Kitabı oku: «Noch mehr Fußball!», sayfa 3

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Mein Bein weinte

Es war Horst Martin, der Propagandachef des Deutschen Filmmuseums, der die beknackte, die fürwahr unglaublich knorke Idee hatte.

Wir standen, wie immer vollkommen sinnlos, am Tresen des Kyklamino, meiner Stammkneipe im Frankfurter Gallusviertel, als Horst ein Gedanke durchfuhr und er ihn umgehend unserem Lieblingswirt Apollo vor den Latz ballerte.

»Apollo, wir organisieren ein Fußballspiel!« – »Was soll der Scheiß?« knurrte Apollo. Horst ließ sich nicht beirren. »Du bildest ein Team, und Jürgen und ich stellen eins zusammen. Dann werden wir sehen, wer die Hosen anhat. Das wird das größte Ereignis im Gallus seit 1985!«

»Meinetwegen. Aber ich bin Spielertrainer«, sagte Apollo, »damit ich Jürgen die Schienbeine polieren kann.« Ich nahm einen Schluck Bier und schwieg aus taktischen Gründen.

Die folgenden Wochen verbrachten wir mit endlosen technischen Vorbesprechungen über Grill- und Auswechselmodalitäten. Apollo warb für seine Truppe »Apollo 11« unterdessen allerhand Granaten aus dem engeren Tresenumfeld an, während Horst und ich wild durch die Gegend rekrutierten, um »Hermann United« zu komplettieren.

Unser Coach Hermann, der Happel vom Main, verordnete uns vorsorglich ein striktes Catenaccio-Konzept, sagte jedoch wegen einer »Familienfeier« eine Woche vor dem »Spiel des Jahres um den leeren Gallus-Pokal« ab. »Verflucht, was nun?« fragte mich Horst. Ich schwieg und engagierte am nächsten Tag Katja als Ersatztrainerin. Sie ist Eintracht-Fan, aber was soll man machen. Dafür legte sie uns einen detaillierten Ernährungsplan vor: »Pommes rot! Wir haben ja wohl auch rote Trikots.«

Horst wollte T-Shirts mit zwei Säulensätzen des Fußballs bedrucken lassen: auf der Brust »Fußball hat Tore, Völkerball nicht« von Ludwig Wittgenstein, auf dem Rücken »Tore entscheiden« von Gerd Müller. Damit wäre uns der Sieg nicht mehr zu nehmen, auch wenn Apollo versuchte, uns mit allerlei miesen Psychotricks aus der Bahn zu werfen: Sprechverbot am Tresen, großspurige Erzählungen über seine angeblichen »biologischen Begegnungen« mit unseren Frauen.

Die Sonne knüppelte auf den Kleinfeldplatz gegenüber den Redaktionsgebäuden der FAZ. Ich zog mich um und war groggy. »Wieso fehlt der Name Wittgenstein auf den Trikots?« fragte ich Horst. »Wittgenstein hätte noch mal sechzehn Euro gekostet«, sagte er.

Fipps und Joachim am Grill reichten Apollos Mannen regelwidrig frische Bratwürste. Apollo stolzierte mit einem albernen Klemmbord herum und erteilte Anweisungen auf türkokroatisch. Berry, mein Erzfeind in Apollos Lumpenelf, rief derweil unverbrauchte Kräfte an. »Transferschluß ist um 13.30 Uhr«, intervenierte Horst.

Katja malte eine kubistische Aufstellung auf einen Zettel und motivierte uns: »Jungs, macht euch mal lokker, raucht eine und trinkt ’n Bier.« Dann spähte sie hinüber zu den die Kluft der Three Lions tragenden Gangstern. »Bei denen hat noch keiner geraucht!«

Nach dem Auflaufen erklang unsere Hymne, die Marseillaise. Dem Gegner hatten wir die Internationale genehmigt, wegen seines russischen Damenanhangs. Mein Plan war, nach dem Shake-Hands den Anstoß auszuführen und mich anschließend auf Grund von Kräfteverschleiß auswechseln zu lassen.

Apollo, der Berlusconi des Gallus, hatte allerdings, wie wir plötzlich merkten, heimlich vier Spitzenstürmer aus der A-Jugend von Kickers Offenbach eingekauft. Ich steckte deshalb Sybille, der Schiedsrichterin, augenblicklich fünf Euro zu, die ich im Arschtascherl bei mir trug, rammte Berry beim ersten Laufduell den linken Ellbogen in die Rippen, versiebte eine Riesenchance und floh im fliegenden Wechsel das Geschehen.

Horst, Daniel Meuren, Ali, unser marokkanischer Ailton, Rasha, ein ehemaliger jugoslawischer Jugendnationalspieler, Michael, Stefan und Martin traten uns daraufhin 6:1 beziehungsweise eher 2:0 in Führung, praktisch uneinholbar jedenfalls. Aus unerklärlichen Gründen stand es zur Pause, nach zwanzig Minuten, dann 5:5. »Wär’ doch ein schönes Endergebnis«, schnaufte Stefan. Auch so ein Eintracht-Fan. »Das ist Unentschiedendefätismus!« wies ich ihn zurecht.

»Sie sind jünger, sie sind flinker. Aber wenn wir gewinnen wollen, gewinnen wir«, heizte Ali den Teamspirit an. Jetzt wollte ich gewinnen. Kurz nach dem Wiederanpfiff rannte ich einem Steilpaß auf halbrechts hinterher, segelte über ein gegnerisches Schienbein, zerfetzte mir das Knie und bewunderte die Flugbahn meiner Brille. »Jürgen, raus!« brüllte Katja. Ich hörte Apollo häßlich lachen.

Als ich total untrainierter Affe vom Platz kroch, wuchs an meiner rechten Wade in Sekundenschnelle ein handtellergroßes Ei. Unter der linken Kniescheibe floß das Blut. Katja schmiß aus Solidarität ihre Brille in den Sand und wechselte zwei Minuten vor Schluß wie eine Blinde. Prompt fiel das 7:8. Mein linkes Bein vergoß rote Tränen, der rechte Unterschenkel lief blau an.

»Ich möchte deiner Verletzung nicht zu nahe treten«, sagte Daniel wenig später. »Aber da muß man dreimal fest drauftreten.« – »Ihr habt verloren! ›No comment!‹ heißt das bei uns«, höhnte Apollo vom Grill herüber. Martin wollte das Resultat »bei der FIFA anfechten« und dekretierte im Hinblick auf eine etwaige Revanche: »Bedingung: Jeder muß vorher zwei Bier trinken.«

»Ich trinke schon das zweite Bier«, sagte Horst und trat dem Bierkasten in den Arsch. »Biertrinken ist doch leichter als Fußballspielen«, sagte ich und versprach: »Wir haben ihnen den Pokal bloß geliehen. Das nächste Mal rufe ich wirklich Nia Künzer an. Und dann gnade ihnen Griechenlands größter Gott: Apollo!«

Damit das mal klar ist.

Lachmund oder: Das Zaudern der Radiorecken

Am 29. Juni feierte Ror Wolf seinen fünfundsiebzigsten Geburtstag. Aus diesem hohen Anlaß las Christian Brückner im Großen Bismarcksaal der Mainzer Sektkellerei Kupferberg wunderbar bedachtsam aus Ror Wolfs Prosa- und lyrischem Werk, und danach saßen wir, wie es sich gehört, lange und vergnüglich in kleiner Runde beisammen, auch, um über Fußball zu plaudern.

Ror Wolf ist – vollkommen zu Recht – wiederholt als »Deutschlands Fußballpoet Nummer eins« gerühmt worden, und Bundespräsident Horst Köhler ließ es sich nicht nehmen, ihm zum Wiegenfest ein Glückwunschschreiben u. a. folgenden Wortlauts zu schicken:

»Sehr geehrter Herr Wolf, zu Ihrem Geburtstag sende ich Ihnen alle meine guten Wünsche. Mit Ihrem Werk haben Sie sich in der deutschen Literatur eine einzigartige Stellung erschrieben. Ihr Ton ist unverwechselbar. Niemand sonst vermag es so wie Sie, im Alltäglichen und Trivialen das Komische, Absurde und auch Abgründige zu sehen und darzustellen. […] Nicht zuletzt dem Fußball haben Sie unvergeßliche literarische Denkmäler gesetzt – und in Ihren Hörspielen nicht nur die Sprache des Fußballs seziert und neu montiert, sondern, quasi nebenbei, die Stimmen der Reporter bewahrt, die uns in jüngeren Jahren die Bundesliga im Radio erleben ließen.«

Das ist alles weithin korrekt und schön gesagt, doch müssen wir uns mit wachem Blick auf die Gegenwart, das heißt im Hinblick auf die neue, die fünfundvierzigste Fußballbundesligasaison gewissenhaft ein paar nicht-präsidiale Fragen stellen. Was hat sich verändert, seit Ror Wolf in den siebziger Jahren seine fabelhaften O-Ton-Collagen produzierte? Wo steht der Bundesligafußball heute? Ist er besser als vor dreißig Jahren? Und wie sieht es mit den allgemeinen Bodenverhältnissen aus?

Früher sind die Bodenverhältnisse im Fußball stets ein Thema von übergeordneter Bedeutung gewesen. Oft war mit ihnen nicht sonderlich zu spaßen, nein, nicht selten war es, wie wir in Ror Wolfs akustischen Kunststücken erfahren, um sie durchaus ganz und gar fürchterlich bestellt.

Der »Boden – Ohoo! Rohrbach geht zu Boden. Ooohooo!« –, der Boden zum Beispiel in Bremen war außerordentlich tückisch. »Hier in Bremen ist das Weserstadion, ist der Rasen hier natürlich glatt und rutschig«, hieß es, denn: »Es regnet auch jetzt wieder hier in Bremen, der Boden ist glatt und rutschig.«

Selbstverständlich änderte sich an diesen Bremer Bodenbedingungen im Grunde nie etwas: »Es regnet jetzt in Strömen hier in Bremen, die Bodenverhältnisse werden immer schlechter, der Rasen ist glatt und rutschig.«

Aber auch jenseits von Bremen fristete die Bundesliga ein bedrückendes Dasein: »Dunkle, tiefe Regenwolken liegen über dem Wuppertaler Zoostadion. Man rutscht mir ein wenig zuviel da auf dem nassen Rasen, auf dem glatten, auf dem tiefen Boden hier, und ich darf Ihnen noch sagen, daß dieser Boden recht schwer bespielbar ist.«

Heutzutage haben wir dank der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr überall beste Bodenverhältnisse und von Gelsenkirchen bis Frankfurt Stadiondächer, durch die kein Regen rinnt und dringt – vorbei mithin die Zeiten, in denen die Reporter ausdauernd ihr Bedauern zum Ausdruck bringen mußten:

»Oh, es ist sehr glatt da unten, ja, die Männer dort unten auf dem Rasen tun mir leid.«

Wer an den modernen, griffigen Rasen in Dortmund oder an den gerollten, gewickelten, gestriegelten Rasen auf Schalke denkt, erkennt sofort, welche Fortschritte der Bundesligafußball also zu machen vermochte. Doch nicht nur der Rasen hat sich stark verbessert, auch in klimatischer Hinsicht ist für die oberste Spielklasse eine segensreiche Epoche angebrochen.

»Ungünstige Verhältnisse, am Vormittag Schneeregen, dann Schneefall, unangenehm kühle Temperaturen, ein schneebedeckter, glitschiger Rasen«, das war einmal. »Tief, sehr tief ist jetzt das Gras hier geworden nach diesem pausenlosen Regen seit heut’ morgen, gelegentlich schon gestern«, so hörte sich das an. Und wenn der Himmel gelegentlich seine Schleusen schloß, mußte von anderen Mißlichkeiten berichtet werden. »Die Nässe verdampft«, vernahm man dann deprimiert, scheußlich schwül war’s plötzlich, schwer lagen die Dunstglocken über den Fußballfeldern – bis es wieder von vorne losging:

»Und es regnet in Düsseldorf, es regnet seit etwa sechs, sieben Minuten.« – »Es werden Schirme aufgespannt. Es regnet, es regnet erneut, auch das noch!« – »Wie ein Perlenvorhang hängt der Regen hier vor unserem Tribünendach herunter«, »der Ball erstickt im Wasserstrudel«, »die Tiefstrahler sind immer noch an und täuschen uns einen Sonnenschein auf dem Grün des Rasens vor.«

Kurzum, »einmal regnet’s, einmal schneit’s, einmal scheint die Sonne«, das war die traurige Wetterregel, und das Klagen kannte kein Ende: »Wäre der Boden doch trockener – diesen Seufzer müssen wir immer wieder tun.«

Ror Wolf hat der unermeßlichen Ausweglosigkeit der einstigen Wetterverhältnisse auch einen Vierzeiler gewidmet: »es schneit, dann fällt der regen nieder, / dann schneit es, regnet es und schneit; / dann regnet es die ganze zeit, / es regnet, und dann schneit es wieder.«

Heute müssen wir Gott sei Dank nicht länger mit einem derart ungebührlichen, wechselhaft-wetterwendischen Wetter hadern. Angela Merkel sorgt ganz im Sinne von Franz Beckenbauer, Franz Müntefering und Max Merkel sel. ganzjährig für nahezu gleichbleibend schönes, gutes, wahres Fußballwetter. Im Winter schneit es nicht mehr, und es fallen keine Spiele mehr aus – etwa wegen nimmer endenden Schnür- oder Sturzregens –, so daß wir während der gesamten Spielzeit 2007/2008 beseelt werden ausrufen können:

»Mein Gott, welches Wetter!«

Gleichfalls in der Frage der Spielernamensnennung sind, die Interjektionen, die begeisterten Ausrufe der Reporter, hier beiseite lassend, ungeheure Verbesserungen erzielt worden. Lange haben wir uns begnügen müssen mit »Müller. Grabowski. Müller. Grabowski. Grabowski.« – »Weber. Oder Cullmann. Oder wer auch immer.« Oder einfach mit: »Hoeneß.« Beziehungsweise mit solch schlichten Stafetten: »Das ist die Nummer sechs, das ist Brei! Und jetzt ist Rummenigge – nein, Beckenbauer ist es!« – »Jetzt wieder mit Dürnberger, nein, das ist Hoeneß!« – »Nein, das ist Dürnberger.« – »Zu Vogts. Zuu Overath. Zuu Hoeneß. Zu Breitner.«

Breitner, Dürnberger, Brei – was für einfallslose Namen, ohne Schwung, ohne Esprit! In den aktuellen Kadern der Oberhäusler hingegen glänzen haufenweise magisch-mondäne Namen wie Ribéry, Altintop, Ottl und Bommel, Gledson und Osorio, Pischorn, Perchtold und Pfertzel, Pander und Lövenkrands, Wiese und Mertesacker, Glauber und Auer, Degen und Heerwagen, Wallschläger und Fahrenhorst, Huszti, Pinto und Zizzo und viele andere mehr.

Während die Namensqualität in der Bundesliga demzufolge um dreiundsiebzig Prozent gestiegen ist, hat sich auch das Verhältnis zur Zeit verändert – zum Besseren, versteht sich. Machten uns die Männer an den Mikrophonen ehedem durch eine gewaltig zu nennende Verwirrung im Geflecht der Zeitkategorien kirre – »Wir haben noch neun Minuten zu spielen. Noch etwa sieben Minuten zu spielen. Noch neunzig Sekunden zu spielen, wenn hier nicht nachgespielt wird«, »noch fünfzehn Minuten sind zu spielen, wobei ich wirklich nicht weiß, weshalb«, »52. Minute, äh, nee, 72. Minute muß es ja wohl heißen« –, so gehen unsere gegenwärtigen Mediencracks die Angelegenheit mit der Zeit abgeklärt und souverän an, denn sie haben allein bei geschätzten hundertzwanzig Fußballfernsehübertragungs stunden pro Woche viel mehr Zeit, sich mit der Zeit zu beschäftigen, und bringen deshalb die Minuten und Sekunden überhaupt nicht mehr durcheinander.

Das kommt der allgemeinen geistigen Reife und Stabilität ungemein zugute. In den Köpfen der Altvorderen herrschte unablässig eine furchtbare Konfusion, kombiniert mit einer erheblich gestörten Realitätswahrnehmung:

»In diesem Moment sehe ich es. Ja, es scheint so. Und ich bin nicht sicher, und ich muß erst einmal schauen, jeder hat einen anderen Standpunkt, ganz gleich, woher er auch immer kommen mag. Wer weiß es schon, wer kann es von hier oben beurteilen. Ich muß einmal schauen. So sieht es von hier aus. Jedenfalls optisch sieht das alles so aus.« – »Und Apel ist es gewesen, wenn ich es richtig gesehen habe. Apel, damit wird das Ganze natürlich noch einmal interessant, oder es kann auch Herget gewesen sein. Ich muß es noch einmal genau – Herget ist es gewesen.« – »Von hier, unserem Standpunkt aus, konnte man, glaubte man, erkennen zu können. Das ist jetzt auch geklärt.«

Das Zaudern, das lausige Lavieren der Radio- und Fernsehrecken ist endlich und endgültig passé. Heute becircen uns televisionäre Zupacker und Klarsprecher wie Waldemar Hartmann, Hans Waldmann, Wolf-Dieter Poschmann und Reinhold Beckmann.

»Warum nicht ein wahres Wort dort, wo es angebracht ist?« lautet ihr Motto, und ihre Unbestechlichkeit, gepaart mit Sachverstand und Wortgewandtheit, hat die Fußballreportage und -moderation auf eine nie gekannte zivilisatorische Stufe gehoben.

»Eine Meldung ist eben eingetroffen, in der es heißt: Am Wochenende tut sich gar nichts« – mit einer solch faden Nachricht werden wir im Verlauf der gerade angelaufenen Saison 2007/2008 nicht behelligt werden, und unser irisierendes, prächtiges Fußballfernsehdecoderzeitalter wird auch nicht mehr aufwarten mit schmählichen Peinlichkeiten, wie sie Ror Wolf, der große, melancholische Historiker des deutschen Fußballs, in seinem Hörspiel Schwierigkeiten beim Umschalten leider, leider hat verewigen müssen:

»Verbunden bin ich wieder mit meinem Kollegen Fritz Danko im Moselstadion in Trier. Wie lautet das Endresultat? – – Fritz Danko? – Ja, hier ist Lachmund! Ich möchte wählen hier am Apparat! – Oh, ja, dann ist das eine Fehlschaltung. – Das is’ ’ne Fehlschaltung, ja. – Dann entschuldigen Sie bitte. – Bitte. – Äh. – Hallo? – Ja, Fritz Danko? – Hallo? – Hallo? – Ja, ich hör’ Sie. – Jaa, äh, wir hatten eine Fehlschaltung eben, äh, wie, äh, lautet das Schlußresultat? – Die Tore nannte ich Ihnen bereits, ein verschossener Elfmeter von Blechschmidt in der ach … – Hallo? Ja, also, meine Damen und Herr’n, ich glaube, da im Trierer Moselstadion klappen die Leitungen … – zu diesem 3:0 gekommen ist, man muß sagen, sondern es ist eben psychologisch einfach heute alles gelaufen, und aus diesem Grunde hatte [N. N.] auch nicht mehr die Mittel, gegen diese Betondeckung der Trierer erfolgreich zu sein, zumal … – Ja, schönen Dank, Fritz Danko! – … ein hervorragender Mann im Tor stand. – Ja, schönen Dank für diesen Kurzbericht.«

Nichts zu danken. Denn früher war wirklich alles schlechter.

Edmund Stoibers Welt des Fußballs

Der Vorletzte kriegt vom Letzten einen Tritt in die Achillesferse verpaßt. Das ist das Gesetz des Lebens, und weil sich der Fußball im Leben spiegelt, ist es das Gesetz des Fußballs.

Der natürliche Zusammenhang zwischen Hack- und Sozialordnung war Edmund Stoiber aufgegangen, nachdem er auf der Penne nach einer herben Niederlage im Zicken, einer Art Schulbankfußball, die er im Grunde ordentlich beherrschte, anständig einen auf die Mütze gekriegt hatte. Seither lautete sein Motto: »Kämpfen, kämpfen, kämpfen.«

Edmund, der sich geschworen hatte, nie mehr zu verlieren, merkte geschwind: »Es wird besser, es wird besser, es wird besser!« Und plötzlich, nämlich ein paar Jahrzehnte später, konnte er konstatieren: »Wir spielen absolut in der Champions League.« Woraus er ableitete: »Ich lasse mich nicht von Vereinen, die in der zweiten Liga spielen, kritisieren.«

Vereine, die im Unterhaus des deutschen Fußballs herumkrebsten – wie die Münchner Löwen, der Lieblingsklub seines besten Freundes Theo Waigel –, gingen Edmund Stoiber, dem Vorsitzenden des Verwaltungsbeirates des FC Bayern, verständlicherweise ziemlich auf den Senkel. »Schulden, Schulden und noch mal Schulden« machten die, ein Umstand, aus dem der Chefvisionär der deutschen Champions League die Konsequenz zog: »Für diese Politik darf es keine Verlängerung geben!«

Die Grundfragen des Fußballs, des Lebens und der Politik drängten sich Edmund Stoiber, der ein echter Crack im Torwandschießen war, auch während seiner Wahlkampfreisen auf, die er als seine »persönlichen Fußballweltmeisterschaften« bezeichnete. »Wo is’ na des Tor eigentlich?« brummte er, bei diversen Kicks vor Kameras Entspannung suchend, des öfteren in Richtung seiner Karin, die er einst am Fußballplatz in Geretsried kennengelernt hatte. Da wies sie dann auf ein Tor zehn Meter vor ihm, und Edmund hatte die Orientierung wiedergefunden: »Ich will da rein.«

Aus der Haut fahren konnte der politische Libero Edmund Stoiber, der freie Mann vor den Ausputzern Beckstein, Sauter, Söder und Huber, wenn man die deutsche Nationalelf allzu heftig und deftig schlechtmachte und in Grund und Rasen redete. »Verwechseln Sie bitte Deutschland nicht mit Botswana!« rief der talentierte Ski- und Rhönradfahrer die Miesmacher zur Räson, und den notorischen Gammlern aus dem Milieu der Globalisierungsgegner erklärte er während einer Wahlkampfrede am 10. August 2005 in Hamburg: »Wer Weltmeister werden will, muß Brasilien schlagen und nicht gegen Brasilien demonstrieren!«

Um den ersten WM-Sieg einer deutschen Auswahl gegen die Seleção vor Ort mitzuerleben, war der ehemalige A-Klassen-Libero vom ASV Kiefersfelden und vom Ballclub Farchet drei Jahre zuvor zum Finale der Fußballweltmeisterschaft im Yokohama International Stadium gereist. Anders als Kanzler Schröder, der in der Ehrenloge der Großkopferten dieser Welt herumfläzte, gesellte sich Edmund Stoiber, der Mann des kleinen Mannes, mit Schlachtenbummlerschal und zwei Deutschlandpapierfähnchen zu den Passivsportlern auf einer hundsnormalen Tribüne.

Als Bernd »Schnix« Schneider in der ersten Halbzeit zum wiederholten Mal vielversprechend schneidig aufs brasilianische Tor zuschnurrte, raunte der Kanzlerkandidat, der, wie die Zeit geschrieben hatte, »den Doppelpaß verhindert hatte«, seinem linken Nebenmann – und potentiellen Wähler – ins Ohr: »Schröder hat zu der jetzigen Chance nichts, aber auch gar nichts beigetragen.« Und nachdem Miroslav Klose etwas eigennützig eine weitere Gelegenheit versiebt hatte und die deutsche Anhängerschar in ein großes Wehklagen verfiel, mußte er ihr wirklich ins Gewissen reden: »Sie haben hier eine unverantwortliche Kakophonie.«

Ronaldo bereitete, wie man weiß, dem Spuk durch zwei Treffer ein Ende. »Rimini oder Hannover ist wirklich nicht die deutsche Schicksalsfrage«, durchwehte den FCB- und Deutschlandfan Edmund R. Stoiber kurz vor dem Abpfiff ein gewichtiger Gedanke. Aber der Kanzlerschaftsanwärter, der daheim in Wolfratshausen jeden Sonntag im Garten einen Birnbaum ausspielt und eine Hecke ins Leere laufen läßt, riß sich am Riemen und sinnierte flugs: Das hier ist ja Yokohama! Und sprach wehmütig zu sich selbst: »Das Spiel ist aus!«

Ja, das Spiel war aus.

»Wir ham verloren gegen Frankreich, wir ham verloren gegen Italien, wir ham verloren gegen Dänemark, ja sogar gegen Portugal und gegen Griechenland«, wir hatten verloren gegen »die Griechen, die Italiener, die Spanier« und jetzt auch gegen die Brasilianer. Da tat Erklärung not: »Wer ein Trio vorne hat wie Ronaldo, Ronaldinho und, äh, äh, äh, und, äh, die andern Brasilianer, Carlo, äh, Roberto Carlos, das ist, äh, das ist, äh, Rivaldo dazu noch, Rivaldo, äh, äh, äh, Rivaldo und, äh, Ronaldinho und Ro-, Ronaldo, also, das dann verloren zu haben, das ist zwar bitter, aber nicht so bitter.«

Edmund Stoiber resignierte also nicht. Das war seine Art nicht. Er war ein Kämpfer, immer voller Einsatzbereitschaft, wo immer er auftrat. Noch im Juli 2002 hatte er im oberpfälzischen Kötzing beim Torwandschießen eine ältere Frau mit einem satten Spannschuß zu Boden gestreckt, auf daß Sanitäter der blutenden Dame zu Hilfe eilen mußten. Schützenfest mal anders!

Pantha rei, alles fließt, die Welt ist in Bewegung. »Die Welt um uns herum ist in Bewegung«, der Ball rollt, wohin er will, und manchmal ist er ein Spielball finsterer Mächte.

»Ich sage hier einen sehr deutlichen Vorwurf«, sagte deshalb der Große Vorsitzende des Verwaltungsrates, nachdem der Schiedsrichter Robert Hoyzer den Deutschen Fußball-Bund im Jahre 2005 beinahe zugrunde gerichtet hatte: »Alle diejenigen, die sich damit, äh, involviert haben, müssen meines Erachtens lebenslänglich aus der Fußballszene verschwinden.«

Und an ihre Stelle wird treten ein Erlöser und erklären: »Ich will jetzt Nationaltrainer werden!«

Mach et, Edmund!

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