Kitabı oku: «DNA», sayfa 4
ZEHN
>>Ich bin so froh dass du wieder bei uns bist<<, erklärt Lisa zum wiederholten Male, sie kann ihr Glück kaum fassen. Der Mönch hat recht behalten, Max ist wieder zurückgekehrt. Ob er sich jetzt wohl von ihr helfen lassen wird? Denn, dass er immer noch sehr leidet, sieht Lisa mit einem Blick, doch sie traut sich nicht ihn darauf anzusprechen.
Nach einer ausgiebigen und sehr ausgelassenen Begrüßung aller Hausbewohner ziehen sich Lisa und ihr Bruder in die inzwischen fertiggestellte Wohnung seiner Schwester zurück. Noch bevor sie vor Monaten nach Russland aufgebrochen sind, wurde mit dem Ausbau des Dachgeschosses begonnen und heute sieht Max zum ersten Mal das Ergebnis.
>>Schön ist die Wohnung geworden<<, bemerkt er traurig lächelnd, denn sofort ist die Erinnerung an Nicole wieder präsent. Sie hatte sich am Ende immer häufiger über die Lautstärke und den Dreck des Ausbaus beschwert und konnte deren Ende kaum erwarten.
>>Ja, ich liebe diese Wohnung sehr<<, stimmt Lisa begeistert zu, >>komm ich möchte dir etwas zeigen.<< Aufgeregt nimmt sie ihren Bruder an die Hand und führt ihn durch das kleine Wohnzimmer auf die Dachterrasse. Ein atemberaubender Ausblick empfängt Max. Die Berge des nahen Hohetauern Gebirges scheinen zum Greifen nah, man meint fast, einzelne Steine und Felsvorsprünge mit losem Auge erkennen zu können. Die Sonne steht hoch über den Bergen und taucht sie in ein atemberaubendes Licht. Hohe Wälder wechseln sich mit frischen Grashängen ab und über der Waldgrenze erheben sich majestätisch die gewaltigen Gipfel der Bergkette. Er ist fasziniert von der Schönheit dieser Landschaft, die ihn so sehr berührt, dass sich seine Augen mit Tränen füllen.
>>Es ist wunderschön hier<<, flüstert er leise.
Als Lisa sieht, wie emotional ihr Bruder wird, verliert sie jegliche Angst.
>>Bitte Max lass dir von mir helfen<<, fleht sie ihn inständig an.
Traurig lächelnd wendet Max sich seiner Schwester zu.
>>Das ist lange überfällig nicht wahr? Ich war so dumm Lisa<<, beginnt Max.
>>Ich dachte, wenn ich mir von dir helfen lasse und mir der Schmerz um Nicole genommen wird, ich sie damit verraten würde. Lange fühlte ich so und auch heute bin ich mir noch nicht sicher, ob ich mir diese Erleichterung gestatten darf. Nein, bitte unterbrich mich nicht<<, würgt Max den Widerspruch seiner Schwester im Keim ab. >>Ich konnte Nicole nicht helfen, bin so ohnmächtig angesichts der Qual, die mir ihr Verlust bereitet und doch denke ich, dass ich dieses Leid durchstehen muss. Dass ich ihr das schuldig bin, verrückt ich weiß, doch ich fühle so. Habe so gefühlt, muss ich mich berichtigen. Ich weiß nicht, was mit mir geschehen ist, doch ganz plötzlich, ich habe mich daran erinnert, wie ich Nicole kennenlernte, was wir miteinander durchgemacht haben und wie groß unsere Liebe war. Wie sehr ich gelitten hatte, als wir sie aus der Gewalt von Dr. Maikow befreien konnte, sie jedoch nicht mehr sie selbst war. Habe mich an die folgenden, glücklichsten Monate meines Lebens und die Geburt von Samanta erinnert und dann war es mir plötzlich klar. Ich muss mir von dir helfen lassen. Ich habe eine Verantwortung meiner Tochter gegenüber, der ich bereits viel zu lange nicht nachgekommen bin, mich wie ein Feigling verhalten habe.<<
Wieder winkt Maximilian ab, als Lisa etwas einwenden möchte.
>>Es ist die Wahrheit Lisa, ich habe mich feige verhalten. Ich konnte den Anblick meiner eignen Tochter nicht ertragen, was bin ich für ein Vater? Jeden einzelnen Tag, den ich nicht bei ihr sein konnte, machte ich mir schwere Vorwürfe, doch zurück zu kehren war keine Option. Ich dachte, ich hätte nicht die Kraft dazu. Wie konnte ich nur jemals so denken? Ich allein bin für sie verantwortlich, nach Nicoles Tod noch mehr denn je und was mache ich? Ich überlasse dir meine Tochter, mache es mir einfach und verschwinde.
Wie kann ich mir dies jemals verzeihen?
Wie soll Samanta mir dies jemals verzeihen?
Sie ist noch sehr klein und hat vielleicht nichts mitbekommen, doch ich muss keine übernatürlichen Fähigkeiten haben, um zu erkennen, dass Samanta ein ganz besonderes Kind ist. Man muss dem Kind nur in die Augen sehen und weiß sofort, dass die Kleine mehr weiß, als sie äußern kann. Vielleicht war es auch das, was mich fort getrieben hat. Fühlt meine Tochter, dass ich ihre Nähe kaum ertragen kann? Diese Frage habe ich mir immer wieder gestellt.<<
Sanft greift Lisa nach den Händen ihres Bruders und sieht ihm zärtlich in die Augen.
>>Vielleicht hast du einfach nur etwas Zeit gebraucht. Jeder trauert anders, manche Menschen brauchen Andere um ihre Trauer zu bewältigen, vielleicht musstest du allein sein. Du bist jetzt wieder hier, das ist das Wichtigste.
Und was Samanta angeht, gebe ich dir recht, sie sieht und weiß viel mehr, als man bei einem so kleinen Kind vermuten könnte. Sie entwickelt sich völlig normal, doch auch mir ist der Ausdruck ihrer Augen schon aufgefallen. Samantas Augen strahlen Güte und Herzlichkeit, aber auch ein tiefes Wissen um Dinge aus, die sie in ihrem Alter einfach noch nicht wissen kann. Ich habe bereits mit dem Professor darüber gesprochen, er hat mich ausgelacht, doch ich stimme dir zu Max. Samanta ist etwas ganz besonderes und gerade deshalb wird sie dir verzeihen.<<
>>Lass mich dir helfen Max<<, bittet Lisa ihren Bruder mitfühlend.
>>Du musst diesen lähmenden Schmerz loslassen, er hindert dich daran, weiter leben zu wollen, glaub mir, ich weiß wie du dich fühlst. Als ich Nicole damals den Schmerz um dich nehmen durfte, konnte ich ein klein wenig von der Qual in mich aufnehmen, die Nicole in sich getragen hat. Ich bin bereit, das Selbe für dich zu tun, wenn du mich lässt<<, schließt die junge Frau leise.
Sanft nickend nimmt Max die Hände seine Schwester in die seine.
>>Fang an.<<
Lisa lehnt ihre Stirn leicht gegen die ihres Bruders, schließt die Augen und verbindet sich mit seinem Geist. Fast augenblicklich überträgt sich ein gewaltiger Schmerz, den sie, da sie damit gerechnet hat, abblockt, aber doch in sich aufnimmt. Sie überträgt einen großen Teil des Leides ihres Bruders auf sich. Vor den Gefühlen und Bildern, die dabei durch sie hindurchfließen schützt sie sich, lässt sie jedoch ungehindert durch. Es dauert nur wenige Sekunden, dann löst sie die Verbindung, ihre Augen schwimmen in Tränen, doch sie lächelt ihren Bruder an, der erstaunt seine Augen öffnet.
Der Schmerz und die tiefe, ihn in den Abgrund ziehende Verzweiflung ist fort. Er ist fassungslos vor Erstaunen. Eine tiefe Traurigkeit ist noch vorhanden, er kann sie ganz tief in sich spüren und weiß, dass er diese auch nie mehr loswerden wird, doch diese alles verzehrende Hoffnungslosigkeit ist verschwunden. Er fühlt sich, als ob er zum ersten Mal seit Monaten wieder wirklich richtig Atmen kann. Max fühlt sich von einer Last befreit, die ihn fast das Leben gekostet hätte. Nur zu existieren reicht nicht, er hat eine Verantwortung, er ist Vater und mit einem Male fühlt er sich der Verantwortung auch gewachsen. Er ist weit davon entfernt, sich glücklich zu nennen, doch er spürt, dass ein kleiner Keim gelegt wurde. Ein kleiner Same, der darauf wartet größer und stärker zu werden. Unendlich dankbar lächelt er seine Schwester an.
>>Ich weiß nicht, wie ich dir dies jemals danken kann.<<
ELF
Immer wieder muss ich darüber nachdenken, warum mir die Situation der Beobachtung eines Geländes bei Tageslicht so bekannt vor kam. Es fühlte sich an wie ein Déjà-vu, ein gegenwärtiges Ereignis bereits einmal erlebt zu haben. Kann ich mich so täuschen, oder war dies eine reale Erinnerung? Es frustriert mich zunehmend, dass ich mit niemandem darüber sprechen kann. Etwas, das ich nicht näher benennen kann, hält mich davon ab, mich Olga oder Nikolai anzuvertrauen und auch dies ärgert mich zunehmend, denn ich mag die Beiden, sehr sogar.
Was also hält mich zurück?
Und es ist nicht nur dieses Erlebnis, in letzter Zeit fällt mir immer wieder auf, dass ich sehr viel träume. Auch kann ich mich meist sehr gut an meine Träume erinnern und im Grunde sind es ganz banale Dinge, doch eines macht mich stutzig und lässt mich immer wieder darüber nachdenken. Ich träume auf Deutsch.
Olga und Nikolai haben mir erklärt, ich wäre Russin, ich spreche diese Sprache auch fließend, des Weiteren hat Nikolai erklärt, dass ich Sprachen studiert hätte, neben meiner Muttersprache russisch, würde ich auch fließend Deutsch und mindestens einen chinesischen Dialekt sprechen.
Doch träumt man nicht in seiner Muttersprache?
Den Gedanken, dass mir nicht die ganze Wahrheit über mich erzählt wird, habe ich bis jetzt noch nicht zugelassen, doch spüre ich, dass mir immer mehr Zweifel kommen. Sind die Beiden nicht ehrlich zu mir? Doch was für einen Grund sollten sie haben, mich anzulügen? Es ist einfach nur anstrengend und frustrierend. Je besser sich mein Körper von der Operation und dem darauffolgenden Koma erholt, um so fitter wird auch mein Kopf und ich ertappe mich immer häufiger dabei, die Dinge, die mir erzählt werden zu hinterfragen.
Olga und ich sind bereits unterwegs zum Anwesen des Majors und erst jetzt kommen mir Bedenken, warum Nikolai so unbedingt wollte, dass Olga mit dabei ist. Ich habe vor, den Major zu töten und das weiß Nikolai. Das Mädchen ist für so etwas noch viel zu jung, warum hält Nikolai sie da nicht raus, was bezweckt er damit?
Ich ärgere mich sehr darüber, dass mir diese Bedenken nicht schon früher gekommen sind, jetzt ist es zu spät. Ich kenne Olga inzwischen gut genug, um zu wissen, dass ich sie jetzt nicht mehr davon abbringen werde, nicht mit auf das Gelände zu kommen. Die Kleine kann verdammt stur sein.
So in Gedanken vertieft kommen wir in den frühen Morgenstunden beim Anwesen des Majors an und obwohl ich weiß, es ist sinnlos, wende ich mich an das Mädchen.
>>Mir wäre es wirklich lieber, du würdest mir hier draußen den Rücken decken.<<
>>So ein Schmarrn, was soll, das? Wir habe in allen Einzelheiten abgesprochen, wie wir vorgehen wollen, wir gehen Beide hinein. Was soll ich hier draußen decken?
Ich kann dir nur dann deinen Rücken decken, wenn ich ihn auch sehe, findest du nicht? Du willst mich nicht dabei haben, doch ich lasse dich nicht allein. Du hast mich einmal vor dem Major gerettet, jetzt bin ich dran.<<
Resigniert aufseufzend gibt Nicole sich geschlagen. Sie hatte es vorher gewusst, musst jedoch diesen letzten Versuch, so kläglich er auch war, starten.
>>Na dann los<<, fordert sie Olga auf. >>Halte dich dicht hinter mir und versuch kein Geräusch zu machen.<< Ohne darauf zu achten, ob Olga ihr folgt, schwingt sich Nicole auf die, das Grundstück umgebende Mauer, lässt ihren Blick kurz über das Gelände schweifen und legt sich dann flach hin um Olga die Hand zu reichen und ihr so auf die Mauer zu helfen. Mit Handzeichen gibt Nicole dem Mädchen zu verstehen, dass sie ihr folgen soll. Zügig, aber immer darauf bedacht kein Geräusch zu verursachen schleichen sich die Zwei an das Gebäude heran, in dem sie den Major vermuten. Da zieht Olga plötzlich an Nicoles Hand und zerrt sie hinter ein Gebüsch. Nur einen kurzen Moment später laufen zwei Soldaten, nur einige Zentimeter entfernt, an ihnen vorbei und verlassen das Grundstück.
Nicole hat die Männer nicht gehört. Olgas Gehör muss um ein Vielfaches besser sein als das ihre – unglaublich. Lächelnd streicht sie dem Mädchen übers Haar und macht die Daumen hoch Geste. Als sie sicher sein können, dass die Soldaten das Anwesen verlassen haben, setzen sie ihren Weg fort.
Konzentriert lauschen Beide darauf, wieviel Stimmen im Haus zu vernehmen sind. Wie es scheint schlafen alle Bewohner. Es sind nur Atemgeräusche zu hören, was es sehr erschwert, die Anzahl der Personen, die sich im Gebäude befinden, auszumachen. Die Eingangstüre ist verschlossen, doch Nicole zieht das Mädchen mit sich auf die Rückseite des Gebäudes und wird fündig. Ein Fenster, noch dazu im Erdgeschoß ist gekippt, ein Leichtes für Nicole dieses zu öffnen. Und wieder fühlt es sich so an, als ob sie dies nicht zum ersten Mal macht. Ohne darüber nachdenken zu müssen weiß Nicole instinktiv, wie das Fenster zu öffnen ist und nur eine Sekunde später stehen die Zwei im Haus.
Da Beide bei Nacht ebenso gut sehen, wie bei Tag ist es ein Leichtes für sie, geräuschlos durch das Haus zu schleichen. Schnell sind die Schlafräume ausgemacht und ein kurzer Blick in beide Räume zeigt ihnen, dass sie es mit vier Gegner zu tun haben. Wie vorher besprochen schaltet Nicole zwei Soldaten mit dem Shaolin-Griff aus, der die Männer über Stunden in das Reich der Träume schickt. Da sie schlafen bemerken sie nicht einmal etwas davon. Als sich Nicole jedoch dem dritten Mann zuwenden möchte, sieht sie zu ihrem Entsetzen, dass dieser, warum auch immer, denn die beiden Frauen haben kein einziges Geräusch verursacht, aufgewacht ist.
Nicole sieht, wie der Soldat nach seiner Waffe greift und will sich auf ihn stürzen, doch Olga ist schneller. Wie ein Schatten springt sie den Mann an und reißt ihn mit ihrem Eigengewicht zu Boden. Ein kurzer aber heftiger Kampf entbrennt, der mit einem kurzen, lauten Schrei endet. Olga hat sich in die Waffenhand des Mannes verbissen, die Pistole fällt laut knallend auf den Boden und nach einem kurzen Schockmoment beginnt der Mann vor Schmerzen zu brüllen. Olga hat ihm mit ihrem Biss fast die gesamte Hand abgetrennt.
Schnell springe ich dazu und schicke den Mann mit einem Griff in den Nacken in die Bewusstlosigkeit. Wir müssen hier raus. Der Krach kann nicht unbemerkt geblieben sein und im Nebenraum befindet sich unser Zielobjekt.
Major Rashkolnykow.
Der Major und ich betreten gleichzeitig den Flur. Ich sehe das Entsetzen in seinen Augen, als er erkennt, wen er vor sich hat. Er schafft es nicht mehr, die Waffe in seiner Hand auf mich zu richten, da bin ich bereits bei ihm. Eigentlich hatte ich vor, ihm zu sagen wieso er sterben muss, bevor ich ihn töte, doch plötzlich, ganz unerwartet steigt eine solch mörderische Wut in mir auf, die all mein Denken und Handeln übernimmt. Ich höre ein wütendes, unmenschliches Fauchen, welches sich eher nach einem Tier, als nach einem Mensch anhört und das ich im ersten Moment nicht mit mir in Verbindung bringen kann.
Ich kann direkt spüren, wie mein menschliches Denken zurückgedrängt wird, das Tier in mir übernimmt. Den Kopf des Majors in meinen Händen spüre ich, wie ich ihn mit einem einzigen Ruck vom Körper trenne. Fassungslos ob meiner Tat stehe ich einige Sekunden völlig starr, bis ich eine Hand an meinem Arm spüre. Olga sieht mich entsetzt an, ihr laufen Tränen über das Gesicht. Ich sehe wie sich ihre Lippen bewegen, doch ihre Stimme dringt nicht an mein Ohr. Ich bin gefangen in der Brutalität der Situation, einer Schockstarre gleich.
Olga beginnt mich verzweifelt zu schütteln und endlich kann ich sie wieder hören.
>>Wir müssen hier raus<<, fleht das Mädchen mich an.
Angeekelt werfe ich den Kopf des Major von mir und laufe mit Olga um unser Leben, denn was ich erst jetzt realisiere, die Kampfgeräusche sind nicht unbemerkt geblieben. Auf dem gesamten Gelände gehen die Lichter an und ich höre aus verschieden Gebäuden Männerstimmen und laute Geräusche von festen Stiefeln.
Als wir das Haus betreten haben ist mir eine Türe, vielleicht ein Hinterausgang, aufgefallen. Schnell greife ich nach Olgas Hand und laufe mit ihr auf diese Türe zu. Sie ist verschlossen, doch auch hier muss ich nicht nachdenken, instinktiv weiß ich, wie eine verschlossene Türe zu öffnen ist und wenige Sekunden später stehen wir nur wenige Meter von einer Mauer entfernt. Wir müssen es nur über die Mauer schaffen und sind in Sicherheit. Wladimir, einer der modifizierten Soldaten hat uns hergebracht und wartet auf der anderen Seite der Mauer in einem Wagen auf uns.
Ich habe die Hand von Olga immer noch fest umklammert, als sie sich energisch daraus befreit und mit ihrem Kopf in eine Richtung hinter mir weist.
>>Geh ganz langsam auf die Mauer zu, ich kümmere mich um sie<<, erklärt das Mädchen leise und ich sehe ihr an, dass sie es verdammt erst meint.
Während ich mich langsam, wie von Olga angeraten auf die Mauer zubewege, nehme ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr. Zwei Schäferhunde mit gefährlich gefletschten Zähnen bewegen sich langsam und immer lauter knurrend auf uns zu. Olga befielt mir weiter zu laufen und ich sehe zu meinem Entsetzen, dass sich das Mädchen langsam auf die Tiere zu bewegt. Olga macht Geräusche, die ich nicht einordnen kann, sie hören sich an wie knurren, murmeln oder winseln. Abwechselnd dringen diese Geräusche an mein Ohr und ich kann nicht mehr auseinander halten, wer sie von sich gibt, Olga oder die Hunde.
Ich habe die Mauer erreicht und schwinge mich mit einem einzigen Sprung hinauf, lege mich flach hin und sehe zu Olga zurück. Sie kniet vor den Hunden und krault sie hinter dem Ohr. Die Tiere stöhnen wohlig auf und lassen sich diese Behandlung nur allzu gern gefallen.
Leise lachend erhebt sich Olga und springt schnell auf die Mauer zu, ich reiche ihr die Hand und wenige Minuten später springen wir in den bereit stehenden Wagen.
ZWÖLF
>>Ich verstehe nicht, warum es für Nikolai so ungeheuer wichtig war, dass du mit auf diese nächtliche Aktion kommst<<, bemerkt Nicole nachdenklich.
>>Mir hat er gesagt, ich müsste dir den Rücken decken, ich muss dich in allem unter-stützen, was du tust, wenn ich nicht möchte, dass du fort gehst<<, gesteht Olga leise. >>Ich hätte dir das gar nicht sagen dürfen, bitte verrate mich nicht<<, fleht das Mädchen inständig.
>>Beruhige dich Olga.<<
Nicole nimmt die Kleine in den Arm. >>Natürlich sage ich nichts, aber ich verstehe nicht, was das bedeuten soll. Ich habe nicht vor wegzugehen, wie kommt Nikolai darauf? Ich werde das Gefühl nicht los, dass Nikolai uns manipuliert, dass er uns benutzt. Warum tut er das? Er sollte doch wissen, dass wir alles für ihn tun würden, er hat mir das Leben gerettet und dir ein Heim gegeben. Ich wünschte, ich könnte mit ihm darüber sprechen.<<
>>Bitte nicht<<, wirft Olga entsetzt ein, >>er würde sofort wissen, dass ich mich verplappert habe.<<
>>Ist ja schon gut, ich sage nichts, aber ich behalte ihn im Auge. Mir gefällt es ganz und gar nicht manipuliert zu werden und es tut auch weh, dass er mir anscheinend nicht vertraut. Womit habe ich wohl sein Misstrauen erweckt?<<
Olga fühlt sich sehr schlecht, da sie Nicole nicht die ganze Wahrheit sagen kann. Zu groß ist ihre Angst, dass Nicole sie verlassen würde und darin ist sie sich sicher. Wenn Nicole jemals erfährt, welche Rolle Olga bei ihrer Entführung gespielt hat, ist es aus mit der Freundschaft zwischen ihnen. Das würde sie nicht überleben, das weiß sie ganz sicher. Das Mädchen atmet erleichtert auf, als Nicole plötzlich das Thema wechselt und sie danach befragt, was sie mit den Hunden gemacht hat, dass diese sie nicht angegriffen haben.
>>Oh, das ist ein Teil meiner Mutation, bevor ich mich körperlich verändert habe, du weißt schon, stärker wurde, besser hören und besser sehen konnte, veränderte sich meine Beziehung zu Hunden<<, beginnt Olga leicht lächelnd zu erzählen.
>>Als mein Vater, gut er war nicht mein richtiger Vater, Dr. Maikow eben, mich zu sich geholt hat, wurde ich nach einiger Zeit sehr krank. Er erklärte mir, dass er eine Chemotherapie bei mir machen muss. Ich erinnere mich noch, dass dies sehr schmerzhaft war, dass es mir ständig schlecht ging und ich mich übergeben musste, eine Zeitlang fielen mir die Haare aus, es war einfach furchtbar.<<
Olga schüttelt sich in Erinnerung an diese Zeit.
>>Doch ich wurde wieder gesund. Mein Bruder Viktor und ich waren viel allein und ich hatte nicht viel womit ich mir die Zeit vertreiben konnte. Oft war Viktor auch bei Dr. Maikow für irgendwelche Tests und so trieb ich mich auf der Kolchose von meinem Vater herum. Diese wurde bewirtschaftet und die Leute die dort arbeiteten hatten Hunde. Ich spürte sofort eine tiefe Bindung zu diesen Tieren und es dauerte nicht lange, da konnten wir miteinander kommunizieren. Ich wusste damals natürlich nicht, dass dies mit meiner Mutation zu tun hat, das hat mir erst Nikolai erklärt. Das liegt an den Wolfsgenen, die ich in mir trage. Sie ermöglichen es mir, mit Hunden zu kommunizieren.<<
>>Soll das heißen, du kannst mit ihnen sprechen?<<
Ich bin erstaunt und gleichzeitig fassungslos, was dieses Kind bereit alles erleben musste.
>>Nein, so würde ich das nicht beschreiben<<, fährt Olga mit ihrer Erklärung fort.
>>Es ist eher ein Gedankenaustausch. Oder besser ausgedrückt, ich beeinflusse die Emotion der Tiere. Durch die Geräusche die ich dabei von mir gebe, versuche ich den Tieren so etwas wie Kommunikation zu vermitteln, in Wahrheit dringe ich jedoch in ihren Geist ein und beeinflusse ihn.<<
>>Das ist total cool<<, entfährt es mir begeistert.
>>Ich wünschte, ich könnte so etwas auch.<<
>>Glaubst du wirklich, dass Nikolai uns nur benutzt?<< Olga sieht Nicole zweifelnd an.
>>Ich bin mir nicht sicher meine Kleine, doch mach dir bitte keine Sorgen, ich werde vorsichtig sein und ihm ganz sicher nicht verraten, dass du dich verplappert hast.<<
>>Es ist nur so, dass Viktor in den letzten Wochen vor seinem Weggang genau dasselbe behauptet hat, ich wollte ihm nicht glauben. Er hat mich deshalb gebeten mit ihm zu kommen, doch ich habe mich geweigert. Wenn jetzt herauskommt, dass er recht hatte, dann habe ich meinem Bruder Unrecht getan und habe ihn verloren, weil ich zu dumm war, zu erkennen, dass er mit seiner Vermutung richtig lag.<<
>>Nun mal ganz langsam Olga, noch wissen wir gar nichts, oder hat dir Nikolai jemals Grund zu der Annahme gegeben, dass er dich nur ausnutzt?<<
Als Olga nur stumm den Kopf schüttelt fährt Nicole fort.
>>Sicher es gefällt mir nicht, dass er dich nahezu dazu gezwungen hat, mit mir zu kommen, obwohl er genau wusste, dass ich den Major töten werde, doch wir kennen seine Gründe dafür nicht. Wir sollten nicht übereilt Schlussfolgerungen ziehen. Mir erscheint Nikolai vollkommen vertrauenswürdig und im Umgang mit dir habe ich ihn niemals anders als fürsorglich und verständnisvoll erlebt. Ich werde ein Gespräch mit ihm darüber führen müssen, dass es mir nicht gefällt, dass er dich in Dinge hineinzieht, für die du einfach noch viel zu jung bist. Das war es dann aber auch schon und ich bin mir sicher, dass es eine sehr vernünftige Erklärung geben wird.<<
Während ich dies ausspreche, weiß ich, dass auch ein erster Zweifel in mir nagt und ich mich mit diesen Worte eher selbst beruhigen möchte.
***
Olga spürt dass Nicole in Bezug auf Nikolai, selbst unsicher ist, obwohl sie ihn vor ihr verteidigt. Kurz hat das Mädchen erwägt, ihr von dem Verdacht zu erzählen, den Viktor gegen Nikolai geäußert hat. Sie traut sich kaum darüber nach zu denken, dass Viktor befürchtete, der Arzt könnte ein sexuelles Interesse an Olga haben.
Bis vor Kurzem hatte dies Olga auch für völlig aus der Luft gegriffen gehalten, doch dann traten jeden Monat aufs Neue unerklärliche Unterleibsschmerzen auf. Würde sie menstruieren, wüsste sie woher die Schmerzen kommen, doch sie hat keine Blutung. Nikolai hatte ihr erklärt, dass dies wohl von der Chemo herrührt. Es sei durchaus möglich, dass diese sie unfruchtbar gemacht habe. Ihren Hormonhaushalt so sehr gestört hat, dass sie ihre Menstruation gar nicht mehr bekommen wird.
Nicole hält es für durchaus möglich, dass sie zwar keine Blutung, dennoch aber Schmerzen haben kann. Sie führt die Unterleibsschmerzen darauf zurück, dass ich wohl ohne Blutung in der Pubertät bin.
Wenn ich das nur glauben könnte.
Ich wage es nicht, Nicole vom Verdacht meines Bruders zu erzählen. Wenn sie die gleichen Schlüsse zieht wie ich, dass Nikolai sich an mir vergeht, was dann?
Was wird dann aus uns?
Seit drei Monaten wache ich an einem Tag im Monat auf und fühle mich total elend. Mein Körper fühlt sich anders an als noch den Tag davor. Ich meine große Hände an meinen Oberschenkeln zu spüren, habe Schmerzen nicht nur im Unterleib, sondern auch an meinen Genitalien. Ist das normal? Fühlt sich Pubertät so an?
Wenn ich doch mit Nicole darüber sprechen könnte.
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