Kitabı oku: «Die Bibel in der Weltliteratur», sayfa 6
1.1.4. Die Völker und der Turmbau zu Babel
Biblisch
Entstehung der Völker nach der Sintflut▪ Gen 9,18–11,9. In der Episode von Noah als erstem Winzer und Berauschtem (Gen 9,18–27) verflucht Noah seinen Sohn Ham wegen dessen respektlosen Verhaltens und prophezeit, dass Ham und seine Nachkommen – die Kanaanäer – den Nachkommen Sems und Japhets untertan sein sollen. Das Vorkommnis dient dazu, das spätere Verhältnis von Völkern zueinander zu begründen. Die so genannte „Völkertafel“ in Gen 10 führt im Stile eines Stammbaumes die Völker auf Erden auf die drei Söhne Noahs zurück und benennt deren Siedlungsgebiete.
Der Ursprung der SprachenvielfaltDie knappe Erzählung in Gen 11,1–9 erklärt die Entstehung der verschiedenen Sprachen. Die Völker, die noch eine Sprache sprechen, nehmen ein im wahrsten Sinne des Wortes hochfahrendes Projekt in Angriff, eine Stadt mit einem Turm, dessen Spitze bis in den Himmel reichen soll. Aus Gottes Perspektive ist das entstehende Bauvorhaben zwar so klein, dass er eigens hernieder fahren muss, um es erkennen zu können, doch zeigt es ihm, zu welch hoffärtigen Unternehmen die Menschheit mit vereinten Kräften imstande ist. Deshalb verwirrt er die Sprache, so dass sie sich miteinander nicht mehr verständigen können, zuerst den Bau aufgeben und sich dann über die Erde zerstreuen. Die Stadt heißt Babel, „weil der Herr daselbst verwirrt hat aller Länder Sprache“ (11,9). Volkstümlich erklärt die Geschichte den Namen Babels[107], das aus biblischer Sicht negativ besetzt ist. Tatsächlich verweist das Baumaterial, die gebrannten Ziegel, ebenso auf Babylon wie der Turm, der vermutlich einen bei den Babyloniern üblichen Stufentempel meint.
Die Genealogie von Noahs Sohn Sem bis zu Abrahams Vater Terach (11,10–26), die analog zu Gen 5 gestaltet ist, leitet zur anschließenden Vätergeschichte über.
|71|Literarisch
Rezeptionsgeschichtlich ist die babylonische Sprachverwirrung sprichwörtlich geworden; literarisch hat die Erzählung, die außerdem das mythische Motiv des Himmel-Stürmens enthält, kaum Spuren hinterlassen.
▪ Gottfried Benn – Wir gerieten in ein Mohnfeld. Benn (1886–1956) spielt in einem Gedicht ohne Titel, das in seiner expressionistischen Phase 1913 entstand, unter anderem auf die Turmbaugeschichte an:
Wir gerieten in ein Mohnfeld,
überall schrien Ziegelsteine herum:
Baut uns mit in den Turm des Feuers
für alles, was vor Göttern kniet.
Zehn nackte, rote Heiden tanzten um den Bau und blökten
dem Tod ein Affenlied:
Du zerspritzt nur den Dreck deiner Pfütze
und trittst einen Wurmhügel nieder, wenn du uns zertrittst.
Wir sind und wollen nichts sein als Dreck.
Man hat uns belogen und betrogen
mit Gotteskindschaft, Sinn und Zweck
und dich der Sünde Sold genannt.
Uns bist du der lockende Regenbogen
über die Gipfel der Glücke gespannt.[108]
Verkehrung biblischer WerteOffensichtlich im Opiumrausch („Mohnfeld“) wird wahrgenommen, was das Gedicht schildert. Ziegelsteine bitten darum, für den Turm verwendet zu werden, der als Heiligtum (V. 4) dient, als Ort, an dem Brandopfer („Feuer“) dargebracht werden. Der längere zweite Teil des Gedichts beschreibt, wie die Gottesverehrung aussieht: Zehn Nackte umtanzen den Bau und singen offenkundig unharmonisch („blökten“); dass sie „Heiden“ sind, assoziiert ebenso wie ihre Nacktheit und der Rundtanz ein Ritual, das Wilde vollziehen; dass sie „rot“ sind, bezieht sie in die im ersten Teil herrschende Farbgebung ein („Mohn“, „Ziegel“, „Feuer“). Mit ihrem „Affenlied“ (ein weiterer abwertender Hinweis auf die Gesangsqualität[109]) wenden sie sich an den Tod. In den ersten beiden Versen ihres nun wiedergegebenen Liedes konstatieren |72|sie drastisch und abwertend ihre eigene Vergänglichkeit („Dreck deiner Pfütze“, „Wurmhügel“). In den folgenden sechs reimenden (abacbc) Kurzversen des Liedes akzeptieren sie ihre Sterblichkeit, bevor sie die christliche Botschaft, die mit Schlagworten anklingt („Gotteskindschaft“, Tod als „der Sünde Sold“[110]), als Lug und Trug abtun. Für sie ist der Tod nichts Negatives, sondern verlockend; er entspricht dem Regenbogen, der für sie nicht Himmel und Erde, sondern zwei Bereiche des Glücks verbindet, nämlich ihr jetzt schon durch den Tod geprägtes Dasein und den eigentlichen Todeszustand. In drastischer Weise und beißendem Sarkasmus verkehrt und negiert Benn in diesem Gedicht christliche Weltanschauung unter Nutzung biblischer Motive aus der Urgeschichte[111].
1.2. Erzvätergeschichten und Josefsnovelle (Gen 12–50)
Biblisch
Verknüpfte Erzählzyklen▪ Gen 12–36 – Die drei Erzväter Abraham, Isaak und Jakob. Die Erzählungen von den drei Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob spielen eine wichtige Rolle für das Selbstverständnis Israels. Gott erwählt die drei Männer, die die drei ersten Generationen des späteren Volkes darstellen, er gibt ihnen seine Zusage, mit ihnen zu sein, schenkt seinen Segen und die Verheißung reicher Nachkommenschaft sowie der Inbesitznahme des Landes Kanaan. Der längere, komplexe Entstehungsprozess[112] der Vätergeschichten |73|hat sich im episodischen Charakter der Zyklen um die jeweiligen Hauptpersonen Abraham (Gen 12,1–25,11) und Jakob (Gen 25,19–35) niedergeschlagen, bei denen Isaak als Sohn Abrahams und Vater Jakobs in der jetzigen Gestalt der Vätergeschichte das Verbindungsglied darstellt, da er in beide Abschnitte auch als Handlungsbeteiligter einbezogen ist. In der vorliegenden Gestalt ziehen sich Gottes Verheißungen als verbindender roter Faden durch die Gesamtdarstellung.
Einführung AbrahamsAbraham[113] wurde bereits im Stammbaum Gen 11,26 als Sohn des Terach eingeführt. Außerdem erfährt man, dass Abrahams Frau Sara unfruchtbar ist (11,30) und dass Terach mit seinen Söhnen aus Ur in Chaldäa auswandert und sich zunächst in Haran ansiedelt (11,31). 12,1 setzt mit einer programmatischen Rede Gottes an Abraham ein: Gott fordert ihn zum Aufbruch auf, zur Reise „in ein Land, das ich dir zeigen will“, verheißt Abraham zahlreiche Nachkommenschaft und erklärt: „du sollst ein Segen sein […] und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.“ (12,2–3). Abraham – laut 12,4 im Alter von bereits 75 Jahren – macht sich auf den Weg und gelangt nach Kanaan (12,5), das er bereist[114].
|74|Abrahams Neffe Lot und der Untergang SodomsWeil sich ihre Viehbestände stark vermehrt haben, trennen sich Abraham und sein Neffe Lot, der mit ihm nach Kanaan gekommen ist. Lot siedelt sich in Sodom an (13). Abraham befreit diesen mit militärischer Gewalt, als er bei kriegerischen Auseinandersetzungen verschleppt wird (14). Als Gott Abraham wissen lässt, dass er Sodom und Gomorra wegen ihrer Bosheit vernichten will, verhandelt Abraham mit ihm, ob er nicht um der Gerechten willen, die möglicherweise dort leben, die Stätte schonen werde. In mehreren Schritten vermindert Abraham die Zahl der potentiell vorhandenen Gerechten von fünfzig auf zehn, und Gott sichert ihm ein Verschonen auch noch um zehn Gerechter willen zu (18,16–33). In Sodom nimmt Lot zwei Gäste – in Wahrheit Engel – in seinem Haus auf. Die Sodomiter fordern, dass er die Männer herausgebe. Lot weigert sich, bietet ihnen sogar seine Töchter an, doch beharren die Sodomiter auf der Herausgabe der Gäste. Die Engel verhindern eine drohende tätliche Auseinandersetzung, kündigen Lot den Untergang Sodoms an, raten ihm, mit seiner Familie aus der Stadt zu fliehen, jedoch ohne sich umzusehen. Als Lot am Morgen von den Engeln zur Flucht gedrängt Sodom verlassen hat, regnet es Feuer und Schwefel vom Himmel auf Sodom und Gomorra. Als Lots Frau sich umsieht, erstarrt sie zur Salzsäule (19). Die Erzählung liefert zunächst eine Erklärung für die wüste Beschaffenheit der Salzmeergegend. Außerdem bildet sie eine Analogie zur Sintflutgeschichte, da wiederum Gott menschliche Bosheit mit Vernichtung ahndet, hier allerdings regional begrenzt und mit dem Instrument des Feuers.
Die Sohnesverheißung an AbrahamHauptthema der Abrahamerzählungen ist die Nachkommenschaft. Gott verheißt Abraham immer wieder einen Sohn – seine Nachkommen sollen so zahlreich werden wie der Staub auf Erden (13,16) oder die Sterne am Himmel (15,4–5) und das Land besitzen. Gott verpflichtet sich durch ein Ritual, sein Versprechen zu erfüllen (15,9–18). Doch Sara wird ungeduldig, weil der verheißene Nachkomme ausbleibt. Deshalb führt sie Abraham ihre Magd Hagar als Nebenfrau zu. Als Hagar schwanger geworden ist, geraten die Frauen in Streit, so dass Hagar für eine Weile in die Wüste flieht. Sie gebiert den Sohn Ismael (16). Gott schließt einen Bund mit Abraham, als dessen Zeichen die Beschneidung alles Männlichen eingesetzt wird; außerdem verheißt |75|er Abraham einen Sohn, den Sara ihm schenken wird, was Abraham angesichts ihrer beider fortgeschrittenen Alters durchaus skeptisch beurteilt (17). Abraham nimmt drei Götterbesuch(göttliche) Fremde gastlich bei sich auf und bewirtet sie. Sie kündigen ihm die Geburt eines Sohnes binnen Jahresfrist an, den die hoch betagte Sara gebären soll – Sara lacht ungläubig darüber (18,1–15). Die Ankündigung trifft ein – Isaak kommt zur Welt (21,1–7). IsaakDer Konflikt zwischen Sara und Hagar entflammt erneut, so dass Abraham Hagar und Ismael schließlich auf Saras Betreiben in die Wüste schickt. Dort rettet ein Engel Mutter und Kind vor dem Verdursten und verheißt auch Ismael reiche Nachkommenschaft (21,8–21).
Abrahams GlaubensprüfungDann stellt Gott Abraham auf die Probe (22,1): Er fordert, dass Abraham ihm seinen Sohn Isaak als Brandopfer im Land Morija darbringe. Abraham gehorcht, sucht den Berg auf (der später mit dem Tempelberg in Jerusalem identifiziert wurde), bereitet das Opfer vor, indem er Isaak gefesselt auf das auf einem Altar aufgeschichtete Holz legt. Erst im letzten Augenblick, als Abraham dem Jungen schon das Messer an die Kehle gesetzt hat, greift ein Engel ein und verhindert dies Opfer. Anstelle des Knaben bringt Abraham Gott einen Widder dar (22,1–13). Die religionsgeschichtliche Auslegung, die Erzählung wolle die Ablösung des Menschenspeziell des Kinderopfers, durch das Tieropfer schildern, ist umstritten. Das Interesse liegt deutlich auf dem absoluten Gehorsam Abrahams, der nach Gottes Geheiß handelt, sogar wenn er den Sohn, auf den er so lange vergebens wartete und von dem die Erfüllung der göttlichen Mehrungsverheißung abhängt, hergeben soll. Ohne Klage oder Widerrede ist Abraham dazu bereit.
Tod Saras und AbrahamsAls Sara stirbt, kauft Abraham eine Grabstätte, die als Familiengrab dienen wird (23). Um eine Braut für den nun erwachsenen Isaak zu werben, schickt Abraham einen Knecht zu den noch in Mesopotamien lebenden Verwandten. Der Knecht kehrt mit Rebekka, einer Nichte Abrahams, zurück, die Isaak alsbald lieb gewinnt (24). Als Abraham stirbt, ist Isaak sein Alleinerbe, obwohl Abraham abgesehen von Ismael aus einer zweiten Ehe noch weitere Söhne hat (25,1–11).
Isaaks Zwillingssöhne in Konkurrenz um Erstgeburtsrecht und -segenAuch die Ehe Isaaks mit Rebekka bleibt zunächst kinderlos; sie empfängt aber auf Isaaks Gebet hin schließlich Zwillinge, deren Verhältnis zueinander von Anfang an durch Konkurrenz bestimmt ist: Schon im Mutterleib streiten sie miteinander – Rebekka erhält einen Gottesspruch, dass der Jüngere dem Älteren |76|überlegen sein werde (25,22–23) –; bei der Geburt hält Jakob die Ferse Esaus, so dass er kaum jünger ist als der Erstgeborene (25,25–26), und sie sind gegensätzlicher Natur: Esau, rötlich und behaart, wird ein umherstreifender Jäger, Jakob „ein gesitteter Mann [..] blieb bei den Zelten“ (25,27). Während Esau Isaaks Liebling ist, zieht Rebekka Jakob vor (25,28). Esau verkauft Jakob sein Erstgeburtsrecht für ein Linsengericht (25,29–34) – „so verachtete Esau seine Erstgeburt“. (25,34). Jakob erschleicht sich den Erstgeburtssegen des Vaters auf Veranlassung der Mutter: Rebekka hört mit an, wie der altersblinde Isaak Esau auffordert, ihm ein Wildgericht zuzubereiten. Im Anschluss will er Esau segnen. Rebekka drängt Jakob, sich anstelle des Bruders diesen Erstgeburtssegen zusprechen zu lassen. Sie kocht ein Gericht nach Isaaks Geschmack und umwickelt Jakobs Hände mit Fell, damit er sich anfühlt wie sein stark behaarter Bruder. Isaak lässt sich täuschen und erteilt Jakob den Segen. Als Esau beim Vater erscheint, stellt sich der Betrug heraus. Isaak kann den Segen von Jakob nicht zurücknehmen und auf Esau übertragen. (27,1–40). Esau zürnt Jakob und will ihn töten, sobald der Vater gestorben ist. Rebekka erfährt davon und schickt Jakob deshalb zur Sicherheit zu ihrem Bruder Laban nach Haran (27,41–45). Auf Rebekkas Anregung schickt Isaak Jakob zu Laban, damit er eine von dessen Töchtern zur Frau nehme, und der Vater segnet Jakob zum Abschied (27,46–28,5). Analog zu Isaak nimmt auch Jakob also eine Frau aus der Sippe. Esau dagegen heiratet mehrere Frauen fremder Herkunft (26,34–35), was das Missfallen seiner Eltern erregt und erzählerisch zu seiner negativen Charakterisierung beiträgt.
Soweit reicht zunächst die Geschichte der konkurrierenden Brüder, die nun verfeindet sind. Eingefasst durch Gottesbegegnungen, die Jakob unterwegs erlebt, wird jetzt ein zweiter Sagenkreis in die Geschichten von Jakob und Esau eingebettet, der sich mit Jakob und Laban und den Eheschließungen Jakobs befasst.
HimmelsleiterAls Jakob auf der Reise unter freiem Himmel schläft, erblickt er im Traum eine Rampe („Leiter“), auf der die Engel hinauf- und hinabsteigen. Auf der obersten Stufe steht Gott selbst und verheißt Jakob Land und reiche Nachkommenschaft. Als Jakob erwacht, richtet er an dieser heiligen Stätte ein Steinmal auf und nennt den Ort Bethel, „Gottes Haus“ (28,10–22).
Jakob gründet eine FamilieBei der Ankunft in Haran verliebt sich Jakob am Brunnen in Rahel, die jüngere Tochter seines Onkels Laban. Laban nimmt ihn auf und vereinbart mit Jakob, dass er sieben Jahre für ihn arbeitet, |77|danach wird er Rahel zur Frau bekommen. Als die sieben Jahre um sind, richtet Laban ein Hochzeitsfest aus und führt Jakob die verschleierte Braut zu. Am nächsten Morgen bemerkt Jakob, dass er mit Lea, der älteren Tochter, verheiratet ist. Um Rahel zu erhalten, muss er weitere sieben Jahre dienen, doch wird sie ihm schon eine Woche nach der ersten Hochzeit zugeführt (29,1–30). Zwischen den Schwestern entbrennt nun ein „Gebärwettstreit“. Lea schenkt Jakob sechs Söhne und eine Tochter, hinzu kommen noch je zwei weitere Söhne, die die beiden Mägde seiner Frauen Jakob gebären. Rahel bleibt unfruchtbar, bis sie nach Jahren einen Sohn bekommt, Josef (29,31–30,24). Jakob bringt durch eine List viele Tiere aus den Herden Labans in seinen Besitz (30,25–43). Er flieht mit seiner Familie und seiner Herde, um in die Heimat zurückzukehren. Rahel stiehlt den Hausgott Labans und nimmt ihn mit. Laban nimmt die Verfolgung auf. Doch Rahel verbirgt den Hausgott so geschickt, dass er ihn nicht findet. Laban schließt mit Jakob einen Vertrag: Jakob darf keine weiteren Frauen nehmen und muss Lea und Rahel gut behandeln (31).
Aus Jakob wird IsraelNun wird der Faden der Brüdergeschichte wieder aufgenommen: Jakob sendet Geschenke vorweg und kündigt Esau seine Rückkehr in friedlicher Absicht an (32,1–22). Auf der Rückreise widerfährt Jakob wiederum eine Gottesbegegnung: Nachts allein am Fluss Jabbok überfällt ihn ein Unbekannter und ringt mit ihm. Jakob ringt ihm seinen Segen ab. Der Unbekannte benennt Jakob um in „Israel“, „Gotteskämpfer“, und verletzt ihn an der Hüfte. Jakob nennt diesen Ort Pnuel, „Gottes Angesicht“ (32,23–33). Jakob söhnt sich mit Esau aus und siedelt sich bei Sichem an (33). In Bethel vergräbt Jakob fremde Götterbilder; Gott segnet ihn dort und verheißt ihm reiche Nachkommenschaft und das Land. Als Rahel ihren zweiten Sohn, Benjamin, zur Welt bringt, stirbt sie. Jakob hat nun zwölf Söhne (aufgelistet 35,23–26) – entsprechend der traditionellen Anzahl der Stämme des Volkes Israel. Nach Jakobs Heimkehr stirbt auch Isaak (35). Von Jakobs Ende wird erst am Schluss der Josefsnovelle berichtet werden.
Eingeflochten in die Erzählungen sind Herleitungen der unmittelbaren Nachbarvölker Israels von den Nebenlinien der Erzväter: Ammon und Moab stammen aus der notgedrungen inzestuösen Beziehung zwischen Lot und seinen Töchtern (19,30–38), arabische Nomadenstämme von Ismael (25,12–18) und Edom von Esau ab (36,1).
|78|Der Abriss der Erzvätergeschichten zeigt bereits ihre beiden verschiedenen Ebenen: Einerseits vereinen sie in den Einzelepisoden sagenhafte Züge mit einem gewissen Vergnügen an der Überlegenheit der Figuren, die durchaus auch auf List und Betrug beruhen kann; andererseits sind die Väter, allen voran Abraham, auf der Ebene der Gesamtkomposition idealisierte Gestalten, die sich durch ihre Gottesbeziehung auszeichnen: Sie sind erwählte Träger der Verheißungen, die in ihrer Person dem aus ihnen hervorgehenden Volk Israel gelten.
Josefs Konflikt mit den Brüdern▪ Gen 37.39–50 – Die Josefsnovelle. Im Gegensatz zum episodischen Charakter der Erzvätererzählungen weist die Geschichte des Jakobsohnes Josef eine planvollere, „novellistische“ Anlage auf. Gen 37 erzählt die Vorgeschichte: Zwischen Josef, dem Erstgebornen seiner geliebten Rahel, und den übrigen Söhnen Jakobs entwickelt sich eine Konkurrenz: Jakob schenkt nur Josef, seinem Lieblingssohn, einen bunten Rock. Josef erzählt seine Träume – Garben bzw. Sonne, Mond und Sterne verneigen sich vor ihm – und verärgert damit seine Familie. Als Josef zu den Brüdern auf die Weide geschickt wird, um ihnen auf die Finger zu sehen, wollen diese die Gelegenheit nutzen, ihn loszuwerden. Sie werfen ihn in eine leere Zisterne; statt ihn zu töten, verkaufen sie ihn jedoch an eine vorbeiziehende Karawane. Jakob erhält den blutbeschmierten bunten Rock zum Zeichen, dass ein wildes Tier Josef getötet habe. Josef wird in Ägypten an den Kämmerer Potifar verkauft.
Josefs Karriere in ÄgyptenGen 39–41 schildern Josefs Aufstieg in Ägypten: Potifar macht Josef alsbald zum Verwalter. Potifars Frau hat ein Auge auf den schönen Jüngling geworfen, der sich ihr jedoch verweigert. Deshalb bezichtigt sie ihn der Vergewaltigung, so dass Josef ins Gefängnis kommt. Dort wird er schnell zur rechten Hand des Gefängnisleiters. Josef deutet die Träume zweier Gefängnisinsassen. Einer von diesen empfiehlt Josef dem Pharao, als dieser von sieben fetten und mageren Kühen bzw. Ähren träumt und seine Wahrsager dies nicht zu deuten vermögen. Josef erklärt die Träume als Hinweis auf sieben gute und sieben magere Jahre und rät, Vorsorge zu treffen. Pharao setzt ihn daher zum Verwalter über Ägypten ein. Josef baut Vorratslager auf, so dass Ägypten für die Hungersnot gewappnet ist und auch Getreide exportieren kann. Seine Karriere ist deshalb möglich, weil Gott mit Josef ist, „so daß er ein Mann wurde, dem alles glückte“ (39,2). Deswegen ist er auch mit der Gabe |79|der prophetischer TraumTraumdeutung ausgestattet. Das Motiv des prophetischen Traumes ist in Gen 37.39–41 zentral.
Josefs Intrige gegen die Brüder und die VersöhnungGen 42 nimmt das Thema Josef und seine Brüder wieder auf. Wegen der Hungersnot, die auch Palästina betrifft, schickt Jakob seine Söhne bis auf Benjamin nach Ägypten, um Getreide zu kaufen. Josef erkennt die Brüder, beschuldigt sie, Kundschafter zu sein, und fordert, dass sie ihren jüngsten Bruder, den sie unvorsichtigerweise erwähnt haben, zu ihm bringen sollen. Simeon hält Josef als Geisel fest. Bei der Rückreise finden die Brüder in ihren Getreidesäcken auch das dafür gezahlte Geld. Doch Jakob weigert sich, Benjamin ziehen zu lassen. Als das Getreide aufgezehrt ist (43,2), reisen die Brüder ein zweites Mal nach Ägypten – diesmal mit Benjamin. Josef lädt sie in sein Haus zum Essen ein. Wieder finden sie bei der Rückreise Geld in den Getreidesäcken. In Benjamins Sack liegt außerdem Josefs kostbarer Trinkbecher. Diener Josefs setzen den Brüdern nach und bezichtigen Benjamin, den Becher gestohlen zu haben. Nun stehen die Brüder vielerlei Ängste aus; zudem schlägt ihnen erneut das Gewissen, weil sie seinerzeit Josef verkauften[115]. In Josefs Haus werfen sie sich ihm zu Füßen und bieten sich an Benjamins Stelle als Sklaven an. Josef gibt sich den Brüdern zu erkennen. Er vergibt ihnen, dass sie ihn verkauft haben, denn hinter dem Geschehen steckte Gottes weiser Plan (43–45). So erteilt Josef den Brüdern eine Lehre.
Übersiedeln Israels nach ÄgyptenJakob und die Familien seiner Söhne (Stammbaum in 46,7–25) reisen nun nach Ägypten, wo Josef sie ansiedelt. Jakob sieht Josef wieder, wird aber auch durch eine Audienz beim Pharao geehrt (46–47). Die Schlusskapitel (48–50) inszenieren Jakobs Tod und beenden so die Vätergeschichten. Jakob segnet zunächst Josefs Söhne Ephraim und Manasse (48), wobei er dem jüngeren Ephraim den Vorrang vor dem Erstgeborenen Manasse einräumt. Dann segnet er mit jeweils mit einem eigenen Spruch seine zwölf Söhne (49,1–28), bevor er stirbt (49,29–33). Seinem Versprechen gemäß überführt Josef den Leichnam des Vaters nach Kanaan und bestattet ihn dort im Familiengrab (50,1–14). Nach Jakobs Tod fürchten die Brüder, Josef könne sich nun doch noch an ihnen rächen, und werfen sich ihm zu Füßen. Josef erklärt versöhnlich: „Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.“ (50,20). Auch Josef nimmt vor seinem Tod den Israeliten das Versprechen ab, seinen |80|Leichnam nach Palästina zu überführen, allerdings erst wenn sie dorthin zurückkehren (50,24–25)[116].
Ein positives Bild der DiasporaFür sich gesehen befasst sich der Kern der Josefsnovelle mit der Karriere eines Israeliten in der Fremde. Auch außerhalb des Landes begleitet und segnet Gott ihn. Damit illustriert die Geschichte Josefs, dass ein Israelit auch in der Zerstreuung gut leben, es zu etwas bringen und für die Menschen um ihn segensreich wirken kann. Diese optimistische Sicht der Diaspora-Existenz kontrastiert mit älteren alttestamentlichen Texten, die das Babylonische Exil als Gericht und Strafe Gottes beklagen. Im jetzigen Zusammenhang erfüllt die Novelle die Funktion, eine Brücke zwischen Erzvätergeschichten und Exodusbuch zu schlagen, indem sie erklärt, wie Jakob-Israels Nachfahren nach Ägypten kommen.
Literarisch
Erzählmuster und -motive in den VätergeschichtenDie Erzvätergeschichten enthalten mehrere literarisch verwendbare Konstellationen und Motive, die jedoch auch in antiker griechisch-römischer Mythologie oder volkstümlichen Überlieferungen vorkommen. Dazu zählt die Aufnahme göttlicher Gäste, die dem Gastgeber eine Gunst erweisen[117] (Abraham; Lot); die Konkurrenz zwischen Brüdern bis hin zur offenen Feindschaft (vgl. bereits Kain und Abel), der Streit zweier Frauen um die Gunst eines Mannes (Sara – Hagar; Lea – Rahel[118]); die |81|lange unfruchtbare Frau, die schließlich durch göttliches Eingreifen ein Kind zur Welt bringt, das etwas Besonderes ist. In den Jakobsgeschichten, aber auch wenn die Ahnfrau als Schwester des Ahnherren ausgegeben wird, kommen Betrugsmotive ins Spiel. Es handelt sich also größtenteils um weiter verbreitete Erzählmuster. Allerdings bot die so eindrucksvolle, bekannte Erzählung wie die Opferung oder Bindung Isaaks (Gen 22) literarisch aufgrund des bedingungslosen Gehorsams Abrahams weniger Anreiz als die Geschichte Jeftas (Ri 11,30–40), der seine Tochter tatsächlich opfert, oder die verwandten Darstellungen von Agamemnon und Iphigenie. Spezifisch biblisch sind Sodom und Gomorra als sprichwörtlicher Inbegriff des Sittenlosen und Verwerflichen. Im Gegensatz zu innerbiblischen Bezügen[119] und jüdischer sowie christlicher theologischer Auslegung, die Abrahams vorbildlichen Glauben würdigt, scheint die Wirkung der drei Erzväter in der Literatur begrenzt.
Die Josefsnovelle enthält wie die Vätererzählungen zuvor das Motiv des Betrugs und der Täuschung in verschiedenen Ausprägungen. Hinzu kommt das Motiv prophetischer Träume, die allerdings nicht alle selbst-auslegend sind, sondern der Deutung durch einen dazu von Gott Ausersehenen bedürfen. Potifars Frau verkörpert den Typos der femme fatale, die als Verführerin einen Mann ins Verderben stürzt, auch wenn Josef die Gefängnisstrafe aufgrund ihrer falschen Anschuldigung nicht zum Verhängnis wird. Ihr steht der keusche Josef als Kontrast gegenüber. Hinzu tritt schließlich die Sterbebett-Szene (Gen 48 und 49[120]), wo der Familienvater sein Vermächtnis ausspricht, hier in Gestalt seines Segens.
Charakter der Darstellung▪ Thomas Mann – Joseph und seine Brüder. Die berühmteste und umfangreichste literarische Verarbeitung der Väter-, speziell der Jakobserzählungen und der Josefsnovelle schuf Thomas Mann (1875–1955) mit seiner Romantetralogie Joseph und seine Brüder[121], geschrieben zwischen 1926 und 1942/ 3[122]. Er erschließt |82|die mythische und psychologische Dimension des biblischen Stoffes, der vom Erzähler zudem in ironischer Distanz dargeboten wird[123]. Diese kommt dadurch zustande, dass der Erzähler explizit hervortritt[124], sich als kritischer Überpüfer der biblischen Überlieferung zu erkennen gibt[125], eigene Bewertungen vornimmt[126] und bisweilen auch über das Geschäft des Erzählens reflektiert[127]. Für sein Prüfen und Hinzufügen nutzt er u.a. die Erkenntnisse historisch-kritischer Bibelwissenschaft, Ägyptologie und Altorientalistik, andererseits lotet er die menschlichen Empfindungen der biblischen Gestalten psychologisch aus und ergänzt die alttestamentlichen Erzählungen etwa durch Rückgriff auf frühjüdisches Schrifttum[128], aber auch ausgiebig durch eigene Erfindung.
Biblische GrundlagenAls biblische Grundlage dient das ganze Buch Genesis, nicht nur – wie der Titel nahe legen könnte, die Josefsgeschichte (Gen 37.39–50) allein. Dass er die Erzählungen über die Erzväter |83|(Gen 12–36) hinzunimmt, ist sachlich notwendig, da die Hauptpersonen von Josephs Geschichte – Jakob, Joseph und seine Brüder – auch biblisch als bereits bekannte Gestalten vorausgesetzt werden; Abraham und Isaak als Ahnherren Jakobs treten entsprechend hinzu. Doch bezieht Mann auch die Urgeschichte (Gen 1–11) ein, nämlich im Rahmen des „Höllenfahrt“ betitelten „Vorspiel[s]“, das außerdem die Grundsätze seines Zugangs zur biblischen Genesis entfaltet und deshalb näher betrachtet wird.
Das Dunkel der AnfängeZum Auftakt kleidet der Erzähler sein Vordringen in die Vätergeschichte in das Bild des „Brunnen[s] der Vergangenheit“. Er stellt die Frage nach den Anfängen, die zunächst anmutet wie ein Senkblei, das in den Brunnen, die „Unterwelt des Vergangenen“ getaucht ins „Bodenlose“ (S. 5) sinkt. Joseph, der Protagonist des Romans, dient ihm als Beispiel für die Diskussion der Frage: „Joseph für sein Teil erblickte in einer südbabylonischen Stadt namens Uru […] den Anfang aller, das heißt: seiner persönlichen Dinge.“ (S. 6). Joseph betrachtet einen Mann, der aus Ur auswanderte und über Charran [Haran] nach Kenana [Kanaan] gelangt war, als seinen Ahnherrn. Der Erzähler meldet sogleich Kritik an der Überlieferung von Verheißungen an, die an diesen Wanderer ergangen sein sollen:
daß also Elohim ihm ebenso weitreichende wie fest umschriebene Verheißungen gemacht hatte, des Sinnes nicht nur, er, der Mann aus Ur, solle zu einem Volk werden [Gen 12,2], zahlreich wie Sand [Gen 13,16] und Sterne [Gen 15,5], und allen Völkern ein Segen sein [Gen 12,3], sondern auch dahingehend, das Land, in dem er nun als Fremder wohne und wohin Elohim ihn aus Chaldäa geführt hätte, solle ihm und seinem Samen zu ewiger Besitzung gegeben werden [Gen 13,15] (S. 8).
Biblische Urgeschichte als Erinnerung JosephsJoseph hielt diesen „Ur-Wanderer“ bisweilen für seinen Urgroßvater, obwohl er „aus mancherlei Unterweisung [wußte], daß es sich weitläufiger verhielt“ (S. 9). Diese gelegentliche Verwechslung entsteht, weil der „Ur-Mann“ und Josephs Urgroßvater ähnlich geheißen hatten (S. 10)[129]. Tatsächlich lagen zwanzig Generationen oder sechshundert Jahre zwischen den beiden Männern. Doch „die Zeit hat ungleiches Maß“ (S. 10) – daher ist Josephs Gedanke verständlich, denn die zu seiner, ohnehin weniger |84|wechselhaften, Zeit übliche mündliche Überlieferung ließ zeitliche Abstände kürzer erscheinen[130]. Joseph kannte noch frühere Geschichte, die von Adam (Gen 2) und die der Weltentstehung (Gen 1). Durch seine Vertrautheit mit Keilschrifttexten ist Joseph außerdem mit mesopotamischen Mythen in Berührung gekommen, deren Herkunft sich im Bodenlosen verliert[131]. Der Erzähler fragt weiter nach den „Anfangsgründe[n] der menschlichen Gesittung“ (S. 17), der Zeitberechnung, der Schrift und der Sprache. Ein sicheres Ergebnis erreicht er nicht:
Wahrscheinlich ist sie [die Ursprache] auf Atlantis gesprochen worden, dessen Silhouette die letzte im Fernendunst undeutlich noch sichtbare Vorgebirgskulisse der Vergangenheit bildet, das aber selbst wohl kaum die Ur-Heimat des sprechenden Menschen ist. (S. 19).
Das Forschen nach dem Ursprung des Menschengeschlechts führt auf „des Menschen Traumerinnerung“, die
formlos, aber immer aufs neue sagenhaft nachgeformt, hinaufreicht bis zu den Katastrophen ungeheuren Alters, deren Überlieferung, gespeist durch spätere und kleinere Vorkommnisse ähnlicher Art, von verschiedenen Völkern bei sich zu Hause angesiedelt wurde und so jene Kulissenbildung bewirkte, die den Zeitenwanderer lockt und reizt. (S. 20).
Damit kommt er auf die Sintflut zu sprechen (Gen 6,5–9,17), von der Keilschrifttafeln vom Euphrat ebenso handeln wie Überlieferungen aus China. Wieder erweist sich die Bodenlosigkeit der Rückfrage, da der Erzähler das Versinken von Atlantis nicht „als letztes und wahres Original“ (S. 22) gelten lässt. Ähnlich wie mit der Flut verhält es sich mit der Geschichte des Großen Turmes (vgl. Gen 11,1–9). Vor der Katastrophe liegt die Erinnerung an ein Paradies – doch lässt sich auch dessen Geographie nicht feststellen. So meldet der Erzähler Zweifel an den Legenden der Menschheit über eine Urzeit an.