriss und Gestalt des hohen Felsenberges von unerklimmbaren künstlichen und natürlichen Steinmauern umgürtet, und seine Umschreitung nahm beträchtliche Zeit in Anspruch.
So war der Regenstein eine Felsenburg oder vielmehr ein Verband, eine Gesamtheit von Burgen, die in ihrer Vereinigung an Größe und Stärke, an sturmfreier Sicherheit sowohl wie an Schönheit der Lage wohl nirgends ihresgleichen hatte.
Siegfried führte Oda auf der freien Höhe des Felsens an den schwindelnden Absturz und fasste sie hier bei der Hand, die sie ihm willig überließ. »Seht, Fräulein,« sprach er, »der Felsen fällt hier mehr als achthundert Fuß lotrecht in die Tiefe hinab, und wenn dort unten auf dem Wege ein Mensch ginge, so würde er Euch kaum größer scheinen als eine Krähe. Hier sind wir gegen jeden Ansturm geschützt; was nicht fliegen kann, kommt hier nicht herauf und auch nicht lebendig hinab.«
Oda hielt sich fester an Siegfrieds Hand und blickte vom äußersten Rande in die jähe Tiefe hinab.
»Nun wendet Euch um,« sagte er. »Dort, von Blankenburg her ist es allein möglich, den Berg zu ersteigen; aber auch dort wehren Klippen und Felswände, noch durch feste Mauern verstärkt, den Vordringenden, und das doppelte Tor in dem Felsen-Engpaß mit der Zugbrücke über dem Graben, durch das Ihr eingeritten seid, bildet den einzigen Zugang. Habt Uhr schon je von einer Burg gehört, so unbezwinglich und unnahbar wie diese?«
»Niemals!« erwiderte Oda, über das, was sie sah, aufs höchste verwundert.
»Nicht wahr, Ihr fühlt Euch hier sicher und gut verwahrt?«
»O ja,« lächelte sie, »hier entwischt Euch keiner.«
»Nun sehet hier,« fuhr er fort, »hier an den Felsen gelehnt, von diesem selber zum Teil gebildet und von ihm überragt, ist der Palas mit dem Saalbau, dem Bergfried, dem Rüsthause und dem Marstall. Wir nennen es die Oberburg; da wohnen wir und unsere Gäste, wenn wir deren haben, und jene zwei Fenster dort, aus deren einem eben der Vorhang wie ein Fähnlein flattert, sind die Euren. Dort rechts aber, weiter unten, jenseits des Hofes und seitlich des großen Baumgartens ist die Vorburg, wo in starken Weichhäusern die Reisigen und Knechte liegen. Daran schließen sich die Ställe für die Gäule und das Vieh nebst Scheunen und Vorratsräumen. Da drüben links, wo sich der Berg mit zackigen Klippen hinabsenkt, sind zwischen Felsen versteckt wieder andere Weichhäuser, die beinahe ganz aus dem natürlichen Stein geschaffen sind. Dort haust unser treuester Mann, der Ritter Bock von Schlanstedt, dem wir's zu verdanken haben, dass Ihr hier seid, Gräfin Oda. Er hat sich die Felsenhöhle selber zur Kemenate ausgesucht und eingerichtet, und es sieht fast wunderlich bei ihm aus. Verrostete Waffen, befremdliche Beutestücke und zarte Liebespfänder, von denen allen er eine abenteuerliche oder rührende Geschichte zu erzählen weiß, bewahrt er dort zu ewigem Andenken auf wie zutage geförderte Schätze, mit denen er sich in seiner sorglosen Armut unermesslich reich dünkt.«
»Kann man das nicht einmal sehen?« frug Oda.
»O Ihr würdet ihn stolz machen, wenn Ihr ihn in seiner Klause einmal besuchtet,« erwiderte Siegfried. »Aber nun kommt, Gräfin Oda, nun will ich Euch das Beste zeigen.«
Aber sie bat: »Lasst uns noch weilen, Graf Siegfried, und des herrlichen Blickes genießen.«
Wunderbar freilich war der weite Rundblick von hier oben. Siegfried nannte der sich dem Genuss ganz Hingebenden alle von hier sichtbaren Städte und Dörfer, Schlösser und Burgen, die Gipfel des nahen Gebirges und die fernher schauenden Höhenzüge, und sie konnte sich kaum satt sehen an dem prächtigen Bilde.
»Und wie schön nimmt sich der Regenstein selber aus von allen Punkten, die wir hier sehen!« sprach Siegfried mit gerechtem Stolze. »Ihr möget auf dem Ballenstedter oder auf dem Quedlinburger Schloss, der Lauenburg, drüben auf den Harzbergen, oder fern da oben auf dem Kloster des Huys stehen, überall hebt sich seine Felsenmasse, den Blick anziehend und fesselnd, aus dem Lande empor; immer schaut er den Wanderer, der vom Huy über Halberstadt und Quedlinburg nach dem Harze geht, von rechts her mit seiner hohen, fast senkrechten Wand gewaltig und gebieterisch an, den Gau beherrschend und überwachend.«
Oda hörte ihrem ritterlichen Führer andächtig zu, und ihm machte es sichtlich große Freude, ihr alles zeigen und erklären zu können.
»Wie heißt dieser nächste Berg in gerader Schnur auf Halberstadt?« frug sie.
»Das ist der Hoppelberg,« erwiderte Siegfried. »Sein Ausläufer links nach Westen endet in einem langgestreckten Felsen; seht Ihr die Türme darauf herüber schauen?«
Oda nickte.
»Das ist die bischöfliche Burg Langenstein,« fuhr er fort, »keine freundliche Nachbarschaft. Die andere Kuppe mehr rechts ist der Helmstein, ein guter Name! nicht wahr? wie eine grünbekränzte Sturmhaube sitzt er über dem Tale.«
Oda nickte wieder, im Anschauen versunken.
»Und das dort ist die Heimburg, wo Eure Geschwister Bernhard und Reginhild wohnen?« sagte sie dann. »Da kann man ja hinüber winken.«
»Gewiss, das tun wir auch,« entgegnete Siegfried. »Wir grüßen uns manchmal mit Fähnlein und Wimpeln und geben uns verabredete Zeichen, so dass wir uns leidlich miteinander verständigen können.«
»Und gerade dahinter ist die hoch und breit gewölbte Kuppel des Brockens, so großartig und ruhig! O Graf Siegfried, hier ist gut sein, so schön hatte ich mir den Regenstein nicht gedacht,« rief Oda begeistert.
Siegfried nickte ihr freudig zu, und sie standen eine Weile schweigend und wandten den Blick still genießend hierhin und dorthin.
Ein frischer Wind zog um die luftige Höhe, kräuselte Odas braunes Stirnhaar und wühlte in den langen blonden Locken Siegfrieds. Am Himmel schwebte weißes Gewölk und warf seine beweglichen Schatten auf den grauen Fels, den gelblichen Sand dort unten in der Tiefe und über das junge, kaum erwachte Frühlingsgrün der Eichen und Birken oder über die dunklen Kiefern. Im Walde tönte der Schrei des Hähers, und aus dem stillen Tale klang eine Glocke vom Kloster Michaelstein herauf.
Unten auf der Vorburg war ein bewegtes, geschäftiges Treiben von Knechten und Mägden mit allerhand fleißigen Hantierungen. Es sah wirtschaftlich und friedlich aus innerhalb der mächtigen Anlagen, wo nichts dem Schönheitssinne schmeicheln wollte, sondern alles zweckdienlich, nur stark und fest gebaut und zueinander gefügt war.
»Was ist das für ein dumpfes Hämmern und Klingen, als käme es aus dem Innern des Felsens?« frug Oda aufhorchend.
»Kommt nur, Fräulein! ich will es Euch zeigen«, sprach Siegfried.
Nun schritten sie wieder über Felsenstufen hinab und hinauf und kamen zu mehreren Reihen jener merkwürdigen Felsenkammern, die sich einem riesenhaften Taubenhause vergleichbar neben und übereinander in dem gewaltigen, alles überragenden Hauptstock des ganzen Felsberges befanden. Sie hatten alle große, unverschlossene, aber durch eine niedrige Brüstung erhöhte Öffnungen nach dem Absturz des Felsens zu, hatten aus dem Gestein gehauene Sitzbänke, Schlafstellen und Pferdekrippen, und viele waren durch schmale Durchgänge miteinander verbunden.
Vielleicht rührten diese schwer zugänglichen Höhlen von der ersten Niederlassung auf dem Regenstein – dem ›Steine (Burg) des Regino‹ d. i. des Ratschlagenden, Gewalthabenden (Attribute altgermanischer Götter und Helden) – her und waren von einem wilden, unbändigen Geschlecht bewohnt gewesen, das die heut Lebenden an Kraft und Trotz weit hinter sich ließ. Jetzt dienten sie sehr verschiedenen Zwecken, teils zu Gefängnissen, teils zu Vorratsräumen oder in Fehden zu Verteidigungsstätten gegen unten lagerndes Kriegsvolk. Aus einer aber drang das Hämmern, denn diese war zu einer Schmiede eingerichtet, und der Waffenmeister der Burg stand dort neben zwei Knechten, die rotglühendes Eisen auf dem Amboss bearbeiteten, während auf dem Herde unter einem in den Felsen gebohrten Schlot ein Feuer brannte.
Oda war im höchsten Grade erstaunt, diese verborgene, gewaltige Naturfeste zu sehen, deren hohe Wände und Wölbungen gewachsener Fels waren, eine Burg für sich und stärker als jede, die gebaut und gebrochen werden konnte. Palas und Bergfried, soweit sie Menschenwerk waren, konnten einmal schwinden, aber diese ungeheuere Felsenburg hier oben musste stehen, solange die Erde stand.
Siegfried und Oda setzten sich in eine dieser kühlen Grotten auf die Brüstung der Fensteröffnung und schauten hinab auf den Wald, der hier und da weite Lichtungen zeigte und von einzelnen Wegen durchkreuzt war.
»Ist es nicht ein seltsames Wiedersehen, das wir hier oben feiern, Gräfin Oda?« begann nun Siegfried, »und eine eigene Schickung, die Euch als Gefangene hier auf den Regenstein führt, um den wieder zu finden, der einst glückestrunken zu Euren Füßen kniete?«
»Ihr habt recht,« erwiderte sie, »davon ahnte ich nichts, als ich Euch damals den grünen Kranz auf die Locken drückte.«
»Und ich wusste nicht einmal Euren Namen, habe ihn auch später nicht erfahren. Aber Euer Bild stand fest im Spiegel meiner Seele, unter Tausenden hätte ich Euch wieder erkannt und war schon drauf und dran, das Land zu durchreiten, um die zu suchen, die mich bekränzt hatte.«
»Mich machte es sehr glücklich,« sprach sie.
»Wirklich? tat es das?« frug er leuchtenden Blickes.
»Ja!« erwiderte sie treuherzig. »Wir Mädchen alle, die wir da zusammen an den Schranken saßen, beneideten die Fürstin, als sie Eurem edlen Bruder Albrecht den ersten Turnierdank reichte. Da kam der Wappenkönig und ließ uns losen, wer seinen Kranz dem siegreichen Knappen, auch ein Regensteiner, sagte er – übergeben sollte. Mich traf das Los, und ich war sehr stolz darauf.«
»Ich habe ihn noch, Gräfin Oda!« sagte Siegfried leise.
»Einen Turnierdank muss man auch aufbewahren,« erwiderte sie. »Wie manchen mag Euer Bruder Graf Albrecht schon haben!«
»Albrecht! ja der!« rief Siegfried. Wo fändet Ihr auch landauf landab noch einen, der im Sattel säße, der Schwert und Lanze führte wie mein Bruder Albrecht! Der hätte mit in König Artus' Tafelrunde thronen können.«
»Ich glaub' es, ich glaub' es!« sprach Oda rasch. O erzählt mir von ihm, Graf Siegfried, was er schon alles getan und erlebt hat; ich weiß noch so wenig von ihm, aber alles, was ich weiß, ist groß und gut.«
»O wie freu' ich mich, dass Ihr meinen Bruder so liebt!« sprach er, »und bei allen Heiligen! er verdient es, Gräfin Oda!«
Das holde Mädchen erschrak, und eine helle Röte stieg ihr über die Wangen zu der reinen Stirn empor. Sie senkte die Wimpern und schwieg.
»Er ist unser Haupt und Hort,« fuhr Siegfried begeistert fort, »was wäre diese starke Feste ohne ihn? ein öder Fels; durch ihn erst erhält jeder Stein hier Kraft und Bedeutung, sein Blick macht das Tote lebendig, und das Roß an seinem Zügel, das Schwert in seiner Hand bekommt etwas von seinem Geiste, wird fast ein Stück von ihm.«
Odas Augen hingen strahlend an den Lippen des Rühmenden. »Mich dünkt, Ihr seht ihm von seinen Brüdern am ähnlichsten,« sprach sie.
»Findet Ihr?« lächelte er, und nun war die Reihe zu erröten, an ihm. »Vielleicht im Gesicht, aber ein Mann wie er werde ich nie,« sagte er bescheiden.
»Da denke ich besser von Euch, Graf Siegfried!« sagte sie freundlich. »Ihr werdet Euch noch manchen Dank gewinnen!«
»Könnt' ich ihn nur stets aus Eurer Hand empfangen!« sprach er mit einem warmen Blick.
»Wenn Ihr ihn gewonnen und ich ihn zu vergeben habe, so soll er Euch nicht fehlen, das versprech' ich Euch!« erwiderte sie lächelnd.
Ein rötlicher Schmetterling flog von außen zur Fensteröffnung herein und umflatterte Odas Haupt. »Seht!« sprach sie, »ein beschwingter Herold des Frühlings hat Eure Burg erstiegen; gegen den seid Ihr wehrlos!«
»Er hat hier oben die schönste Blume gewittert, die uns der Frühling gebracht hat«, erwiderte er.
»Ihr seid ein Schmeichler, Graf Siegfried!« lächelte sie und erhob sich. »Solche Worte passen wenig zu diesen grauen Felsenwänden und noch weniger für das Ohr einer armen Gefangenen.«
»Wer ist denn hier der Gefangene?« frug er noch sitzen bleibend. Aber sie hatte schon ein paar Schritte dem Ausgange zu getan und gab keine Antwort.
»Wartet!« rief er ihr nach und sprang auf. »Laßt mich voraus, es geht da steil und beschwerlich hinab.«
Sie ließ ihn vor und schritt die Stufen, die von dem Felsen auf den Burghof führten, dicht hinter ihm hinab, wobei sie sich mit einer Hand auf seine Schulter stützte. Wonnig fühlte er die sanfte Berührung.
Unten kamen sie an der dunklen Öffnung eines Stollens vorüber, der schräg in die Tiefe des Felsens hinein führte. Auf eine Bemerkung Odas über den unterirdischen Gang entgegnete Siegfried: »Er ist halb verschüttet, und wir brauchen ihn nicht; sie nennen ihn das Tempelherrenverlies, und – ich weiß selbst nicht warum.«
Er wusste es wohl, wollte es aber nicht sagen, und Oda frug nicht weiter.
»Nun will ich Euch noch meine Vögel zeigen,« sprach er. »Aber erst sollt Ihr die schwächste Seite des Regensteins von nahem besehen, damit Ihr Euch immer sicherer hier fühlt, falls sie etwa kommen sollten, Euch mit Gewalt von uns wegzuholen.«
»Freiwillig ging ich auch nicht mit«, erwiderte sie und sah ihn dabei schelmisch an.
Er führte sie nun über grünen Rasen und durch Gebüsch an den Befestigungen entlang, und sie sah mit steigender Verwunderung die Ausdehnung der Burg und die bemoosten, efeuumsponnenen Klippen, Ringmauern und Türme, die den Zugang auch an der schwächsten Stelle noch so unbezwinglich verteidigten.
»Dies ist mein Falkengärtlein mit hochfliegenden Vögeln,« sprach er, als sie endlich zu dem Vogelhause mit einem freien, von Gitterwerk umgebenen und überspannten Platze kamen, wo die Jagdfalken saßen. »Würde es Euch Freude machen, mit mir einmal auf die Beize zu reiten?«
»Große Freude!« erwiderte sie.
»Gut! also nächstens!«
Ein fröhlicher Ruf aus dem Horne des Türmers erklang.
»Da kommt Albrecht zurück,« rief Siegfried, »wollen wir ihm entgegen?«
Oda nickte, und sie eilten zum Tore, wo sie eben eintrafen, als Graf Albrecht zu Pferde aus der dunklen Wölbung hervortauchte. Er stieg ab, klopfte das Roß mit der flachen Hand und sagte: »Geh, Brauner, weißt ja Bescheid hier!« Der ging ruhig seines Weges zum Marstall der Oberburg.
Albrechts Blick ruhte mit Freuden auf den beiden jugendlich blühenden Gestalten. »Was tut Ihr denn hier?« frug er.
»Ich habe unserer lieben Gefangenen ihren Kerker gezeigt,« antwortete Siegfried errötend, wie auf verbotenen Wegen ertappt.
»Seid Ihr mit Eurem Kerkermeister zufrieden, Fräulein?« frug Albrecht lachend.
»O ja, Herr Graf! einen milderen konntet Ihr mir nicht bestellen,« erwiderte sie mit einem freundlichen Blick auf Siegfried, den ihr dieser herzinnig zurückgab.
Albrecht sah es und lächelte still vor sich hin. »Kommt!« sprach er dann und ging ihnen schweigend zum Palas voraus.
Ein sonniger Gedanke stieg ihm in der Seele auf: Siegfried und Oda! die beiden fürs Leben vereint und die Grafschaft Falkenstein als Odas Mitgift zur Machterweiterung des Regenstein'schen Hauses, – welche ein Wunsch und Ziel!
Und ehe der Graf heut abend einschlief, war der Wunsch zum festen Plan bei ihm geworden.
Neuntes Kapitel.
Auf dem Regenstein war jetzt ein beständiges Gehen und Kommen reitender Boten. Graf Albrecht hatte dem Bischof von Halberstadt in der nachdrücklichsten Weise geschrieben, dass er die Einverleibung der Grafschaft Falkenstein in das Bischof unter keinen Umständen dulden und äußersten Falles mit Waffengewalt verhindern würde, um der rechtmäßigen Erbin, Gräfin Oda, die sich auf dem Regenstein unter seinem besonderen Schutze befände, ihr Recht zu wahren und ihr einstiges Erbe zu sichern. An die Grafen von Mansfeld, von Hohnstein und von Stolberg hatte er ebenfalls Schreiben erlassen mit der freundnachbarlichen Aufforderung, ihm gegen das widerrechtliche Umsichgreifen der bischöflichen Macht kräftig und förderlich beizustehen. Die Hilfe auch der Grafen von Blankenburg und von Wernigerode anzurufen, hatte er gar nicht erst versucht, denn er wusste, dass auf diese in ihrer Eifersucht auf das Emporblühen des Regenstein'schen Stammhauses nicht zu zählen war. Die ihm befreundeten Harzgrafen aber erklärten sich in ihren Antworten mit Albrechts Meinung durchaus einverstanden, sagten ihm ihre Hilfe im Kriegsfalle zu und wollten dann auf seinen Ruf mit ihrem Gesinde zu Roß und zu Fuß heranrücken.
Zum Grafen Hoyer von Falkenstein war Albrechts Bruder Bernhard selber geritten, um ihm mündlich dringende Vorstellungen über seine unverantwortliche Begünstigung des Bischofs zu machen.
Odas Gefangennahme war schnell bekannt geworden im Lande, und Albrechts Feinde, namentlich die Städter, erhoben ein großes Geschrei darüber. Abenteuerliche Erzählungen knüpften sich daran, wie sie in Hinterhalt gelockt und, natürlich wieder von der bösen Sieben, mit ihrem reisigen Gefolge überwältigt sei dicht bei der Stadt Quedlinburg, die nun wohl werde ausbaden müssen, was innerhalb ihrer Feldmark gefrevelt sei, denn der Falkensteiner werde sowohl ihr wie ihrem Schirmvogt – ein schöner Schirmvogt, dieser Raubgraf! – bald genug Fehde ansagen.
Graf Hoyer, dem die beiden von Bock entlassenen Reisigen die Nachricht überbrachten, hatte die Gefangennahme Odas durch einen Regenstein'schen Dienstmann für einen Irrtum gehalten, den Graf Albrecht gewiß schnell gutmachen und gebührend entschuldigen werde. In dieser Absicht glaubte er den Grafen Bernhard gekommen. Als er sich jedoch hierin getäuscht sah, und vollends als er auf seine Frage erfuhr, dass seine Schwester noch nicht freigegeben war, machte er sehr ernsthafte Miene, dafür den Gast in den Turm zu werfen. Erst als ihm Bernhard mitteilte, in welcher Weise Oda, die ihnen nur ein glücklicher Zufall in die Hände gespielt hätte, auf dem Regenstein gehalten würde und dass ihr dortiges mit der größten Freiheit ausgestattetes Verbleiben vielmehr eine Maßregel gegen den Bischof als gegen ihn, den Grafen Hoyer, wäre, beruhigte er sich einigermaßen und erklärte, dass ihm die Abtretung der Grafschaft keineswegs so eilig wäre wie dem Bischof, dessen heftigem Drängen nachzugeben er durchaus nicht gesonnen sei.
Mehr war nicht von ihm zu erreichen, am wenigsten ein bindendes Versprechen, von seinem Vorhaben gänzlich abzustehen. Gegen dieses Verlangen schützte er teils sein dem Bischof gegebenes Wort, teil seinen und seiner Gemahlin dringenden Wunsch vor, sich aus der Welt zurückzuziehen, und wollte Rücksichten auf seine Schwester Oda nicht gelten lassen; nur gefangen wollte er sie nicht wissen und forderte ihre sofortige Freilassung. Diese verweigerte Graf Bernhard mit der bestimmten Erklärung, dass die Regensteiner die Übergabe der Grafschaft Falkenstein an den Bischof nun und nimmer dulden würden. So schieden sie in Unfrieden voneinander, und Bernhard kehrte unverrichteter Dinge zurück.
Um so gespannter waren die Grafen von Regenstein auf die immer noch nicht eingetroffene Antwort des Bischofs. Und als sie kam, was war ihr Inhalt? Kein Wort von der Grafschaft. Sondern der Bischof bezichtigte den Grafen Albrecht des Jungfrauenraubes und bedrohte ihn mit seinem Banne, falls er die Gräfin Oda von Falkenstein nicht sofort auf freien Fuß setzte.
Albrecht lachte laut auf. Das war ein Schachzug des Bischofs, auf den er nicht gefasst war.
»Schade, Herr Rudolf von Dorstadt,« sprach er zu dem Dienstmann des Bischofs, der ihm dessen Schreiben überbracht hatte, »schade, dass ich Euch die geraubte Jungfrau nicht in ihrem Kerker zeigen kann, aber sie ist mit meinem Bruder Siegfried auf die Beize geritten, die arme, trostlose Gefangene!«
»Der hochwürdige Bischof, mein gnädigster Herr, verlangt Euer ritterliches Wort, Herr Graf, dass Ihr die Gräfin Oda des ehesten los und ledig gebt,« erwiderte der Ritter.
»Verlangt!? wer hat von mir etwas zu verlangen?« sauste der Graf ihn an. »Bin ich des Bischofs Mann wie Ihr? Soll ich das Fräulein vielleicht Euch ausliefern, dass Ihr sie dem Bischof bringt und er sie zu den Ursulinerinnen sperrt? Das wäre dem Erbschleicher wohl das liebste?«
»Dort wäre ihre Unschuld wenigstens sicher,« gab Dorstadt boshaft zur Antwort. »Sagt mir doch, Herr Graf: zu welchem Zwecke haltet Ihr die Jungfrau hier?«
»Danach hat kein Pfaffenknecht zu fragen!« rief Albrecht zornig.
»Herr Graf, ich bin des Bischofs Gesandter!« fuhr Dorstadt auf, fast berstend vor Wut.
»Und wenn Ihr des Teufels Gesandter wäret –! Doch was streit' ich mich mit Euch?« sprach der Graf verächtlich. »Wie der Herr so's Gescherr! Ah da kommt sie ja!«
Der Graf stand mit dem Abgesandten des Bischofs auf dem oberen Burghof vor dem Palas, als Siegfried und Oda angeritten kamen, gefolgt von einem Falkonier, der einen verkappten Habicht auf der Faust trug und einen getöteten Entvogel am Sattel hängen hatte. Als sie vom Rose gestiegen herzu traten, sprach der Graf: »Ich bitte Euch, Gräfin Oda, sagt dem Ritter Rudolf von Dorstadt, ob Ihr hier als Gefangene gehalten werdet, oder ob Ihr mein gern hier weilender Gast seid.«
Oda blickte verwundert erst den Grafen und dann den Ritter an und sagte darauf: »Ich genieße mit allem Dank die sorgliche Gastfreundschaft des Herrn Grafen.«
»Schreibt's Euch auf, Herr, wenn Ihr schreiben könnt!« spottete der Graf.
Aber Dorstadt sprach in einem sehr bestimmten Ton zu Oda: »Der hochwürdige Bischof von Halberstadt fordert Eure Entfernung vom Regenstein, gnädiges Fräulein, oder den Herrn Grafen trifft der Bann.«
»Der Bann?!« rief Oda erschrocken, »um meinetwillen? Großer Gott! Dann muss ich fort, dann lasst mich fort, Herr Graf! gleich morgen, nein heute, heute noch!«
»Nein! nein!« rief Siegfried schnell.
Albrecht winkte ihm schweigen. »Darum doch nicht?« sprach er finster. »Jetzt will ich's, dass Ihr bleibt, Gräfin Oda!«
»Und ich weiß, was ich von den Worten des Grafen von Regenstein zu halten habe«, sagte Ritter Dorstadt höhnisch.
Graf Albrecht fuhr mit der Hand nach dem Dolch an seinem Gürtel, bezwang sich aber und sprach mit schallender Stimme und einem furchtbar drohenden Blick: »Verwegener! Lasst mich schleunig den Schweif Eures Rosses sehen, oder Ihr kommt nicht lebendig über die Zugbrücke!«
Der Ritter wandte sich und bestieg sein Pferd. »Das will ich dir gedenken!« knurrte er, als er von dannen ritt.
Oda war auf der Falkenjagd mit Siegfried so vergnügt gewesen. Sie ritt ihr eigenes Pferd und war eine gute Reiterin. Voll Freuden sprengten die beiden an dem lachenden Frühlingstage nebeneinander durch die Fluren dahin und pirschten auf das geflügelte Wild, das im Röhricht der Teiche um Michaelstein versteckt lag und dort von den Hunden aufgestöbert wurde. Siegfried strahlte von Glück an der Seite der Geliebten, die ihm so manches trauliche Wort, so manchen freundlichen Blick schenkte, und seine Hoffnung auf ihre Gegenliebe wuchs schneller als die Frühlingsblumen am Wegrain. Die Bäume prangten in leuchtendem Blütenschmuck, und die Höfe der Bauern standen wie in weißen Festgewändern, wie von luftigen Schleiern lieblich umwallt. Vogellieder tönten aus den Zweigen, und den beiden jungen Leuten klopfte das Herz in Lust und Fröhlichkeit.
Als sie aber zu Hause Albrecht mit dem Ritter von Dorstadt trafen und das Verlangen und die Drohung des Bischofs hörten, kam es wie ein jäher Wassersturz über sie, der den einen mit ernüchternder Kälte aus wonnigen Träumen schreckte und die andere in Angst und Leid versenkte.
Albrechts Antwort war allerdings ein starker Trost für Siegfried, denn er kannte seinen Bruder gut genug, um zu wissen, dass dieser nun, da es der Bischof forderte, Oda ganz gewiss nicht von sich lassen würde. Aber es konnten noch weitere Schritte des Bischofs folgen oder andere unvorhergesehene Ereignisse eintreten, die das Bleiben der Geliebten auf dem Regenstein zur Unmöglichkeit machten. Er überlegte sich daher, ob er nicht Oda seine Liebe gestehen sollte, damit sie nicht eines schrecklichen Tages von hinnen zöge ohne zu wissen, dass er sie liebte. Freilich bangte ihm, wie sie sein Geständnis aufnehmen würde. Eine fast geschwisterliche Vertraulichkeit hatte sich schnell zwischen ihnen eingebürgert, aber Oda war stets ruhig und gleichmütig, dass er in aller ihrer Huld und Freundlichkeit doch nicht das kleinste Zeichen von Liebe finden konnte. So verschloss er denn sein Geheimnis vorläufig noch und vertraute der Zukunft.
Schon öfter hatte Albrecht in stiller Bewunderung die Augen an der anmutigen Erscheinung Odas geweidet. Ihr schlanker und doch kräftiger Wuchs passte so gut zu der jungen Heldengestalt Siegfrieds, ihr schön geformtes Antlitz mit der zarten Farbe und den sanften, seelenvollen Augen war von unwiderstehlichem Liebreiz; ihre Bewegungen, so leicht und natürlich, hatten etwas angeboren Edles und Würdevolles, und bei aller mädchenhaften Zurückhaltung zeigte ihr Wesen doch etwas fest und sicher in sich Ruhendes.
Das alles gewahrte Albrecht mit Freuden, und als er die Gefühle des jüngeren Bruders, der in Sachen des Herzens wenig Selbstbeherrschung besaß, und die Kunst der Verstellung noch nicht zu üben verstand, erkannte, empfand er über diese Entdeckung eine große Genugtuung. Siegfried kam also seinen Wünschen auf halbem Wege entgegen und brachte damit seinen Plan, die beiden zu einem glücklichen Paare zu machen, der Ausführung einen großen Schritt näher.
Sie ließ sich den ganzen Nachmittag, nachdem sie des Bischofs Drohung erfahren, nicht mehr sehen, sondern saß in Schwermut versunken auf ihrem Zimmer und grämte sich über die Gefahr, die ihretwegen das Haupt des Grafen Albrecht umschwebte, und die nur durch Erfüllung des bischöflichen Verlangens abzuwenden war. In der fast schlummerlosen Nacht beschloss sie, den Grafen um ihre Entsendung zur Äbtissin von Quedlinburg zu bitten.
Das tat sie auch gleich am Morgen in einer sehr verzagten, wahrhaft rührenden Weise. Graf Albrecht sah sie mit einem so erstaunten und doch teilnahmsvollen Blicke dabei an, dass sie kaum Worte fand, ihren Gedanken Ausdruck zu geben, und ihr das Herz bis an den Hals hinauf klopfte.
»Liebes Fräulein!« sprach er mild und freundlich, »um mich sorgt Ihr Euch des angedrohten Bannes wegen?«
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