Kitabı oku: «Das Arrangement», sayfa 4

Yazı tipi:

III.

Der besagte Freitag kam schneller, als mir lieb war. Schon am Morgen wirkte Robert aufgeregt. Er telefonierte mehrfach mit Piet und besprach Details für die Party am nächsten Tag. Ich versuchte, wegzuhören, und brach am Vormittag in die Praxis auf, um mich abzulenken.

Am späten Nachmittag kam ich nach Hause, nachdem ich mir eine fette Portion beim Chinesen hatte einpacken lassen. Es war ja Freitag. Ich konnte essen, was ich wollte. Zudem wusste ich, dass François auf Kohlenhydrate weitgehend verzichtete; vermutlich der Figur wegen. Also würde es für mich ein Fest werden, einen großen Teller Reis zu essen und genau das zu tun, was ihn angewidert hätte.

Aber kaum hatte ich die Jacke abgelegt, dachte ich nicht mehr an meinen „freien Abend“ und die Frage, welche Flasche Wein ich köpfen würde.

Im Eingangsbereich war ein rundes Laufgitter aufgestellt, in dem sich ein brauner Welpe befand.

Für einen Moment blieb mir der Atem weg. Es stand ganz außer Frage, wer das Tier angeschafft hatte. Von dem Übeltäter fehlte jedoch jede Spur.

„Robert?“, brüllte ich durchs Haus, ohne das Freilaufgehege mit integriertem Hund aus den Augen zu lassen. Ein neues Haustier. Hätte er mich nicht um Erlaubnis fragen können? Nach dem Tod der Katze hatten wir uns eigentlich dazu durchgerungen, kein weiteres Tier anzuschaffen. Tagsüber waren wir ja meist nicht zu Hause. „Rooobert!“, schrie ich nochmals wie Carmen Geiss. Das tat ich immer, wenn ich zu lange auf eine Reaktion von ihm warten musste.

„Ja-a?“, erklang es schließlich aus der oberen Etage. Mein Angetrauter erschien auf der Bildfläche, gestützt auf seinen edlen Stock. Er kam nach wie vor langsam in die Gänge, aber immerhin schaffte er es ohne Unterstützung die Treppe hinunter.

„Sag mal, geht’s noch?“, knurrte ich ihn an und zeigte hinter mich. Mehr sagte ich nicht, denn er wusste sofort, was ich meinte.

Zu meinem Erstaunen kamen keine endlosen Erklärungen. Während er die Treppe mit Bedacht nach unten nahm, zwinkerte er mir beruhigend zu.

„Keine Angst“, meinte er. „Der ist nicht für dich, sondern für François.“

Na großartig! Zugegeben: Ich wusste nicht, ob ich erleichtert oder enttäuscht sein sollte.

„Und was soll der hier?“

Robert nahm die letzten Stufen, stützte sich ab und verschnaufte. Er war bereits in Schale geschmissen, trug einen dunklen Anzug mit roséfarbener Fliege.

„Wenn François nachher in den Club fährt, bringe ich den Hund nach unten in seine Wohnung. Wenn wir dann nach Mitternacht nach Hause kommen, wird es eine Überraschung werden. Es ist sein Geburtstagsgeschenk.“

„Ein Hund?“, fragte ich voller Skepsis.

„Ein reinrassiger Vizsla“, verkündete er glucksend. Offenkundig freute er sich über die Neuanschaffung. „Stell dir vor, der Züchter war so nett, alles Nötige vorbeizubringen. Vielleicht kannst du mir nachher helfen …“

„Vergiss es!“, fauchte ich. „Es ist Freitag, und wie der Name schon sagt: mein freier Tag.“

Samt Tüte vom Chinesen lief ich an ihm vorbei, ohne ihm einen Abschiedskuss zu geben, danach verschanzte ich mich in meinen heiligen Räumen unter dem Dach.

*

Ich hatte die Wahl: Let’s Dance oder Medical Detectives – ungeklärte Mordfälle und entschied mich für das Letztere. Meine Stimmung war auf dem Nullpunkt angelangt. Mir war nicht nach einer Show mit lachenden tanzenden Promis, sondern eher nach der bedrückenden Atmosphäre einer Straftat, zu der Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke sein Bestes gab.

Wieder ertappte ich mich dabei, dass ich mir eine essentielle Frage stellte: Wie konnte man es fertig bringen, einen unbequemen Menschen aus seinem Leben zu verbannen?

Zugegeben. In meiner Situation gab es da keine legalen Möglichkeiten. Im Grunde genommen war es ja auch meine Schuld, dass es so war, wie es derzeit lief. Immer wieder sagte ich mir, dass ich dennoch ein wirklich kleines Opfer gebracht hatte. Meine Güte, was war schon ein Tag in der Woche?

Wir wohnten in einem Wendehammer, das hieß, in unserer Straße war Endstation.

Gegenüber dem Haus gab es eine Handvoll Nachbarn und hinter dem Garten begann der Wald. Es war ruhig, vor allem nachts.

Obwohl Robert nicht seinen BMW fuhr, hörte ich, dass ein Wagen, mit größter Wahrscheinlichkeit ein Taxi, vor dem Haus hielt. Sofort sah ich auf den beleuchteten Wecker. Es war gerade mal 1 Uhr.

Das ein oder andere Mal war ich bereits eingenickt gewesen und die Müdigkeit zerrte an mir, trotzdem raffte ich mich auf, öffnete die Tür und lauschte.

Wenn Robert jetzt schon nach Hause kam, hatte das nur eins zu bedeuten: Er hatte mit François in dessen Geburtstag reingefeiert, mit den Leuten im Club angestoßen und dann entschieden, heimzufahren, um mit dem Geburtstagskind ungestört zu sein.

Ich hörte seinen humpelnden Gang, schneller als sonst. Er nahm die Stufen ins Untergeschoss. Vermutlich wollte er dort sein, bevor François ebenfalls seine Wohnung betrat.

Das Geschenk, der Hund, würde wohl in den nächsten Minuten ihre vollständige Aufmerksamkeit erlangen … Und danach?

Daran wollte ich nicht denken.

Ich knallte die Tür zu und legte mich wieder ins Bett.

*

Robert kam am nächsten Morgen eine geschlagene Stunde später die Treppe hinaufgehumpelt. So begann der Tag, an dem sich einiges ändern sollte. Aber das wusste ich zu der frühen Tageszeit noch nicht.

Es war 10 Uhr. Seit 60 Minuten saß ich am Frühstückstisch und wartete.

Kaum trafen sich unsere Blicke, lächelte er verschmitzt. „Es tut mir leid, Nielo, aber der Hund …“ Amüsiert schüttelte er den Kopf. „Der ist so ein Wirbelwind.“

„Guten Morgen!“, antwortete ich provokativ, ohne auf seine Bemerkung einzugehen.

Er verstand den Wink. Das eine Bein nachziehend kam er auf mich zu und küsste meine Stirn. „Bin gleich bei dir.“

Ohne weitere Worte verschwand er in der ersten Etage im Badezimmer.

Ich konnte mir vorstellen, dass er liebend gern vom vergangenen Abend reden würde. Von der Überraschung, dem Hund und François, der ein viertel Jahrhundert alt geworden war. Aber ich wollte das nicht hören. Es interessierte mich nicht.

Wann begriff er es endlich?

Er riss sich zusammen. Mir zuliebe. Während des Frühstücks erwähnte er den vergangenen Tag nicht mehr. Stattdessen tätschelte er meine Hand und zwinkerte mir zu, wann immer sich eine Möglichkeit ergab.

Später gingen wir spazieren, vielmehr versuchten wird das, denn Robert kam nur langsam voran. Aber der Arzt hatte ihm inzwischen geraten, nicht ständig auf dem Sofa zu liegen, sondern sich etwas zu bewegen, damit die Muskeln und Sehnen nicht verkümmerten, er sich keine Thrombose einfing oder Schlimmeres.

Robert war mit seinen 45 Jahren weit entfernt von der Tatsache, alt zu sein, aber er hatte auch einschneidende Lebensabschnitte hinter sich gebracht. Er rauchte und trank regelmäßig. Zudem zählte er zu den nachtaktiven Menschen. Die waren ohnehin anfälliger.

Auf der erstbesten Bank nahmen wir Platz. Er verschnaufte und steckte sich eine Zigarette an.

Sein Handy gab wiederholt ein Geräusch von sich. Ich ging davon aus, dass es Leute aus dem Club waren, die irgendetwas von ihm wollten. Vermutlich drehte es sich um die Party am Abend, aber er ignorierte das. Zumindest für ein paar Stunden.

„Was hältst du davon, wenn wir mal wieder nach Dubai fliegen?“ Er hielt kurz inne und zeigte auf seinen Fuß. „Also, wenn alles wieder okay ist.“

„Nur wir beide?“, hakte ich nach. Er nickte.

Seine Frage machte mich platt, denn in Dubai hatten wir unsere Flitterwochen verbracht. Dass er mit diesem Vorschlag kam, bedeutet, dass er mir klarmachen wollte, dass ich noch immer der Mann seines Lebens war. Er sprach es in diesem Moment nicht aus, aber ich las es in seinen Augen. Er liebte mich. Er wollte mich glücklich wissen und nicht verlieren.

Jedoch steckte er in einer Zwickmühle und konnte sich daraus nicht befreien.

Trotzdem vergaß er nicht, dass er mir geschworen hatte, bei mir zu sein, mich zu lieben und zu ehren, bis dass der Tod uns scheidet. Und ich liebte ihn, andernfalls hätte ich nicht mit ihm hier gesessen. Ansonsten hätte ich den „Klotz an seinem Bein“ nicht akzeptiert.

„Urlaub wäre toll“, sagte ich und zwinkerte ihm zu. Er schmunzelte und drückte die Zigarette aus. Nachfolgend fasste er mit einer Hand an meinen Hinterkopf und zog mich zu sich heran. Wir küssten uns mit Hingabe.

Nein, die Leidenschaft zwischen uns war nicht erloschen. Obwohl ich in der Vergangenheit manchmal daran gezweifelt hatte, wusste jeder von uns, dass wir füreinander bestimmt waren.

Es war wichtig, dass er es mir an jenem Tag verdeutlichte, denn ohne diese Tatsache hätte ich die folgenden Stunden wohl nicht überstanden.

Zu diesem Zeitpunkt ahnten wir das jedoch noch nicht …

*

„Ja, dann gehe ich jetzt.“ Robert lächelte charmant, aber er zögerte auch. Er wusste, dass ich weder von der Party noch von der Tatsache, dass er daran teilnehmen würde, begeistert war. Ich hatte ihm ein paar Stunden für die Feier mit seinem Flittchen gewährt. Das war großzügig, wie ich fand. Es war also nicht verkehrt, dass er auch Demut zeigte.

Er umfasste meinen Kopf und drückte einen Kuss auf meinen Haaransatz. „Vielen Dank nochmal und bis nachher.“

„Ja, bis später!“

Robert humpelte davon. Es war früher Nachmittag und ein Taxi stand vor dem Haus. Bevor das Geburtstagskind in den Club kam, sollte alles perfekt vorbereitet sein. Er ließ es sich also nicht nehmen, rechtzeitig loszufahren.

Ich schloss die Tür und atmete tief durch. Diesen Tag würde ich schon irgendwie überstehen. Nur ein paar Stunden, bis Robert wieder bei mir war. Es stellte sich sogar ein wenig Schadenfreude ein, denn er würde die Nacht in meinem Bett liegen und nicht bei ihm.

Zudem war Wochenende. Zeit, um sich etwas zu gönnen, um es sich gutgehen zu lassen. Kurzentschlossen zückte ich mein Handy. Nichts sprach dagegen, sich mal mit Freunden zu treffen, um die Zeit rumzubekommen. Ich kannte mich. Würde ich allein im Haus zurückbleiben, würde ich mich wohl pausenlos fragen, wie es auf der Party herging.

Jürgen, ja, den hatte ich lange nicht mehr gesehen. Spontan rief ich ihn an.

„Lust auf einen Kaffee in der Innenstadt?“, fragte ich ihn, während ich durch das Wohnzimmer schlich.

„Ja, heute passt es. Wo wollen wir uns treffen?“, erwiderte mein Kumpel, den ich von der Ausbildung her kannte. Wir waren nicht unbedingt die besten Freunde, aber ab und zu trafen wir uns. Jürgen war auch schwul und erst vor kurzem mit seinem Lover zusammengezogen. Da gab es mit Sicherheit viel zu bequatschen.

Ich stutzte und starrte aus dem Fenster. Auf dem Rasen watschelte ein vierbeiniges, braunes Knäuel zwischen den Büschen herum.

„Äh, Jürgen, ich rufe gleich zurück, okay?“ Ich wartete keine Antwort ab und legte auf. Mit einer schnellen Bewegung zog ich die Verandatür auf und noch zügiger sprintete ich zu den Lebensbäumen, um mir den Übeltäter zu schnappen. Der strampelte mit den Beinen, reckte den Kopf in meine Richtung und versuchte, mich abzuschlecken.

Abweisend bog ich mich zurück und sah mich um. Von dem Besitzer des Störenfrieds war weit und breit nichts zu sehen. „Na, warte, das geht echt zu weit“, schimpfte ich und setzte mich in Bewegung.

Das zappelnde Etwas hielt ich mit ausgestreckten Armen von mir. Das musste ja so kommen, durchfuhr es meine Gedanken. Wie bescheuert war es auch, so ein Geschenk zu machen?

Ich marschierte über den Rasen, bemüht, das Tier zu halten, ohne den Weg außer Acht zu lassen, und umrundete unser Haus. Vom Garten aus gesehen gab es auf der linken Seite eine weitere Grünfläche, die zur Kellerwohnung gehörte. Wie vermutet befand sich dort François.

Er lag mit geschlossenen Augen auf einer Liege und hatte Kopfhörer auf den Ohren.

Es war Sommer, ja, und ziemlich warm. Doch das rechtfertigte nicht, dass er nur mit enger Badehose auf der Terrasse verweilte, anstatt auf seinen Hund aufzupassen.

Das Freilaufgehege stand neben ihm, jedoch hatte der Welpe es fertiggebracht, die dazugehörige Verriegelung zu öffnen, denn ein Teil des Gitters war aufgeklappt.

„Hey! Aufwachen!“, schrie ich in voller Lautstärke, damit es François durch die Kopfhörer hindurch hörte. Er schreckte auch sofort zusammen und riss die Augen auf.

„OH!“ Mit einem Satz kam er auf die Beine, kaum sah er mich mit dem Hund in den Händen. „Ist er ausgebrochen?“

Was für eine dämliche Frage! Alles sprach dafür, oder?

„Unser Rasen ist für deine Töle tabu, klar?“, blökte ich.

„Ja, natürlich …“ Er nahm mir den Welpen ab und drückte ihn gegen seine nackte Brust. Ich sah weg, wollte ihm nicht in die Augen sehen. Stattdessen fiel mein Blick auf seine Badehose, unter der sich sein Geschlecht haargenau abzeichnete.

„Es tut mir leid, ich bin eingenickt, es wurde spät gestern und …“

Wen interessierte das? Mich nicht!

Mir fiel ein, dass ich ihm nicht zu seinem dämlichen Geburtstag gratuliert hatte. Aber egal. Mir war es nicht wichtig und warum sollte er Wert darauf legen, dass ich es tat?

„Pass in Zukunft besser auf!“, raunzte ich ihn an, ohne den Blickkontakt aufzunehmen.

Das war alles. Mehr wollte ich nicht. Mir fiel Jürgen wieder ein. Ich sah auf meine Armbanduhr und wandte mich um.

„Ja, also, danke und schönen Tag noch!“, rief François mir hinterher.

„Diese blöde Floskel kannst du dir auch sparen“, nuschelte ich. Keine Ahnung, ob er es hörte.

*

Mit Jürgen konnte man ungehemmt reden: über die Arbeit, Sex und das Wetter. Jedoch vermied ich es, ihm von meinem derzeitigen Beziehungsproblem zu erzählen. Ja, war es inzwischen ein Problem, das sich in meine Ehe geschlichen hatte? Immer wieder drifteten meine Gedanken ab, während Jürgen mir von seinem neuen Lover erzählte. Zwischen ihnen lief es bestens, wie es schien. Das war beneidenswert, aber auch normal in einer frischen Partnerschaft. Irgendwann ist aber der Lack ab. Dann musste man gehen oder kämpfen.

Ich bemerkte, wie Jürgen bei seiner munteren Erzählung abschweifte. Er hielt den Augenkontakt nicht aufrecht, sondern linste ständig an mir vorbei. Nach einer Weile fragte ich mich, was seine Aufmerksamkeit so auf sich zog, und drehte mich um.

Es war eine Litfaßsäule, die er alle naselang betrachtete. Darauf klebten diverse Veranstaltungsplakate. Unter anderem auch ein Plakat vom Club mit dem Hinweis auf die kommenden Shows.

Und wer präsentierte sich dafür mit hochglanzgetrimmter Visage? Natürlich! François.

Mir wurde schlecht bei der Vorstellung, dass sein Bild womöglich in der ganzen Stadt verteilt hing. Ich konnte mir auch ausmalen, wer das veranlasst hatte.

„Der sieht rattenscharf aus, oder?“, fragte Jürgen, als er registrierte, dass ich das Plakat visierte.

„Ja … Äh, nein!“ Ich drehte mich zurück und nahm einen Schluck Kaffee. Das Blut pulsierte hinter meiner Stirn. Vermutlich war ich krebsrot im Gesicht.

„Das ist doch der Club von Robert, oder? Kennst du den Typen?“, fragte Jürgen weiter nach.

Ich hob die Schultern an und tat desinteressiert. War ich nicht hier, um auf andere Gedanken zu kommen? „Flüchtig …“ Verbissen kaute ich an meiner Unterlippe. Der Geburtstag dieses hübschen Jünglings entpuppte sich für mich als der beschissenste Tag des Jahres. Zudem räumte Robert mit den Plakaten seinem François eine ziemlich große Plattform ein.

Hastig schob ich mir das letzte Stück Kuchen zwischen die Zähne, leerte die Tasse und zog das Portemonnaie hervor. „Muss gleich los …“

„Was jetzt schon?“, erwiderte Jürgen sichtlich erstaunt. „Ich dachte, wir ziehen noch um die Häuser.“

Ich schüttelte den Kopf. „Sorry, heute nicht.“

*

Nein, an diesem Tag nicht. Vielleicht hätte ich es tun sollen. Ich hätte verdammt nochmal über meinen Schatten springen und Robert den ganzen Tag im Club überlassen sollen. Ich hatte es nicht getan, sondern darauf bestanden, dass er nach einer Stippvisite auf der Geburtstagsparty zu mir zurückkam.

Das war irgendwie kein taktischer Schachzug mehr, sondern die reinste Verzweiflung.

Ja, hätte ich ihn doch bloß machen lassen … Dann wäre er nicht kurz nach Mitternacht aufgebrochen, um nach Hause zu fahren. Dann wären die Dinge vermutlich anders gelaufen. Aber das taten sie nicht …

Ich ging eher ins Bett als sonst und sehnsüchtiger als üblich wartete ich auf Roberts Erscheinen.

Permanent sah ich auf den Wecker. Die Gedanken in mir fuhren Achterbahn. In der dunkelsten Minute meiner Überlegungen malte ich mir aus, dass Robert nicht kommen würde; dass ich bis zum Morgengrauen warten würde und er mich versetzte. Was würde dann geschehen?

Ich durfte nicht daran denken, wollte nicht in Panik verfallen. Nie zuvor in meinem Leben hatte ich solche Angst, ihn zu verlieren.

Das Motorengeräusch eines Wagens befreite mich aus dem Horrorszenario. Ich sprang aus dem Bett und spähte aus dem Fenster. Ein Taxi hatte vor dem Haus gehalten. Robert stieg aus, stützte sich auf den Stock und humpelte zum Eingang.

Mir fiel eine zentnerschwere Last von den Schultern und ich war kurz davor, ihm entgegenzukommen. Doch dann hätte er gemerkt, dass ich gewartet hatte, Zweifel besaß und die Eifersucht in mir loderte. Das wollte ich nicht. So wartete ich im Bett, bis er die Stufen emporkam und zögernd ins Schlafzimmer trat.

Ich schaltete die Nachttischlampe an und tat so, als wäre ich gerade erst erwacht.

Er sah hinreißend aus in dem Smoking. Obgleich er sich auf den Stock stützte und sich der Schmerz in seinem Gesicht widerspiegelte, strahlte er Ruhe aus. Das war das, was ich an ihm schätzte.

Mit nur einem Blick hatte er mich geerdet.

„Sorry, musste nur kurz nochmal nach dem Hund gucken“, erklärte er.

Ich winkte ab. Was der Welpe machte, war mir ziemlich schnuppe. Genau genommen war es auch unvertretbar, dass François das Tier allein ließ. Aber wie gesagt: Es war mir egal.

Mit einer Hand wischte ich mir über die Augen und blinzelte. „Und? Wie war es?“ Warum wollte ich das wissen? Es interessierte mich nicht. Oder war es unterschwellig ein Zeichen der Kulanz?

„Ganz nett“, erwiderte er und kam näher. Er stellte den Stock gegen den Kleiderschrank und zog sich aus. „Du hast eine gigantische Torte verpasst.“

„Oh!“ Ich winkte ab. „Du weißt, dass ich auf Zucker liebend gern verzichte.“

„Klar.“ Er zwinkerte mir zu und deutete zum Bad. „Ich mach mich frisch, dann bin ich bei dir.“

„Okay.“ Zufrieden fläzte ich mich ins Kissen. Die Sorgen waren wie weggeblasen und die trüben Befürchtungen gleich mit.

Keine zehn Minuten später kam Robert aus dem Bad. Er trug Shorts, roch nach Zahncreme und Seife. Unter sichtbaren Schmerzen hangelte er sich zum Bett. Der Abend war anstrengend gewesen, das musste er mir nicht sagen. Ich las es in seinen Augen.

Er lehnte sich zurück und ächzte. Hörbar fiel die Anspannung von ihm ab, doch er sagte nichts, klagte nicht. Er hatte sich verausgabt: für diese dämliche Party und für François.

Letzten Endes lag er neben mir; das war das Einzige, was zählte.

Ich löschte das Licht und rutschte seitlich an ihn heran. Mit dem rechten Arm umfasste ich seinen Körper. Ich forderte keinen Sex, nicht einmal eine Antwort auf meine Berührung. Ich wollte nur bei ihm sein.

IV.

Am Sonntagmorgen wachte ich mit Erleichterung auf. Der Geburtstag und die Party waren vorbei. Vor mir lag ein Tag, an dem ich Robert für mich allein hatte. Ich nahm mir vor, mich für mein unbequemes Verhalten zu revanchieren, und das sollte mit einem opulenten Frühstück im Bett beginnen.

Robert atmete gleichmäßig ins Kissen. Er schlief fest, und ich tat alles dafür, dass er nicht erwachte. Auf leisen Sohlen schlich ich ins Bad und duschte. Nur in Shorts und Morgenmantel gekleidet, denn ich konnte nicht ausschließen, dass nach der ersten Stärkung des Tages ein Quickie folgte, machte ich mich auf den Weg in die Küche.

Ich bereitete French Toast zu – Roberts Leibspeise am Morgen – brühte den Kaffee per Hand auf und zauberte einen Smoothie aus Äpfeln, Bananen, Grapefruit und Heidelbeeren, dazu kochte ich Eier und bestückte das Tablett mit Geschirr. Wir hatten lange nicht mehr im Bett gegessen. Der heutige Tag war perfekt, um diese Eigenart erneut einzuführen.

Meine gute Laune verflog jedoch augenblicklich, als im Untergeschoss eine Tür klappte. Kurz darauf vernahm ich die tapsenden Geräusche von nackten Fußsohlen. Ich sah zur Kellertreppe und glaubte zu träumen.

François kam die Stufen herauf, nicht zügig, eher schleppend. Sein Haar war zerzaust, sein Gesicht leicht gerötet und er trug lediglich eine enge Unterhose.

Für einen Moment blieb mir die Luft weg. Drehte er nun völlig durch? Es war Sonntag! Zudem hatte er weder im Erdgeschoss noch auf der Treppe etwas zu suchen!

„Sag mal, spinnst du, oder was!?“, schnauzte ich ihn lauthals an. Vorbei die Ruhe und die Rücksicht auf Robert. Ich hob den Arm und streckte den Finger vor. „Bleib gefälligst unten! Du hast hier oben nichts verloren!“

Ich registrierte seinen gequälten Gesichtsausdruck und die wässrigen Augen. Weinte er?

Sowas von egal. Ich legte meine missbilligende Haltung nicht ab und blieb wie angewurzelt stehen.

„Oh, bitte, kann ich mit Robert sprechen?“, wimmerte er. Anstatt anzuhalten, nahm er weitere Stufen.

„Hörst du schlecht?“, brüllte ich ihn an. „Du hast unten zu bleiben!“

„Bitte, ich muss mit Robert sprechen. Es ist wichtig!“ Seine Stimme wurde energischer, aber sie zitterte vor Aufregung. Ungehindert marschierte er weiter, bis er im Raum stand.

„Er schläft“, erwiderte ich. „Außerdem hast du wohl unsere Abmachung vergessen. Es ist Sonntag und du hast hier nichts zu suchen, verdammt nochmal!“

„Aber ich muss mit ihm reden, bitte!“, flehte er. Für einen Moment befürchtete ich, er würde vor meinen Füßen zusammenbrechen. Er schleppte sich zum Esstisch und nahm dort Platz. Seine Finger vibrierten und er atmete viel zu schnell. Eine Träne löste sich aus seinem Augenwinkel und er zog unkontrolliert die Nase hoch. Herrje, was war los, dass er so von den Socken war? „Bitte, ich muss ihn sprechen …“ Aus feuchten Augen blickte er zu mir auf.

Ich haderte mit mir und war kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Im Hintergrund tönte der Eierkocher. Das Signal jagte mir wie immer einen bombastischen Schrecken ein. Mit hastigen Schritten begab ich mich zum dampfenden Gerät und drückte den Knopf aus. Kaum war das Alarmsignal verstummt, vernahm ich seine verzweifelte Stimme. „Bitte, Nielo, ich flehe dich an; lass mich mit ihm sprechen, bitte.“

Meine Güte! Meine Geduld hing am seidenen Faden, doch ein winziger Teil in mir knickte ein.

„Na, schön, aber nur kurz. Es ist Sonntag und der Tag gehört uns!“

„Das weiß ich …“, erwiderte er nickend. Oh, wie er dasaß, wie ein Haufen Elend, gebeutelt wie ein Wurm. Fast hätte ich Mitleid verspürt.

Ich zog die Pfanne mit dem Toast vom Herd und begab mich nach oben ins Schlafzimmer. Allerdings gemächlich. François sollte nicht glauben, dass ich wegen ihm einen Gang zulegte. Es war Sonntag, wohlgemerkt!

Robert schlief, hatte von dem Geschrei offenbar nichts mitgehört. Umso schwerer fiel es mir, ihn zu wecken. Vorsichtig berührte ich seine Schulter und rüttelte ihn sanft.

„Hey, Schlafmütze …“

Wie erwartet reagierte er träge. Ein mürrischer Laut kam aus seinem Mund. Fast hätte ich die Aktion abgebrochen. Was glaubte François eigentlich, wer er war, uns an diesem heiligen Tag zu stören?

„Guten Morgen, mein Schatz“, nuschelte Robert ins Kissen. Trotz der Störung wirkte er nicht missgestimmt. „Was ist denn los?“

„Keine Ahnung, aber dein Liebchen sitzt unten am Tisch und heult. Er will dich sprechen, dabei habe ich ihm gesagt …“

Wie von der Tarantel gestochen richtete sich Robert auf. „François?“

Ich lachte gestelzt. „Wer sonst oder hast du noch einen Verehrer, von dem ich nichts weiß?“

Mein Ehemann überhörte den schneidenden Kommentar. „Und was will er?“

„Mit dir reden, sagte ich bereits …“

Robert schob die Bettdecke beiseite und quälte sich an den Bettrand. Er hatte weder gefrühstückt noch seine Schmerztabletten eingenommen. Das ging absolut nicht!

„Stopp!“, schritt ich ein und hielt ihn zurück. „Du stehst noch nicht auf!“ Nebenbei dachte ich an das Frühstück im Bett und die Aussicht auf ein morgendliches Stelldichein. Das wollte ich mir nicht vermasseln lassen und schon gar nicht von …

„Ich hole ihn rauf; wird hoffentlich nicht lange dauern …“

„Okay …“ Robert fuhr sich über das Gesicht und strich das Haar nach hinten. Ja, morgens sah er tatsächlich immer etwas zerknittert aus, sogar verwegen … aber ich mochte das.

Gelassen schlenderte ich zurück. François sollte bloß nicht annehmen, dass er wichtig war. Zumindest nicht an diesem Tag.

Ich blieb auf halber Treppe stehen und winkte ihn herbei. „Kannst kommen. Er ist wach.“

Mit einem leichten Satz kam der Invasor auf die Beine. Er wischte sich über die Augen und eilte heran. Mir missfiel es, dass er nur eine Unterhose trug. Machte er das mit Absicht? Um mich zu provozieren? Ich hatte aber auch keine Lust, ihn für diese Dreistigkeit zu tadeln, denn dann hätte er womöglich kehrtgemacht, um sich etwas anzuziehen – und die Angelegenheit in die Länge gezogen.

Während er die Stufen in Eile erklomm, trottete ich hinterher. Jedoch vernahm ich jedes Wort, das folgte.

„Was ist denn los?“, fragte Robert mit hörbarem Erstaunen. „Nielo und ich haben unseren freien Tag …“

„Oh, Mann, das weiß ich doch!“, tönte François. Wurde er frech? Ich ging schneller, wollte nichts verpassen und lehnte mich an den Türrahmen.

Robert saß aufrecht im Bett und musterte seinen Geliebten mit geweiteten Augen. François selbst stand vor unserem Schlafplatz, ließ Schultern und Arme baumeln, als läge eine schwere Last auf ihm. Kaum bemerkte er meine Anwesenheit, sah er sich verstohlen nach mir um.

„Wir haben keine Geheimnisse“, erklärte ich frei raus.

Robert nickte. Sein interessierter Blick riss nicht ab. „Also, was ist passiert? Du solltest dich heute doch ausruhen.“

„Ja …“ François wand sich auf der Stelle und brach fast wieder in Tränen aus. Meine Güte, hätte nie gedacht, dass er so ein Jammerlappen ist … Oder doch? „Aber, aber …“

„Was ist passiert?“, hakte Robert nach. Trotz der Härte in seiner Stimme klang er ruhig und einfühlsam. Vielleicht war es das, was diesen Jüngling an ihn band? Diese leichte Dominanz, die Überlegenheit, die Stärke, die man bei einem Vater fand.

Ja, das war es wohl. Die beiden harmonierten sicher nur, weil François hier keine Familie hatte. Vielleicht hatte er auch so eine Art Ödipuskomplex und hing deswegen wie eine Klette an meinem Gatten.

„Nachdem du gegangen warst, habe ich allein weitergefeiert …“

Mein Ehemann blinzelte. „Das ist doch in Ordnung, es war dein Geburtstag …“

„Chrissy war da und hat ordentlich gebechert“, berichtete François weiter. Nachfolgend legte er eine Hand auf seine Brust. „Bei mir blieben es zwei Cocktails und das Bier. Ich wollte ja noch Auto fahren …“

Nun komm zur Sache, dachte ich still bei mir. Um mich vor Robert nicht genervt zu zeigen, hielt ich den Mund; ein ungeduldiges Ausatmen verkniff ich mir aber nicht.

„Hattest du einen Unfall?“, fragte Robert sofort.

„Nein!“, stieß François hervor. „Es war alles in Ordnung, bis Bastian kam und mit Chrissy gestritten hat.“

„Schon wieder …“ Mein Angetrauter rollte die Augen. Ich versuchte zu folgen, denn die Typen, die im Club ein- und ausgingen, kannte ich natürlich nicht.

François atmete tief durch. Er schien sich gefangen zu haben und erzählte weiter: „Die haben sich richtig gefetzt. Basti hat Schluss gemacht. Das hat Chrissy umgehauen. Er war völlig fertig.“

Robert nickte. „Das konnte auf Dauer auch nicht gut gehen mit den beiden …“

Eine Pause entstand, in der niemand etwas sagte. Ungeduldig spähte ich auf den Wecker. Allmählich bekam ich Hunger.

„Chrissy hat sich die Kante gegeben und später wollte er nicht nach Hause, aus Angst, Basti würde dort auf ihn warten und wieder streiten …“ François schluckte hart. Kam nun endlich das, was er uns seit Minuten zu erzählen versuchte? „Ich habe ihn mit zu mir genommen, damit nichts passiert.“

Eine weitere Pause entstand, in der sich Robert nachdenklich über die Bartstoppel strich. Er überlegte und kombinierte. „Okay …“, sagte er schließlich. Inzwischen klang er nicht mehr so entspannt. „Du hast mit Chrissy … geschlafen? Ist es das, was du sagen willst?“

„Oh, mein Gott, nein!“, schrie François auf. „Das doch nicht, auf keinen Fall … Wir haben nur gequatscht. Ich war noch mit dem Hund raus und bin danach sofort eingeschlafen.“

Irritiert schüttelte Robert den Kopf. „Ja, und?“ Ich verstand das Problem an der Sache ebenfalls nicht.

In François’ Gesicht machte sich allerdings ein scheußlicher Ausdruck breit. Ich hatte immer angenommen, dass er gar nicht hässlich aussehen konnte. Aber in diesem Moment, in dem er berichtete, was weiter geschehen war, glich sein Antlitz einer fürchterlichen Fratze.

„Chrissy wollte noch duschen gehen. Ich habe es nicht mitbekommen … Aber als ich eben wach wurde, lag er auf der Couch und … Er ist tot!“

WOW! Das kam unerwartet. Ich stieß mich vom Türrahmen ab, denn mein Stand war ohnehin nicht die optimale Haltung für eine Wirbelsäule. Was hatte er gesagt? Der Typ war tot? Schwer konnte ich ein Lachen unterdrücken. Was hatte er geschmissen? War er noch betrunken?

Robert öffnete hingegen den Mund vor Entsetzen. „Was? Tot? Bist du sicher?“

„Ja!“ Mehr sagte François nicht. In mir kam jedoch der Retterinstinkt durch. Bevor ich meine Ausbildung zum Physiotherapeuten angefangen hatte, galt es, diverse Praktika zu absolvieren. Im Krankenhaus, im Altenheim, sogar in einer Kindertagesstätte hatte ich gejobbt. Der erzählt Nonsens, dachte ich mir. Steht hier halb nackt und redet Bullshit, um sich wichtig zu machen. Von wegen nur zwei Cocktails und ein Bier …

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

₺218,11

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
310 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783960895091
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:

Bu kitabı okuyanlar şunları da okudu