Kitabı oku: «Hafterlebnisse eines DDR-Bürgers 2. Teil», sayfa 2

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„Wir werden ein neues Ermittlungsverfahren vor Gericht beantragen“, meinte der Bonze zu mir. Aber ich wusste mit Sicherheit, dass noch kein Gesetz erlassen worden war, wonach bei Verweigerungen im Zuchthaus Freiheitsstrafen erfolgen konnten. Daher sagte ich zu ihm: „Zeigen Sie mir das schriftlich und ich nehme sofort die Arbeit auf.“ Weil er mir daraufhin nichts vorlegte, sagte ich, dass ich weiterhin jegliche Anordnungen oder Vorschriften ablehnte.

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„Brand“, sagte er dann zu mir, „glauben Sie wirklich, dass Sie, wenn Sie in den Westen kommen würden, eine Arbeit kriegen und womöglich gleich zweitausend Mark verdienen?“

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„Ja, sogar mehr“, erwiderte ich. „Aber selbst wenn nicht, dann bin ich frei und solche Leute wie Sie werde ich da zum Glück nicht treffen.“

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Bald darauf war unser nettes Gespräch zu Ende und ich erfuhr, dass ich nun 14 Tage Arrest hatte. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass er ein Perversling sei und Freude daran hatte, andere zu quälen. Doch musste ich etwas auf die Wortwahl achten, weil ich spätestens 1981 entlassen werden wollte. In einem freien Land hätte man wegen Beamtenbeleidigung wahrscheinlich einige Hundert Mark Geldstrafe bekommen, aber in der DDR bekam man dafür eine monate- oder sogar jahrelange Gefängnisstrafe aufgebrummt, weil eine Beleidigung als „Staatsverleumdung“ oder sogar als „staatsfeindliche Hetze“ ausgelegt werden konnte.

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Zu Essen gab es täglich 250 Gramm Brot. Ohne Belag. Nur jeden dritten Tag bekamen wir Mittagessen, aber ohne Fleisch. Die Zellenwände waren kahl und dunkel. Ich konnte in diesem Raum gerade einmal 3 m zur Tür gehen und mich dann bereits umdrehen, um wieder 3 m Richtung Fenster zu laufen. Die Zwangsarbeit, Hungerrationen und brutalen Strafen und Verhöre verstießen eindeutig gegen die Schlussakte von Helsinki (eine Absichtserklärung der Europäischen Sicherheitskonferenz, in der u. a. die Wahrung der Menschenrechte eingeschlossen war), die auch die DDR unterschrieben hatte. Aber was scherte es so einen Staat wie die DDR, der Leute öffentlich an der Mauer erschießen und hinter verschlossenen Türen von der Stasi töten ließ.

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Täglich mussten wir unsere Scheißkübel draußen in der Nähe der Zelle in ein Loch im Boden leeren. Normalerweise hätte ich auch das verweigert, aber dass andere Gefangene das dann für mich tun mussten, wollte ich natürlich nicht. Trotz dieser Regelung stank es bestialisch in der Zelle, obwohl ein Deckel den Kübel abdeckte. Natürlich gab es auch normale Toiletten, doch wir sollten bewusst nicht in den Genuss kommen, diese zu benutzen.

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Um mich abzusichern, fragte ich bei den Arrestnachbarn nach, ob etwas dran sei an einem zusätzlichen Strafverfahren. Aber sie sagten zu mir: „Keine Angst, dir kann nichts passieren.“ Doch es ging das Gerücht um, dass bald ein Strafvollzugsänderungsgesetz in Kraft treten würde, durch das Verweigerer mit zusätzlichen Haftstrafen belegt werden konnten. Eigentlich nicht nachvollziehbar, dass die so etwas durchsetzen konnten. Aber zuzutrauen war es denen irgendwie doch. Für die waren wir nur wie Dreck unter den Fingernägeln!

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Wie lange es dauerte, von der DDR so ernst genommen zu werden, dass sie auf einen verzichtete, wusste keiner von uns. Es gab keine Regel, wer wann drankam zur Ausreise. Zumindest erfuhren wir nichts Näheres. Weil es in Thale aber insgesamt nur 8 Arrestzellen gab, versuchte man wiederholt, uns umzustimmen.

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Da wir in der sogenannten „Freistunde“ zusammen im Kreis liefen und man sich etwas unterhalten konnte, merkte ich, dass man mir noch immer misstraute. Ich war neu und im DDR-Gefängnis die Arbeit zu verweigern bedeutete, dass man die härtesten Strafen bekam. Das machten halt sehr wenige bzw. die wenigsten hielten das aus.

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Leider konnte man sich nie satt essen, weil jeder Arrestant mit Bedacht so wenig wie möglich bekam. Wir forderten, die Verordnungen zu lesen, in denen stand, dass so wenig Essen für Gefangene ausreichte. Doch diese Verbrecher in Uniform gaben uns nichts dergleichen. Wahrscheinlich wollten sie für den Fall, dass eine Menschenrechtskommission Zutritt zu den Gefängnissen erlangte, nichts Beweisbares haben. Bei Beschwerden wegen des Essens wurde immer gesagt: „Ihr seid hier nicht im Urlaub“, oder „Macht, was verlangt wird, dann kriegt ihr mehr.“ Dreckspack, dachte ich mir oft, ihr gehört in diese Zellen rein. Leider konnte ich nicht alles sagen, was ich dachte, da ich sonst ein neues Strafverfahren riskiert hätte. Es hätte aber auch nichts genützt, denn die machten trotzdem, was sie wollten. Ich kann genauso stur sein wie diese Banditen, sagte ich mir immer wieder. Schlimm war bei der Sache, dass mich die harte Haftunterbringung psychisch und physisch schädigte. Hinzu kamen die Verhöre, die einen Menschen noch zusätzlich fertigmachten. Eines Tages wird die Gerechtigkeit kommen und dann werden die in der Hölle schmoren, dachten wir Häftlinge.

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Bei allen Volkskammerwahlen, die bis 1975 stattfanden, hatte ich bei allen aufgestellten Kandidaten mit „Nein“ gestimmt. Man dachte immer, dass die Wahlen manipuliert werden würden, aber trotzdem stimmten in der DDR die meisten Bürger leider für diese Regierung. Und so wurde der Unrechtsstaat vom Volke mitgetragen. Angst war das Hauptproblem der Leute. Es gab nur die Kandidaten der SED, die gewählt werden konnten. Eine demokratische Partei gab es nicht.

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Von einigen anderen Mitgefangenen erfuhr ich, dass man uns in Thale nur bis zu 6 Monate im Arrest behalten darf. Dann würde man in eine härtere Kategorie umgestuft und in ein schlimmeres Gefängnis gebracht. Na hallo, dachte ich mir, 6 Monate hier – wer soll das bloß aushalten!!! Ich konnte nachvollziehen, dass manch ein Gefangener Selbstmord begangen hatte.

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Obwohl ich wusste, dass ich keine Briefe nach draußen an die Familie schreiben durfte und mir auch keine Post von Angehörigen ausgehändigt wurde, verlangte ich nun Schreibzeug. Man sagte mir jedoch, dass ich aufgrund der Strafmaßnahmen kein Recht dazu hätte. Aber mehr als immer wieder Arrest kann ich nicht bekommen, so dachte ich jedenfalls. Keiner von uns wusste damals, dass viele Staatsgegner durch die harten Maßnahmen der Stasi-Schergen umkamen.

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In der Freistunde bei -15 Grad froren wir in unserer dünnen Arrestbekleidung. Wir verlangten jedoch nicht, in die Zelle zurückgelassen zu werden, da es die einzige Zeit war, die wir nicht allein verbringen mussten. „Menschenhasser!“, rief einer von uns dem Wärter zu. Wenn jetzt ein anderer von uns noch mitgemacht und dem Beamten Drohungen zugerufen hätte, wäre alles hochgekocht. Die Situation wäre aus dem Ruder gelaufen und wir wären wegen Gefangenenmeuterei verurteilt worden. Doch weil zu viel Haftstrafe auf uns zugekommen wäre, hielten wir uns zurück mit gemeinschaftlichen Demonstrationen!

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Nach zwei Wochen, als der Arrest zu Ende war, stellten wir fest, dass über Nacht zwei von uns abgeholt worden waren. Wohin waren sie gekommen, überlegten wir. In ein anderes Gefängnis oder abgeschoben in den Westen? Wir erfuhren es leider nicht, aber hofften, dass sie beide hatten ausreisen dürfen.

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Kurz darauf habe ich mir meine nächste Arreststrafe abgeholt. Ich hatte nun 21 Tage bekommen, die längstmögliche Arrestzeit. Diese SV-Angehörigen hatten das Gewaltmonopol und das ließen sie einen spüren. Wir drei Häftlinge in den Arrestzellen waren nun die meistgehassten Gefangenen im Lager.

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Von draußen hörte man die Abteilungen der Gefangenen marschieren und kommunistische Lieder singen. Welch ein Hohn, dachte ich mir, für mich wäre das Arschkriecherei. Freiheitslieder singen, aber selbst unter solch einer Regierung gefangen sein – wo bleibt der Stolz dieser Leute? Dass alle so etwas machten wie wir, erwartete ich aber nicht. Marx und Engels haben mit Sicherheit nicht solch eine Diktatur wie die DDR gewollt. Der Westen wurde ständig in den Dreck gezogen, aber selbst konnte man den Sozialismus nur durch Bevormundung, Unterdrückung, Unrecht und mit Polizeigewalt aufrechterhalten. Wenn der Sozialismus mit dem Verbrechen auf einer Stufe steht, wie kann dann so stur daran festgehalten werden? Ich konnte nicht begreifen, dass diese Art von Sklavenhaltung das Ziel sein kann. Die Phrasen, die ich mir anhören musste, stanken zum Himmel. Dumme Leute waren gefährlich, das hatte ich oft genug zu spüren bekommen. Nun aber kam ich aber zu den Chefs allen Übels und musste zur „Befragung“ bei der Stasi.

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„Strafgefangener Brand, wollen Sie weiter gegen uns rebellieren? Wollen Sie es darauf ankommen lassen, dass wir noch härter gegen Sie vorgehen? In Kürze werden Sie vor Gericht kommen, wenn Sie nicht das tun, was wir wollen. Sie haben keine Chance gegen uns, begreifen Sie das nicht?“

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Da bekam ich es wieder mit der Angst zu tun. Zweifel und Wut stiegen in mir hoch.

„Wenn es Gerechtigkeit geben würde, wäre ich nicht hier und Ihre Phrasen können Sie sich sparen.“

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Daraufhin flog ich erst mal gegen die Wand und hatte Schwein, dass ich nicht noch mehr attackiert wurde.

„Noch können Sie ein anständiger Mensch werden, Brand. Nehmen Sie den Ausreiseantrag zurück und geben Sie die Arbeitsverweigerung auf, dann ist es noch nicht zu spät.“

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„Sofort, wenn Sie mir dafür meine Menschenrechte garantieren“, sagte ich zu dem Banditen. Der nahm mich am Kragen und drückte mich an die Wand.

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„Sie können gar nichts fordern, denn Sie sind nur ein Straftäter, der richtig erzogen werden muss.“

„Ich bin ein Mensch und Bürger dieses Landes und ich will frei sein“, antwortete ich.

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„Wir sind das Gesetz, und wenn Sie nicht spuren,dann wird es Ihnen noch dreckiger gehen als jetzt.“

„Schlimmer geht's nicht mehr!“, sagte ich. Die dann folgenden Beleidigungen versuchte ich nicht im Gedächtnis zu speichern, weil so viel Müll es nicht wert war, darüber nachzudenken.

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„Wer hier Opfer und wer Täter ist, sieht man“, äußerte ich. Die wussten nun, das sie mit dem Brand einen harten Brocken hatten, der sich durch ihre Drohungen nicht ins Hemd machte. Nach einer Stunde Verhör kam ich zurück auf meine Zelle. Ich verlangte nun, einen höheren Beamten zu sprechen. „Ich brauche Schreibzeug für eine Haftbeschwerde“, sagte ich zu dem Wärter. Er jedoch ignorierte mich. Da sagte ich zu ihm: „Wenn ich bis morgen nicht schreiben darf, gehe ich erneut in den Hungerstreik.“ Das half, denn sonst hätte er die Schuld bekommen, falls höhere Offiziere sich nach dem Hungerstreik erkundigten. In meiner Haftbeschwerde prangerte ich die unrechtmäßigen Strafen an und schrieb auch, dass Amnesty International die psychische Folter bestätigt und die DDR aufgefordert hatte, fair mit Gefangenen umzugehen. Anschließend gab ich das Schreiben für den Haftrichter ab. Versprochen habe ich mir nicht viel davon, aber ich dachte mir: Viele Tropfen füllen das Fass.

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Wir drei Arrestanten wollten uns beschweren und in den Hungerstreik treten. Aber wir riskierten es nicht, weil wir Angst hatten, mehrere Jahre zusätzlich wegen „Meuterei“ zu bekommen. Das durfte immer nur einer machen, damit die nicht behaupten konnten, einer von uns hätte die anderen Gefangenen angestiftet oder aufgewiegelt.

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Plötzlich bekamen wir einen neuen Arrestant hinzu. Er kam aus Leipzig und hatte auch nicht vor, sich an die Gesetze und Strafvollzugsanweisungen zu halten. Ein Jahr musste er absitzen. Und weil er wie wir auch nichts machen wollte, bekam er erst mal zum Einstand eine Woche Arrest. Da dies seine erste Strafe war, ging es ihm überhaupt nicht gut dabei. Es war schon sehr hart, wie mit den Leuten umgegangen wurde, die sich nicht an den vorgeschriebenen Richtlinien hielten.

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Draußen führte der Neue auch einen Behördenkrieg und er kam dabei nicht weiter. Recht haben und recht kriegen sind zwei sehr verschiedene Dinge in einem sozialistischen Staat. Sein Name war Bernstein und er hatte draußen Medizin studieren wollen. Er hatte alle nötigen schulischen Voraussetzungen gehabt, nur war er eben nicht „linientreu“ gewesen. Also meinte er: „Dann nehm ich Jura“, aber das war wegen seiner kritischen Haltung auch nicht möglich. „Politisch nicht tragbar“ hieß es bei ihm. Das einzige Studium, das die Ämter ihn anboten, war Agraringenieurwesen. Also praktisch studierter Bauer. Daraufhin sei er ausgeflippt, erzählte er uns, und habe einen Antrag auf Ausreise gestellt. Weil die Ämter Anzeige wegen „Staatsverleumdung“ erstatteten, wurde er verhaftet und nun war er bei uns politischen Gefangenen angekommen. Er glaubte auf seine unerfahrene Art, dass genug Eingaben reichen würden, um denen sein Konzept klarzumachen.

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Ich sagte zu ihm: „Ich warte seit dem Antrag schon 4 Jahre auf meine Ausreise, doch es schert die einen Dreck, was ich will.“

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„Hast du auch richtige Argumente aufgeführt?“, fragte er mich.

„Klar“, sagte ich, „auch wenn ich kein Abitur wie du habe, so hatte ich schon die richtigen Gründe angegeben.“

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„Ein Jahr Arrest unter diesen Lebensumständen, das halte ich aber nicht durch“, sagte Bernstein.

Ich erwiderte: „Dann sagst du eben, du nimmst die Zwangsarbeit in Thale auf und möchtest alle Anweisungen erfüllen. Und dann hast du im Vergleich zum Arrest ein gutes Leben in der Haft.“

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„Spaßig“, sagte er zu uns, „ihr braucht mich hier, ich kann euch nicht in Stich lassen. Solange ich durchhalte, bleibe ich in dieser Zwangshaft.“

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Der Tagesablauf im Arrest sah folgendermaßen aus: Aufstehen, dann in den Waschraum gehen. Anschließend Frühstücken (3 Scheiben Brot, dünn beschmiert mit Marmelade, einen Becher mit Malzkaffee) und dann die Wände und kahle Zelle anstarren, während man auf die Freistunde wartete. Mittagessen ohne Fleisch und ohne Kompott. Nichts lesen dürfen, nichts schreiben, nichts rauchen, auch nicht hinlegen, denn das Holzbrett wurde an der Wand hochgeklappt und festgeschlossen. Post von draußen wurde auch nicht ausgehändigt. Für uns böse Jungs gab es keinen richtigen Kaffee oder Tee . Auch Musik durfte man nicht hören, dafür aber ab und zu das Gegröle von Häftlingen:„Brüder, zur Sonne, zur Freiheit, hell aus dem Lichte hervor“ – ein Partisanen- und Freiheitskämpferlied der Kommunisten. Den anderen Häftlingen war wohl nichts peinlich; wenn die Bullen sagten: „Singt“, dann sangen die Gefangenen. Bei solchen Duckmäusern wird die Diktatur ewig dauern, schoss es mir durch den Kopf. Abends gab es wieder 3 Scheiben trockenes Brot und eine Schüssel mit Malzkaffee. Der ständige Arrest war eintönig bis zum Gehtnichtmehr und die Art und Weise, wie wir abgefertigt wurden, stank zum Himmel. Es lag natürlich auf der Hand, dass man uns durch die geringen Lebensmittelrationen und alle anderen Einschränkungen mürbemachen wollte. Für die Gefängnisverwaltung war klar, dass es nur eine Frage der Zeit war, wann wir aufgeben. Doch da täuschten die sich gewaltig in uns.

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Etwas Abwechslung gab es, wenn man manchmal zum „Erziehungsgespräch“ musste. Je nachdem, ob es von Polizei oder Stasi geführt wurde, wurde man beschimpft, erniedrigt, beleidigt und bedroht – mal mit und mal ohne Schläge. Kein Tier wurde so behandelt, nur die Staatsgegner dieses Verbrecherstaats DDR. Während jener Zeit wurde man jedoch verhältnismäßig selten geschlagen, weil die Regierung sich keine Vorwürfe von demokratischen Ländern wegen Gefangenenmisshandlung machen lassen wollte. Die psychische Folter war daher das Hauptproblem.

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Eines Tages war auch „unser“ Pfarrer fort. Wir wünschten ihm das Beste. Nun hatte der Bernstein schon seine 14 Tage hinter sich und ich sowie der Steinke hatten erneut an 3 Wochen Strafe zu knabbern. Nach deutscher Rechtsprechung waren wir politischen Gefangenen unschuldig. Unser Widerstand brachte aber bisher keine positiven Ergebnisse. Für uns war kein Spielraum mehr für weitere Proteste vorhanden, ohne zusätzliche Haftstrafen zu riskieren.

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In der Zelle malte ich mir aus, ich wäre schon im Westen, hätte eine gut bezahlte Arbeit und könnte mir all die Dinge leisten, an die in der DDR nicht zu denken war. In Gedanken machte ich Urlaub im Süden. Dort nahm mir niemand Essen oder meine Zigaretten fort. Es gab auch keine Beamtenpfeifen, die mir Vorschriften machen wollten. Kein Amt, das mir mit einer Verhaftung drohte, wenn ich einen Antrag abgebe. Oder mich in Handschellen vorführte, wenn ich einen Termin versäumt hatte. Bald kann ich meine Sachen packen für die Auslieferungszelle Cottbus, machte ich mir Mut.

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Ob mir später überhaupt jemand glaubt, wenn ich denen von der DDR-Haft erzähle, fragte ich mich. Solch menschenunwürdige Haftbedingungen wünscht man nicht mal seinem schlimmsten Feind. Draußen kennen die Leute das alles wahrscheinlich nur aus Filmen wie „Der Graf von Monte Christo“,in dem gezeigt wird, wie ein Mann jahrelang unschuldig hinter Festungsmauern leiden musste.

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Wer in der DDR seine Rechte wahrnehmen wollte, wurde einfach weggesperrt. Ich und die anderen beiden, Steinke und Bernstein, waren einem Haufen von Lügnern und Unrechtsvertretern ausgeliefert. Doch wir durften nicht verzweifeln. Es war mir voll verständlich, wieso andere, die keine festen Ziele vor Augen hatten, diese harten Strapazen nicht in Kauf nahmen.

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Dass man bald auf meinen Rippen Klavier spielen konnte, scherte niemanden. „Ihr seid Straftäter und die müssen hart rangenommen werden“, war die Antwort auf Beschwerden wegen der Mangelernährung. Und die Ärzte halfen uns auch nicht, obwohl sie das hätten tun können. Gewissenloses Pack von niederträchtigen Egoisten. Jeder dachte nur an seinen eigenen Arsch. So ein Arzt war genauso ein Täter wie ein Wärter oder ein Offizier. Für die DDR jedoch waren ich und die anderen „Täter“, obwohl wir doch die Opfer dieser Diktatur waren. Wir wollten doch nur frei sein!

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Da die Arrestzellen angeblich renoviert werden sollten, kamen wir in einen für uns ausgebauten Keller, in eine Gemeinschaftszelle. Ein regelrechtes „Kellerloch“. Unter uns kam Misstrauen auf, denn normalerweise sollten wir noch nicht einmal während der Freistunde miteinander reden. Und nun auf einer Gemeinschaftszelle die Zeit gemeinsam verbringen? Wir glaubten, dass uns Spitzel vorgesetzt werden würden und so war es denn auch bald. Die Stasi hielt uns wohl für so primitiv, das nicht zu bemerken. So kamen andere Gefangene, die gegen die Gefängnishausordnung verstießen, zu uns in den Keller und sperrten die Ohren auf. Einige von der Stasi beauftragte kriminelle Subjekte versuchten uns als IM (Inoffizielle Mitarbeiter) zu schädigen. Doch das funktionierte in diesem Fall nicht, weil wir keine Vollidioten waren. Solange ein Fremder bei uns war, sprachen wir einfach nicht mehr über brisante Themen.

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Der Keller war zwar geräumig und mit 6 Doppelstockbetten bestückt, doch es roch nach Keller. Es war feucht und es gab nur ein kleines Fenster in Bodenhöhe. Der einzige Vorteil war, dass wir drei zusammen waren und uns so gegenseitig Halt geben konnten. Wir fragten uns gegenseitig, als was wir im Westen arbeiten wollten und was man dachte, dort verdienen zu können. Viel wusste ich nicht vom Westen und in welche Stadt ich gehen würde, wusste ich damals auch noch nicht. Mir war nur bekannt, dass München in Bayern liegt und dort das Hofbräuhaus ist. Köln, so wusste ich, liegt am Rhein. Hamburg liegt an der Elbe und da gibt es die Reeperbahn. Woher sollten wir auch mehr wissen, vonseiten der DDR wurde nur Schlechtes berichtet, damit man denken sollte, im Westen lebten nur Arbeitslose, Obdachlose, Prostituierte, Drogensüchtige und ein paar Kapitalisten, die mit der Peitsche in der Hand ihre Arbeiter antrieben. Doch wir waren auf keinen Fall so naiv, auf diese Hetzkampagne gegen die BRD zu bauen. Schließlich würden die Behörden nicht solch einen Aufriss machen, wenn es wirklich stimmte. Denn dann hätte man uns doch laufen lassen können. Nein, denen, die nicht an den Staat glaubten, gönnte man kein besseres Leben im Westen.