Kitabı oku: «Meine Epoche Ost», sayfa 3
DER TIERHALTER – TEIL 1
Als Kinder wollten wir Tiere natürlich auch selbst halten, alles, was sich uns anbot. Vom Regenwurm über diverse Raupen, Blindschleichen oder Ringelnattern, die wir – wenn wir Glück hatten – bei der Heuernte vor Opas Sensenhieb erretten konnten oder aus dem Zufluss beim Badeteich fingen, Tauben, mal eine junge Krähe, alles Mögliche an Fischen, selbst gefangene oder die Goldfische, die mein Vater aus dem Zuchtteich eines ungeliebten Arbeitskollegen mit nach Hause brachte, mit dem er sich zuvor in den Haaren hatte und ihm sozusagen als Entschädigung ein paar Fische aus dessen Teich entnahm, Molche, Krebse, Eidechsen, mal eine Fledermaus und was weiß ich noch alles.
Auch mit der Zucht hatte ich mich versucht. Mein anderer Opa, väterlicherseits, hatte damit viel Glück, besonders mit seinen Kanarienvögeln. Die hatten ständig Nachwuchs in Massen. Davon wollte ich mir ein paar abzweigen. So besuchte ich ihn.
WARUM RASIERT MAN EINEN KNÖDEL? ODER: MEIN ANDERER OPA
Fünfzehn Kinder-Gehminuten entfernt wohnte er im Haus meines zweiten Onkels J. – der mit der kräftigen Ohrfeige, siehe Kapitel 1.
Mein Opa arbeitete zusammen mit Onkel H. beim Rat der Stadt auf dem Bauhof. Als alter Rossbrunner (Lókúter) hatte er natürlich viel Ahnung vom Gärtnern, Rosenveredeln, Bäumeverschneiden und vom Bauen, also verschönerte er – solange er noch nicht in Rente war – die Straßen und Plätze unserer kleinen Stadt oder legte die vielen Blumenrabatten an.
Beim Betrachten der historischen Fotos werden hin und wieder mal ein paar alte Storys über ihn ausgegraben, die wohl ihresgleichen suchen dürften.
Zahnpflege war bekanntlich früher weniger ausgeprägt als in der Neuzeit. So trug er – wie viele ältere Menschen – eine Prothese. Heutzutage ist der Zahnarzt auch für den Zahnersatz zuständig. Mein Opa erledigte damals seine Probleme mit der Prothese eher unkonventionell: Brach ein Zahn aus der Halterung, klebte er ihn selbst wieder ein. Und was eignete sich dafür zu Ostzeiten am besten? DUOSAN! Ein penetrant nach Lösungsmitteln stinkender, transparenter Alleskleber. Viel mehr Auswahl gab es ja auch nicht. Damit konnte er jedenfalls wieder richtig beißen. War der rausgefallene Zahn nicht mehr zu retten, wusste er Abhilfe: So hat er auf dem städtischen Schuttplatz – also auf unserer bekannten Müllhalde – Hundezähne entdeckt, die er sich als „Hobbyzahntechniker“ passend feilte, um die Lücke im Gebiss zu schließen. Nun ja.
Da er ja ohne Pause rauchte, schien sich das Thema Desinfektion auch von selbst erledigt zu haben. Nicht umsonst gibt es ja das Haltbarmachen durch Räuchern.
Man muss eben nur die richtigen Ideen haben und sich zu helfen wissen. Nun konnte er also wieder richtig beißen. So lange musste das Essen auf dem gusseisernen, holzbefeuerten Herd warten. Vielleicht Tage? Ob es noch gut war? Vermutlich, denn an einer Lebensmittelvergiftung ist er definitiv nicht erkrankt, geschweige denn gestorben. Nicht dass es keinen Kühlschrank gab, den hatte er auch, der war nagelneu, aber diente eher als Zierde statt zur Nutzung.
Und wie sehen denn grüne Klöße nach ein paar Tagen aus, so ganz ohne Kühlung? Da bildet sich etwas, sie „wachsen“. Kann man auch als Schimmel bezeichnen. Schimmel war früher wohl auch nur ein ästhetischer Mangel am Essen, was heute alles komplett weggeworfen wird, wo kaum die erste Spore zu sehen ist, wurde seinerzeit noch aufgearbeitet.
„Opa, wo hast du denn die verschimmelten Klöße hingetan?“, so fragte ihn meine Cousine.
„Die hoab i rasiert.“ Und natürlich gegessen.
Eines seiner Hobbys waren Kanarienvögel. Er züchtete sie schon viele Jahre lang, die quirligen, hübschen exotische Gesellen. Davon wollte ich gern welche haben. Ich klopfte an seiner Wohnungstür. Um mich einzuschmeicheln, grüßte ich nach dem „Joo!“ laut mit: „Grüß Gott!“
Mit „Guten Tag“ hätte ich nichts erreicht, darauf hat mein Opa viel Wert gelegt. Mit einem „Grias Good“ antwortete er und reichte mir seine große, von der Arbeit zerfurchte Hand.
Schließlich gehörte ich mit dem „Grüß Gott“ auf den Lippen nicht zur „Daivaszucht“ („Teufelszucht“ auf Hochdeutsch), denn so titulierte er den Rest der (in seinen Augen) Ungläubigen, den Gelüsten der heidnischen Welt verfallenen, selbst auch einen nicht unerheblichen Teil seiner (aller-) nächsten Verwandten. Diese „Auserwählten“ (aus der Zucht des Teufels) konnte man sich anhand seiner Bildergalerie – eine Art aktuelle „Hitliste des Bösen“ – auf dem großen hölzernen Radio oder darüber im Regal betrachten. Auf diesen Fotos konnte ich sehen, wen er gerade brandaktuell zur „Daivaszucht“ gekürt hatte: Derjenigen Person auf der Fotografie hatte er mit roter Tinte gemalte Hörner verpasst. Es gab ein paar, denen wurde diese Auszeichnung öfters zuteil, sozusagen die „Top Ten“ der „Daiva“.
Zunächst musste ich ihn im dichten Pfeifenrauch erst mal orten. Denn die Bude war in der Regel so zugequalmt, dass ich ihn im ersten Moment beim Betreten der Wohnstube gar nicht auf dem Sofa sitzen sah, ganz in der hintersten Ecke. Dann, gefunden: Dort residierte er.
Wie ein alter Rockstar: grau-weiße, schulterlange Haare und mit einem langen, grauen Vollbart. Die und den ließ er sich wachsen, weil er nicht ins Kloster gehen durfte. War wohl mal so eine fixe Idee von ihm, aber er wurde nicht aufgenommen. Seit diesem Zeitpunkt gab er dem Haarwachstum freien Lauf.
Er saß auf seinem uralten durchgesessenen Sofa, immer eine dampfende Tabakpfeife in der Hand, die wohl nur zum Schlafen ganz erlosch, falls überhaupt.
Er rauchte so ein Zeug, eine Art Tabakreste, also das, was bei der Herstellung von Zigarren oder Zigaretten übrig blieb. Dieses Kraut konnte man im Zigarettenladen (natürlich damals auch ich als Kind) billigst kaufen. Manchmal musste ich ihm eine Packung, so groß wie eine Mehltüte, holen. Damit stopfte er seine glimmende Pfeife mit Daumen und Zeigefinger, völlig schmerzfrei.
Über ihm an der Wand überall Heiligenbilder, diverse Kreuze und im Regal Statuen und Kerzen. In der Ecke über dem Sofa brannte das „Ewige Licht“, wie in der katholischen Kirche neben dem Altar.
Im Schrank zig Bücher und Bibeln aller Art, die er „wissenschaftlich“ überarbeitete und mit seinen handschriftlichen Kommentaren in roter oder blauer oder schwarzer oder grüner Tinte versah. Martin Luther hätte bestimmt gern mit ihm gefachsimpelt, denn an seiner Bibel änderte er vergleichsweise wenig, die katholischen Ausgaben kamen da schon bedeutend schlechter weg.
Und in der uralten Schreibmaschine steckte immer gerade ein aktueller Brief in Arbeit, je nach Empfänger und Belang, musste dieser mit allem rechnen. Da kamen schon mal einige Seiten aus der Maschine raus, vermutlich schrieb er wochenlang an so einem Projekt. Auch hier arbeitete er mehrfarbig: ein schwarzes Schreibmaschinenband für die Standards und ein rotes Farbband für besonders wichtige Passagen.
Und er kannte keine Gnade für niemanden. Der Bürgermeister bekam neben den katholischen und evangelischen Pfarrern, Bischöfen, Parteibonzen bis nach Berlin etc. regelmäßig Post von ihm und wer weiß, wer noch alles. Vielleicht sogar Rom? Wir zu Hause übrigens auch, besser gesagt, meine Großeltern im Erdgeschoss. Dabei handelte es sich jedoch nur um irgendwelche philosophische Abhandlungen der aktuellen heidnischen Weltgeschichte – nichts Schlimmes also. Unsere Hausbewohner waren nie irgendwelchen verbalen Angriffen ausgeliefert. Da gab es für ihn genügend andere Ziele.
Vor lauter Schreibwut bei seinen Hardliner-Texten brachen dabei immer wieder mal ein paar der besonders stark beanspruchten Tasten oder Anschläge an der guten alten Adler-Schreibmaschine aus Kaiserzeiten ab. Dann brachte er das Gerät zu meinem Vater in den Betrieb, zum Reparieren. Der war ja Werkzeugmacher und Schweißer. Das geschah – logischerweise – während der regulären Arbeitszeit im VEB.
Mich jedenfalls konnte mein Opa ganz gut leiden. Ich ging ja auch schön regelmäßig in die Kirche. Danach fragte er mich auch bei jedem Besuch und nickte dann zufrieden.
Er ging übrigens nicht, dafür waren ihm die katholischen „Pfaffen“ zu heidnisch. Nichtsdestotrotz besuchte ihn auch unser Pfarrer regelmäßig im Jahr, zum „Gedankenaustausch“.
Als Nächstes kam nun die Phase, in der er mich über diverses Familiäres aushorchte. Wie läuft es zu Hause, zwischen Vater und Mutter, Oma und Opa? Das wollte er schon ganz genau wissen. Wenn ich alles berichtet hatte, kam der zweite Teil der Gesprächsrunde: sein Part! Nun musste ich endlose Zeit seinen Ausführungen über Gott und die schlechte Welt folgen, über die er Stunden sinnieren konnte.
Man muss sich das in etwa so vorstellen: Er saß auf dem Sofa, ich ihm gegenüber am Tisch neben dem Fenster. Immer abwechselnd an der Pfeife ziehend, paff, paff, paff – langes Schweigen, anhaltendes Kopfschütteln. Dann folgten fünf Minuten lang Ausführungen über ein für ihn brisantes Thema, zwischendurch ständig an der Pfeife ziehend, damit sie nicht ausging. Dann wieder minutenlanges Schweigen, paff, paff, paff … wieder die Pfeife aktivierend, dabei sah er mich an … Kopfnicken … Sinnieren … Kopfschütteln … Pfeife neu stopfen … ein, zwei Stunden lang ging das so. Da musste ich durch!
Erst dann, wenn er mit seinem Beitrag fertig war, ja dann konnte ich zum eigentlichen Grund meines Besuches kommen: Kanarienvögel. Dabei brauchte ich dann nicht so lange. Wir gingen runter in die Voliere. Dort schwatzte ich ihm ein schönes Pärchen ab.
DER TIERHALTER – TEIL 2
Wunderschöne knallgelbe, goldfarbene Vögel, er hatte jede Menge davon in seinen mannshohen Volieren. Er suchte mir ein junges Pärchen raus, das recht laut sang. In einem Schuhkarton trug ich sie nach Hause, ein neuer Käfig stand schon für die beiden bereit. Da zwitscherten sie nun auf unserem Küchenschrank, den ganzen lieben Tag.
Besonders rege waren sie, wenn sich mein Vater nach der Arbeit oder am Wochenende nach dem Mittagessen zum Ausruhen auf das Küchensofa legte. Mit der Folge, dass die Tierchen während dieser Phase in die Abstellkammer umziehen mussten.
Frühsommer. Eines Samstags geschah es: Beim Freiflug in der Wohnung entwischte das Männchen. Raus durch das angekippte Küchenfenster und ab durch die Mitte. Ich war todunglücklich. Er würde sterben draußen oder gar die Katze würde ihn fressen, ich wusste es. Das Weibchen hatten wir zwar noch, aber das konnte ja nicht so schön singen, nur laut piepen.
Wir sahen den Gelben noch eine Weile oben auf unserem riesigen Kirschbaum sitzen. Es dauerte nicht lange, als sich mehr und mehr Spatzen um ihn herum einfanden. Und plötzlich flogen alle zusammen im Schwarm weg. Auf Nimmerwiedersehen.
Denkste! Am nächsten Morgen, das Küchenfenster stand offen, wir saßen beim Frühstück und wollten es nicht glauben: Auf dem Kirschbaum ein Schwarm Spatzen und unser Kanarienvogel, singend. Das Weibchen begann zu antworten und tobte im Vogelbauer.
Was tun? Mein Vater nahm den Käfig mit runter in den Garten und hängte ihn an den untersten Ast des Kirschbaumes, teilte ihn mit einer Pappe in zwei Abteile, sodass das Weibchen nicht herausfliegen konnte, und öffnete die Käfigtüre. Das Weibchen wurde ganz wild und piepte wie verrückt, als sich das Männchen vom Baum herab meldete. Es dauerte keine zehn Minuten, dann saß der Ausreißer von ganz allein wieder im Nest. Sollte man nicht glauben, aber es war tatsächlich so. Nun konnten beide wieder zusammen lärmen.
Im Sommer hängten wir den Käfig öfters im Garten auf. Das tat den Vögeln anscheinend gut in der frischen Luft.
Das Weibchen ist mir ebenso bei so einem Frischluftaufenthalt mal durch die Öffnung des Futternapfes entwischt. Es hatte aber nicht so eine Power wie das Männchen und flog nur ein wenig im Hof zwischen unserem und dem Nachbarhaus hin und her, dann war es erschöpft und mein Vater fing es mit den Händen wieder ein.
Am heftigsten ging es immer dann zur Sache, wenn es Streit ums Futter gab. Also entschied ich mich, etwas dagegen zu tun. Ich stellte einen zweiten Futternapf rein, besser gesagt, ich verwandelte den Wassernapf in einen Futternapf. Dass Vögel auch ab und zu trinken müssen – die Einsicht kam leider zu spät.
Meine Eltern verboten mir daraufhin bis auf Weiteres meine „Züchtungen“. Ich solle lieber etwas Sinnvolleres tun.
DER MINISTRANT
Wie alle meine Vorfahren so war auch ich katholisch getauft und mehr oder weniger streng in diesem Glauben erzogen worden. Mehr streng mütterlicherseits, weniger väterlicherseits. So war es meistens in den Familien. Mein Vater war nicht der permanente Kirchgänger, ihm „reichte“ es Ostern, Pfingsten, Weihnachten. Meiner Mutter war jeder Sonntag heilig. Also hieß es auch für uns Kinder, jeden Sonntag Punkt zehn Uhr in der Kirche zu sein.
Unser Gotteshaus war eine hölzerne, barackenartige Konstruktion im Nachbarort, eine Art Kapelle mit einem Glockenturm, dessen Geläut weniger einem Dom, dafür eher dem Gebimmel, das man in den Schweizer Alpen gelegentlich hört, glich. Im Winter sorgte ein gusseiserner Kanonenofen dafür, dass man darin nicht erfror. Es gab sogar eine Art Orgel, ein Harmonium.
Unser Pfarrer freute sich natürlich über meinen eifrigen Kirchgang, sodass er mich bald als Ministrant eintrug. Ab jetzt war ich in etwa jede zweite Woche dran, zu ministrieren.
Anfangs wurden die Messen zum Teil oder auch noch ganz in lateinischer Sprache gehalten. Die älteren unter den Messdienern haben das dafür notwendige an Latein noch im Religions- oder im Ministrantenunterricht lernen müssen. Ich nicht mehr, also murmelte ich irgendwelchen Kauderwelsch vor mich hin, sodass keiner der Kirchgänger etwas davon mitbekam.
Fasziniert hatte mich immer die Hostie. Bevor ich meine heilige Erstkommunion erhielt, wollte ich aber schon genau wissen, was das kleine Ding denn ist, wie es schmeckt und vor allem, wie es wirkt. Was tat ich also: Ich entnahm … okay, ich möchte es nicht schönreden, klaute mir also eine aus dem Körbchen!
Gott! Ich war ein Dieb! Und noch dazu in der Kirche! Entsetzlich. Schlimmer geht’s wohl kaum! Danach kam ich mir elend und armselig vor und schämte mich vor mir selbst. Bin mir auch ganz sicher, dass ich das niemals meinem Pfarrer während der Beichte berichtete.
Es schmeckte übrigens genau nach Hostie, wie eine Oblate ohne Eigengeschmack. Da ich sie ja vor Beginn der Messe entwendete, war sie auch noch nicht geweiht, also ohne „Effekt“. Von daher wohl eher auch eine kleinere Sünde …
Hatte ich später manchmal eine Pechsträhne: War das etwa die zugehörige Strafe von ganz oben? Vielleicht? Man weiß es nicht.
Die Holzkirche war schon sehr in die Jahre gekommen, irgendwann in meiner Jugendzeit hat man – wohl auch mit Geldern aus dem Westen – ein paar hundert Meter weiter eine moderne, massive Kirche gebaut. Die alte Baracke wurde anschließend vom Bischof entweiht, der Glockenturm abgebaut. Der Rest diente schließlich noch eine Zeit lang als Scheune für Heu und Stroh. Später wurde alles ganz abgerissen. Das änderte aber nichts am sonntäglichen Rhythmus, den Gottesdienst zu besuchen. Solange ich im Haus meiner Eltern wohnte, war das ein Muss.
TABAK
Nun, welcher Junge hat es denn nicht probiert? Das Rauchen! Zu unserer Zeit eine Selbstverständlichkeit. Einerseits war es für Kinder überhaupt kein Problem, an Zigaretten oder Tabak zu kommen, denn ich konnte – vorausgesetzt, ich hatte das nötige Geld – jederzeit Tabakwaren, jegliches Raucherzubehör, einschließlich Benzinfeuerzeuge, Feuerzeugbenzin oder Streichhölzer kaufen. Andererseits musste die Neugierde ja auch befriedigt werden. Von den Älteren rauchte seinerzeit fast jeder, da konnte es wohl kaum schlecht sein. Also probierten wir es aus.
Bei Frau Hiltscher (ein Begriff im Ort für einen kleinen Tabakladen an der Ecke unserer Straße) holte ich öfters im Auftrag meiner beiden Opas Tabakreste beziehungsweise des einen Lieblingsmarken Salem oder Stambul. Letzterer Name rührte bestimmt von Istanbul her, jedenfalls ein filterloses Kraut. Und auf dem Bildchen der Schachtel waren – glaube ich, mich zu erinnern – Türken abgebildet.
Das rauchte einer meiner Großväter (mein Opa, der bei uns im Haus wohnte) vorzugsweise, obwohl in seinem Wohnzimmer ein Schiebeschrank stand, der bis zum Platzen mit westdeutschen und amerikanischen Nobelzigaretten vom Feinsten vollgestopft war. Selbst brasilianische Zigarren gab es da in Hülle und Fülle.
Wer sich erinnert: zum Beispiel More, eine dunkle, dünne hundertzwanziger Zigarette aus den USA, die „rauchten“ wir besonders gern, auch später noch, zu Discozeiten. Natürlich pafften wir nur, sonst hätten wir uns dabei sicher in die Hosen gemacht.
Woher hatte er das Zeug? Sein Sohn, im Jahr 1961 noch rechtzeitig vor der Mauer geflüchtet, schickte regelmäßig Tabak, selbst als sein Vater aufgrund von Atemwegserkrankungen von einem Tag auf den anderen mit dem Quarzen aufhörte. Mein Onkel meinte, das Zeug könne man trotzdem gut gebrauchen, wenn man mal einen Handwerker benötige. Recht hatte er und schickte fleißig weiter.
Gelegentlich drehten wir unsere Zigaretten auch selber, die dazu nötigen Utensilien kauften wir uns wiederum im Tabakladen.
Einmal – zu Beginn unserer Räucherei – hatten wir keinen Tabak und wussten noch nicht, was Tabak eigentlich war, da füllten wir die kleinen Blütenbrösel rein, die im Frühsommer die Birken verloren. Es qualmte und stank entsetzlich. Konnte man wirklich nicht rauchen. Ein einmaliger Versuch.
Also orientierten wir uns lieber in Richtung Markenware. Es gab ja genug davon. Der Schrank wurde nie leerer, selbst dann nicht, wenn ich uns ab und zu eine Schachtel stibitzte. Ich weiß, es war wieder eine Sünde! Ich musste wieder zur Beichte. Aber die Versuchung war zu groß und mein Opa merkte es auch nicht, oder vielleicht doch?
Später, mit achtzehn, neunzehn, hörte ich mit dem gelegentlichen Qualmen auf. Es gab ja weitaus besser Gelegenheiten zu sündigen, die waren zu jener Zeit weder ungesund noch gefährlich und machten zudem bedeutend mehr Spaß …
FISCHE FANGEN
Der Angelsport hatte es mir und meinem Freund bereits seit Kindertagen angetan. Oder besser gesagt das Angeln an sich, denn der Sport war höchstens beim schnellen Wegrennen gefragt. Dass man dazu einen Angelschein brauchte, interessierte uns eher weniger. Wir angelten dann, wann wir Lust hatten. Wir angelten dort, wo wir Lust hatten.
Die Spree als Angelgewässer schied definitiv aus, da sie zu meiner Zeit mehr als klinisch tot war. Chemisch vergiftet, absolut erledigt. Und das bereits unweit der Quelle! Was bis zu unserer Gemeinde die Farbspiele der Abwässer aus den Textilbuden vielleicht noch überlebte, wurde dann spätestens durch die Reste aus der Feuerverzinkerei erledigt. So war das damals – schlimm. Aber im Spreewald „kahnte“ man bereits wieder in diesem Fluss, Berliner in Ost wie West badeten sogar darin. Muss sich wohl zwischendurch irgendwie selbst geheilt haben, die Spree.
Es gab aber auch bei uns noch saubere Gewässer. Forellen schwammen in der Kote, einem kleinen Bach am Stadtrand, zu dem wir jedoch immer ein ganzes Stück zu Fuß laufen mussten. Diese flinken Bachbewohner waren fast nicht zu kriegen. Mit etwas Ausdauer und Geschick fingen wir sie trotzdem manchmal.
Einfacher war es, auf Flussbarsche im Steinbruch aus zu sein. Mit einem schönen, fetten Wurm am Haken klappte es fast immer. Wir kannten die Stellen, an denen sie ziemlich rasch anbissen.
Die Barsche waren freilich recht klein, also nichts für die Pfanne. Wir taten sie wieder zurück oder nahmen sie gelegentlich mit nach Hause. Als Ersatzteich wählten wir eine große Zinkbadewanne oder das Bassin, so nannten wir den ausgedienten Schweinetrog bei uns im Garten. Die Tage der Barsche waren folglich gezählt.
Auch die Krebse, die wir zuweilen fingen, nahmen wir mit heim, die verschwanden dann spurlos – wohin auch immer.
Weitaus größeren Spaß machte jedoch das Angeln in den Zuchtteichen. Davon gab es bei uns in der Umgebung zahlreiche. Eine Handangel, das waren Sehne, Schwimmer, Blei und Haken auf ein Stück Plastik gewickelt – das Ding aus dem Sportgeschäft –, war sogar geeignet für mittelgroße Fische. Nun noch eine Gerte besorgt, saftige Regenwürmer ausgegraben, ab ging es zum Teich.
Hier holten wir auch richtige, mehrere Kilos schwere Fische raus, schöne Karpfen oder Schleien, damit konnte die Mutti schon eher was in der Küche anfangen. Die Tümpel waren so gut gefüllt, da bissen die Ersten bereits an, als der Wurm noch gar nicht richtig ins Wasser eingetaucht war. Also, immer ein voller Erfolg, ein Einkaufsbeutel voller Fische.
Das Fischen im Zuchtteich hatte allerdings einen kleinen Nebeneffekt, ein winziges Kribbeln war immer dabei. Denn: Es war verboten! So stand es zumindest auf den Schildern rund um die Gewässer … Man brauchte also gute Augen, ein gutes Gehör und flinke Beine, wenn der Fischzüchter unverhofft nahte. Aber das alles hatten wir!
Während eines Sommerurlaubs an der Ostsee durfte ich irgendwann mit einem erfahrenen Angler am frühen Morgen zum Bodden fahren. Zuvor hatte ich meine Eltern so lange genervt, bis sie mir eine kleine, aber richtige Angel mit allem Drum und Dran kauften.
Fünf Uhr früh ging’s los. Am Wasser angelangt und nach kurzer Zeit der Vorbereitung zuckte bereits der Schwimmer. Ich zog die Rute raus und ein fetter langer Aal hing am Haken. Ich war beeindruckt, mein Begleiter auch. Etwas später, wieder ein Aal, nicht mehr ganz so groß, vielleicht so sechzig Zentimeter. Aber auch nicht schlecht. Zum Abschluss verfing sich noch ein weiterer kleiner Aal an meiner Angel, den ließen wir jedoch wieder zurück ins Wasser.
Mein Begleiter war baff, denn er fing an diesem Tag nur eine kümmerliche Plötze oder so was. Für ein Mittagessen reichte es jedoch, sogar für unsere beiden Familien.
Irgendwann, später in der Schule, trat ich dem Deutschen Anglerverband bei. Mit Prüfung und Beitragszahlung. Ab dann war ich jedoch paradoxerweise nur noch selten auf Fischfang. Vielleicht fehlte der Nervenkitzel?
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.