Kitabı oku: «Am Jenseits», sayfa 13
»So tue ich mit dir dasselbe!«
»Was?«
»Ich nehme auch dich wieder fest.«
»Maschallah! Wie wolltest du das anfangen?«
»Das laß getrost meine Sache sein! Ich weiß ganz genau, wie man sich in einer solchen Angelegenheit zu verhalten hat. Kennst du vielleicht diese Art von Waffen?«
Ich zog meine beiden Revolver aus dem Gürtel und zeigte sie ihm.
»Allah!« rief er aus. »Das sind Pistolen mit vielen, schnellen Schüssen, wie die Franken haben! Wie bist du zu solchen Waffen gekommen?«
»Du hast gehört, daß ich aus dem Moghreb bin. Dort besitzen nicht nur die Christen, sondern auch die Moslemin dergleichen Pistolen und verstehen, sehr gut mit ihnen umzugehen. Sobald du die Bestimmung träfest, hier meinen persischen Freund wieder festzunehmen, würde ich meinen Haddedihn befehlen, dich wieder zu ergreifen, und wenn du dich dagegen wehrtest führe dir sofort die erste Kugel aus einem dieser vielschüssigen Läufe durch den Kopf!«
»Du scherzest!« versuchte er zu lächeln.
»Es ist mein Ernst; darauf gebe ich dir mein Wort, und ich halte mein Wort ganz ebenso wie du das deinige!«
Er sah mir lange und starr in das Gesicht. Als ich diesen Blick aushielt und erwiderte, zürnte er:
»Fast bereue ich es, dir mein Wort gegeben zu haben!«
»Sorge lieber dafür, daß ich es nicht bereue, diesem Worte mein Vertrauen geschenkt zu haben!«
»Du drückst dich sehr gebieterisch aus, Effendi!«
»Dazu bin ich auch berechtigt! Du meintest vorhin zwar, daß du Herr hier am Brunnen seist; mag sein, aber du bist es nicht allein; es sind noch andere Herren da.«
»Wer?«
»Zum Beispiel ich! Der Bir Hilu gehört weder dir noch mir; wir haben also beide gleiche Rechte.«
»Ich war eher hier als du!«
»So warst du eher Herr, und ich bin es später geworden; das ändert aber an der Gleichheit unserer Rechte nichts. Ich gebe dir übrigens den Rat, nicht so oft und nachdrücklich zu erwähnen, daß diese Mekkaner deine Freunde seien! Wenn ich hier den Basch Nazyr als meinen Freund bezeichne, so wage ich nichts, denn er ist ein ehrlicher Mann; aber Leute, welche des Diebstahls wegen durch die halbe Wüste gejagt worden sind, als meine Freunde darzustellen, das würde ich mir wohl erst reiflich überlegen!«
»Sie sind keine Diebe; sie sind unschuldig!«
»Wer sagt das?«
»Ich!«
»Beweise es!«
»Wir haben sie ausgesucht und nichts, gar nichts bei ihnen gefunden!
»Khutub Agha behauptet dagegen, daß sie ihren Raub versteckt haben. Es steht also Behauptung gegen Behauptung.«
»So reitet zurück, und durchsucht die Wüste! Wenn ihr die gestohlenen Gegenstände findet und mir bringt. dann werde ich euch glauben, eher aber nicht!«
»Gut! Wir werden suchen und nicht bloß finden, sondern dich auch überzeugen. Ja, ich sage noch mehr: du selbst sollst diese Sachen finden!«
»Willst du, daß ich über dich lache?«
»Tue, was dir beliebt; wir werden ebenso tun, was uns beliebt. Am allerwenigsten aber lassen wir uns vorschreiben, was wir sprechen dürfen und was nicht!«
Er öffnete schon den Mund zu einer scharfen Erwiderung, hielt sie aber zurück, denn grad in diesem Augenblicke erscholl da, wo die Mekkaner saßen, ein mehrstimmiger Schrei, und als ich mich nach der Ursache ihres Schreckes umschaute, sah ich die hoch aufgerichtete Gestalt des Blinden, weicher langsamen Schrittes in den Lichtkreis des Feuers trat und da stehen blieb. Er hielt die Linke so, als ob ihn jemand an dieser Hand führe; die Rechte hatte er zu einer sehr eigentümlichen, Aufmerksamkeit heischenden Geste erhoben. Hanneh sagte uns später, daß er erst wie im Schlafe gelegen und dann plötzlich aufgesprungen und fortgegangen sei, ohne daß sie Zeit gefunden habe, ihn zurückzuhalten.
»El Münedschi, el Münedschi – – – ! Sein Geist – – – sein Geist – – – sein Geist!« schrie El Ghani vor Entsetzen laut auf, und seine Gefährten schmiegten sich vor Angst eng aneinander und blickten starren Auges auf die allerdings geisterhafte Erscheinung.
Auch die Beni Khalid waren im höchsten Grade betroffen. Sie sahen die vom flackernden Feuer ungewiß und gespensterisch beleuchtete starre Figur; sie hörten das Wort »Geist!« und als abergläubische Leute fühlten auch sie sich von der Furcht ergriffen. So waren alle Augen erschrocken auf den Münedschi gerichtet, die unserigen voller Erwartung, was er jetzt tun werde.
Da trat er zwei schnelle Schritte vor und rief mit lauter, vernehmlicher Stimme, hoch erhobenen Hauptes, die Augen aber geschlossen haltend:
»Ich schwöre bei dem Tage der Auferstehung, und ich schwöre bei der Seele, die ihre Sünden bekennt. Will der Mensch wohl glauben, daß wir seine Gebeine nicht einst zusammenbringen können? Wahrlich, wir vermögen es, selbst die kleinsten Gebeine seiner Finger zusammenzufügen, doch der Mensch will selbst das, was vor ihm liegt, gern leugnen! Er fragt: Wann kommt der Tag der Auferstehung? Wenn das Auge sich verdunkelt und der Mond sich verfinstert und Sonne und Mond sich verbinden, dann wird der Mensch an diesem Tage fragen: Wo findet man wohl einen Zufluchtsort?‘ Aber vergebens, denn es gibt dann keinen Ort des Versteckes. Dein Standort an diesem Tage wird vor dem Herrn sein, und an demselben wird man dem Menschen verkünden, was er zuerst und was er zuletzt getan hat, und der Mensch wird Zeuge gegen sich selbst sein, und wenn er seine Entschuldigungen vorbringt, so werden sie nicht angenommen werden!«
Das war der Anfang der fünfundsiebzigsten Sure des Kuran. Er hielt inne. Er hatte mit tiefem, hohlem Klange gesprochen; sein langer, silberweißer Bart zitterte, und sein Gewand bewegte sich leise; das Feuer warf wechselnde Lichter und Schatten über seine Gestalt. Das gab ihm etwas Jenseitiges, etwas Überirdisches, zumal die gesprochenen Worte sich auf die Auferstehung bezogen. Ich gestehe aufrichtig, daß selbst ich, der ich doch wußte, woran ich war, nicht unergriffen blieb. Eine ganz eigene Art von Grauen ging mir nicht bloß durch die Seele, sondern, ich möchte sagen, auch fühlbar durch die Glieder. Wer kennt alle die vielen, verschiedenen Regungen des Menscheninnern und die geheimnisvollen Antriebe, von denen sie emporgeweckt werden!
Da begann der Blinde in demselben eindringlichen Tone von neuem:
Ja, du bist da; du sprichst mit mir; du leitest mich, und ich folge dir! Ich bin fern von der Erde. Ich kann die Körper der Menschen nicht erkennen, aber ich sehe die Fluten ihrer Gebrechen und Sünden wogen wie einen Ozean von Pol zu Pol. Hoch über mir leuchtet ohne Anfang und Ende die Liebe des Himmels. Hoch über mir beten die Scharen der Seligen zum Lichte der Welt. Tief unten zieht Finsternis über die Länder, der Haß und die Zwietracht über Berg und über Tal. Wo sind die, welche Gottes Stimme hören und aufwärts steigen zum ewigen Glück? Es sind ihrer so wenige, daß ich sie nicht zu sehen vermag. Das Geschlecht der Menschen hat keine Augen, um zu sehen, und keine Ohren, um zu hören; es geht der Nacht entgegen anstatt dem Tage. Einer lockt und winkt dem andern; einer schiebt und drängt den andern; so führen und stoßen sie sich weiter und weiter, vom Lichte ab und der Finsternis entgegen. Die Menschen wollen sich von Allah nicht mehr strafen, nicht mehr leiten und führen lassen. Sie halten ihren eigenen Geist für klüger als den Geist der Liebe und der Wahrheit, der alle Himmel regiert und alle Welten lenkt. Sie sitzen darüber zu Gericht, ob es einen Gott gibt oder nicht. Entweder verleugnen sie ihn, oder, wenn sie das nicht tun, so lassen sie sich von ihrer armen, blinden Wissenschaft einen Tempel bauen, in welchen sie ein Abbild ihrer hochmütigen Schwäche setzen, um es Gott zu nennen. Ich sage euch, diese Anbetung ihrer eigenen Ohnmacht ist eine Abgötterei, welche Allah strenger bestrafen wird als den unverschuldeten Irrtum der Heiden, welche nur deshalb Götzen verehren, weil sie keine Offenbarung hatten! Das sagt Ben Nur, der Sohn des wahren Lichtes, dem ihr verwehrt, in eure Herzen einzudringen und eure Seelen zu erleuchten!«
Nach diesen Worten blieb er noch einige Zeit mit hoch erhobenem Arme stehen, ließ ihn dann sinken und drehte sich um, den Lichtkreis wieder zu verlassen und im dunkeln Hintergrunde zu verschwinden. Niemand wagte es, ihm dorthin zu folgen. Keiner der Beni Khalid rührte sich von der Stelle. El Ghani, der erst starr vor Schreck gewesen war, sprang jetzt auf und rief:
»Er war es; er war es ganz gewiß! Es ist eine Kijahma! Er ist von den Toten auferstanden und uns erschienen, um uns von dem Leben nach dem Tode zu überzeugen, wie er es mir einst, als ich nicht daran glaubte, versprochen hat!«
»Eine Kijahma? Vom Tode erstanden?« fragte Scheik Tawil Ben Schahid. »Also ein Geist! Welchem Manne hat diese zurückgekehrte Seele angehört?«
»Dem Münedschi, von dem ich dir heut nach unserm Zusammentreffen mit euch erzählt habe, daß er gestorben und von uns begraben worden ist.«
»Allah beschütze und bewahre uns! Es gehe ja keiner von euch da hinüber, wo der Geist verschwunden ist, denn er würde ihm ins Reich der Toten folgen müssen! Wir wollen uns vielmehr beeilen, so schnell wie möglich von diesem Orte der Gespenster fortzukommen.«
»Aber der Zweikampf? Was wird aus ihm?« fragte ich.
»Er wird morgen, wenn es Tag ist, ausgefochten werden. Wir reiten jetzt hinaus in die Wüste, bis dahin, wo wir vorhin gewesen sind. Ihr reitet natürlich mit?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil wir uns nicht vor Gespenstern fürchten und weil unsere Kamele durstig sind. Wir müssen sie tränken.«
»Der Brunnen ist leer; wir haben ihn ausgeschöpft, und das Wasser muß sich erst wieder ansammeln. Ihr könnt also vor dem Morgen eure Tiere doch nicht trinken lassen.«
Ohne meine Antwort darauf abzuwarten, wendete er sich an El Ghani:
»Steht auf, und macht euch fertig! Ihr bleibt natürlich auch nicht hier an diesem Orte der spukenden Geister.«
Der Mekkaner antwortete, anstatt sogleich ja zu sagen:
»Erst muß ich wissen, ob die Haddedihn mitgehen.«
»Warum?«
»Da uns der Geist unseres Freundes erschienen ist, so müssen wir noch kurze Zeit hier bleiben, uni für ihn zu beten . Dabei müssen wir aber ungestört von ihnen sein. Wenn sie sich mit euch entfernen, können wir das tun, sonst nicht. Dann kommen wir sogleich nach.«
Es konnte gar nichts Dümmeres als diese Bedingung und dieses Versprechen geben. Es handelte sich natürlich um das Versteck. EI Ghani wollte die Sachen dort holen und dann mit seinen Leuten die Flucht ergreifen. Gelang ihm dies, so bekam er während der langen Nacht, die vor uns lag, einen Vorsprung, der ihn in Sicherheit brachte, zumal der Perser gar nicht wagen durfte, ihn noch weiter zu verfolgen. Da vorhin das Entsetzen des Mekkaners vor dem vermeintlichen Geiste ein so großes gewesen war, so mußte sich der Scheik der Beni Khalid eigentlich sagen, daß ihn wohl ein anderer Grund als derjenige des Gebetes hier zurückhalte; es kam ihm aber kein derartiger Gedanke. Er sah mich fragend an, und ich erklärte ihm:
»Gut, wir wollen diese Männer nicht in der Ausübung ihrer frommen Pflicht stören; wir reiten also mit euch. Du hast aber dafür zu sorgen, daß sie uns auch wirklich folgen, da um sie gekämpft werden soll. Brechen wir also auf!«
An Hanneh, welche sich da drüben befand, wohin der Münedschi verschwunden war, schien keiner von allen diesen Leuten zu denken; darum brachte ich sie gar nicht in Erwähnung. Wir konnten sie ruhig lassen, wo sie war, da es gar nicht in meiner Absicht lag, den Platz zu verlassen. Ich gab vielmehr Halef die heimliche und schnelle Weisung;
»Paß auf, was ich dir sage, und führe es genau aus! Ich habe jetzt keine Zeit, dir die Gründe zu sagen. Wir reiten hinter den Beni Khalid her. Sobald die Mekkaner euch nicht mehr sehen, bleibt ihr zurück, um den Platz des Brunnens heimlich zu umzingeln. Ihr bildet einen Kreis, innerhalb dessen die vier Felsen liegen, und laßt keinen Mekkaner durch.«
»Aber warum soll – – – »
»Still, wir müssen fort!« unterbrach ich ihn.
»Und was soll mit Hanneh – – – – »
»Keine Angst um sie! Die bleibt, wo sie ist. Ich werde mit dem Perser nicht bei euch bleiben. Kara, dein Sohn, wird dir Aufklärung geben. Sage ihm, daß ich das erlaube!«
Von einer Stelle, wohin der Schein des Feuers nicht reichte, klang jetzt die laute, kommandierende Stimme des Scheikes. Es handelte sich um die Soldaten, weiche dort vor uns versteckt gewesen waren und mit fortgeschafft werden sollten. Dann setzte sich der Zug in Bewegung, dessen Schluß die Haddedihn bildeten.
Als wir uns weit genug entfernt hatten, blieb Halef mit ihnen zurück. Den Perser behielt ich bei mir.
»Effendi, ich merke, daß ihr etwas vorhabt«, sagte er. »Darf ich erfahren, was es ist?«
»Jetzt noch nicht, jedoch schon in kurzer Zeit. Jetzt muß ich den Scheik Tawil rufen.«
Dies zeigte sich als gar nicht nötig, denn der Beni Khalid war halten geblieben, um die Reiter an sich vorüber zu lassen, bis wir kommen würden. Er sah trotz der Dunkelheit, daß wir zwei allein waren, und erkundigte sich darum:
»Wo sind die Haddedihn? Warum bleiben sie so weit zurück?«
»Um mir zu ermöglichen, mein dir gegebenes Wort zu halten.«
»Welches Wort?«
»Daß sogar du selbst die gestohlenen Gegenstände finden wirst, ohne sie gesucht zu haben. Vor allen Dingen, sag: Hältst du mich für einen ehrlichen Mann?«
»Ja.«
»So hast du Vertrauen zu mir?«
»Ja. Du bist stolz und gewalttätig, aber kein Betrüger.«
»So laß deine Leute weiterreiten, und komm mit uns!«
»Wohin?«
»Nach dem Orte, an welchem El Ghani seinen Raub versteckt hat.«
»So ist das von dem Diebstahle also wahr?«
»Ja. Als er euch von der Jagd zurückkehren sah, verbarg er die Gegenstände.«
»Und du kennst den Ort?«
»Ja.«
»Wer hat ihn dir verraten?«
»Ich habe jetzt keine Zeit, es dir zu erzählen. Komm!«
Er zauderte doch, mir zu folgen.
»Führst du mich etwa in eine Falle, um mich wieder gefangen zu nehmen?« fragte er.
»Ich denke, du hast Vertrauen zu mir! Wäre es auf dich abgesehen, so könnte ich es mir bequemer machen.«
»Das ist wahr. Sind die Gegenstände, um welche es sich handelt, wertvoll?«
»Sehr!«
Er überlegte noch einen Augenblick und sagte dann:
»Wohlan, ich werde tun, was du willst. Dauert es vielleicht lange?«
»Nein. Wir haben nur eine kurze Strecke zurückzukehren.«
Wenn es Tag gewesen wäre, so hätte ich in seinem Gesichte wahrscheinlich folgende Gedanken lesen können: Dieser Effendi aus dem fernen Moghreb, weicher trotz seiner großen Gelehrsamkeit ein sehr dummer Mensch ist, weil er mir das Versteck zeigen will, soll erfahren, daß ich gescheiter bin als er. Wenn die Sachen so kostbar sind, wie er sagt, so bekommt sie weder er noch der Perser noch ein anderer Mann, sondern ich behalte sie!
Wir kehrten um und ritten rechts ab nach dem betreffenden Felsen hinüber. Da wurden wir angerufen. Es war einer unserer Haddedihn, dem ich mich zu erkennen gab. Wir ließen unsere Kamele niederknieen, stiegen ab und wiesen ihn an, auf sie zu achten. Dann führte ich die beiden zu Fuße weiter, bis wir den Felsen erreichten, und zwar nicht da, wo ich mit Kara hinaufgestiegen war, sondern auf der entgegengesetzten Seite, wo das Erklettern weniger Schwierigkeiten bot. Ich bat, so leise und vorsichtig wie möglich zu verfahren, und da wir uns unterstützten, kamen wir verhältnismäßig schnell und leicht hinauf. Der Platz war mir bekannt, und so konnte ich trotz der Dunkelheit die für unsern Zweck geeignetste Stelle bestimmen; da setzten wir uns nieder, um auf EI Ghani zu warten, von dessen Kommen ich so vollständig überzeugt war, als ob er selbst es mir versprochen hätte. Der Scheik verhielt sich still; der Perser aber war zu erregt, als daß er hätte schweigen können. Die Mekkaner waren ausgesucht worden, ohne daß man etwas bei ihnen gefunden hatte; es war für ihn ein großes Glück gewesen, vom Tode errettet und wieder freigeworden zu sein; auf die Erreichung des Zweckes seines weiten und gefährlichen Rittes hatte er verzichtet. Da hörte er so ganz unerwartet von mir, daß die gestohlenen Gegenstände zwar versteckt, aber doch vorhanden seien. Natürlich versetzte ihn das in eine Aufregung, die er nicht beherrschen konnte. Wir hatten kaum nebeneinander Platz genommen, so flüsterte er mir zu:
»Ich kann kaum glauben, was ich von dir höre! El Ghani hat also die Sachen wirklich bei sich gehabt?«
»Ja.«
»Und hier oben versteckt?«
»Ja.«
»Weißt du das genau?«
»Ich habe sie gesehen, alle die Beutel mit den persischen Aufschriften auf den Elfenbeinplättchen.«
»Allah! Beutel – Aufschriften – Elfenbeinplättchen! Nun ich diese Worte höre, muß ich es glauben! Der Kanz El A‘da wird in solchen Beuteln aufbewahrt! Du denkst, daß der Dieb hier heraufkommen wird?«
»Er kommt ganz gewiß.«
»Wo stecken die Sachen?«
»Hier nebenan in einer Ritze. Sobald El Ghani sie herausgenommen hat, halten wir ihn fest. Er ist dann so überführt, daß er unmöglich leugnen kann.«
»Also darum wollte er am Feuer bleiben, darum! Trotz der Angst, welche ihm das Gespenst einflößte!«
»Ja, darum! Seine Habsucht war doch noch größer als seine Furcht.«
»Wie aber hast du diese Stelle entdeckt?«
»Ich war mit Kara Ben Halef hier und sah an den Spuren, daß jemand hier oben gewesen war. Das fiel mir auf. Wir stiegen also herauf und fanden den Schatz.«
»Warum nahmt ihr ihn nicht sogleich mit?«
»Hätten wir da den Mekkanern beweisen können, daß sie die Diebe sind?
»Nein; das ist wahr. Du hast sehr klug gehandelt. Nun können wir sie überführen, und ich werde mit ihnen so streng verfahren, daß sie —«
»Pst! Still! Ich hörte ein Geräusch.«
Wir lauschten. Ja, es kam jemand, und zwar da herauf, wo auch wir heraufgestiegen waren. Der Betreffende hatte also bemerkt, daß es auf dieser Seite bequemer war. Erwähnen will ich, daß das Feuer noch brannte. Wir konnten es aber nicht sehen, weil die Spitze unseres Felsens dazwischen lag.
»Seid ganz still!« flüsterte ich den beiden zu. »Überlaßt ihn nur meinen Händen, und sagt nicht eher etwas zu ihm, als bis ich euch dazu auffordere. Je ruhiger es hier oben abläuft, desto weniger kommen seine Gefährten da unten auf den Gedanken, die Flucht zu ergreifen.«
Das Geräusch wurde, je weiter er heraufkam, um so lauter. Nun hatte er oben Fuß gefaßt und ging gerade auf die Spalte zu. Wir saßen so, daß wir, als er vorüber war, nur ein wenig vorzurücken brauchten, um ihm den Weg zu verlegen. Er bückte sich. Wir hörten und sahen auch, daß er die auf dem Pakete liegenden Steine entfernte. Dann zog er dieses vor und schickte sich an, den Rückweg anzutreten.
Ich richtete mich hinter ihm auf. Er drehte sich um und sah mich stehen, denn jetzt befand sich die Felsenspitze nicht mehr zwischen mir und dein Feuer.
»Allah kehrim – Gott sei mir gnädig!« rief er aus, doch mit unterdrückter Stimme, vielleicht unwillkürlich, vielleicht auch vor Schreck.
Ich zog mein Messer, ließ die Klinge vor seinen Augen funkeln und herrschte ihn an, doch auch nicht laut:
»Hier stehen noch zwei Männer. Siehst du sie? Wenn du ein lautes Wort sprichst, stoße ich dir das Messer in das Herz! Setz dich nieder!«
Er gehorchte augenblicklich und war ganz still. Er gehörte zu derjenigen Art von Dieben, weiche unternehmend und pfiffig, aber dabei feig sind. Ich nahm ihm die Waffen aus dem Gürtel und sagte zu dem Scheik und dem Perser:
»Haltet ihn hier fest! Ich komme bald wieder.«
Ich entfernte mich, um hinabzusteigen, denn er war jedenfalls nicht alleinhier am Felsen, und ich wollte seinen Begleiter auch noch ohne großen Lärm bekommen. Ich hatte den Abstieg kaum begonnen, so fragte eine Stimme von unten:
»Kommst du?«
»Ja.«
»Es war doch noch alles da?«
»Jawohl.«
»So komm! Ich stütze dich. Dann aber machen wir uns augenblicklich fort!«
»Wo sind die andern?
»Bei den Kamelen am Feuer. Wir brauchen nur aufzusteigen. Spring!«
Er hatte an meiner gedämpften Stimme nicht erkennen können, daß er nicht mit demjenigen sprach, dem seine Worte galten. Ich tat den letzten Sprung, und zwar mit Absicht so, daß ich ihn niederriß.
»Paß doch auf – – – – !«
Mehr konnte er nicht sagen, denn ich hatte ihn schon mit den beiden Händen an der Gurgel. Der Schreck darüber machte ihn stumm. Es war der Sohn des Alten, ebenso feig wie sein Vater. Er ließ sich, ohne Widerstand zu versuchen, die fünfzehn oder zwanzig Schritte bis zu dem Haddedihn schleppen, dem wir unsere Kamele gelassen hatten.
»Hole schnell aber still die fünf nächsten Krieger herbei!« befahl ich diesem.
In kaum zwei Minuten waren sie da. Ich übergab ihm und einem von ihnen den Sohn des Ghani und ging mit den andern vier rasch hinüber zu dem Brunnen, wo das Feuer noch nicht ausgegangen war und ich die Gefährten des«Lieblings des Großscherifs« erwartungsvoll bei den Kamelen stehen sah, welche schon bepackt und zum Besteigen bereit an der Erde lagen. Diese Männer ahnten nicht, was mit ihrem Anführer und seinem Sohn geschehen war; sie hatten geglaubt, wir seien fort, und waren daher über unser unerwartetes Erscheinen nicht nur erstaunt, sondern sogar betroffen, weil wir ja das Paket nicht sehen durften, mit welchem EI Ghani ihrer Überzeugung nach jetzt erscheinen mußte.
»Ihr seid wieder hier?« fragte mich einer von ihnen. »Warum seid ihr zurückgekehrt?«
»Um euch zu fragen, wo euer Anführer ist«, antwortete ich.
»Er ist einmal fortgegangen.«
»Wohin?«
»Das wissen wir nicht. Wir haben ihn nicht gefragt.«
»Ihr wolltet doch beten. Seid ihr damit schon fertig?«
»Was geht das dich an? Wer hat dir erlaubt, dich in dieser Weise um uns zu bekümmern?«
Es wurde mir erspart, ihm hierauf die richtige Erwiderung zu geben, denn in diesem Augenblicke kam Halef eiligst herbei und sagte:
»Sihdi, ich habe deinen Auftrag ausgeführt und bin dann zu Hanneh, der Krone aller Frauentugenden, gegangen, um ihre etwaige Bangigkeit zu zerstreuen. Da sah ich euch hier und bin herübergekommen, um dich zu fragen, ob du mich jetzt vielleicht brauchst.«
»Du kommst zur richtigen Zeit; auch deine Leute können kommen.«
Er legte, um den Schall zu verstärken, die Hände an den Mund und rief nach den Haddedihn, weiche sich rasch einstellten und der Mekkaner versicherten. Der Sohn des Ghani wurde von den betreffenden zwei Kriegern gebracht; dann ging ich mit Halef und Kara nach dem Felsen, um auch den Alten zu holen. Der Scheik der Beni Khalid und der Perser standen noch oben bei ihm und zwangen ihn jetzt, herabzusteigen. Dann wurde er mit seinem Pakete nach dem Feuer geschafft, in welches wir, um es jetzt anzufachen, eine Anzahl von Dschilal warfen, von welchen die Beni Khalid einen Vorrat daneben gelegt und nicht mitgenommen hatten, weil sie früh doch wiederkommen wollten. Es sind das Fladen aus getrocknetem Kamelmist, die in der Wüste als Brennmaterial dienen.
Wir hatten die Mekkaner nicht gefesselt, denn diese Leute waren viel zu feig, als daß sie zum Zwecke der Flucht einen gewalttätigen Widerstand hätten wagen mögen. Sie saßen beisammen, und wir bildeten einen Kreis um sie. Tawil Ben Schahid hatte zwischen Halef und mir Platz genommen. Ihn interessierte die Entdeckung der gestohlenen Gegenstände so sehr, daß er gar nicht mehr an den »Geist« dachte, vor weichem er doch vorhin mit allen seinen Leuten geflohen war. Er hatte sich des Pakets bemächtigt, was Halef außerordentlich ärgerte, mir aber heimlichen Spaß machte, denn es verstand sich doch von selbst, daß er es nicht behalten durfte, obgleich es wahrscheinlich seine Absicht war, nichts, aber auch gar nichts davon herzugeben. Er nestelte an der Burnusschnur herum, um es zu öffnen. Halef war zornig darüber; ich winkte ihm aber, ebenso zu schweigen, wie ich still war.
Der liebe Scheik der Beni Khalid befand sich in sichtbarer Verlegenheit. Er hatte die Mekkaner als seine Freunde und Gäste bezeichnet und mußte sich also demgemäß verhalten. Durfte er da nehmen, was sie mitgebracht hatten? Als Diebe konnte er sie bezeichnen, und zwar ganz ohne Besorgnis, sie dadurch zu beleidigen, denn der Raub ist, zumal wenn er an einem Andersgläubigen begangen wird, in den Augen dieser Beduinen kein entehrendes Verbrechen. Aber wenn er ihnen damit das Recht des jetzigen Besitzes zugestand, so war es ihm nicht erlaubt, ihnen die Sachen vorzuenthalten. Dazu kamen die noch viel berechtigteren Ansprüche des Persers, die wir jedenfalls sehr kräftig unterstützen würden. Der Schiit war feindlich behandelt worden und hatte sogar sterben sollen, weil er die Mekkaner fälschlich angeklagt haben sollte, und nun stellte es sich heraus, daß er recht gehabt hatte. Wie war aus diesen Widersprüchen herauszukommen! Endlich hatte er einen Entschluß gefaßt. Das Paket war geöffnet. Er wog einen der Beutel nach dem andern wie spielend in der Hand und sagte:
»Ich habe diese Sachen hier gefunden, und es ist nun zu entscheiden, wem sie gehören sollen.«
Der Perser wollte schnell und mit Nachdruck antworten; ich winkte aber auch ihm zu, dies nicht zu tun. Der Scheik konnte also fortfahren:
»Wahrscheinlich erheben zwei Parteien Anspruch darauf. Ich werde ihre Rechte genau abwägen und dann die Entscheidung treffen.«
Da wurde er gestört. Es kamen zwei Beni Khalid zurückgeritten. Einer allein hätte sich vor dem »Gespenst« gefürchtet; darum waren es zwei. Man hatte bemerkt, daß der Scheik fehle, und sie beauftragt, nach ihm zu sehen. Es war ihm anzusehen, daß ihm diese Unterbrechung nicht gelegen kam. Er gab in unwilligem Tone den Bescheid:
»Bin ich ein Kind, welches beaufsichtigt werden muß? Ich habe hier zu tun. Reitet sofort wieder hin, und sagt den Kriegern, daß sie sich nicht um mich kümmern sollen! Ich komme, wenn es mir beliebt, und wenn es erst morgen früh sein sollte. Vorwärts, fort!«
Er hatte dabei den Teppich wieder zusammengeschlagen, so daß die Beutel nicht zu sehen waren. Er schien die Angelegenheit also so handhaben zu wollen, daß seine Leute, falls es ihm gelang, sich in den Besitz der Sachen zu bringen, nichts oder wenigstens nichts genaues darüber erfuhren. Mir aber hätte nichts so erwünscht kommen können, wie der Bescheid, den er diesen beiden Boten gab, denn er hatte dadurch für jetzt und für die ganze Nacht auf den Beistand seiner Krieger verzichtet. Als sie fortgeritten waren, öffnete er den Teppich wieder und sagte, zu El Ghani gewendet:
»Hattest du diese Sachen da oben im Felsen versteckt, oder ist‘s ein anderer gewesen?«
»Ich selbst habe es getan«, antwortete der Gefragte, dessen finstere, entschlossene Miene die Absicht verriet, auf den Besitz der Gegenstände nicht Verzicht zu leisten.
»Warum verbargst du sie?«
»Aus Vorsicht.«
»Vor mir, vor uns, euren Freunden!«
»Nicht vor euch, denn wir wußten ja gar nicht, wer die Krieger waren, die wir von weitem kommen sahen.«
»Das mag dich entschuldigen. Vor Freunden versteckt man nichts. Wo hast du diese Beutel her?«
»Ich besitze sie schon seit langen Jahren, nämlich seit dem Tode meines Vaters, von dem ich sie geerbt habe.«
»Warum trägst du sie mit dir in der Wüste herum? Solche Dinge läßt man doch daheim!«
»Nein, denn bei mir sind sie sicherer als daheim, wenn ich mich nicht dort befinde. Ich verlange ihre augenblickliche Auslieferung!«
»Warte noch eine kleine Weile! Ich befürchte nämlich, daß sich noch andere Eigentümer melden werden.«
»Allerdings!« fiel da der Perser ein. »El Ghani hat die Unwahrheit gesagt. Ich brauche das wohl gar nicht zu beweisen, denn seine Lüge ist eine so alberne und ungeschickte, daß derjenige, bei dem sie Glauben fände, geradezu ohne Kopf sein müßte!«
»Willst du etwa behaupten, daß du der rechtmäßige Herr dieser Beutel seist?«
»Nein, das sage ich nicht; aber ich behaupte, daß der ganze Inhalt dieses Teppichs aus dem Kanz el A‘da der heiligen Stätte Meschhed Ali gestohlen wurde.«
»Was du behauptest, mußt du auch beweisen können!«
»Ich kann es!«
»So tue es!«
Der Perser nahm aus seinem Gürtel ein Notiztäschchen, öffnete es und erklärte:
»Ich habe sofort, als ich den Verlust bemerkte, ein genaues Verzeichnis der gestohlenen Gegenstände angefertigt. Hier ist es. Ich werde es vorlesen, und du kannst da hören, daß es genau mit den hier an den Beuteln hängenden Inschriften stimmt!«
Er las, und der Scheik verglich das, was er hörte, mit den auf den Elfenbeintäfelchen stehenden Worten. Das eine klang ganz so wie das andere; es war keine Silbe zu wenig oder zu viel.
»Nun? Habe ich recht?« fragte der Perser.
»Es ist allerdings beides gleich«, gab der Scheik notgedrungen zu; »aber wenn du meinst, damit den Beweis geliefert zu haben, so irrst du dich. Dein Verzeichnis scheint sich freilich hier auf diese Gegenstände zu beziehen; aber ob diese gestohlen worden sind, und zwar aus dem Schatz der Glieder in Meschhed Ali, davon mußt du uns erst überzeugen!«
Der Perser war von dieser so ganz unerwarteten, ja für unmöglich gehaltenen Einwendung so betroffen, daß er nicht gleich eine Entgegnung fand. Dafür aber machte sich El Ghani diesen Kniff mit größter Geistesgegenwart zunutze, indem er schnell ausrief:
»Halt! Ich kann jetzt nachweisen, daß ich nicht der Dieb, sondern der Bestohlene bin! Dieses Verzeichnis gehört nämlich mir! Ich habe es angefertigt über mein Eigentum, welches ich bei mir hatte, und es ist mir in Meschhed Ali, als ich in der Wohnung dieses schiitischen Basch Nazyr war, aus der Tasche gestohlen worden. Nun ist er so frech, dieses Verzeichnis dazu zu benutzen, mich um meine Habe zu bringen. Dieser Halunke hat also nicht nur die Strafe, von welcher er leider vorhin errettet wurde, sondern eine noch viel schärfere und strengere verdient!«
Halef sah mich an und ich ihn. Jetzt waren wir beide ebenso erstaunt wie soeben der Perser. Diese Halunkenhaftigkeit des alten Mekkaners war zugleich empörend und imponierend! Dem Scheik der Beni Khalid kam sie sehr gelegen. Er lächelte mit dem ganzen Gesichte, als er dem Perser nun die Frage vorlegte:
»Was sagst du dazu? Du bist aus dem Ankläger der Angeklagte geworden. Verteidige dich!«
Diese Aufforderung steigerte den in dem Oberaufseher kochenden Grimm in der Weise, daß er nicht imstande war, zusammenhängend zu antworten, sondern nur mühsam und in Pausen hervorstieß:
»Verteidigen – – – ? Ich – – mich – – – ? Ya Ali – – – – – ! Welch eine – – – eine Frechheit – – – ! Kein Wort – – – kein Wort sage ich!«
»Das war zu erwarten! Daß du von Frechheit sprichst, darüber werde ich noch mit dir abrechnen! Der Diebstahl liegt jetzt folgendermaßen: Du behauptest, die Sachen seien in Meschhed Ali gestohlen worden, und mein Gast und Freund behauptet, du habest ihm das Verzeichnis gestohlen, uni in den Besitz dieser Sachen zu kommen. Ihr beide befindet euch hier aber im Bereiche des Stammes der Beni Khalid, welcher also über diesen Fall zu entscheiden hat. Sobald der ganze Stamm, von dem wir hier nur eine kleine Abteilung sind, versammelt ist, werde ich die Dschemmah zusammenrufen, weiche dann das gerechte Urteil fällt. Bis dahin lege ich Beschlag auf alles, was sich hier in dem Teppich befindet, und nehme es in meine Verwahrung.«