Der katzegorische Imperativ

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Der katzegorische Imperativ
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Karin Tamcke

Der katzegorische Imperativ

Heitere Geschichten über Katzen


ISBN Ebook 9783927708945, 2013

ISBN Printbuch 978-3-927708-93-8, 1. Auflage 2013

Umschlaggestaltung: Jens Krebs, www.jens-krebs.com, unter Verwendung eines Fotos von Karin Tamcke

Fotos im Innenteil: Karin Tamcke

© Mariposa Verlag

Fon 030 2157493 Fax 030 2159528

U. Strüwer Drakestr. 8a 12205 Berlin

www.mariposa-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Katz und Maus

Alle Jahre wieder …

Gute Nacht!

Papiertiger

Von Tatzen und Tasten

Katzenjammer

Ein Tierarztbesuch

Tapetenwechsel

Flohzirkus

Falscher Hase

Der katzegorische Imperativ

Katzenwäsche

Eine haarige Angelegenheit

Gestreifte Mogelpackung

Rollenspiel

Katertag

Ein mysteriöses Missgeschick

Sternstunden

Fallstudie zum Osterfest

Ausgangssituationen

Vom Versuch, eine Katze zu fotografieren

Wurst wider Wurst

Mäusejagd mit Stradivari

Der Pelz in der Brandung

Kater-Fantasien

Mendritzkis Charmeoffensive

Murphys Höhenflug

Horst – oder: As time goes by …

Austausch der Kulturen

La Bohème

Das Weihnachtsgeschenk

Die Macht der Liebe

Tor 4 für Humphrey

Win-win mit Winnie

Zwei Rabauken

Mundraub

Traumhaft gute Vorsätze

Ein Tag für die Katz

Die Autorin

Der Verlag

Katz und Maus

Die Erkenntnis kam wie ein Donnerschlag. Bislang glaubte auch ich: Hat man eine Katze im Haus, dann wird man zeit ihres Lebens kein Problem mit Mäusen haben. Sie wird alle fangen, die jemals einen Schritt in unser Zuhause wagen sollten. Das ist der Job der Katzen, schließlich weiß das jedes Kind. Nicht dass unser Haus an Mausbefall zu leiden hatte, es war rein prophylaktisch gedacht. So kam dann ein Katerchen ins Haus und veränderte mein Weltbild. Denn ich musste lernen: Katzen fangen zwar Mäuse, doch Katzen bringen auch Mäuse. Lebende Mäuse. Und zwar im Verhältnis 1:3. Meine Laufbahn als Katzenbesitzer begann daher mit einem folgenschweren Irrtum.

Damit wir uns richtig verstehen: Wir haben erst neuerdings Mäuse im Haus. Nicht obwohl, sondern weil wir Katzen haben. Sie werden durch einen Bringdienst geliefert. Meistens fängt es so an: Der Kater kommt aus dem Garten und man kann bemerken, dass er etwas undeutlich spricht. Zwischen Fangzahn und genuscheltem Miau klemmt eine frustrierte Maus. Es ist mal wieder so weit. In der ersten Zeit war ihm das Jagdglück nicht hold gewesen. Ob aus Unerfahrenheit oder aufgrund eingeschränkter Wendigkeit wegen eines Speckgürtels um die Bauchregion: Seine Erfolgserlebnisse bewegten sich in einem engen Rahmen und manifestierten sich lediglich durch das Aufsammeln bereits verschiedener Nager. Was tot ist, läuft nicht mehr davon. Nun aber hat er abgespeckt. Und diese Tatsache, verbunden mit einer inzwischen eingetretenen geistigen Reife, versetzt ihn offenkundig in die Lage, seine Fangquote von null auf durchschnittlich fünf Mäuse pro Woche zu erhöhen. Obwohl ich die Nager von der Optik her entzückend finde, habe ich doch die Größe, ihm seinen Erfolg zu gönnen. Wenn er nicht ständig glauben müsste, ihn mit uns zu teilen. Und so treibt es ihn mit der Beute ins Haus und sinnigerweise unter den Esstisch. Das ist nett von ihm gemeint, doch unser Speisezettel sieht etwas anders aus. Auch er frisst weiterhin Dosenfutter, die Maus ist Zeitvertreib. Das arme Tierchen wird geschoben, geworfen, getragen, durch Loslassen in trügerische Hoffnung versetzt … und wieder eingefangen. Leider mangelt es dem Kater an der nötigen Konzentration. Früher oder später kann das Mäuschen türmen und, von sicherem Instinkt geleitet, hinter Möbelstücken verschwinden. Vorzugsweise hinter Möbeln, die schwer verrückbar sind. Es macht kein gutes Gefühl, eine Maus im Haus zu wissen. Mäuse nagen Leitungen an, laufen nachts über Kopfkissen und erschrecken Schwiegermütter.

Da sich der Kater vom weiteren Geschehen distanziert, ist es nun mein Job, dem unfreiwilligen Hausbewohner zu einer Zukunft zu verhelfen, die jenseits unserer Mauern liegt. An unzähligen Mäusen hab ich schon Rettungsdienste ausgeübt. Doch ich gehe nicht so weit, verletzte Mäuse zum Tierarzt zu bringen. Dann warte ich lieber mit Grausen auf den finalen Katerbiss. Ist die Maus noch gut erhalten, lohnt sich die Rettungsaktion. Schließlich hängt auch sie am Leben. Doch um retten zu können, muss ich selbst zum Jäger werden. Ein Katz- und-Maus-Spiel beginnt. Ich spiele mit hohem Körpereinsatz um den piepsenden Hauptgewinn. Als Hilfsmittel empfiehlt sich ein Karton, in den die Maus zu laufen hat, weil ein rund ausgeschnittenes Loch ihr ein Zuhause suggeriert. Doch ist es ein weiter Weg bis in den Pappkarton. Er beginnt mit der wichtigen Frage: Wo ist die Maus geblieben? Überall kann der Flüchtling stecken. Einmal hatte der Kater seinen Fang ins Faxgerät geschoben. Ein anderes Mäuschen versteckte sich hinter der Wandverkleidung und die einzige Möglichkeit, seinen Hungertod abzuwenden, war der Abbau der Paneele. Der Fluchtort unter dem Klavier stellte mich vor wenig Probleme. Ich musste lediglich warten, bis die Maus die Melodien aus dem Musical „Cats“ nicht mehr hören mochte und freiwillig ihr Versteck verließ.

Problematisch wurde es an einem eiskalten Wintertag. Ich öffnete einer flüchtigen Maus zuvorkommend die Terrassentür. Die Maus verstand das falsch und wählte nicht die Freiheit, sondern kroch zwischen Rahmen und Zarge, sodass die weit offene Tür nicht mehr zu schließen war, ohne die Maus zu zerdrücken. Es dauerte zwei Stunden, bis sich das Mäuschen entspannte und den Türspalt endlich verließ. Vermutlich klapperten ihre Zähne nicht weniger als meine. Immerhin konnte ich auch diesen Fall erfolgreich zu den Akten legen. Doch keiner soll mir noch einmal erzählen, dass man im Haus keine Mäuse mehr hat, wenn man sich Katzen hält.

Alle Jahre wieder …

Die Zeichen sind deutlich und unübersehbar. Draußen wird es kalt und kälter, die ersten Schneeflocken proben den freien Fall. In den Geschäften machen sich Kerzen, Kugeln und Engelchen breit. Und mich überkommt eine dunkle Ahnung …

 

Ich liebe Christbaumschmuck. Jahrelang hatte ich auf Flohmärkten nach alten Kugeln gesucht, in den Läden nach besonders hübschen Stücken gefahndet. Denn das Schönste an Weihnachten war für mich immer der Baum. So ein richtig großer Weihnachtsbaum, behängt mit hauchzarten gläsernen Kugeln, silbernen Glöckchen, filigranen Strohsternchen, zerbrechlichen kleinen Figürchen. Ein einziges Funkeln und Strahlen. Und mit vielen Kerzen aus Wachs. Alle Jahre wieder.

Elektrische Kerzen? Niemals. Nie im Leben.

Unser erster Kater kam ins Haus. Er erklärte den Baum zu seinem ganz persönlichen Besitz und richtete sich unter den Zweigen ein verschwiegenes Lager ein. Die ganze Weihnachtszeit kam er nur zum Fressen heraus. Die Kugeln und Kerzen beeinträchtigten sein Wohlbefinden nicht und er beeinträchtigte das Wohlbefinden des Baumes nicht. Auch die nachfolgenden Katzen zeigten sich christbaumtauglich. Doch nach ihrem Ableben brach eine neue Ära an.

Es zogen drei Tiger ein. Grau gestreifte. Und wir merkten: Katze ist nicht gleich Katze. Als sie kamen, sahen sie so klein und so unschuldig aus. Das änderte sich, als sie größer wurden. Und zum Jahresende waren sie schon ziemlich groß. Aus meinem Adventsgesteck fraßen sie die Gräser heraus. Die Tannenzapfen kickten sie über den Teppich. Und mit ihren Schwänzen wedelten sie so unbeschwert vor den Flammen, dass wir lieber auf Gesteck und Kerzenschein verzichteten. Vorübergehend, wie wir meinten.

Jetzt ist wieder Weihnachten. Der Baum steht noch nicht einmal, da ist er schon fest in Feindeshand. Während der Kater sich mutig ins Unterholz schlägt, erobern seine beiden Schwestern im Nullkommanichts die Spitze. Kaum schwebt der erste Strohstern anmutig am grünen Geäst, liegt er schon zerkaut danieder. Den anderen geht es auch nicht besser.

Ich lese die zerfledderten Reste auf und hefte sie sternförmig mit dem Tacker zusammen. Noch ein paar Papp-Engel und Äpfel an die Zweige, fertig ist die karge Deko. Hauptsache unzerbrechlich. Im Karton auf dem Dachboden bleiben meine hauchzarten Kugeln, meine silbernen Glöckchen, meine fili­granen Anhängerchen … Und was ist mit den Kerzen? Trotzig bringe ich die Kerzenhalter an. Immer noch denke ich: Elek­trische Kerzen? Nie im Leben!

Heiligabend suchen wir kleinlaut im Haus nach einer Lichterkette. Die einzige, die wir finden, ist zu kurz und illuminiert nur die Spitze des Baumes. Am nächsten Morgen sehen wir sie um sämtliche Tisch- und Stuhlbeine gewickelt wieder. Als Fallobst liegen die Äpfel herum, die flügellahmen Engel daneben. Auch bei den Strohsternen ist es aus mit dem Schweben.

Wir lieben unsere Katzen. Wir wünschen ihnen ein langes Leben. Und so bleibt vorerst nur die Erinnerung. Die wehmütige Erinnerung an zarte Kugeln, silberne Glöckchen, Strohsternchen, filigran wie Schneekristalle, und anmutige Figürchen an grün benadelten Ästen.

Gute Nacht!

Zur Erhaltung unserer Leistungsfähigkeit nutzen wir regelmäßig einen Entspannungszustand mit Herabsetzung des Bewusstseins, im Allgemeinen als Schlaf bekannt. Um dabei ein Höchstmaß an Bequemlichkeit zu erreichen, hat der Mensch das Bett erfunden, in das auch ich mich Nacht für Nacht begebe, um morgens erfrischt und munter mein Tagwerk neu zu beginnen.

Oh, ich habe an alles gedacht, um den Erfolg zu optimieren. Wirbelsäulengerechter Lattenrost mit körperunterstützenden Eigenschaften und Komfort-Zonen im Schulter-Beckenbereich, dem Gewicht angepasste Matratze mit thermisch vergütetem Federkern. Noch kurz das Kopfkissen aus sibirischem Gänseflaum aufgeschüttelt, die Bettdecke mit Extrakammern für gleichmäßige Wärmeverteilung über mich gezogen. Licht aus, gute Nacht.

Zuerst ist es eher eine Ahnung, ein sanfter Druck am Schienbein. Ein Druck, der sich stetig verstärkt, sich über meine Waden wälzt, mein Bein zur Seite drängelt und sich schließlich in Kniehöhe zum Kater materialisiert, der, eine Ewigkeit tretend und trampelnd, endlich als runder Katzenkringel in die entstandene Mulde sinkt. Noch ein wohliger Seufzer, ein höchst zufriedenes Brummeln, bald künden leise Schnarcher von einem tiefen Katerschlaf. – Nun denn. Ich sortiere mich wieder zurecht. Arrangiere mich mit dem knappen Platz. Meine Muskeln finden erneut Entspannung in der horizontalen Version eines „grand plié“: Beine angewinkelt, die Knie beidseitig jeweils nach außen gedrückt. Ich habe inzwischen gelernt, auch in Ballett-Positionen zu schlafen. Nochmals gute Nacht. Gedanken werden zu Wattewölkchen, entschwinden am Bewusstseins-Horizont.

Es ist kein Albtraum, der mich jäh aus der Tiefschlaf-Phase schreckt. Nur vier Kilo Lebendgewicht, die im Schlusssprung auf meinem Brustkorb landen – bmpf! Wie eine Reanimation durch Herzmassage. Im Schock greifen meine Hände ins Dunkel. Oh nein, nicht schon wieder diese Katze! Von ihr kommt ein erfreutes Schnurren: Ach wie nett, du bist noch wach …! Eine kleine Pranke parkt in meinem Gesicht. Ich gehe auf Tauchstation unter die Decke. Langsam kehrt Ruhe über mir ein. Ein getigerter Körper ringelt sich in Schlafposition. Alles okay? Ich tauche wieder auf und drücke mich vorsichtig – bloß nicht wecken! – an das weiche Katzenfell. Ist doch immer wieder tröstlich, etwas Warmes, Lebendiges im Arm zu halten, wenn man nachts nicht schlafen kann. Jetzt aber gute Nacht.

Zwischen meinen Knien entringelt sich der Kater zu einer langen Schlummerrolle. Positioniert sich quer. Die Nutzfläche meines Lagers – um die Hälfte reduziert. Ich robbe bis zum Anschlag nach oben. Aus dem „grand plié“ wird so etwas Ähnliches wie die Schlusspose vom „Sterbenden Schwan“. Nun aber wirklich gute Nacht.

Als nächstes verspüre ich ein Gewicht auf dem Schlüsselbein. Ein rhythmisches Getrete zweier Vorderpfoten: rechts, links, rechts, links … Nadelspitze Krallen akupunktieren meinen Oberarm. Endlich fertig gestrampelt! Ein Fellberg schiebt sich vor mein Gesicht. Jeder Atemzug saugt kribbelndes Katzenhaar ein. Ich lege den Kopf überstreckt in den Nacken, extrem nach rechts verrenkt. Die Niesanfälle ebben ab. Der Atem fließt wieder leicht und frei. Nur ein lautes, vibrierendes Schnurren massiert mein linkes Trommelfell. Ein kleiner, stetig summender Motor. Einschläfernd, gemütlich, herzerwärmend. Endlich gute Nacht.


Das Klingeln des Weckers kommt wie immer zu früh. Ich wache auf und bin erstaunt. Liege irgendwie seltsam da. Arme und Beine monströs verwinkelt. Der Nachtschrank dient dem Kopf als Stütze. Meine Knie umschließen noch immer die Senke, in der ich den Kater vermute. Doch der ist längst nicht mehr da. Die Katzen sind schon aufgestanden. Endlich Platz im Bett. Ich sammle mich wieder zusammen. Dehne die schmerzende Wirbelsäule. Massiere den verspannten Nacken. Habe ich doch die falsche Matratze? Meine Komfort-Matratze mit Gütesiegel, von Schlafwissenschaftlern empfohlen! Was soll man von solchen Empfehlungen halten? Ich sollte vielleicht reklamieren. Doch erst einmal raus aus dem Bett. Denn in der Küche warten auf ihr Frühstück drei ausgeruhte Katzen. Guten Morgen.

Papiertiger

In der biologischen Familie der Katzen sind unsere Haustiger von den Abmessungen her die kleinsten. Es ist festzustellen, dass sie ein Stockmaß von 25 cm nicht wesentlich überschreiten. Wir haben uns daran gewöhnt. Doch wie gehen die Katzen selbst mit diesem Ergebnis um? Wissen sie um ihre Winzigkeit? Leiden sie möglicherweise darunter? Es ist davon auszugehen. Denn sie unternehmen viel, um diesen Mangel zu kompensieren. Menschen haben es gut. Sie wählen Schuhe mit hohem Absatz. Beispielsweise. Schon wirken sie ein Stück größer. Katzen haben es weniger einfach. Eine Katze auf High Heels? Reden wir nicht davon. Katzen müssen andere Wege gehen, um Stattlichkeit zu erreichen.

Wer groß ist, blickt auf andere herab. Katzen wollen das auch. Aus Gründen des Selbstwertgefühls. Und wie schaffen sie das? Sie klettern zum Beispiel auf Bäume. Doch Bäume wachsen nicht überall. Dann werden andere Objekte genutzt. Schränke, Tische, Stühle. Ist noch irgendwie logisch. Sie lagern aber auch auf Papier. Und das machte mich stutzig. Warum tun sie das? Es lässt nur einen Schluss zu: Die Katzen erspüren im Papier den Baum. Das Ausgangsmaterial. Baum vor der Metamorphose. Und schon überkommt sie dieses magische Gefühl. Das Gefühl von Baum unter Katze. Die Aktion des Baum-Erkletterns – auf das Wesentliche reduziert. Heruntergefahren zum symbolischen Akt. Und der Weg ist frei für seltsame Dinge. Ein Zettel auf dem Küchentisch? Er verschwindet unter der Mieze. Katzen pflanzen sich auf alles. Auf jedes Fitzelchen Papier. Selbst eine Briefmarke scheint ihnen geeignet, sich vermeintlich zu erhöhen. Um sich endlich so groß und gefährlich zu fühlen wie die Verwandten aus Dschungel und Steppe. Nehmen wir eine harmlose Zeitung. Jeden Tag ereignet sich das gleiche Spiel. Ich breite tapfer mein Heimatblatt aus, dunkle Ahnungen ignorierend. Kaum haben es meine Sehnerven geschafft, die Schlagzeile abzutasten, sehe ich nur noch gestreift. Ein weiches amorphes Fellgebilde, aus dem Nichts erschienen, breitet sich über das Blatt. Unter sich das Weltgeschehen. Reden, Rekorde, Reformen – alles für die Katz. Verschwunden unter grauem Pelz.

Ich könnte jetzt versuchen, um die Katze herum zu lesen. Die Wörter aus dem Fell zu graben. Ein Katzenbein zur Seite zu räumen. Aber was dann lesbar wird, sind höchstens Rudimente vom Text, der umfassenden Information nicht dienlich. Und irgendwann kommt der Zeitpunkt, da stehe ich vor der Frage: Wie, bitte, blättert man um? Die Katze einfach wegzuschieben, macht die Sache nur schlimmer (Sind genügend Pflaster im Haus?). Ein Herausziehen der Zeitung unter der Katze scheitert am kleinen Unterschied. Am Unterschied der molekularen Strukturen. Die Dichte ist bei der Katze stärker. Die Zeitung reißt, die Katze bleibt heil und verteidigt dann die Fetzen.

Katzen besitzen auch gerne Bücher. Mit ihrem Hinterteil. Ob Goethe oder Simmel – sie haben keine Präferenzen. Katzen schätzen alle Werke. Am liebsten aufgeschlagen und wenn gerade ein Mensch darin liest. Der Fortgang … siehe Zeitung. Bei der Zerreißprobe zwischen Papier und Katze siegt erfahrungsgemäß nicht das Papier.

Kommen wir zum Karton: ein Eldorado für die Miezen. My Karton is my castle. Schlagartig macht so ein Ding die restliche Wohnung katzenfrei. Alle sitzen drin. Manchmal sind die Kartons sehr klein. Dann kann man Katzen sehen in dem verzweifelten Bemühen, ihren Gesamtpelz in ein Behältnis zu quetschen, das kaum geeignet scheint, mehr als zwei Pfoten aufzunehmen. Schließlich klemmt das Pelztier in der Schachtel, eng umspannt von der Pappe, und guckt betont blasiert, um einen Rest an Würde zu wahren. Der Anblick erinnert an einen Werbespot aus den 70er Jahren: Mein Hüfthalter bringt mich um! Und alles nur für die Illusion, die Welt von oben zu betrachten.


Schluss mit dem Fantasieren. Ich habe keine Ahnung, warum sich Katzen so verhalten. Warum sie Papier-Fetischisten sind. Vielleicht stand es ja in der Zeitung. Dann hab ich es übersehen. Wahrscheinlich lag gerade die Katze drauf.

Von Tatzen und Tasten

Manchmal habe ich eine Vision: Ich sitze an meinem Computer, die Gedanken fließen frei und flüssig in die Tasten, ein Wort reiht sich sinnvoll ans andere und nichts und niemand stört mich dabei. Alpha-Wellen durchspülen stimulierend mein Gehirn und schenken mir jene Versunkenheit, die notwendig ist für große Ideen.

Und dann holt es mich jäh ein, das wahre Leben. Es holt mich ein auf vier weißen Pfoten, die kurz überm Knöchel in ein zartes Grau mit Tigerstreifen übergehen und schließlich den Zusammenhalt an einem zierlichen, geschmeidigen Körper finden. Es holt mich ein auf diesen überaus weichen, rundlichen und Harmlosigkeit ausstrahlenden Pfoten, die dennoch nichts anderes im Sinn zu haben scheinen, als zielstrebig über die Tastatur zu tappen und damit mein Geschreibsel in ein absolutes Chaos zu verwandeln, mir Funktionen ins Programm zu trampeln, bei denen ich nicht den blassesten Schimmer habe, wie sie wieder zu löschen sind. Pfoten, die sich nachdrücklich weigern, den zur Ruhestätte erkorenen Platz wieder zu verlassen, die den restlichen Körper entschlossen nach sich ziehen und sich bequem unter selbigen kuscheln, während auf dem Bildschirm ein mittelschweres Gewitter tobt. Und wieder offenbart sich, was ich schon längst vermutet habe: Computer und Katzen sind absolut nicht kompatibel.

 

Panik und Entsetzen machen sich breit. Vom Adrenalinschub gesteuert, greifen meine Hände ins seidenweiche Tigerfell, um es samt Inhalt aus der Gefahrenzone zu entfernen. Ich gebe es ja nicht gerne zu, aber zwischen meinem Computer und mir herrscht zurzeit noch eine sehr fragile Beziehung, die Einmischungen aller Art nicht verträgt. Jeder für sich funktioniert ausgezeichnet und in hohem Maße störungsfrei, doch in dem Moment, in dem wir aufeinandertreffen, entwickelt sich ein ganz besonderes Spannungsfeld. Deshalb gibt es auch diesen Pakt: Ich verschone ihn einfühlsam mit Experimenten, er bedankt sich wohlwollend mit reibungslosem Arbeitsablauf. Katzen sind dabei nicht vorgesehen. Und nun habe ich den Salat. Wo vorher Text war, herrscht jetzt Chaos. Ein Chaos aus Buchstaben und verwirrenden Zeichen. Unverständliche Fragen drängen auf Antwort. Der Drucker wirft beleidigt eine Leerseite nach der anderen aus. Wie soll ein Computer auch schon reagieren, wenn man 23 Tasten auf einmal drückt?

Die nächste Heimsuchung folgt in Form eines Angriffes auf die Computermaus mit ihrem langen Mäuseschwanz, der sich aufreizend über das Mauspad schlängelt. Wie lange hält wohl ein Kabel durch, wenn sich spitze Zähnchen mit Hingabe in die Ummantelung graben?

Es gibt aber auch Übergriffe subtilerer Art. Beim Anschlag der Tasten stellte ich bald eine progressive Schwergängigkeit fest. Kein sattes Klick-Geräusch mehr beim Tippen. Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Katze: Heimlich hatte sie ihr Fell auf die Tastatur gefusselt und als dicke Dämmschicht zwischen die Tasten gelegt.

Natürlich versuche ich schon im Vorwege, die Katastrophen zu verhindern. Niemals drücke ich den Einschaltknopf ohne vorherigen Rundblick durch den Raum. Die Katze ist nicht da? Gut so. Aber Katzen beherrschen eine besondere Kunst: Sie können sich unsichtbar machen. Und während meine Aufmerksamkeit schwindet und tiefer Versunkenheit weicht, nähert sich lautlos und schleichend erneut die Katastrophe, die Heimsuchung auf vier Pfoten. Urplötzlich ist sie wieder da, landet leicht und federnd in meinem persönlichen Krisengebiet. Und ich versuche noch, das Verhängn..9§/,p +ay0jncjc- ´?ov 6§§i70b,409ß´gb84nv7rk


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