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Kitabı oku: «Am Jenseits», sayfa 2

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Das war richtig. Ich mußte, wenn ich mich bei diesen guten Leuten befand, an allen ihren Beratungen teilnehmen und wußte die Ehre, welche mir dadurch erwiesen wurde, gar wohl zu schätzen. Die Schammar haben ihren Namen von dem in Arabien südlich von der Wüste Nefuhd liegenden Dschebel (Berg, Gebirge) Schammar, den sie als Mittelpunkt ihres ausgedehnten Gebietes betrachten. Als Angehörige dieses Stammes hätten wir eigentlich jetzt dorthin reiten sollen, zumal der nächste und auch beste Weg nach Mekka über den Dschebel Schammar führte; aber ich war mit Halef und seinem Sohne dort gewesen; man kannte mich als Christ, und es wäre gar nicht zu verheimlichen gewesen, daß ich auch mit nach Mekka wollte. Das hätte sehr wahrscheinlich nicht nur zu Verdrießlichkeiten, sondern sogar zu ernsten Auftritten Veranlassung gegeben, welche zu vermeiden, wir lieber einen Umweg machen und den Dschebel Schammar gar nicht berühren wollten. Leicht war das freilich nicht, besonders der uns unbekannten Wasserverhältnisse wegen. Fünfzig Mann mit Pferden und Kamelen wollen trinken, und in der arabischen Wüste, die nicht weniger schrecklich als die Sahara ist, kann der Wassermangel leicht verderblich werden. Glücklicherweise hatte ein Krieger vom Beduinenstamme der Beni Harb sich eines Haddedihnmädchens wegen, weiches er liebte, aber nicht dazu bewegen konnte, ihm zu seinem Stamme zu folgen, in den ihrigen aufnehmen lassen. Er war ein ernster, gewandter, sehr erfahrener und zuverlässiger junger Mann, der die Gegend, durch welche wir reiten mußten, sehr genau kannte. Dieser behauptete, genug Bijar (Brunnen) und Ujun (Quellen) zu kennen, wo wir Wasser finden würden; er werde unser Führer sein, und wir könnten ihm getrost unser Vertrauen schenken. Wir beschlossen, uns an diese seine Versicherung zu halten, worauf er nicht wenig stolz war, und haben es auch darum nicht zu bereuen gehabt.

Für Hanneh wurde ein großer Tachtirwan bestimmt, den zwei Kamele zu tragen hatten. Er war sehr geräumig und bequem; sie konnte sitzen oder liegen, wie sie wollte, und sogar auf den Kissen sich ganz ausstrecken. Ein Dach aus bunten, reichgestickten Stoffen bot ihr genügenden Schutz vor den Sonnenstrahlen. Da unser Weg durch die Wüste führte und wir fünfzig Krieger zählten, mußten wir darauf verzichten, diese Leute mit Pferden beritten zu machen, welche täglich trinken müssen. Die Haddedihn sind berühmt wegen ihrer Zucht vortrefflicher Reitkamele; sie besitzen große Herden dieser Tiere, und so konnten wir also eine gute Auswahl treffen. Das Reitkamel wird Hedschihn genannt, während das Lastkamel Dschemal heißt. Die besten Reitkamele sah man früher beim Stamme der Bischari, weshalb sie Bischarihnhedschihns genannt wurden. Der Plural lautet Hudschuhn. Die Schammar und also auch die Haddedihn sind so klug gewesen, sich dieses vorzügliche Material zu erwerben, und züchten nun Reitkamele, welche denen der Bischari wenigstens gleichkommen, aber meiner Ansicht nach sie sogar übertreffen.

Also solche Hudschuhn wollten wir reiten. Die mausgrau gefärbten hält man für die besten und ausdauerndsten Renner. Halef suchte deren mehrere für sich und mich und auch als Reserve aus. Außerdem war es uns beiden, aber auch nur uns, keinem andern Haddedihn, gestattet, unsere Pferde mitzunehmen. Der Hadschi behauptete, daß dies zu Repräsentationszwecken notwendig sei. Da er der berühmte Scheik der Haddedihn sei und ich der ebenso berühmte Gelehrte Hadschi Akil Schatir el Megarrib aus dem fernen Wadi Draha, so gehe es gar nicht anders, als daß wir in der heiligen Stadt und deren Umgebung und auch sonst bei wichtigen oder festlichen Gelegenheiten vorzügliche Pferde von reinstem Blute reiten müßten. Sein Rappe hieß Barkh (Blitz) und war ein ganz vorzüglicher Nedjedihengst. Mein Pferd, auch ein Rapphengst, war Assil (Der Edle) Ben Rih, ein gleichwertiger Sohn meines herrlichen Rih, welcher unter mir erschossen wurde. Die Kugel, welche ihn traf, hatte eigentlich meinem Herzen gegolten. Zahllose Briefe meiner Leserinnen und Leser sprechen von den Tränen, weiche beim Lesen seines Todes vergossen worden sind. Man braucht sich ihrer nicht zu schämen. Mir selbst werden noch heut die Augen naß, wenn ich an diese traurige, ergreifende Szene denke. Jetzt ritt ich, wie bereits gesagt, Assil, seinen ebenbürtigen Sohn, der mich schon mit hohen Ehren durch ganz Persien getragen hatte und ein hochedles Pferd war, auf welches ich mich in jeder Beziehung verlassen konnte. Er war mir lieber als Halefs Barkh.

Noch kurz vor unserm Aufbruche konnte Halef den dringenden Bitten seines Sohnes, doch auch für ihn ein Pferd mitzunehmen, nicht mehr widerstehen. Es wurde für ihn die herrliche Schimmelstute Kawamah (Die Schnelle) bestimmt, eine Tochter von jener weißen, berühmten Stute, welche das Pferd Muhammed Emins, des früheren Scheikes der Haddedihn, gewesen war.

Als wir dann unterwegs waren, bildeten wir mit den Kamelen, welche die Wasserschläuche und andere notwendige Sachen zu tragen hatten, eine ganz hübsche und, wie Halef sich stolz ausdrückte, »wie das Eigentum eines Königs aussehende« Kavalkade. Selbst bei Kamelen sehen Rassetiere eben ganz anders aus als gewöhnliche, vielleicht gar abgenutzte Exemplare! Hierbei will ich die vielleicht nicht ganz unnötige Bemerkung machen, daß man die Unwahrheit sagt, wenn man behauptet, das Kamel könne über eine Woche lang dürsten, und es komme vor, daß die Wüstenreisenden dadurch vor dem Tode des Verschmachtens gerettet werden, daß sie ein Kamel erstechen und das in dem Magen desselben befindliche Wasser trinken. Die Wahrheit ist, daß das Kamel in Beziehung auf das Futter genügsam ist und mit dornigen und stacheligen Gewächsen für lieb nimmt, welche kein Pferd fressen würde; es zeigt sich auch in dieser Hinsicht als brauchbares Wüstentier.

Sodann kann es infolge seines weiten Magens eine ungewöhnliche Menge Wasser zu sich nehmen, welche länger reicht als bei dem Pferde; aber schon am zweiten Tage hat es wieder Durst; am dritten wird es schwach und am vierten hinfällig, wenn es Lasten zu tragen hat. Es kommt ja auch auf die Leistungen an, welche man von ihm verlangt. Ich bin mit einem vorher tüchtig getränkten Bischarihnhedschihn, welches nach deutschem Gelde wohl 8000 Mark wert war, in drei Tagen und drei Nächten 450 Kilometer geritten, dann aber konnte es vor Durst nicht weiter. Und daß das Magenwasser genießbar sei, ist auch eine alte, ganz unbegründete Fabel. Ich habe viele Kamele kurz und auch später nach dem Tränken schlachten sehen, denn das Fleisch wird ja ganz gern gegessen; aber schon zwei Stunden nach der Annahme des Wassers hatte es das Aussehen von Urin und einen geradezu widerstrebenden Magengeruch. Dann wird es schnell dicker und dunkler, bis es nach kurzer Zeit das Aussehen und auch den Gestank von Jauche hat. Ich würde selbst im höchsten Grade des Durstes keinen Schluck von diesem Mistwasser trinken können, wenn ich auch wollte, und ich würde auch gar nicht wollen, weit ich überzeugt wäre, daß ich an dieser Jauche noch eher als infolge des Durstes sterben müßte. Leider wird die alte, wie es scheint, unausrottbare Fabel noch heut in Schul— und anderen Büchern weiter verbreitet!

Unser eigentlicher Weg wäre bei Hit über den Euphrat und dann in gerader Linie durch die Wüste nach Djof und von da nach Hail, dem Hauptorte des Dschebel Schammar, gegangen. Eine südlichere Linie geht von Hilleh aus um den Nedschef-See herum und später über den Dschebel Daharah direkt nach Hail. Wir hielten die Mitte zwischen beiden ein, gingen an dem Daharah weit vorüber und suchten das berühmte Wadi Rumeni zu gewinnen. Wadi heißt Flußbett und kann nach den dortigen Verhältnissen ein fließendes Wasser, aber auch eine ganz ausgetrocknete Mulde bedeuten.

Hier, also südlich vom Dschebel Daharah war es, wo ich mit Halef voranritt und das am Anfange dieses Kapitels erwähnte Gespräch über die abendländischen Eisenbahnen mit ihm hatte. Ich hatte ihm, wie von so vielen unserer Einrichtungen, auch schon wiederholt von unseren Eisenbahnen erzählt; ich hatte sie ihm beschrieben und ihm ausführlich erklärt, welchen Segen sie bringen und daß sie gar nicht zu entbehren seien. Ich hatte, um ihm das an einem Beispiele zu verdeutlichen, ihn auf die Pferdebahn hingewiesen, welche der so viel und so unschuldig verkannte Midhat-Pascha in Bagdad gebaut hatte, doch das alles vergeblich! Er, der sonst so kluge und einsichtsvolle kleine Mann, konnte sich aus seinem orientalischen Gesichtskreise nicht, herausfinden und hielt alles für unpraktisch oder gar für verwerflich, was nicht mit seinen Gewohnheiten und Erfahrungen übereinstimmte. So war es heut seinem orientalischen Gewissen gradezu als Sünde erschienen, daß es bei uns im Bahnwagen den beiden Geschlechtern erlaubt ist, beieinander zu sitzen. Das war doch ein Verbrechen gegen die allererste und oberste Haremsregel! Die Sache an sich verurteilte er bloß; sie brachte ihn nicht in Aufregung; aber daß ich sie guthieß und mich selbst an dieser Sünde beteiligt hatte, das erregte seinen Zorn und trieb ihn fort von mir!

Ich ließ ihn ohne Sorge zu seiner Hanneh gehen, der er, wie ich wußte, nun sein Herz ausschüttete. Sie pflegte ihm den Turban wieder auf die richtige Stelle zu rücken. Als ich mich einmal umdrehte, sah ich, daß er, neben dem Tachtirwan reitend, sehr angelegentlich mit ihr sprach. Seine Gesten waren dabei äußerst lebhaft; er schien seinen Standpunkt verteidigen zu müssen, also war anzunehmen, daß sie zu meinen Gunsten sprach. Nach einiger Zeit lenkte er sein Hedschihn wieder an die Seite des meinigen, doch sagte er noch nicht gleich etwas, denn die Strafpredigt, welche er mir vorhin gehalten hatte, war so energisch gewesen, daß es ihm jetzt nicht leicht wurde, in Freundlichkeit wieder einzulenken. Er hustete; er räusperte sich wiederholt; endlich begann er:

»Sihdi, denkst du noch an eure Eisenbahnen?«

»Nein«, antwortete ich.

»Aber du scheinst doch so tief in Gedanken zu stecken. Darf ich erfahren, was für welche es sind?«

»Ich denke an die Unzuverlässigkeit der Freundschaft.«

»Das geht natürlich auf mich?«

»Ja.«

»Meine Freundschaft ist gar nicht unzuverlässig; aber sie kann sich nicht gut an die Wagen bei euch gewöhnen, in denen Frauen, Mädchen und fremde Männer beisammensitzen. Das Allerschlimmste ist, daß du selbst auch mit dabeigesessen hast!«

»Glaubst du, daß mir das geschadet hat?«

»Dir? O nein, gewiß nicht?«

»Oder den Frauen und Mädchen?«

»Denen? Gewiß auch nicht, denn du bist ein feiner, ein vornehmer Effendi, der sehr gut weiß, wie er sich zu benehmen hat.«

»Nun, wenn es weder ihnen noch mir etwas geschadet hat, warum bist du da so erzürnt darüber?«

»Weil – hm! – weil es sich nicht schickt!«

»Wer behauptet das?«

»Ich!«

»Du? Das genügt mir nicht. Wer noch?«

»Jeder vernünftige Mann!«

»So? Ich behaupte aber das Gegenteil, bin also ein unvernünftiger Mensch. Ich danke dir, Halef!«

»Sihdi, so – – – habe ich es nicht gemeint; so darfst du es nicht nehmen! Ich kenne dich ja und ich weiß also, daß grad du so viel Vernunft besitzest, daß sie für zehn andere Personen mehr als ausreichen würde. Dich habe ich am wenigsten beleidigen wollen!«

»Nun, wenn ich eine so bedeutende Portion von Vernunft besitze, so bin ich wohl auch befähigt, über unsere Eisenbahnen zu urteilen. Ich nehme an, daß du mit Hanneh darüber gesprochen hast?«

»Ja.«

»Was sagte sie?«

»Ich erzählte ihr, was ich über eure Eisenbahnen von dir gehört hatte, und fragte sie nach ihrer Meinung.«

»Nun? Wie lautete diese?«

»Sihdi, ich kann dir fast nicht wiedersagen, was ich aus dem Munde meiner Hanneh hörte, welche doch der Inbegriff der Zusammenfassung aller weiblichen Klugheit ist. Sie gab dir nämlich recht!«

»Das dachte ich!

»Wirklich? Du dachtest es? Warum? Ich dachte es nicht!«

»So scheine ich deine Hanneh besser zu kennen als du. Sie will nicht, wie andere Frauen des Orientes, nur die willenlose Spielpuppe ihres Mannes sein, die er vor andern Leuten nicht sehen läßt!«

»Spielpuppe! Sonderbar! Ganz genau dasselbe sagte sie auch! Sie fragte mich, ob sie nur mein Dschidschi (Spielzeug) oder meine Kukla (Puppe) sei, die kein Mensch sehen dürfe als ich allein. Ja, denke dir, sie drohte mir, nach unserer Rückkehr ein Männerzelt, einen männlichen Harem zu bauen und mich da einzusperren, damit mich keine andere Frau betrachten dürfe. Dann sprach sie sogar von einer ganz armseligen Haremswirtschaft, welche eine große und ganz unverzeihliche Beleidigung aller Frauen sei!«

»Da hat sie recht!«

»Recht? Sihdi, willst du haben, daß Hanneh eine Revolution gegen mich unternimmt?«

»Nein; ich gebe ihr nur recht; was sie macht, das ist ihre Sache.«

»Ich wollte das, was sie eine Beleidigung aller Frauen nannte, nicht einsehen; da erklärte sie es mir.«

»Und dann begriffst du es?«

»Du scheinst wieder einmal alles vorherzuwissen, ehe ich es dir sage! Und es ist ja auch wahr: Hanneh, die schönste Blume im Garten meiner Glückseligkeit, hat eine ganz eigene, eine ganz besondere Weise des Erklärens; sie bringt nämlich keine anderen Gründe, als solche, denen man nicht widerstehen kann. So brachte sie mir auch jetzt zwei Beispiele, mit denen sie mich so überwältigte, daß ich wirklich nicht wußte, was ich weiter sagen sollte.«

»Darf ich erfahren, was für Beispiele das waren? »

»Es war die Rose und die Retschina fena (Teufelsdreck); denke dir!«

Ich mußte über diesen kräftigen Vergleich der guten Hanneh unwillkürlich lachen; da fiel er schnell ein:

»Warum lachst du da? Etwa über mich? Ich kann doch nichts dafür, daß Hanneh, die Wonne meiner Augen, grad auf diese stinkende Retschina fena gekommen ist! Sie fragte mich, ob man jemandem eine Rose zeigen dürfe, und ich mußte dies natürlich bejahen. Hierauf wollte sie wissen, ob es die Höflichkeit gestatte, jemandem ein Stück Retschina fena vor die Nase zu halten, und ich verneinte es. Kaum hatte ich das getan, so warf sie mir vor, daß sie von mir nicht wie eine duftende Rose, sondern wie stinkende Retschina fena behandelt werde. Sie behauptete, die Frauen des Orientes würden von ihren Männern genau so eingewickelt, wie man die Retschina fena einwickelt, damit keine Nase von ihr beleidigt werde; das sei die größte Kränkung, die es geben könne; das müsse anders werden, denn so eine Entwürdigung des weiblichen Geschlechtes könne unmöglich länger geduldet werden! Ich sage dir, sie verlangte in ihrem Zorne auch Eisenbahnen und auch Lokomotiven hierher zu uns; sie wolle sich nicht länger als Retschina fena behandeln lassen, sondern auch im Wagen sitzen wie die Frauen des Abendlandes, die keine Puppen, sondern Herrinnen seien und ganz dieselben Rechte wie ihre Männer hätten! Denke dir, Rechte! Meine Hanneh, die schönste, die ruhigste, die sanfteste, die geduldigste, die liebenswürdigste aller Liebenswürdigkeiten, sprach von Rechten, von denselben Rechten, wie die Männer haben! Ist das nicht unerhört?«

»Nein.«

»Nicht? Wie denn? »

»Ich halte es für selbstverständlich, nicht für unerhört.«

»Aber was soll daraus werden, wenn die Frauen nicht mehr so zurückgehalten werden, wie es jetzt geschieht!

»Zurückhalten? Meinst du vielleicht, daß sie dann wie wilde Tiere über uns herfallen, um uns zu verschlingen?«

»Nein; du mußt nicht gleich das Allerschlimmste sagen. Ich war aber der Ansicht, daß man ihnen sehr enge Grenzen ziehen muß.

»Welche Grenzen zum Beispiel?«

»Es muß ihnen verboten sein, auszugehen, sobald es dunkel ist!«

»Gut; weiter!«

»Sie müssen es vermeiden, mit einem Manne, der nicht ihr Mann ist, allein zu sein.«

»Das verlangst du im vollen Ernste?«

»Jawohl! In dieser Beziehung verstehe ich keinen Spaß. Gegen eine Frau, welche diese Gesetze übertritt, muß man sich genau so wie der Padischah gegen seinen Harem verhalten!«

»Wie?«

»Er läßt solche Frauen in einen Sack binden und in das tiefste Wasser werfen.«

»Wirklich?«

»Ja, das tut er, und ich sage, daß dies ganz richtig von ihm ist!«

»Lieber Halef, hast du vielleicht einen Sack mit?

»Ja, mehrere, für die Pferdedatteln.«

»Sind sie groß genug, eine Frau hineinzustecken?«

»Nein.«

»Schade, jammerschade!«

»Warum?«

»Wir hätten deine Hanneh in einen solchen Sack gesteckt und in das erste Wasser geworfen, weiches wir antreffen.«

»Meine Hanneb? Die allernotwendigste Notwendigkeit zum Glücke meines Erdenlebens?« fragte er erstaunt.

»Leider!« nickte ich sehr ernst.

»Sie in einen Sack stecken?«

»Ja.«

»Und in das Wasser werfen?«

»In die tiefste Stelle sogar!«

»Warum? Sag schnell, warum?«

»Weil sie gegen die beiden Gesetze gehandelt hat, welche du vorhin aufstelltest.«

»Du scherzest, Effendi, du scherzest!«

»Nein. Ich bin Zeuge, daß sie es getan hat!«

»Sihdi, mach mich nicht unglücklich! Meine Hanneh wäre mit einem Manne, der nicht ich war, allein gewesen?«

»Ja; sogar in tiefer Dunkelheit, beim Neumonde, ganz hinter den Zeiten eures Lagers.«

»Ich sterbe! Ja, ich sterbe vor Trauer, obgleich ich es für vollständig unmöglich halte, daß sie dieses größte aller Verbrechen begangen haben kann! Aber du sagst es, Effendi, du, der mein erster und bester Freund ist und mir so etwas nicht mitteilen wird, ohne es beweisen zu können!«

»Ich habe dir schon gesagt, daß ich Zeuge bin, und ich teile dir jetzt mit, daß es noch einen zweiten Zeugen gibt.«

»Noch einen? Der es gesehen hat?«

»Ja.«

»Wer ist das? Sag es! Heraus damit! Diesen Halunken bringe ich augenblicklich um, weil er es mir verschwiegen hat!«

»Lieber Halef, das würde Selbstmord sein!«

»Selbst – – – ? »

»Ja, denn du selbst bist dieser zweite Zeuge.«

»Ich – – – ich – – – ich selber!«

»Ja. »

»Effendi, du wirst mir immer unbegreiflicher!«

»Du scheinst es vergessen zu haben; darum will ich deinem Gedächtnisse zu Hilfe kommen. Erinnerst du dich jener Neumondsnacht vor unserem Aufbruche nach dem Tigris, als wir unsere Reise nach Persien antraten?«

»Ja. »

»Da hat, nach Mitternacht sogar, deine Hanneh mit einem Manne, der nicht Hadschi Halef war, eine ziemlich lange Zeit hinter euern Zelten gesteckt.«

Da warf er beide Arme freudig empor und rief, indem er tief und wie von einer großen Last befreit Atem holte, in frohem Tone aus:

»Hamdulillah! Da wird mir ja das Herz gleich wieder leicht! 0 Sihdi, was für eine außerordentliche Bangigkeit hast du in meine Seele gelegt! Es war, als ob mir das ganze Glück meines Lebens zerrissen und zertrümmert werden solle. Hätte ein anderer so zu mir gesprochen wie du, gleich wäre ihm mein Messer in den Leib gefahren, zur Strafe dafür, daß er es wagte, Hanneh, das köstliche Ebenbild der reinen Sonne, mit seinen Verdächtigungen zu beschmutzen. Da du es aber warst, der also sprach, so konnten die Worte, welche mir so tiefen Schmerz bereiteten, doch keine Lüge sein; sie mußten Wahrheit enthalten. Darum fühlte ich mich niedergeschmettert wie ein kleiner Käfer, auf welchen ein großer Berg herabgefallen ist. Nun ich aber höre; daß du jene Nacht vor unserem Aufbruche meinst, ist dieser Berg wieder verschwunden, und der Käfer zappelt lustig weiter, denn ich weiß, daß du selbst der fremde Mann gewesen bist, der damals mit ihr gesprochen hat!«

»Und das macht dich nicht unglücklich?«

»Unglücklich? Fällt mir gar nicht ein! Und wenn ich tausend Hannehs hätte, die alle so schön und so unvergleichlich wären, wie diese eine, einzige, dir könnte ich sie alte, alle anvertrauen!«

»Ich glaube es dir. Aber weißt du, was du mit dieser für mich so ehrenvollen Versicherung getan hast?«

»Ja.«

»Nun, was?«

»Ich habe dir ein ungeheures Lob gespendet, ein geradezu beispielloses Vertrauen erwiesen!«

»Allerdings; aber zugleich hast du noch etwas anderes getan.«

»Von diesem etwas anderem habe ich keine Ahnung. Was ist es?«

»Du hast deine Anklage gegen das Abendland zurückgezogen und dich mit unseren Eisenbahnen einverstanden erklärt.«

»Ist mir gar nicht in den Sinn gekommen, Sihdi! Eure Eisenbahnen haben es mit mir verdorben, vollständig verdorben. Es fällt mir gar nicht ein, nicht einmal im Traume, mich mit ihnen auszusöhnen!«

»Du hast es aber doch getan, und zwar nicht im Traume, sondern soeben jetzt, im vollständig wachen Zustande!«

»Wieso?«

»Paß auf! Ich frage dich: Du hältst es für verboten, daß Frauen mit anderen Männern im Wagen der Eisenbahn beisammensitzen?«

»Ja, streng verboten! Davon gehe ich nicht ab!«

»Du hältst es ferner für verboten, daß Frauen mit anderen Männern, zumal in der Nacht und hinter den Zelten, beisammenstehen?«

»Eigentlich ja; aber wenn du es bist, so ist es erlaubt.«

»Warum da?«

»Weit ich weiß, daß ich sie dir anvertrauen kann.«

»Gut! Im Wagen der Eisenbahn sitzen unsere Frauen auch nur in der Nähe von Männern, denen wir sie anvertrauen können! Andere Männer würden von den Beamten sofort hinausgeworfen oder gar arretiert und bestraft werden!«

»Wirklich? Das finde ich allerdings sehr lobenswert!«

»Wenn aber zum Beispiel du dich in einem solchen Wagen befindest, dann würde jeder Mann seiner Frau oder seiner Tochter erlauben, sich in deine Nähe zu setzen.«

»Meinst du?« fragte er geschmeichelt.

»Ja.«

»Wirklich?«

»Ja, denn man sieht dir die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ja gleich beim ersten Blicke an!«

»Hm! Würde ich auch mit ihr sprechen dürfen?«

»Sie würde es dir ganz gern erlauben.«

»Ihr guten Rat geben, wenn sie weichen braucht?

»Natürlich!«

»Ihr sogar helfen, wenn sie meiner Hilfe bedarf?«

»Gewiß! Das ist grad der große Vorteil, den unsere Frauen und Töchter während der Reise genießen, daß sie von jedem Mitreisenden unterstützt und beschützt werden!«

»Du, Sihdi, das finde ich reizend, sehr reizend! Du weißt, wie gern ich meine Nebenmenschen beschütze. Es ist das schon bei Männern schön; wie schön muß es da erst bei Frauen sein! Denke dir, wenn ich als Dank ein freundliches Lächeln dafür bekäme!«

»Das wäre dir gewiß!«

»Wirklich? Sie würde lächeln?«

»Aber ja! Wenn du ihr einen freundlichen Dienst erweisest, lächelt sie dich auch freundlich an.«

»Sihdi, ich bitte dich, von diesem freundlichen Lächeln des Dankes mußt du gegen Hanneh schweigen, sonst bekommt sie einen ganz falschen Begriff von eurer Eisenbahn, und das sollte mir leid tun!«

»Leid? Dir? Ich denke, du magst nichts von der Eisenbahn wissen?«

»Ganz richtig! Eigentlich mag ich sie nicht leiden, ja, aber wenn die Frauen nur bei braven, dienstbereiten Männern sitzen, welche mit einem Lächeln der freundlichen Anerkennung belohnt werden, so sehe ich keinen vernünftigen Grund, warum es grad mir verboten sein soll, auf der Eisenbahn zu fahren. Ich sage dir, wenn so eine Eisenbahn von hier nach Mekka ginge, ich würde wahrscheinlich nicht auf dem Kamele sitzen bleiben.«

»Sondern fahren?«

»Ja. Was kann mir das Lächeln eines Kameles nützen, selbst wenn es nämlich lächeln könnte! Dürfte ich denn einer solchen Frau auch von unseren Reisen, von unseren weiten und gefährlichen Ritten und von den Taten des Mutes und der Tapferkeit erzählen, welche wir vollbracht haben?«

»Ja. Sie würde dir sogar dankbar dafür sein, denn durch diese Erzählungen würdest du die Langeweile von ihr fernhalten.«

»Nicht nur das, sondern ich würde sogar ganz bedeutend zu ihrer Bereicherung in den Kenntnissen der Dschigrafia und Tarih (Geographie und Weltgeschichte) beitragen, wofür ich wahrscheinlich auch ein freundliches Lächeln zu sehen bekäme! Du, Effendi, das mit euern Eisenbahnen ist ganz anders, ganz anders, als ich dachte! Warum hast du mir das von dem Lächeln nicht sogleich gesagt? Du pflegst aber immer grad die Hauptsache zu vergessen; das ist es, was ich an dir auszusetzen habe. Und wenn ich dadurch zu einer irrigen Ansicht verleitet werde, so wirfst du die Schuld nicht auf dich, sondern auf mich, der ich doch gar nichts dafür kann! Jetzt sehe ich ein, daß eure Einrichtungen doch nicht so verwerflich sind, wie ich bisher gedacht habe,und – – – Da, schau empor, Sihdi! Siehst du die beiden Nusura (Geier)?«

»Ja«. antwortete ich. »Ich habe sie schon eine ganze Weile beobachtet.«

»Sie schweben jetzt grad über uns; sie scheinen uns also zu beobachten.«

»Ja, das tun sie. Sie wollen sehen, ob sie von uns irgendeine Beute erwarten dürfen. Wenn sie über uns bleiben und uns begleiten, können wir überzeugt sein, daß wir uns ganz allein in dieser Gegend befinden. Übrigens hast du dich in diesen Vögeln geirrt, es sind keine Nusura. Unter Nisr versteht man den weißköpfigen Geier, aber der mit seinem Weibchen da über uns schwebt, ist ein Bartgeier, el Büdsch genannt. Man sieht ihn häufiger in Ägypten und den Maghrebländern; hier aber ist er sehr selten. Ich sah diese beiden vorhin aus Südwesten kommen. Sieh, da entfernen sie sich wieder, und zwar in dieser Richtung. Das ist mir interessant, höchst interessant!«

»Warum, Effendi?«

»Weil sie glauben, dort leichter Fraß zu finden als hier bei uns.«

»Woher weißt du das?«

»Ich schließe es aus ihrem Verhalten. Diese Vögel sehen außerordentlich weit. Sie haben uns aus großer Entfernung gesehen und sind gekommen, uns zu betrachten. Da sie sich jetzt wieder entfernen, dürfen wir annehmen. daß es dort, woher sie kamen und wohin sie nun wieder fliegen, mehr Beute zu erwarten gibt als bei uns. Unsere Tiere sind gesund und kräftig, darum bewegen wir uns rasch und energisch; das wissen diese Vögel wohl zu beurteilen. Ich würde jede Wette darauf eingehen, daß es dort im Südwesten von uns leidende Wesen gibt, Menschen oder Tiere, wohl auch beides zugleich, deren Haltung und Bewegungen den Geiern Ursache zur Hoffnung auf baldigen, reichlichen Fraß geben.«

Wir verfolgten die Vögel mit unseren Augen. Als Halef sie nicht mehr erkennen konnte, sah ich sie noch als kleine Punkte, welche sich nicht mehr weiter entfernten, sondern über einer bestimmten Stelle schwebten, die sicher sehr weit von uns entfernt war, obgleich die Geier nicht mehr als zwei Minuten gebraucht hatten, dorthin zu kommen.

»Siehst du sie noch?« fragte Halef.

»Ja«, antwortete ich. »Sie stehen über einer bestimmten Stelle und gehen nicht von ihr fort. Es muß dort irgend ein gebrechliches Geschöpf oder auch mehrere geben.«

»Vielleicht gar Leichen!«

»Möglich; dann befinden sich aber lebende Personen dabei, vor denen die Geier sich fürchten, denn sonst würden sie schon längst niedergestoßen sein.«

»Du sprichst von einem gebrechlichen Geschöpfe. Wäre es da nicht unsere Pflicht, Hilfe zu bringen?«

»Allerdings.«

»Vielleicht aber handelt es sich bloß um Tiere!

»Das ist möglich; dann aber müßten es große Raubtiere, Löwen oder Panther sein, die ja in den Felsen Innerarabiens auch vorkommen; aber die laufen doch nicht jetzt am hellen Tage auf der Ebene herum! Wären es nicht Raubtiere, so hätten sich die Geier niedergelassen und säßen, ruhig wartend, in der Nähe ihrer Beute. Ich bin daher der Ansicht, daß es Menschen sind, müde, hinfällige Menschen, die aus irgend einem Grunde nicht mehr fort können. Wir sind verpflichtet, ihnen Hilfe zu bringen, werden das aber nicht in unvorsichtiger Weise tun. Erkundigen wir uns also bei dem Ben Harb, ob es hier in dieser Gegend vielleicht einen Weideplatz irgendeines Beduinenstammes gibt!«

Als wir den schon erwähnten Führer fragten, teilte er uns mit, daß wir uns mitten in der Sandwüste befänden, in welcher es keinen einzigen Brunnen, also auch keine Weide gebe; das nächste Wasser liege so weit von hier, daß sich sein Einfluß bis hierher gar nicht geltend machen könne.

Da es nicht geraten war, unsere ganze Karawane ihre Richtung verändern zu lassen, ritten wir langsam weiter und beauftragten Omar Ben Sadek und einen Haddedihn, nach der Stelle zu reiten, über weicher die Geier standen. Um, wenn nötig, gleich Hilfe bringen zu können, nahmen sie einen vollen Wasserschlauch mit. Die Wüstenebene war nur scheinbar glatt, in Wirklichkeit aber so gewellt, daß wir die beiden Reiter schon nach kurzer Zeit nicht mehr sehen konnten. Es dauerte weit über eine Stunde, bis sie zurückkehrten. Es mußte sich um etwas doch nicht Gewöhnliches handeln, denn Omar Ben Sadek wartete mit seinem Berichte nicht, bis er uns erreicht hatte, sondern rief uns schon von weitem zu:

»Effendi, ihr müßt abschwenken und mit uns kommen! Es gilt, fünf Menschen zu retten.«

»Wer sind sie? » fragte ich.

»Wahrscheinlich Leute aus Mekka.«

»Wahrscheinlich? Haben sie nichts Bestimmtes gesagt?«

»Nein. Du weißt ja auch, daß hier in der Wüste jedermann vorsichtig ist. Wir könnten ja zu einem ihnen feindlichen Stamm gehören.«

»Hast du ihnen nicht gesagt, daß wir Haddedihn sind, die so weit von hier wohnen, daß sie hier unmöglich eine Thar (Blutrache) haben können?«

»Das habe ich wohl gesagt; aber sie glaubten es nicht. Du würdest ja auch nicht sofort alles glauben, sondern vorher die Personen und das, was sie sagen, einer Prüfung unterwerfen.«

»Es sind also fünf Personen?«

»Fünf Lebende und ein Toter.«

»Erzähle doch lieber zusammenhängend!«

»Ich tue es. Wir ritten nach Südost und sahen bald die Geier wieder, die ganz unbeweglich in der Luft zu stehen schienen; aber je näher wir kamen, desto deutlicher bemerkten wir, daß sie nicht standen, sondern langsam Kreise zogen. Später sahen wir dann den Gegenstand oder vielmehr die Gegenstände ihrer Aufmerksamkeit. Es waren sechs Hudschun, welche am Boden lagen, neben ihnen ihre Reiter, Tiere und Menschen still und unbeweglich wie Leichen. Als wir ganz nahe herankamen, hoben die Kamele die Köpfe, ließen sie aber gleich wieder sinken. Sie sahen abgetrieben aus, wie nach einem langen, angestrengten Eilritte, und waren halb verdurstet. Drei von den Männern standen in den mittleren Jahren; einer war jung und einer war alt. Der Alte schien am wenigsten erschöpft zu sein; er bat sogleich um Wasser, das wir ihnen auch sofort gaben. Sie tranken die Dschirbe (Schlauch) fast ganz leer.

»Und die Leiche?«

»Wir konnten nicht sehen, was für eine Person es war, denn sie war mit dem Haik zugedeckt.«

»Was gab es für Fragen und Antworten?«

»Der Alte erkundigte sich, wer wir seien, und wir sagten es ihm; er aber ließ die zweifelnden Worte Allah weiß es! dazu hören. Als ich ihn nach seinem Namen fragte, sagte er, sie alle seien aus Mekka, wozu ich ihm nun auch ein ,Allah weiß es‘ zu hören gab. Er bat um Wasser für Menschen und Tiere, auch um etwas Futter für die Kamele; Mehl und Datteln für sich hätten sie noch.«

»Woher kommen sie?«

»Das sagte er nicht. Er meinte, er habe uns auch keine Frage vorgelegt; der Gläubige müsse seinem Bruder helfen, ohne nach seinem Namen und nach seinem Ausgange und Eingange zu fragen..«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
590 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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