Kitabı oku: «Verblöden unsere Kinder?», sayfa 4
Wie unser Gehirn Medienbilder verarbeitet
Was geschieht im Gehirn des Kindes eigentlich genau, wenn es fernsieht oder am Computer spielt? Sind Kinder den Medien ausgeliefert oder gibt es Mechanismen im Gehirn, die das Kind schützen? Wie verarbeiten Kinder ihre Medienerlebnisse?
Neurologen haben in den vergangenen Jahren viele Untersuchungen durchgeführt, die sich mit diesen Fragen beschäftigten. Die Ergebnisse sind zwar nicht so eindeutig, wie man vermuten möchte, und die Hirnforschung steht bei vielen Fragen noch am Anfang. Dennoch sind die Ergebnisse teilweise überraschend. Gesichert scheint: Kinder entwickeln Vorlieben und Präferenzen für bestimmte Medien, sind aktiv bei der Medienaneignung beteiligt und filtern die Medieninhalte mit der Folge, dass man nicht über die Häufigkeit der Mediennutzung gleich auf eine bereits feststehende Wirkung schließen kann.
Gerade auf die noch näher zu beschreibende Wirkung von Medien auf Kinder ist der Hinweis wichtig, dass die Mediennutzung nicht im „luftleeren Raum“ geschieht, sondern die Inhalte von Kindern wahrgenommen, bewertet und schließlich verarbeitet werden. In welcher Weise Kinder Medieninhalte aufnehmen und verarbeiten, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Die eigene Lebensbiografie, bestimmte Lebensumstände, die kognitive Reife, das soziale Milieu oder die kulturelle Verortung gelten als solche Einflussfaktoren.
Die Aussage „Fernsehbilder wirken auf Kinder“ ist nicht falsch, sie gibt aber keine Antwort darauf, wie Kinder sich bestimmte Fernsehbilder aneignen, weil sie eben nicht nur passive Konsumenten, sondern aktiv Handelnde sind, welche die gesehenen Bilder zu ihrer Lebenserfahrung, ihrem sozialen Umfeld, ihren Träumen und Wünschen in Beziehung setzen. Medienaneignung ist in diesem Sinne ein lebensbegleitender Prozess, beruht auf dem Wechselspiel zwischen Medien und kindlicher Entwicklung. Das erklärt auch, warum gleiche oder ähnliche Fernsehbilder in unterschiedlicher Weise auf gleichaltrige Kinder wirken.
Die Wahrnehmung und Verarbeitung von Bildern ist ein komplexer Prozess, bei dem viele Faktoren berücksichtigt werden müssen. Kinder filtern die Medieninhalte, konstruieren und setzen sie neu zusammen. Was hier etwas mechanisch klingt, geschieht im Bruchteil einer Sekunde.
Der Einfluss der Bilder auf den Rezipienten wird damit enorm relativiert, weil die Bilder verschieden von den Kindern wie auch von Erwachsenen aufgenommen werden. Würden wir nämlich die auf uns einwirkenden Bilder nicht filtern können, würde unser Gehirn angesichts der Bilderfülle sprichwörtlich „überlaufen“. Nur Bilder, die eine Relevanz haben, können sich im Gehirn festsetzen und werden dauerhaft „abgespeichert“.
Man sollte sich daher hüten, zu glauben, dass nur und immer bestimmte Bilder (z. B. von Gewalt) ein Problem darstellen, mindestens genauso wichtig ist der Prozess, wie die Bilder angeeignet werden und in welchem Kontext die Aneignung stattfindet. Werden die Bilder allein im Kinderzimmer gesehen, verläuft der Aneignungsprozess deutlich anders als beim gemeinsamen Gruppenerlebnis.
Erheblichen Einfluss darauf, ob und wie Medienbilder angeeignet werden, üben medienbezogene Interessen aus. Untersuchungen zeigen, dass bereits Kinder im Vorschulalter Interessen ausprägen. Zwar sind diese Interessen bei Kindern leichter von außen beeinflussbar als bei Jugendlichen und Erwachsenen, sie haben jedoch eine wichtige Bedeutung bei der Selektion von Bildern.
Motivationen und Interessen, die vom Kind ausgehen, werden als intrinsisch bezeichnet, sind sehr effektiv und wirken sich positiv auf den Lernerfolg aus, weil sich Kinder intensiv und vor allen gründlich mit dem „Lerngegenstand“ beschäftigen, diesen aus eigenem Interesse vertiefen und ihre Kenntnisse erweitern. Dieses im Gehirn abgelegte Wissen ist vergleichsweise „tief“ und kann später leichter abgerufen und weiterentwickelt werden.
Eltern können das bei ihren Kindern leicht beobachten: Ist das Interesse des Kindes an einem bestimmten Objekt hoch, vertieft es sich so sehr darin, dass es seine Umwelt kaum mehr wahrnimmt.
Vom geplanten Lernen in der Schule (intentionales Lernen) nach einem Lehrplan gibt es auch ein Lernen „nebenbei“, dies setzt persönliche Freiheitsräume voraus, in denen persönliche Interessen im Mittelpunkt stehen. Nicht-intentionales (also nicht zielgerichtetes) Lernen ist informell, geschieht nebenbei und ist ein notwendiger und wichtiger Teil dessen, was wir im Laufe unseres Lebens lernen.
Beide Formen des Lernens sind für die kindliche Entwicklung wichtig, wie die vielen Belege aus der pädagogischen Psychologie zeigen. Selbst wenn diese Erkenntnisse zum größten Teil aus dem schulischen Umfeld stammen, sprechen viele Faktoren dafür, dass sie auch für die Aneignung von Medienbildern relevant sind.
Das wirft die Frage auf, von welchen Interessen Kinder und Jugendliche geleitet sind. Mit Blick auf die unterschiedlichen sozialen Milieus unserer Gesellschaft wäre zu hinterfragen, ob diese überall gleich sind oder ob es milieuspezifische Unterschiede mit Blick auf die medienbezogenen Interessen nicht nur hinsichtlich der Altersgruppen, sondern auch zwischen Jungen und Mädchen gibt.
Die Lebensphasen und die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind klassische Forschungsgebiete der Entwicklungspsychologie und geben uns weitere wertvolle Hinweise zum Verständnis der unterschiedlichen Interessenlagen. Als sicher gilt, dass wir im Laufe unseres Lebens verschiedene Lebensphasen durchlaufen, die uns vor Entwicklungsaufgaben stellen. Biologische Veränderungen des Körpers (Geschlechtsreife), Rollenerwartungen von außen und Normen, die aus dem sozialen Umfeld erwachsen, sind bedeutsame Faktoren der Entwicklung bei den Heranwachsenden und werden von ihnen verschieden interpretiert.
Das Jugendalter stellt in diesem Zusammenhang eine besonders schwierige Phase dar. Die Ablösung vom Elternhaus, die zunehmende Bedeutung der Jugendgruppe, die Entwicklung eines Selbstkonzeptes und die Geschlechtsreife sind Entwicklungsaufgaben und müssen verarbeitet und gedeutet werden, um ein eigenes Rollenverständnis zu entwickeln.
Die Medien spielen in dieser Entwicklungsphase eine große Rolle: Sie vermitteln Wertvorstellungen jenseits der bekannten Erwachsenenwelt, lassen Tabubrüche zu und vermitteln nicht selten ein unspezifisches geschlechtsbezogenes Rollenbild.
Nimmt man beispielsweise den Aspekt der Ablösung vom Elternhaus, erscheinen die sozialen Netzwerke (z. B. SchülerVZ) in einem anderen Licht, weil sie die Möglichkeit bieten, sich sehr deutlich von den Eltern abgrenzen zu können. Ähnliches lässt sich bei den vor allem bei Jungen beliebten „Ballerspielen“ (Ego-Shooter) sagen. Hier werden Tabubrüche vollzogen, die auch mit dem Motiv der Ablösung erklärt werden können. Wohlgemerkt: Nicht alle Tabubrüche sind tolerierbar, ob dies nun das illegale Herunterladen des neuesten Blockbusters aus dem Internet oder der Ladendiebstahl von fremden Gütern ist. Straftaten dürfen nicht als „Tabubruch“ mit dem Hinweis auf die Ablösung vom Elternhaus verteidigt werden. Bei dem berechtigten Ansinnen der Heranwachsenden, auf eigenen Füßen zu stehen, sich eine eigene Meinung zu bilden – eben erwachsen und selbstständig zu werden –, ist immer wieder zu beobachten, dass sie Grenzen ausreizen und testen, wie weit sie gehen können. Aus pädagogisch-erzieherischer Perspektive ist es wichtig, dass die Heranwachsenden ihre eigenen Grenzen erleben und erfahren. Das setzt Erwachsene voraus, die bereit sind, Grenzen zu ziehen und auf deren Einhaltung zu achten. Man wird nicht gegen alle Tabubrüche, die „episodenhaft“ und in gewisser Weise normal sind und so ein zeitlich begrenztes Problem darstellen, vorgehen müssen. Um das Fehlverhalten nicht ungewollt zu verstärken, ist es aber besser, wenn Heranwachsende das Verhalten selbstständig verändern und korrigieren können.
Kommen wir auf die Interessen der Jugendlichen zurück und nehmen als Beispiel eine LAN-Party. Jugendliche treffen sich in einem Raum, bringen den eigenen Computer mit und sitzen ein ganzes Wochenende vor dem Monitor, um zu spielen. Was ist das Interesse des Jugendlichen?
Ist es die Lust, den virtuellen Gegner zu töten, das Gemeinschaftserlebnis im Team gegen einen mächtigen Gegner zu bestehen, die Schöpfung einer eigenen Kreatur nach persönlichen Vorstellungen, das technische Interesse an hochmodernen Waffengattungen, die schnelle Reaktionsfähigkeit über Maus und Tastatur oder das Gefühl, zur „Gruppe“ zu gehören?
Mögen Eltern die blutrünstigen Aliens und Monster, die Angst einflößenden Grafiken, dunkle Gänge sowie Furcht erweckende Waffen abschrecken und sich bei ihnen die Meinung zementieren, solche Spiele gehörten verboten, wäre es doch pädagogisch zielführender zu wissen, welche Motive und Interessen die Spieler leitet.
Welche Bilder von Kindern und Jugendlichen aufgenommen werden, wie diese im Gehirn verarbeitet und ob daraus negative Verhaltensänderungen hervorgerufen werden, ist längst nicht so einfach zu beschreiben, wie dies oft in den Medien dargestellt wird. So können die Interessen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen stark divergieren. Wenn Eltern die Interessen ihrer Kinder kennen und umgekehrt, ist dies der Medienerziehung sicher förderlich.
Es spricht einiges dafür, dass die medienbezogenen Interessen Jugendlicher Einfluss auf deren Medienrezeption und Aneignung haben. Und es spricht vieles dafür, dass Interessen den Aneignungsprozess nicht nur steuern, sondern fördern.
Nehmen wir abschließend noch mal den Aspekt des Lernens in den Blick: Sämtliche Nervenzellen sind bei der Geburt des Kindes vorhanden, die Synapsen wachsen und verknüpfen sich, wobei sich eine Nervenzelle mit bis zu eintausend anderen verbinden kann. Diese werden mit zunehmendem Alter durch Sinneswahrnehmungen und eigene Gedanken weiter angeregt. Verknüpfungen, die brachliegen, entwickeln sich zurück. Dieser Vorgang hält bis ins Erwachsenenalter an. Für das Lernen bedeutet dies, dass die Lern- und Lebenserfahrungen möglichst ganzheitlich ausgerichtet sein sollten. Je mehr Areale im Gehirn angesprochen werden, desto besser und differenzierter können sich die Verknüpfungen ausbilden und bieten die besten Voraussetzungen für Intelligenz, Sozialkompetenz oder Kreativität.
Erfahrungen, die alle Sinnesbereiche ansprechen, sind für die gesunde Entwicklung des Kindes notwendig. Der Besuch eines Zoos ist unter diesen Bedingungen förderlicher als etwa ein Fernsehbeitrag über einen Zoo. Im Zoo sehen Kinder die Tiere nicht nur, sie können das Pony anfassen, riechen den Geruch des Stachelschweins und hören das Brüllen eines Löwen oder beobachten, wie die Affenkinder klettern. Diese Sinneseindrücke kann uns ein Film in dieser Komplexität nicht vermitteln.
Das führt uns zu einer wichtigen Erkenntnis: Medien stellen eine gute Ergänzung zu realen Erfahrungen dar, sie können Fähigkeiten vermitteln und Fertigkeiten vertiefen, jedoch nicht die realen Erfahrungen ersetzen. Am Beispiel des Fernsehkonsums – es ist nach wie vor das Leitmedium der Kinder – möchte ich zeigen, welche Auswirkungen es auf die Kinder ausübt und wie das Fernsehen die kindliche Entwicklung beeinflusst.
Macht Fernsehen dumm und dick?
Hatte der „Skandal“ im Oktober 2008 durch die Rede von Marcel Reich Ranicki anlässlich der Preisverleihung zum deutschen Fernsehpreis eine nachhaltige Wirkung für das Qualitätsfernsehen? Führten die vielen Kommentare im Feuilleton diverser deutscher Zeitungen und die Diskussionen in den Rundfunkräten zu einer Neuausrichtung der Sender? Oder stecken wir bereits mitten in einer weiteren „digitalen Revolution“?
Die Einführung des digitalen Fernsehens steht kurz bevor, die Klassiker der Weltliteratur gibt es neuerdings als elektronisches Buch (E-Book) und den heimischen Computer benötigen wir künftig wohl ausschließlich zum Tippen, die Software kommt aus dem Netz und die Daten werden online gespeichert. Schon heute können wir am Computer live „Sportschau“, „Heute“ oder Günter Jauchs Show „Wer wird Millionär?“ schauen. Das Internetfernsehen ist Realität und die Programmmacher haben noch einiges in Sachen Internet vor (vgl. www.zukunft-fernsehen.de). Was mit „Wetten, dass ...“ begann, hat sich bis in jeden Sender verbreitet: die Zuschauerbeteiligung. Ein gutes Beispiel dafür sind die „Gerichtsshows“ im Nachmittagsprogramm diverser Fernsehsender. Die verhandelten Fälle sind fiktiv, die Richter sind „echt“, während Zeugen und Angeklagte Laiendarsteller sind, für die es der größte Auftritt im Leben sein kann. Auch wenn diese Programmformate nur ein bestimmtes Publikum erreichen, für die Sender sind sie preisgünstig zu produzieren und binden Zuschauer.
Die Programmmacher achten sehr genau auf das Programmschema, die Tagesschau wird immer um 20 Uhr gesendet. Kinder, Jugendliche und Eltern wissen genau, zu welcher Uhrzeit ihr Programm am Tag gesendet wird. Dieses Programmschema strukturiert zu einem nicht unerheblichen Teil den Alltag von Familien und wird von Kindesbeinen gelernt. Salopp formuliert: Die Medien haben uns ganz schön im Griff.
Vergegenwärtigen wir uns daher noch einmal einige Aussagen von Neil Postman, der in den 80er-Jahren in Deutschland einer größeren Öffentlichkeit durch seine Bücher „Das Verschwinden der Kindheit“ und „Wir amüsieren uns zu Tode“ bekannt wurde. Er gehörte zu jenen Vertretern, welche die mediale Entwicklung pessimistisch beurteilten. Zu seinen zentralen Thesen gehört, dass jede technische Erfindung immer Vor- und Nachteile in sich trägt. Mit der Einführung eines neuen Mediums geht etwas verloren, erklärt er, und es gilt abzuwägen, was gesellschaftlich mehr Wert hat: der Gewinn des Neuen oder der Verlust des Alten. Diese These war gegen die blinde Technik-Gläubigkeit in der amerikanischen Gesellschaft gerichtet. Dass er auch ausgesprochen bissig sein konnte, zeigt sein Vergleich zwischen der staatlichen Zensur, die nun durch belanglose Informationen in den Medien ersetzt wurde. Durch die ständige Berieselung mit unwichtigen Informationen würde das Geschichtsbewusstsein aufgehoben. Besondern intensiv setzte er sich mit dem Massenmedium Fernsehen auseinander. Reizüberflutung und die Allmacht der Medien wurden von ihm ebenso vehement kritisiert wie die Darstellung von Scheinwelten und die Manipulation der Menschen durch Medien. Positive Eigenschaften des Fernsehens wie die Partizipation aller Bürger an Informationen (Demokratisierung) oder der Meinungsvielfalt wurden von ihm zwar gesehen, standen jedoch im Schatten der gravierenden Nachteile.
Angesichts von „Daily Soaps“, „Telenovelas“, „Castingshows“, „Big Brother“ und Co. sowie immer aggressiver werdenden Werbemethoden (z. B. die als Untertitel eingeblendeten Werbetexte) bleiben die Ideen von Postman durchaus aktuell.
Die „behütete“ Kindheit gibt es nach seiner Einschätzung nicht mehr. Stattdessen werden Kinder immer mehr zu „kleinen Erwachsenen“, wie er an Beispielen zu dokumentieren versucht. Kinder tragen ähnliche Kleidung wie Erwachsene, gleichen sich in Stil und Ästhetik immer mehr an und sehen die gleichen Filme.
Es stimmt durchaus nachdenklich, wenn Postman bereits in den Achtzigerjahren vor einer „Trivialisierung der Gesellschaft“ durch die Fernsehsender warnt, deren primäres Interesse die Dauerberieselung mit leichter Kost zugunsten einer möglichst hohen Einschaltquote ist.
Postman provozierte und erntete heftige Kritik. Seine Diagnosen seien einseitig und verfälschend. Auch würde sich die Medientechnologie nicht so dramatisch entwickeln, wie von ihm vorhergesagt, schließlich gäbe es gesetzliche Regelungen. Unberechtigt ist die Kritik an seinen Thesen nicht, so verkennt er in seiner romantischen Verklärung der bürgerlichen Familie, dass dieses Modell in seinen starren Strukturen und dem einseitigen Fokus auf „eine heile Welt“ äußerst konfliktbeladen war.
Postman erkannte jedoch, welche Bedeutung das Fernsehen als „Leitmedium“ über alle Generationen hinweg hat.
In vielem erkennt man in Postman den „Bewahrpädagogen“, der sich um die Erziehung der Kinder sorgt und die Gefahren der Medien in den Vordergrund stellt.
Brauchen wir wirklich Fernsehformate für Säuglinge? Wenn schon die Jüngsten vor dem „Babysitter“ Fernsehen „geparkt“ werden, könnte dies fatale Auswirkungen für die weitere Entwicklung der Kinder haben.
Säuglinge stellen den Blickkontakt zur Mutter her, halten ihn aufrecht, um damit eine Nähe zur Bezugsperson herzustellen, was wichtig ist, da sie in den ersten Wochen und Monaten in ihrer Bewegung sehr eingeschränkt sind. In vielen Untersuchungen konnte gezeigt werden, wie sehr Säuglinge irritiert sind, wenn Mütter ausdruckslos bleiben, also keine Mimik auf ihren Blickkontakt zeigen und gegebenenfalls überhaupt nicht auf ihr Kind reagieren. Untersuchungen mit Kindern, deren Mütter depressiv sind und daher mit ihren Kindern nur eingeschränkt kommunizieren konnten, zeigten Fehlanpassungen (vgl. Theunert, Bilderwelten, 2006, S. 76). Kinder benötigen von Geburt an einen sozialen Austausch und sind darin selbst aktiv (z. B. über Augenkontakt). Damit das Kind die Informationen von außen verarbeiten und strukturieren kann, braucht es eine „optimale Dialogstruktur“ zwischen Mutter und Kind und in Beobachtungen konnte man nachweisen, dass es eine solche „Struktur“ gibt. Ganz wesentlich ist dabei die prompte, also direkte Reaktion der Mutter auf eine Handlung des Kindes. Normalerweise wird diese „Kontingenz“ von Eltern intuitiv ausgeübt. In Fällen, in denen diese Kontingenzen ausbleiben, reagieren Kinder in der Regel mit Schreien.
Wie wirkt sich nun Fernsehkonsum in der frühen Entwicklung aus? Dabei konnte festgestellt werden, dass die Entwicklung der Sprachkompetenz von Kindern im Alter von null bis drei Jahren, die ausgiebig fernsehen, leidet. Tests brachten hervor, dass diese Kinder deutlich mehr Fehler in der Zuordnung von Wort und Bild machten. Auffallend waren besonders die nicht unerheblichen Fehlleistungen im flexiblen Umgang mit der Sprache (vgl. Theunert, Bilderwelten, 2006, S. 70 ff.).
Die Entwicklungspsychologie interpretiert diese Ergebnisse so, dass durch den Fernsehkonsum in der frühen Entwicklung der Kinder die Zusammenhänge zwischen den Bildern und den eigenen sprachlichen Ausdrucksformen nur rudimentär entwickelt werden. Kinder mit hohem Fernsehkonsum sind in der eigenen Sprachentwicklung gehemmt und verfügen über deutlich weniger Begriffsstrukturen als Kinder, die kaum bis gar nicht fernsehen. Frühkindliche Fernsehformate (z. B. Teletubbies) sind genauso wenig geeignet, sie verstärken diesen Effekt eher noch, weil den Eltern suggeriert wird, Fernsehen sei für die Jüngsten entwicklungsfördernd.
Anders sieht die Forschungslage bei Kindern im Alter von drei bis fünf Jahren aus: So können auch positive Effekte bei der Sprachentwicklung nachgewiesen werden – wie „Die Sendung mit der Maus“ oder „Sesamstraße“ zeigen, die sich an diese Altersgruppe richten.
Im Alter von drei Jahren ist die Sprachkompetenz in gewissen Grundzügen erworben. Die Aneignung ist noch stark von Bildern geprägt, Vorschulkinder lassen sich daher auch leicht von Bildern täuschen (z. B. Werbung) und können (noch) nicht mehrere Aspekte einer Situation reflektieren, sind überfordert, Widersprüche selbst zu lösen, weil ihre kognitiven Kompetenzen noch nicht ausgereift sind.
Pädagogisch-didaktische Kindersendungen wie „Sesamstraße“ oder „Die Sendung mit der Maus“ haben es sich zur Aufgabe gemacht, Kinder dieser Altersgruppe schrittweise an Problemlösungen heranzuführen. Auch hierzu gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die belegen, dass diese Sendungen zweifelsohne positiv dazu beitragen, Problemlösungen zu erkennen (vgl. Theunert, Bilderwelten, 2006, S. 81).
In einer amerikanischen Untersuchung (Borzekowski und Robinson 2005, in Theunert, Bilderwelten, 2006, S. 71) von 1000 Kindern im Alter von neun bis zehn Jahren konnte nachgewiesen werden, dass Schüler, die in ihrem Zimmer keinen Fernseher hatten, in mathematischen und sprachlichen Tests besser abschnitten als solche mit Fernseher im Zimmer. Interessant ist in diesem Zusammenhang: Hatten die Schüler keinen Fernseher, wohl aber einen Computer im Kinderzimmer stehen, schnitten sie noch besser ab.
Manfred Spitzer, ein bekannter Mediziner und Neurowissenschaftler, sorgte 2005 in seinem Buch „Vorsicht Bildschirm“ für heftige öffentliche Diskussionen.
Eine seiner provokantesten Thesen geistert bis heute in den Medien herum: „Fernsehen macht dick, dumm, gewalttätig.“ Viele Medienpädagogen teilen seine provokativen Zuspitzungen nicht, werfen ihm vor, sich selbst medienwirksam in Szene gesetzt zu haben und durch die Zuspitzung die sachliche Ebene verlassen zu haben. Für die Begründung seiner Thesen stützt sich Spitzer auf nationale und internationale Forschungsergebnisse und auf die neuesten Erkenntnisse der Gehirnforschung.
Einen bestimmenden Teil seines Buches widmet er den Gefahren, die von den Gewaltszenen im Fernsehen und den Gewaltspielen ausgehen.
Unstrittig ist, dass die Fettleibigkeit bei Kindern in Deutschland zunimmt, deren Gründe in falscher und ungesunder Ernähung und zu wenig Bewegung liegen. Spitzer sieht dies im Medienkonsum begründet, weil die Kinder mehr Zeit mit Bildschirmmedien verbringen und damit weniger Zeit für Sport haben.
„Allein durch den Fernsehkonsum von Kindern und Jugendlichen werden im Jahr 2020 in Deutschland etwa 20 000 Menschen an den Folgen von Übergewicht sterben ...“ (vgl. Spitzer, Vorsicht Bildschirm, 2005, S. 48).
Ungeachtet der medialen Aufmerksamkeit, die er damit erzielte, ließ die berechtigte Kritik an seinem Buch nicht lange auf sich warten. Spitzer stützt sich bei seinen Berechnungen auf unterschiedliche Daten, die er miteinander kombiniert. Eine Studie, die seine Zahlen stützt, gibt es nicht. Auch geht er davon aus, dass der Fernsehkonsum weiter ansteigen wird. Das ist nun aber – wie die KIM- und JIM-Studie belegen – nicht der Fall. Erwiesen ist übrigens, dass übergewichtige Kinder nicht mehr Zeit vor dem Fernseher verbringen als Kinder mit einem durchschnittlichen Gewicht. Die These „Fernsehkonsum führt zu Fettleibigkeit“ wäre damit mehr als in Frage gestellt.
„Fernsehen macht dumm“ war eine weitere These von Spitzer, die bis heute kontrovers diskutiert wird. Hierzu führt Spitzer eine Studie aus Neuseeland an, in der Kinder über einen Zeitraum von 25 Jahren untersucht wurden. Das Ergebnis der Studie sagt aus, dass Kinder, die mit fünf Jahren weniger als eine Stunde täglich fernsehen, häufiger einen Hochschulabschluss erhielten als jene, die über drei Stunden täglich fernsehen. Weiter führt er an, dass das Fernsehen negative Auswirkungen auf das Leseverhalten hat. Nach seinen Erkenntnissen würden diejenigen Kinder, die viel fernsehen, langsamer und schlechter lesen (vgl. Spitzer, Vorsicht Bildschirm, 2005, S. 133 ff.), die Schulleistungen leiden durch den Medienkonsum, wobei er den Fernsehkonsum besonders kritisch bewertet, weil durch die emotionalen Fernsehbilder das Gelernte vom Vor- und Nachmittag verdrängt wird. Das klingt auf den ersten Blick plausibel und nachvollziehbar; bei näherer Betrachtung wird man jedoch zumindest berücksichtigen müssen, dass dies auch eine Anfrage an die Schulen ist, wie sie die Lerninhalte darstellen. Lerninhalte, die interessant und emotional anregend vermittelt werden, die didaktisch gut aufgearbeitet sind, bleiben besser gespeichert als „langweiliger“ Unterricht. Der abendliche Fernsehkonsum muss nicht zwangsläufig das Gelernte überlagern.
Die These von einer „verdummenden Gesellschaft“ lässt sich wissenschaftlich nicht halten. Die Frage ist nach wie vor offen: Verdummen wir, weil unser Fernsehkonsum zu hoch ist, oder ist es unsere „Dummheit“, die zum erhöhten Fernsehkonsum führt?
Zustimmen wird man Spitzer, dass exzessiver Medienkonsum für Kinder nicht förderlich ist. Bei allem Verständnis für die berechtigten Kritikpunkte, die Spitzer in seinem Buch detailreich herausarbeitet, eine Kausalität zwischen Medien und Fettleibigkeit oder Dummheit kann man nicht herstellen.
Die Tätigkeiten der Kinder und Jugendlichen in ihrer Freizeit sind eben nicht nur auf die Bildschirmmedien ausgerichtet. Damit sollen nicht den Folgen eines ausufernden Medienkonsums kleingeredet werden, den „Babysitter“ Fernsehen sollte man tunlichst vermeiden und die Qualität der Programme ist sicher verbesserungsbedürftig.
Ich komme damit wieder zu meiner Ausgangsthese zurück: Den sinnvollen Umgang mit Fernsehen und Co. müssen Kinder lernen: Eltern wie Pädagogen sind gleichermaßen aufgerufen, Angebote, Initiativen und Konzepte zu entwickeln.
Die Fantasiekräfte der Kinder werden bis etwa zum siebten Lebensjahr ausgebildet und mit der Schulreife kann das Kind konzentriert lernen. Lernen meint in diesem Kontext Zahlen behalten, Buchstaben zu Wörtern formen und diese schreiben können.
Das Fernsehen kann nur eingeschränkt die Fantasiekräfte und die Gedächtnisleistung anregen. Für kleinere Kinder bis 3 Jahre sollte das Fernsehen daher tabu sein. In diesem Alter sind Bilderbücher das bessere und effektivere Medium.
Ab dem dritten Lebensjahr können Kinder dosiert fernsehen. Sendungen wie „Sesamstraße“, „Sendung mit der Maus“ oder „Löwenzahn“ sind nicht länger als 30 Minuten und für diese Altersgruppe grundsätzlich geeignet. Am besten ist es, wenn Eltern gemeinsam mit ihren Kindern diese Sendungen anschauen. Schwieriger wird es, wenn mehrere Kinder in einer Familie leben, denn: Häufig sehen jüngere Kinder bei den älteren mit, wobei die jüngeren oft mit den Sendungen überfordert sind und zu lange fernsehen. Dann ist es Aufgabe der Eltern, für angemessene Regelungen zu sorgen. In der Praxis bewährt hat sich beispielsweise das vorherige gezielte Auswählen einer Sendung für die Kinder.
Besonders an Wochenenden steigt der Konsum gerade bei jüngeren Kindern überdurchschnittlich an. Erzieher wie Lehrer beklagen zusehends, dass Kinder unkonzentriert und schläfrig wirken und ihre Medienerlebnisse vom Wochenende mitteilen müssen. Die Nachteile des Fernsehens für jüngere Kinder überwiegen deutlich dessen mögliche Vorteile. Die Frage eines eigenen Fernsehers im Kinderzimmer stellt sich deshalb wohl frühestens nach dem vierzehnten Lebensjahr.
Weil Kinder individuell verschieden sind, müssen die Regelungen auch individuell getroffen werden. Stundenlanges Fernsehen ist aus pädagogisch-erzieherischer Perspektive ebenso wenig sinnvoll wie radikale Fernsehverbote.
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