Kitabı oku: «Am Jenseits», sayfa 14
Er wickelte das Paket wieder zu und band die Schnur darum. Der Perser wollte die Arme ausstrecken, um ihn daran zu hindern; ich gab ihm aber wieder einen Wink, dies nicht zu tun. Als der Scheik mit dem letzten Knoten fertig war, wollte er aufstehen; ich hielt ihn aber am Arme zurück und fragte:
»Du willst fort?«
»Ja« antwortete er.
»Wohin?«
»Zu meinen Leuten.«
»Mit diesem Pakete?«
»Natürlich! Es wurde ja so darüber bestimmt!«
»Von dir, ja! Aber willst du nicht vorher abwarten, was ich darüber bestimme?«
»Du – – – ?«
»Ja, ich! Ich erlaube mir nämlich, etwas anderer Meinung zu sein als du.«
»In welcher Beziehung?«
»In mehrfacher Hinsicht. Zunächst sagtest du vorhin wörtlich: ich habe diese Sachen hier gefunden. Bist wirklich du es gewesen, der sie gefunden hat?«
»Das hat gar keine Bedeutung. Es ist ganz gleich, wer der eigentliche Finder ist.«
»Nein, denn dem Finder haben diese Gegenstände zu gehören, bis über sie entschieden worden ist.«
»Das ist ja soeben geschehen!«
»Nein, denn derjenige, welcher sich einbildet, entschieden zu haben, besitzt nicht das geringste Recht dazu, eine gültige Entscheidung zu treffen.«
»Meinst du damit mich?«
»Ja. Ich sagte dir heut schon einmal, daß nicht ihr hier die Herrn seiet. Als ich dies sagte, waren deine Beni Khalid zugegen; jetzt aber sind sie fort, und der Bir Hilu befindet sich im Besitze der Haddedihn, welche also jetzt hier zu befehlen haben. Aus diesem Grunde liegt der Fall, den wir verhandeln, nicht so, wie du gesagt hast, sondern so, wie ich dir jetzt sagen werde: Nämlich der Basch Nazyr behauptet, die Sachen seien in Meschhed Ali gestohlen worden, und El Ghani behauptet, dieser habe ihm das Verzeichnis entwendet, um dadurch in den Besitz der Gegenstände zu kommen. Beide befinden sich hier im Bereiche der Haddedihn, welche also über diesen Fall zu entscheiden haben. Hadschi Halef Omar, der Scheik dieses Stammes, hat folglich die Pflicht, auf alles, was sich in dem Teppich befindet, Beschlag zu legen, bis das Urteil gesprochen worden ist. Das ist die richtige Ansicht über diese Angelegenheit, und sie gilt, die deinige aber ist falsch und gilt also nicht.«
Er hatte wohl einen Widerspruch erwartet, aber einen so klaren und bestimmten nicht. Er mußte sich sagen, daß er gegen diese meine Worte unmöglich etwas Kluges und Überzeugendes vorbringen könne, und darum an die wenigstens jetzt einzige Art und Weise denken, uns das Objekt des Streites zu entziehen. Daß er dies tat, sah ich ihm an: Er warf einen langen, lauernden Blick in mein Gesicht und zog den Fuß zum schnellen Sprunge an den Leib. Zugleich bemerkte ich, daß ich nicht der einzige war, der dies beobachtete. Kara, der Sohn unsers Halef, stand von seinem Platze auf und tat so, als ob er bei einem naheliegenden Kamele etwas zu tun habe. Dabei ging ein bezeichnendes, listiges Lächeln über sein hübsches, jugendliches Gesicht. Grad dieser seiner Jugend wegen wurde er von dem Scheik der Beni Khalid für ungefährlich gehalten. Dieser tat einen raschen Griff nach dem Pakete und sprang auf, um fortzueilen und im Dunkel der Nacht zu verschwinden. Da aber holte Kara aus, machte einen weiten Satz durch die Luft und sprang ihn von hinten in der Weise an, daß der Fliehende nach vorn in den Sand stürzte. Er wollte sofort wieder auf, konnte aber nicht, denn Kara lag auf ihm und hielt mit beiden Händen seinen Hals fest umklammert. Ganz selbstverständlich warfen sich nun mehrere Haddedihn auf Tawil und sorgten dafür, daß er an Händen und Füßen so gebunden wurde, daß er sie nicht bewegen konnte.
Halef war auch aufgesprungen, um den blitzschnellen Vorgang zu beobachten. Sein Gesicht strahlte vor Freude, als er mir nun die Worte zuwarf:
»Sihdi, hast du es gesehen, alles ganz genau gesehen?«
»Jawohl«, antwortete ich.
»Hat er es gut gemacht?«
»Ausgezeichnet!«
»Ja, ausgezeichnet! Schade, wirklich jammerschade, daß Hanneh, die vortrefflichste und berühmteste aller Mütter und Frauen, so weit von hier entfernt ist, daß sie es nicht auch sehen konnte! Was soll nun mit diesem Scheik der Beni Khalid werden?«
»Tue mit ihm, was du willst!«
»Du übergibst ihn also mir?«
»Ja.«
»Gut! Sei überzeugt, daß ich ganz in deinem Sinne handeln werde.«
»Wenn du das tust, so übergebe ich dir noch mehr.«
»Was?«
»Das Paket und hier die Mekkaner dazu.«
»Wirklich?«
»Ja.«
»Ich danke dir! Vor allem danke ich dir dafür, daß du mich dadurch in den Stand setzest, als Scheik der Haddedihn handeln zu können, ohne jemanden um Erlaubnis fragen zu müssen. Du wirst sofort hören, was für weise und praktische Bestimmungen ich treffen werde!«
Er trat in würdevoller Haltung zu Tawil Ben Schahid hin und sagte:
»Jetzt haben wir dir bewiesen, wer nun hier zu bestimmen hat, ich oder du, mein Stamm oder der deinige. Ich habe dich schon einmal mit der Peitsche darüber belehrt, daß die Haddedihn vorn großen Stamme der Schammar gar wohl wissen, wer sie sind und was sie leisten; du aber hast es dir nicht gemerkt und darum diese Wiederholung meines Unterrichtes erhalten . Wir sind überall, wohin wir kommen, die Gebieter, also auch hier. Wir werden tun, was uns gefällt, selbst wenn du zehntausend oder noch mehr Krieger bei dir hättest. Du hast zwar einen Vertrag mit uns abgeschlossen, den wir bisher gehalten haben und auch ferner halten wollten; aber glaubst du denn, daß ich dir getraut habe? Von dem Augenblicke an, da meine Peitsche dich überzeugte, daß Hanneh der huldreichste Inbegriff aller Lieblichkeit, Anmut und irdischen Schönheit ist, mußte in deinem Herzen die Rache gegen uns gären, und wenn du das auch zu verbergen suchtest, so konntest du doch mich nicht täuschen.«
»Schweig!« herrschte ihn der Gefangene an. »Ich hätte unsern Vertrag gehalten!«
»Du hast ihn doch schon dadurch gebrochen, daß du uns um das Paket betrügen wolltest!«
»Das ist in unserem Übereinkommen nicht mit genannt worden!«
»Gut, so will ich annehmen, daß du unsere Bedingungen erfüllt hättest! Von dem Momente an aber, an welchem wir uns von euch getrennt hätten, wärest du uns gefolgt, um dich zu rächen.«
»Ja, das hätte ich getan! Ich bin zu stolz, um dies zu leugnen, und sage dir auch jetzt, daß ich auf diese meine Rache nicht verzichte. Ihr seid gleich von allem Anbeginn betrügerisch gegen uns aufgetreten, indem ihr euch für Beni Solaib ausgabt, während ihr doch Haddedihn seid.«
»Ja, lachte Halef vergnügt. »Beni Solaib, welche Einkäufe machen wollten und also Geld bei sich hatten, dem du deine ganz besondere Aufmerksamkeit schenken wolltest! Da tut es deinem menschenfreundlichen Herzen nun unendlich wehe, zu erfahren, daß es dieses Geld entweder gar nicht gibt oder daß es, falls es doch vorhanden sein sollte, uns nicht genommen werden kann. Wer so ein gutes, liebevolles Gemüt besitzt wie du, den muß das bitter kränken!«
»Höhne nicht! Ich verlange, losgelassen zu werden. Nach unseren Abmachungen habt ihr kein Recht, mich wieder zu binden. Ich habe den Perser freigegeben und muß darum verlangen, auch frei zu sein! Sogar sein kostbares Hedschihn hat er wieder bekommen!«
»Das verstand sich ganz von selbst! Nicht so selbstverständlich aber ist es, daß wir deine Fesseln jetzt zum zweitenmal zu entfernen haben. Einmal taten wir es, um dich gegen ihn auszulösen; da waren wir mit dir quitt. Das zweite Mal wurdest du aber nicht seinetwegen festgenommen, sondern weil du uns mit dem gestohlenen Teile des Kanz el A‘da ausreißen wolltest, und nun steht es nicht in deinem Willen, sondern in unserem Belieben, ob und wann wir dir für diesen Schatz der Glieder den Gebrauch der Glieder wiedergeben werden.«
»So mache ich euch darauf aufmerksam, daß meine Krieger zurückkehren und mich nicht nur befreien, sondern blutig rächen werden!«
»Allah w‘ Allah! Vor morgen kommen sie nicht; dafür hast du vorhin ja selbst gesorgt. Und wenn sie kämen oder wenn sie früh kommen, so denke ja nicht, daß wir uns vor ihnen fürchten! Ein Haddedihn nimmt es mit zwanzig Beni Khalid auf, und außerdem bist du für uns der beste Schutz gegen sie. Wenn sie erfahren, daß du im Falle eines Angriffes sofort eine Kugel in den Kopf bekommst, werden sie sich wohl sehr hüten, dein teures Leben in Gefahr zu bringen!«
»Allah verbrenne euch!«
»Denke ja nicht, daß er das tut! Wir brennen nicht so gut wie ihr, die ihr in euren Sünden dürr wie altes Holz geworden seid. Du bist also einstweilen abgetan und hast ruhig zu warten, was ich über dich bestimmen werde. Jetzt kommen die hohen Mekkaner Herrschaften daran!«
Der Scheik mochte einsehen, daß Worte jetzt unnütz seien; er schwieg. Halef wendete sich an EI Ghani:
»Mit euch brauche ich mir keine Mühe zu geben; ich werde es also so kurz wie möglich machen.«
Der Angeredete glich einem mit Wut gefüllten Feuerwerkskörper, den die verächtlichen Worte des Hadschi in Brand setzten. Er prasselte los. Die arabische Sprache ist, wie wohl kaum eine andere, reich an Schimpfwörtern. EI Ghani schien sie alle zu kennen und jetzt die Absicht zu haben, sich ihrer so schnell wie möglich zu entledigen. Es brach ein solcher Redeschwall über Halef herein, daß er, den doch nicht so leicht etwas verblüffte, zunächst ganz still war vor Erstaunen; dann aber lachte er, erst in seiner gewöhnlichen, herzlichen Weise, hernach lauter und immer lauter. Ein Haddedihn fiel ein, noch einer, noch einer, immer mehrere und mehrere, bis sie alle, alle im Chore und zwar derart lachten, daß ich mit einstimmen mußte, ich mochte wollen oder nicht. Das brachte den Mekkaner doch zum Schweigen. Als dann die lustige Explosion vorüber war und Halef sein beinahe krampfhaft verzerrtes Gesicht wieder in Ordnung gebracht hatte, rief er El Ghani zu:
»Du siehst, daß du uns beinahe getötet hast! Du bist ein noch viel gefährlicherer Mensch, als ich dachte, denn wer keine gute Lunge hat, der muß vor Lachen über dich ersticken. Darum will ich lieber gleich gar nichts mit dir zu tun haben und es mit dir noch kürzer machen, als ich vorhin beabsichtigte. Ich übergebe dich dem Basch Nazyr. Er hat dich verfolgt, um dich zu fangen; er hat euch hier eingeholt und nun gehört ihr ihm. Keine Sünde bleibt unbestraft, also auch die eurige nicht!«
Da fragte der Perser schnell:
»Hadschi Halef Omar, sag, ist das dein Ernst?«
»Ja, natürlich«, antwortete Halef.
»Aber bedenke: Indem du diese Leute mir übergibst, erklärst du, daß sie schuldig sind!«
»Das weiß und will ich ja!«
»Ich kann also mit ihnen machen, was ich will, sie bestrafen, wie es mir beliebt?«
»Nein.«
»So widersprichst du doch dir selbst! Du gibst sie in meine Hände und erlaubst mir doch nicht, mit ihnen nach meinem Gefallen zu verfahren.«
»lch bitte dich, mich richtig zu verstehen! Indem ich, der hier zu bestimmen hat, sie dir übergebe, entscheide ich die Schuldfrage zu deinen Gunsten. Du warst gefangen und bist frei; sie waren frei und sind nun gefangen. Daran würden tausend oder selbst zehntausend Beni Khalid nichts ändern können. Sie sind dir zugesprochen worden; aber über ihre Bestrafung hast nicht du allein, sondern haben auch wir mit zu bestimmen, weil du dich mit ihnen im Bereiche der Haddedihn befindest und weil wir in Beziehung auf sie mit dem Scheik der Beni Khalid Verpflichtungen eingegangen sind, die wir erfüllen müssen, weil man ein einmal gegebenes Wort selbst seinem ärgsten Feinde zu halten hat. Du sagtest heut am Tage, daß du die Absicht habest, die Mekkaner, falls du sie ereiltest, nach Meschhed Ali zu schaffen, wo man sie, wie mit Gewißheit vorauszusehen ist, am Leben strafen wurde. Wir aber haben mit Tawil Ben Schahid das Übereinkommen getroffen, daß um sie gekämpft werden solle, und dabei versprochen, daß ihnen, falls wir siegen, an Leib und Leben nichts geschehen soll. Um dieses unser Versprechen mit deinen Absichten in Einklang zu bringen, werden wir eine Beratung abhalten, an welcher drei Personen teilzunehmen haben.«
»Wer sind diese drei?«
»Das bin zunächst ich, denn ich habe ja —«
»Kutub, kutub!« fiel ich ihm da in die Rede.
Er mußte sich doch einen Augenblick besinnen, was ich mit diesem Zurufe meine; dann verbesserte er sich, indem er mir lachend antwortete:
»Verzeih, Sihdi; du hast recht, weil ich wieder mich zuerst genannt habe! Also die drei sind folgende Personen: Zuerst unser Effendi, dem ich durch diese Ernennung zum Schiedsrichter meinen Dank dafür abstatte, daß er meine Herrschaft vorhin anerkannte. Sodann du, o Khutub Agha, als Oberaufseher des Schatzes, welcher bestohlen worden ist. Und zuletzt – – —hörst du, Sihdi, zuletzt; ich komme zuletzt! zu allerletzt ich, als Scheik der Haddedihn, in deren Machtbereich ihr alle euch befindet. Also wir drei werden beraten, was geschehen soll, und was wir beschließen, das wird dann ausgeführt; kein Mensch soll uns daran hindern!«
Da widersprach El Ghani zornig:
»Ihr habt nichts, gar nichts zu beraten und zu bestimmen! Die Sachen gehören mir, wie das mir gestohlene Verzeichnis beweist. Bedenkt, welche Macht ich in Mekka besitze, und —«
»Sei still!« unterbrach ihn der Scheik der Beni Khalid. »Wer und was du in Mekka bist, das ist diesen Haddedihn hier doch sehr gleichgültig, und deine Drohungen sind also ganz unnütz. Ich aber kann ganz anders sprechen, weit das, was ich sage, Grund und Nachdruck hat. Ich bin zwar unvorsichtig gewesen, als ich vorhin die zwei Boten fortwies, denn meine Krieger werden nun bis früh warten; dann aber kommen sie gewiß, und dann wird es sich ja zeigen, ob ein Haddedihn es mit zwanzig von ihnen aufnimmt. Außerdem haben wir die Soldaten fest, welche uns als Geiseln dienen. Wird nur einem einzigen von uns ein Haar gekrümmt, so werden sie alle erschossen. Das werden die drei mächtigen und berühmten Männer, welche es wagen wollen, über uns zu Gericht zu sitzen, wohl bedenken müssen . Der Beschluß, den sie treffen werden, kann uns also gar nicht bange machen! Außerdem ist abgemacht worden, daß nicht nur um diese Soldaten, sondern auch um euch gekämpft werden soll. Es kann euch also vor Austrag dieses Zweikampfes nichts geschehen, und da es gar keinem Zweifel unterliegt, daß wir Beni Khalid siegen werden, so ist es für mich schon jetzt gewiß, daß ihr ebenso wie ich dann freigelassen werden müßt!«
Da fiel Halef spöttisch ein:
»Dein Scharfsinn ist unendlich groß. Er reicht von hier bis zum Himmel hinauf; aber weil er seinen Kopf so hoch da oben hat, kann er nicht sehen, daß diese Angelegenheit sich hier unten inzwischen ganz anders gestattet hat! Zunächst hat kein Mensch gesagt, daß auch um dich gekämpft werden soll; du bleibst also unser Gefangener, wie immer das Ergebnis ausfallen wird. Sodann wurde unsere Vereinbarung getroffen, als die Mekkaner sich noch in deinem Schutze befanden; sie sind jetzt in unserer Gewalt, und so hat also unser Abkommen, soweit es sich auf sie bezieht, keine Geltung mehr. Oder hältst du uns wirklich für so dumm, um den Besitz von Sachen oder Personen zu kämpfen, den wir indessen schon auf andere Weise ergriffen haben?«
»Das wäre feig!« brauste der Scheik auf. »Wir würden es aller Welt verkünden, daß ihr euch vor uns fürchtet!«
»Darüber lache ich. Verkündige es doch, indem du unser Gefangener bist, der wahrscheinlich eine Kugel bekommt! Auch irrst du dich gewaltig, wenn du meinst, der Mann zu sein, dessen Urteil über den Mut der Haddedihn maßgebend sei. Wir sind fünfzig, ihr aber zählt mehrere hundert Krieger; dennoch liegt ihr gefesselt hierbei uns. Eure tapfern Beni Khalid sind vor dem »Geiste« ausgerissen; wir aber sind geblieben. Wer hat da Mut und wer nicht? Und was die Soldaten betrifft, so wird der Zweikampf natürlich nur dann über sie entscheiden, wenn sie sich zu der Zeit, in welcher er beginnen soll, noch in den Händen der Beni Khalid befinden. Merke dir genau, was ich dir jetzt gesagt habe, denn um Leute, welche ihr nicht mehr habt, kann es keine Entscheidung geben! Damit bin ich einstweilen mit euch fertig. Ich wünsche, von jetzt an nicht mehr von euch mit Worten belästigt zu werden. Seht hier meine Peitsche! Wer von euch noch ein Wort sagt, ohne daß ich ihn dazu auffordere, dem wird sie den Mund sofort schließen. Dies ist ein Versprechen, welches ich gewißlich halten werde. Wir haben mehr zu tun, als uns so ganz unnützerweise hier mit euch herumzustreiten!«
Der Ton, in welchem er dies sagte, war so überzeugend, daß sie von nun an schwiegen. Sein Verhalten hatte meine volle Billigung. Ich freute mich über ihn. Seit ich die Entscheidung in seine Hand gelegt hatte, war es, als ob er ein ganz anderer Mann geworden sei. Er fühlte sich unabhängig von mir und das gab ihm eine Sicherheit, eine Ruhe, welche von seiner sonstigen Leichterregbarkeit wohltätig abstach. So stellte er auch jetzt, ohne mich vorher zu fragen, einige Haddedihn als Posten aus, weiche den Zweck hatten, uns von einer etwaigen Annäherung der Beni Khalid rechtzeitig zu unterrichten. Der Brunnen wurde untersucht, der hinabgelassene Eimer schöpfte Wasser, und so konnten, wenigstens so weit es jetzt reichte, unsere Pferde und Kamele getränkt werden. Während dies geschah, ging er zu Hanneh hinüber, um ihr Bericht zu erstatten. Wir hätten sie gern herüber zu uns geholt, aber da sich der Münedschi, den wir noch verheimlichen wollten, unter ihrer Aufsicht befand, so konnte dies für jetzt noch nicht geschehen.
Kara Ben Halef überwachte die Arbeiten am Brunnen, damit jedes Tier sein Teil bekomme, und ich machte einen Spaziergang, um nachzusehen, ob die Posten sich so, wie es ihrer Aufgabe entsprach, aufgestellt hatten. Unser Zusammentreffen mit den Beni Khalid hatte sich jetzt verwickelter gestaltet, als es anfangs zu vermuten gewesen war, doch zweifelte ich nicht daran, daß die Lösung eine für uns befriedigende sein werde. Wir hatten ja immer Glück gehabt, und es gab keinen Grund, anzunehmen, daß es uns grad dieses Mal verlassen werde.
El Mizan
Grad als ich von meinem Gange zurückkehrte, kam auch Halef wieder. Als er mich sah, kam er auf mich zu und verhinderte mich dadurch, ganz bis zum Feuer zu gehen. Er schien mir also etwas mitteilen zu wollen, was für mich allein bestimmt war.
»Sihdi , sagte er in geheimnisvollem Tone, »du hast mir zwar erlaubt, ganz allein und selbständig zu bestimmen, aber es liegt jetzt etwas vor, was ich doch nicht tun möchte, ohne dich vorher gefragt zu haben.«
»Was ist‘s?« erkundigte ich mich.
»Du kennst doch meine Hanneh, welche nicht nur die herrlichste unter allen Erdenblumen ist, sondern auch das klügste Köpfchen unter sämtlichen Köpfen aller Menschen hat. Das weißt du doch?«
»Allerdings.«
»Schön! Wenn du das noch nicht wüßtest, so würdest du es jetzt erfahren, erkennen, einsehen, zugeben und bestätigen müssen. In diesem ihrem gescheiten Köpfchen ist nämlich ein Plan entstanden, weicher der vortrefflichste Plan aller Pläne ist und mich geradezu begeistert hat. Du stehst so still da. Bist du nicht begierig, zu erfahren, was ich meine?«
»Ich bin still, weil ich es um so eher erfahre, je weniger ich selbst rede, sondern dich sprechen lasse.«
»Dieser Plan betrifft nämlich die gefangenen Soldaten. Wir haben uns von dem Versprechen, welches wir dem Scheik der Beni Khalid gaben, in jeder Beziehung unabhängig gemacht, nur aber nicht in Betreff dieser Soldaten, um deren Befreiung noch erst gekämpft werden muß. Dies wäre nicht nötig, wenn es uns gelänge, sie jetzt während der Nacht den Beni Khalid durch List zu entführen. Bist du nicht auch dieser Meinung?«
»Ich gebe dir recht. Ja, ich gestehe sogar, daß ich auch schon daran gedacht habe. Es gibt zwar eine sehr leichte Art und Weise, sie loszumachen, nämlich indem wir sie gegen den Häuptling umtauschen, worauf die Beni Khalid ja gezwungen wären, einzugehen; aber da er schon einmal umgetauscht worden ist, so kommt mir diese Manipulation keineswegs sehr geistreich vor, und ich —«
Da fiel er mir rasch in die Rede:
»Geistreich, geistreich! Ja, das ist das richtige Wort, Sihdi. Wir wollen und wir müssen geistreich sein, und ich sage dir, daß wir es gar nicht zu sein brauchen, weil Hanneh, die pfiffigste alter irdischen Pfiffigkeiten, schon geistreich für uns gewesen ist. Wir haben es gar nicht nötig, unsere hehren Seelenkräfte anzustrengen, weil diese doch immerhin belästigende Arbeit uns von dem herrlichsten Gegenstande meiner Liebe und Verehrung, welcher Hanneh heißt, abgenommen worden ist. Ich ging vorhin zu ihr, um ihr den Bericht zu erstatten, den ich als der Mann ihres Herzens ihr schuldig bin. So erfuhr sie, daß wir die Soldaten noch nicht freigemacht haben und also um sie kämpfen müssen. Sie ist mutig, tapfer, kühn und verwegen, sowohl im Frieden wie auch im Streite; sie weiß, daß wir uns nicht besiegen lassen würden, und hat also nicht eine Spur von Sorge oder gar Angst um uns; aber als kluge Frau ist sie doch der ganz richtigen Ansicht, daß man, wenn man die Wahl besitzt, ganz denselben Erfolg durch List oder durch Gewalt zu erreichen, der List den Vorzug geben soll. Und kaum hatte sie diesen Gedanken ausgesprochen, so war auch schon der Plan zur Ausführung in ihrem lieben Köpfchen fertig. Du wirst staunen, staunen, wenn du ihn erfährst!«
»Hoffentlich teilst du ihn mir noch im Verlaufe dieses Jahrhunderts mit?«
»Spotte nicht! Bist du nicht gespannt darauf?«
»Sehr!«
»Ich war es auch, außerordentlich sogar! Und ich sage dir: Als sie ihn mir klargelegt hatte, wußte ich, daß ein solcher Entwurf nur aus einem weiblichen Kopfe kommen könne, und zwar aus dem weiblichen Kopfe meiner Hanneh, deren Scharfsinn über alle andern Scharfsinnigkeiten hoch erhaben ist!«
»So bitte ich dich, mich an deinem Entzücken doch baldigst teilnehmen zu lassen!«
»Das sollst du auch, Effendi. Gestatte mir nur erst die Frage: Vor wem sind die Beni Khalid vorhin ausgerissen?«
»Vor dem Münedschi, weil sie ihn für ein Gespenst hielten.«
»Wie nun, wenn ihnen dieser Geist jetzt wieder erschiene, ganz plötzlich erschiene?«
»Hm!«
»Du Hmst dazu? Ich dachte, du würdest ganz entzückt davon sein!«
»Ist dies der Gedanke deiner Hanneh?«
»Ja. Wie findest du ihn?«
»Hm!«
»Hmse nicht, sondern sage es offen!«
»Er ist echt weiblich.«
»Nicht wahr? Echt weiblich! Großartig ausgedacht und ungemein praktisch. Der Erfolg kann gar nicht ausbleiben; sie reißen alle, alle aus!«
»Meinst du das wirklich?«
»Bloß meinen? Ich bin überzeugt, vollständig überzeugt davon. Also du stimmst bei. Es wird gemacht!«
»Langsam, langsam, lieber Halef! Wer hat gesagt, daß ich beistimme? Ich nicht!«
»Du hast das Gegenteil nicht getan und also beigestimmt. Wir werden darum den köstlichen Gedanken meiner Hanneh sofort zur Ausführung bringen!«
Schon hob er den Fuß, um fortzugehen; da hielt ich ihn fest und sagte:
»Nicht so schnell, Halef! Erlaube, daß ich deine Begeisterung ein wenig abkühle! Wie nun, wenn die Beni Khalid nicht ausreißen?«
»Sie reißen aus!« behauptete er. »Hanneh hat es gesagt, und folglich tun sie es! Ich weiß zwar, daß du ein vollständig nüchterner Mensch bist, aber so viel Phantasie besitzest du doch wohl, dir ausmalen zu können, welcher Schreck sie erfaßt, wenn der Geist plötzlich abermals bei ihnen erscheint, und zwar mitten unter ihnen und mit brennenden Fackeln in den Händen!«
»Mit Fackeln?«
»Ja, mit Fackeln, aus Lef und Katran (Palmfaser und Teer) gefertigt. Du weißt doch, daß wir welche mitgenommen haben, um unterwegs, wenn es nötig werden sollte, das Lager hell zu erleuchten!«
»Das weiß ich wohl! Also mit Fackeln soll er erscheinen, und ausreißen werden sie? Wenn sie nun da die Soldaten mitnehmen.«
»Mitnehmen? Fällt ihnen gar nicht ein! Ihr Schreck wird so groß sein, daß sie augenblicklich fortrennen, ohne sich um sie zu bekümmern.«
»Und dann?«
»Dann machen wir die Soldaten schnell frei und gehen mit ihnen fort, ehe die Beni Khalid zurückkehren.«
»Dazu brauchen wir sehr lange Zeit!«
»Nein; das geht sehr rasch!«
»Bedenke, daß wir doch auch die Waffen, die Kamele und alles, was den Soldaten gehört, haben müssen!«
»Das dauert trotzdem nicht lange, denn wir nehmen soviel Haddedihn mit, wie wir brauchen; die bleiben natürlich im Dunkel der Nacht, hinter dem Münedschi, bis der geeignete Augenblick gekommen ist.«
»Aber der Münedschi ist blind! Er kann nicht geführt werden, da sie zunächst nur ihn sehen dürfen!«
»Wir stellen ihn so, daß er nur geradeaus zu gehen hat. Das ist doch nicht schwer.«
»Wird er sich zu diesem Coup brauchen lassen?«
»Warum nicht? Wir sagen ihm, um was es sich handelt.«
»Das dürfen wir nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil wir noch nicht wissen, wie er sich von jetzt an zu den Mekkanern, ,seinen bisherigen Freunden, stellen wird. Hat er etwa alles gehört, was du Hanneh erzählt hast?«
»Nein, gar nichts, denn er befand sich wieder in seinem schlafähnlichen Zustande, aus welchem er infolge seiner Schwäche und Ermüdung nur zuweilen und für kurze Minuten kommt. In diesem Halbschlafe ist er, als er zu uns, beinahe an das Feuer, kam, plötzlich aufgesprungen und so schnell fortgelaufen, daß ihn Hanneh gar nicht hat hatten können, aber ebenso rasch wiedergekommen, um sich niederzusetzen und weiterzuschlafen. Er weiß also gar nicht, wo wir sind und was hier geschehen ist.«
»Wir wollen es ihm auch nicht sagen, um zu vermeiden, daß er im Gefühle seiner Zugehörigkeit zu den Mekkanern vielleicht etwas sagt und tut, was uns hinderlich ist. In seinem jetzigen Zustande ist er zur Ausführung von Hannehs Plan unmöglich zu verwenden.«
»So warten wir, bis er erwacht!«
»Womit willst du ihn dann dazu bringen, den fackeltragenden Geist zu spielen?«
»Sihdi, das laß nur Hannehs Sorge sein! Sie weiß jeder Sache einen Grund zu geben, und wenn dieser nicht ausreicht, sogar mehrere und viele Gründe, und wird also auch hier zur rechten Zeit den richtigen Gedanken finden; darauf kannst du dich verlassen! Und nun sag: Stimmst du endlich bei?«
»Noch nicht.«
»Aber warum nicht?«
»Weil mir die Sache vorkommt, als ob Kinder spielten; sie ist kindlich, sogar kindisch und nicht so tapferen Kriegern angemessen, wie unsere Haddedihn doch jedenfalls sind. Wir können unseren Zweck ja doch auf ganz andere, uns würdigere Weise erreichen.«
»Das gebe ich zu, Sihdi; aber diese andere Weise würde mir nicht gefallen, weil sie nicht der Klugheitstiefe meiner Hanneh entsprungen ist. Ich bitte dich, doch einmal in den Brunnen ihrer Gedanken hinabzusteigen! Sie hat einen so köstlichen Plan ersonnen, und nun soll er nicht ausgeführt werden! Daß du diesen Plan kindisch genannt hast, das darf sie nie im Leben erfahren, weil dies eine Kränkung für sie wäre, welche ihr Herz wohl gar, nicht überstehen könnte. Du mußt also schon um ihretwillen deine Genehmigung erteilen, ohne daß ich dich darauf aufmerksam zu machen brauche, daß nach deinem eigenen Willen jetzt ich allein zu bestimmen habe, was geschehen soll. Ja, das hast du gesagt! Und nun willst du dich meiner Anordnung doch nicht fügen! Ist das recht? Ist das gut und schön von dir?«
Da seine Appellation sich auf diese, seiner Meinung nach gewichtigen Gründe stützte, beeilte ich mich, zu antworten:
»Lieber Halef, ich bleibe zwar bei meiner Ansicht, will dich aber nicht hindern, den Versuch zu machen, ob der großartige Plan deiner guten Hanneh ausgeführt werden kann.«
»Ich danke dir, Sihdi! Wie wird sie sich freuen, wenn sie erfährt, daß du eingewilligt hast! Ich werde alles Nötige sogleich mit ihr besprechen und mich dann beeilen, es auszuführen.«
»Alles Nötige? Was verstehst du darunter?«
»Was? Das will ich eben mit ihr beraten.«
»Lieber Hadschi, der Plan ist ihrem Köpfchen entsprungen, die Ausführung desselben aber laß Männersache sein! Über das dabei Nötige ist unser Urteil wohl nicht weniger genügend als das ihrige. Ich werde natürlich auch mit dabei sein. Wir müssen zunächst vor allen Dingen wissen, wo die Beni Khalid sind und in welcher Weise sie sich gelagert haben. Ich gehe sofort, dies zu erforschen, und du wirst mich begleiten. Komm!«
»Jetzt gleich?« fragte er enttäuscht.
»Ja.«
»Du willst mithelfen?«
»Natürlich!«
»Aber, Effendi, es war uns ja eben darum zu tun, diese Sache ohne deinen Beistand auszuführen!«
»Das kann ich nicht zugeben. Du sollst zwar bestimmen, was zu geschehen hat, aber daß ich von der Erfüllung deiner Befehle ausgeschlossen sein soll, davon habe ich nichts gesagt. Der Streich, den du den Beni Khalid spielen willst, hat große Ähnlichkeit mit einem Knabenscherze, kann aber sehr ernste und beklagenswerte Folgen für uns haben. Wenn ich trotzdem darauf eingehe, so tue ich das nur unter der Voraussetzung, daß die Ausführung unter meinen Augen geschieht. Wenn du es nicht willst, so verzichten wir ganz darauf und tauschen die Soldaten gegen den Scheik aus. Jetzt entscheide!«
»Sihdi, du nimmst da meiner Hanneh die Butter von der Milch herunter, aber da ich einsehe, daß ich dich nicht anders zu stimmen vermag, so sollst du deinen Willen haben. Komm also jetzt; ich gehe mit!«
Er war jetzt unzufrieden mit mir, doch durfte mich das nicht beirren.
Glücklich zwar ist der Mensch, dem es gelungen ist, seinen kindlichen Sinn mit herüber in die ernsten Jahre zu retten, aber der Ernst soll sich ihm nicht unterzuordnen haben.
Wir gingen miteinander nach der Richtung, in weicher wir die Beni Khalid wußten. Ich nahm an, daß sie die Gegend gewählt hatten, wo ich sie gegen Abend ihre Fantasia hatte reiten sehen, und es stellte sich heraus, daß diese Vermutung richtig war. Sie hatten dort wohl noch Brennmaterial liegen gehabt, denn es brannten zwei Feuer, zwar nur klein und nicht heil leuchtend, aber sie genügten für uns doch, uns leichter zu orientieren, als wir es ohne sie gekonnt hätten.
Der Platz war von einigen Felsen flankiert, welche unsere unbemerkte Annäherung ermöglichten. Indem wir einen von ihnen als Deckung benutzten und von ihm aus unsere Beobachtungen machten, gewannen wir folgendes Resultat: Es war zwar nicht hell genug, die Beduinen einzeln unterscheiden und also zählen zu können, aber die Figuren ihrer Gruppen konnten wir erkennen. Gleich vor unserem Felsen lagerten die Kamele, deren Sättel und Gepäckstücke unweit davon mehrere wohlgeordnete Reihen bildeten. Eine besondere, kleine Abteilung von Kamelen war nicht zu sehen, woraus wir schlossen, daß die Tiere der Soldaten bei den andren untergebracht worden waren. Das mußte es uns leider fast unmöglich machen, sie so schnell, wie dies nötig war, herauszufinden. Links davon bildeten die an der Erde liegenden Beduinen zwei halbmondförmige Gruppen, deren Sichelspitzen gegeneinander gerichtet waren. Dadurch hatte sich zwischen ihnen ein freier, länglich schmaler Platz ergeben, an dessen Enden die Feuer brannten, während in der Mitte die Soldaten lagen, welche gefesselt zu sein schienen. Sehen konnten wir das nicht genau. Daß die Beduinen ihre Waffen bei sich hatten, verstand sich von selbst; aber wo sich diejenigen der »bezahlten Krieger des Sultans« befanden, das konnten wir nicht entdecken. Es stand mit ihnen also gerade so wie mit den betreffenden Kamelen: Bei der Schnelligkeit, mit welcher unser Streich auszuführen war, fehlte es uns wahrscheinlich an der nötigen Zeit, nach ihnen zu suchen und sie mitzunehmen. Als ich Halef diesen meinen Gedanken mitteilte, antwortete er: