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Kitabı oku: «Am Jenseits», sayfa 4

Yazı tipi:

»Ich habe nichts dagegen, obgleich du jedenfalls nicht der Mann bist, deres sonst unternehmen dürfte, mich zu prüfen.«

»Was haben wir vorhin gebetet?

»Einen Teil der Burda.«

»Von wem ist dieses Gedicht?

»Von El Buschiri.«

»Sage mir seinen vollständigen Namen!«

»Scharaf ed Din Abu Abdallah Muhammad Ben Said Ben Hammad Ben Muchsin Ben Abdallah Ben Schamhagh Ben Hilal Aschamhagi. Das ist der Name, den du wahrscheinlich selbst nicht auswendig gewußt hast.«

»Ich wußte ihn, denn jeder Gelehrte kennt ihn genau, darum weiß ich jetzt, daß du wirklich ein Gelehrter bist. Aber wie beweisest du mir, daß diese Leute auch wirklich zum Stamme der Haddedihn gehören?«

»ich habe dir gar nichts zu beweisen; es ist uns höchst gleichgültig, ob du es glaubst oder nicht.

»Dieses dein Verhalten beweist, daß es wahr ist. Nun will ich fragen, ob es euch stört, wenn wir die vorgeschriebenen Gebete über den Toten weitersprechen?«

»Die Vorschriften der Religion soll man erfüllen.«

»Werdet ihr uns noch Wasser geben?«

»Nein. Höchstens dann, wenn ihr uns darum bittet.

»Geht euer Ritt nach Mekka, der heiligen Stadt?«

»Ja. »

»Der unserige auch. Wir werden jetzt den Toten begraben und dazu beten. Dann brechen wir auf. Da ihr unsere Kamele getränkt habt, halten sie es nun bis zum Bir Hilu aus; wir aber würden verdursten, wenn wir nicht noch hier und unterwegs trinken könnten. Darum bitten wir euch noch um einen Schlauch.«

»Gut, weil du bittest, werdet ihr ihn bekommen. Ihr habt Schläuche bei euch, von denen einer gefüllt werden mag.«

»Ich – danke – dir!«

Er dehnte die Silben weit auseinander und legte einen ungewöhnlichen Nachdruck darauf, was mich aber nicht veranlassen konnte, mein Wort nicht zu halten. Als er an seinen Platz zurückgekehrt war und sich dort niedergesetzt hatte, begannen sie, die Haschrijeh, ein Begräbnislied, zu singen, in welchem der Jüngste Tag beschrieben wird, Es beginnt:

»Ich preise die Vollkommenheit dessen, der alles geschaffen hat, was Gestalt besitzt. Er unterwarf seine Diener dem Tode, weicher alle Geschöpfe samt den Menschen zur Vernichtung bringt.«

Als dieser in widerlich klingenden Fisteltönen vorgetragene Gesang beendet war, wühlten sie, etwas entfernt von ihrem jetzigen Platze, mit ihren Händen in dem lockeren Sande eine Grube auf, holten den Toten und legten ihn hinein. Dann knieten sie, den Vorbeter ausgenommen, dort nieder.

Dieser blieb stehen und rief:

»Kommt herbei, ihr Gläubigen, denn ich habe das Leichengebet über den verstorbenen Muslim, weicher hier anwesend ist, zu sprechen!«

Diese Aufforderung ist Vorschrift. Wir gingen zwar nicht hin, standen aber auf, weil es nach den Regeln des Islam eine unverzeihliche Sünde gewesen wäre, sitzen zu bleiben. Jetzt erhob er die Hände bis zum Kopfe, berührte mit den Daumen die Ohren und rief:

»Gott ist groß; Gott ist sehr groß.«

Die Mekkaner wiederholten diese Worte laut. Er rezitierte hierauf die Fathha, das erste Kapitel des Koran, rief nochmals »Gott ist sehr groß«, was wiederholt wurde, und fügte hinzu.

»O Gott, sei günstig unserm Herrn Muhammed, dem der Schrift unkundigen Propheten, auch seiner Familie und seinen Gefährten, und behüte sie! – – – Gott ist sehr groß!«

Nachdem auch dieser Ruf wiederholt worden war, betete der Ghani:

»O Gott, wahrlich, das ist dein Diener und der Sohn deines Dieners. Er ist weggegangen aus dem Schlafe der Welt und ihrer Geschäftigkeit und von allem, was er liebte, und von denen, die ihn hier liebten, in die Finsternis des Grabes und zu dem, was er erfährt. Er bekannte, daß es keinen Gott gibt, als dich allein, daß du keinen Genossen hast, und daß Muhammed dein Diener, dein Gesandter sei und daß du hinsichtlich seiner allwissend seiest. O Gott, er ist hingegangen, zu wohnen bei dir, denn du bist der beste, bei dem man wohnen kann. Er bedarf deines Erbarmens, und du bedarfst seiner Strafe. Wir sind zu dir gekommen, flehend, daß wir für ihn eintreten möchten. O Gott, wenn es einer war, der Gutes tat, so rechne ihm seine guten Taten an; wenn er aber einer war, der übel tat, so rechne ihm seine bösen Taten nicht an! Gewähre in deinem Erbarmen, daß er deinen Beifall finde, und spare ihm die Prüfung des Grabes und dessen Qual; mache ihm sein Grab weit, und halte ab die Erde von seinen Seiten, und gewähre in deinem Erbarmen, daß er Sicherheit finde vor deiner Qual, bis du ihn wohlbehalten sendest zu deinem Paradiese! 0 du Erbarmendster unter denen, die sich erbarmen! – – – Gott ist sehr groß! – – – O Gott, verweigere uns nicht unsern Lohn für den Dienst, den wir ihm erwiesen, und führe uns nicht zur Prüfung nach ihm! Vergib uns und ihm und allen Moslemin, o Herr aller Geschöpfe!«

Nach diesem Schlusse des eigentlichen Gebetes verneigte er sich nach rechts und nach links und sagte dabei zweimal:

»Friede sei über euch und das Erbarmen Gottes!«

Dieser Gruß gilt den Engeln, welche nach muhammedanischem Glauben unsichtbar zu beiden Seiten stehen. Dann forderte er seine Leute nach der Vorschrift auf:

»Gebt euer Zeugnis über diesen Toten!«

»Er war einer von den Tugendhaften«, antworteten sie.

Als nun der Tote mit Sand bedeckt worden war, folgte die Fathha wieder und hierauf das Schlußgebet, welches aus den drei letzten Versen der Sute Bagarah besteht:

»Alles, was im Himmel und auf Erden ist, gehört Gott. Er wird euch über das, was sich in eurem Herzen befindet, mögt ihr es veröffentlichen oder‘ verheimlichen, zur Rechenschaft ziehen. Er verzeiht, wenn er will, und er bestraft, wenn er will, er, Gott, der über alle Dinge mächtig ist. Der Prophet glaubt an das, was ihm von Gott offenbart worden ist, und alle Gläubigen glauben an Gott, an seine Engel, an seine Schrift und an seine Propheten. Wir machen keinen Unterschied zwischen seinen Propheten. Sie sagen: »Wir hören und gehorchen.« Dich aber, o Herr, bitten wir um Gnade. denn zu dir ‚ kommen wir einst. Gott zwingt niemanden, über seine Kräfte zu tun, aber den Lohn dessen, was man Gutes oder Böses getan hat, wird man erhalten. 0 Herr, bestrafe uns nicht, wenn wir ohne oder mit Absicht gesündigt haben! Lege uns nicht auf das Joch, weiches du denen auferlegtest, die vor uns lebten. Lege uns nicht mehr auf, als wir tragen können. Verzeihe uns, vergib uns; erbarme dich unser; du bist unser Beschützer! Hilf uns gegen die Ungläubigen!«

Hiermit war die Zeremonie beendet, die bei Begräbnissen in bewohnten Orten natürlich eine ganz andere ist.

Nun schickte Ei Ghani einen seiner Leute mit einem leeren Wasserschlauch zu uns, den wir füllen ließen; dann rüsteten sie sich zum Aufbruche. Als sie die Kamele bestiegen hatten, ritten die andern fort. ohne uns zu beachten; EI Ghani aber lenkte das seinige nahe zu uns heran und rief uns zu:

»Ihr habt nicht laut mitgebetet, obwohl das eure Pflicht gewesen wäre. Darum haben wir das Angesicht des Toten unbedeckt gelassen, damit er euch im Jenseits verfluche, wenn ihr nicht dadurch Teil an seiner Bestattung nehmt, daß ihr ihm die noch fehlende Erde gebt. Eure Beleidigungen habe ich behalten, ich nehme sie mit mir, aber sobald ihr nach Mekka kommt, rechne ich dort mit euch ab. Es bleibt euch keines eurer Worte geschenkt. Allah verfluche euch!«

Da sprang Halef auf, riß die Peitsche empor, sprang dem Mekkaner nach und langte ihm zwei oder drei so kräftige Hiebe zu, daß der Getroffene vor Schmerz brüllte. Er hatte bei der außerordentlichen Behendigkeit des Hadschi keine Zeit gefunden, sich schnell genug davonzumachen. Dieser rief ihm noch nach:

»Hund, Hundsgroßvater und Urhundsenkel! Da hast du einen Teil der Abrechnung schon heute mit! Den Rest werde ich dir in Mekka ehrlich zahlen! Mach dich gefaßt! Was ich verspreche, halte ich gewiß!«

Es klangen noch einige Flüche zu uns her; dann war der »Liebling des Großscherif« mit seinen Leuten verschwunden.

Die Haddedihn tauschten sehr lebhaft ihre Meinung über unsere Begegnung mit den Mekkanern aus. Halef beteiligte sich natürlich sehr daran, ich war still. Als ihm das nach längerer Zeit auffiel, fragte er mich nach dem Grunde meines Schweigens. Ich mußte die Antwort für später aufheben; mein Schweigen sollte eine Strafe für ihn sein, ich wußte, wie empfindlich er dafür war. In Gegenwart seiner Frau und seines Sohnes konnte ich ihm doch nicht sagen, daß er zwei unverzeihliche Fehler begangen hatte. Er hätte den Mekkanern unsere Namen nicht sagen und dann zuletzt El Ghani nicht schlagen dürfen, denn wenn dieser wirklich ein angesehener Bürger der heiligen Stadt war und gar in persönlicher Beziehung zu dem Großscherif stand, so konnte er uns nicht nur bedeutende Ungelegenheiten, sondern noch viel mehr bereiten, zumal ich ja nicht Muhammedaner und darum auf die größte Vorsicht angewiesen war.

In Beziehung auf den wiederholt genannten Scherif von Mekka bemerkte ich, daß das Wort Scherif soviel wie edel, adelig, erhaben bedeutet. Unter einem Scherife versteht man einen direkten Abkömmling Muhammeds durch dessen Tochter Fatima, welche die Frau Alis war. Den Scherifs steht es allein zu, einen grünen Turban und ein grünes Oberkleid zu tragen. Die kleinste Beleidigung eines solchen Edlen wird sehr streng geahndet. Die Scherif würde überträgt sich sowohl durch männliche wie auch weibliche Personen. Man hat, besonders in Persien, mehrere Zweige der Eschraf, so die Aliiden, Fatimiden, Dschafariden, doch gibt es auch Familien, welche sich als Scherif bezeichnen, es aber nicht sind. Dies ist der Fall, obwohl in fast jeder muhammedanischen Stadt von besonderen Beamten, welche Nakyb el Eschraf heißen, Listen über die zu diesem Titel berechtigten Familien und Personen geführt werden, welche alljährlich mit der großen Pilgerkarawane nach Mekka gebracht und dem dortigen Großscherif zur Ansicht und Bestätigung vorgelegt werden. Er ist der Stammfürst sämtlicher Nachkommen des Propheten, der Statthalter von Mekka und oberster Hüter der Kaaba und sämtlicher Heiligtümer und bekommt jährlich vom Sultan reiche Geschenke geschickt. Das Scherifat ist eigentlich nur eine geistliche Auszeichnung oder Würde, und ein Scherif soll durch seine direkte Abstammung von Muhammed nicht weltliche Vorteile genießen, aber in der muhammedanischen Welt dominieren in jeder Beziehung die geistlichen Verhältnisse, und so glauben auch die Eschraf das Recht zu haben, in Beziehung auf die materiellen Güter ebenso wie in geistlicher Hinsicht den Nichtabkömmlingen des Propheten weit voranzustehen. Diesen Standpunkt nimmt besonders der Großscherif, der Scherif el Eschraf ein. Er dünkt sich, nicht niedriger zu stehen als der Sultan, der doch der Kalif, also der Oberhirt und Beherrscher aller Gläubigen ist, und die Geschichte hat schon wiederholt Beispiele davon gebracht, daß der Herr der Kaaba gar wohl imstande ist, dem Padischah die Faust zu zeigen, zumal der Weg von Stambul nach Mekka ein weiter ist und es also seine Schwierigkeiten hat, die Zügel zwischen dort und hier so straff zu halten, wie es eigentlich geschehen sollte. Den Millionen muhammedanischer Pilger, welche nach Mekka und Medina kommen, erscheint der Großscherif näher als der von den Heiligtümern so ferne Sultan, und so ist es nicht zu verwundern, daß sie glauben, mehr unter der Macht und dem Einflusse des ersteren als des letzteren zu stehen.

Dies also ist über den Großscherif zu sagen, dessen Liebling sich el Ghani genannt hat. Obwohl ich nun annahm, daß diese Bezeichnung auch in der bekannten orientalischen Übertreibung gebracht worden war, so mußte etwas Wahres doch daran sein. Er stand in irgendeiner Beziehung zu dem Beherrscher derjenigen Orte, welche ich besuchen wollte, obgleich mir dies als Christen bei Todesstrafe verboten war, und konnte mir bei jeder ihm beliebigen Gelegenheit Fallstricke legen, denen trotz aller Vorsicht, aller Klugheit und auch allen Mutes nicht zu entgehen war. Und das hatte ich dann der Unüberlegtheit Halefs zu verdanken, dessen heißgeliebte Peitsche in Bewegung gesetzt worden war, obgleich der grüne Turban, den EI Ghani trug, bewiesen hatte, daß er auch zu den Abkömmlingen Muhammeds gehörte, deren Beleidigung zehnfach gefährlicher als jede andere ist. Mit der sehr kräftigen, aber doch bloß wörtlichen Zurückweisung der Arroganz des Mekkaners durch den Hadschi war ich vollständig einverstanden gewesen, weit dies kein unberechtigter, zur Rache herausfordender Angriff, sondern eine sehr berechtigte Abwehr gewesen war; aber Prügel mit der Peitsche, einem Araber, welcher die Würde eines Scherif bekleidete, das war eine Übereilung, mit welcher ich unmöglich einverstanden sein konnte. Ich nahm daher die Gelegenheit wahr, dem Hadschi zu folgen, als er vor dem Schlafengehen noch einmal nach seinem Pferde sah. Da waren wir allein. Mein ununterbrochenes Schweigen hatte die beabsichtigte Wirkung nicht verfehlt. Er empfing mich mit den Worten:

»Du bist zornig auf mich, Sihdi, weil ich diesem hochmütigen Menschen meine Kurbadsch (Peitsche) zu schmecken gegeben habe?«

»Natürlich! Wunderst du dich vielleicht darüber?« antwortete ich.

»Nein; aber er hatte es verdient.«

»Die Klugheit verbietet sehr häufig, den Menschen nach dieser Art von Verdienst zu behandeln! Du hättest schon unsere Namen nicht sagen dürfen, es war auf alle Fälle besser, wenn er über uns im unklaren blieb. Aber du mußt jedem unbekannten Menschen gleich sagen, was für ein berühmter Kerl du bist!«

»Bin ich das etwa nicht?«

»Nein!«

»Aber du?«

»Auch nicht. Wir sind in gewissen Gegenden bekannt, das ist alles. Wir beide brauchen uns gar nichts einzubilden; es gibt überall Hunderte und Tausende von Menschen, die noch ganz andere Kerls sind, als du und ich! Du aber denkst, ein Scheik der Haddedihn und ein hier im Oriente herumkrabbelnder abendländischer Dudi el Kutub (Bücherwurm) seien die hervorragendsten und gewaltigsten aller Erdenbewohner, weil sie einmal einen Löwen geschossen haben oder vor einigen Kurden nicht gleich ausgerissen sind. Für so hochwichtige Leute darfst du uns denn doch nicht halten. Ich sage dir, wenn eine ganze Million Menschen unserer Sorte jetzt plötzlich stürbe, die Weltgeschichte würde ihren Gang sehr ruhig weitergehen!«

»Das glaube ich nicht, Sihdi!«

»Es ist aber so!«

»Nein, denn meine Haddedihn gehören doch auch zur Weltgeschichte, und wenn ich jetzt plötzlich stürbe, so würde die Haddedihnsche Abteilung der Geographie und Geschichte in die bittersten Tränen ausbrechen und eine sehr traurige werden. Und was soll aus dem Stamm der deutschen Beduinen werden, wenn du hier stirbst und nicht zu ihnen wiederkehrst? Zunächst würde in deinem Harem sich ein großes Weinen und Klagen erheben, und von diesem deinem Frauenzelte aus würde sich dann eine niemals versiegende Flut der Tränen ergießen über alle Berge, Täler und Ebenen deines Vaterlandes. Die Palmen eurer Oasen würden eingehen vor Schmerz und die Herden der Kamele hinsinken durch die Seuche unheilbarer Traurigkeit. Es würde ein großer, unendlicher Jammer ausbrechen – – – – »

»Sei still!« unterbrach ich ihn. »Meine Emmeh würde trauern und mir sehr bald nachfolgen; davon bin ich überzeugt; sonst aber dürfte deine niemals versiegende Tränenflut nur deine Phantasie überschwemmen. Wir sind nichts Besseres als andere Menschen und haben keine Ursache zu solchen Posaunentönen, wie du immererschallen lässest, wenn von dir und mir die Rede ist. Hörst du wohl, ich sage dir und mir‘. Weißt du. was ich meine? »

»Nein.«

»Sooft ich von uns beiden spreche, bin ich so höflich, dich zuerst zu nennen; das habe ich stets getan. Du aber sagst stets mir und dir oder mich und dich, stellst also immer dich voran! Das habe ich jahrelang beobachtet und niemals eine Ausnahme bemerkt. Kannst du dir wohl denken, als weichen Beweis ich mir diesen an und für sich geringfügigen Umstand wohl habe gelten lassen?«

»Sihdi, von diesem Umstande weiß ich ja gar nichts!«

»Das ist es ja eben! Wenn ich mit dir von uns beiden spreche, so denke ich nicht nur an die dir schuldige Höflichkeit, sondern auch an meine Freundschaft und Liebe zu dir, welche mich bestimmen, dich stets voranzusetzen. Du aber weißt nichts davon, du denkst gar nicht daran, und weil du dich für einen ungeheuer bedeutenden Menschen hältst, bringst du dein liebes Ich ohne alle Ausnahme stets zuerst.«

»Ist das wahr, Effendi?«

»Ja.«

»Das möchte ich aber doch kaum glauben!«

»Ich könnte es dir beweisen, wenn auch nur indirekt.«

»Wodurch?«

»Du weißt, daß ich in meinen Büchern auch unsere Reisen und Erlebnisse beschreibe. Du hast mich gebeten, dich ganz genau so zu schildern, wie du bist, um Allahs willen ja nicht anders. Das habe ich getan, und nun kann jeder, der ein solches Buch in die Hand bekommt, nachschlagen und sich überzeugen, daß du mich immer hinter dich stellst, mich stets erst nach dir nennst.«

Da faßte er mich schnell und kräftig am Arm, zog mich einige Schritte fort, als ob jemand dastehe, der seine Worte nicht hören solle, und fragte mich in erschrockenem, heftigem Tone:

»Du, Sihdi, steht das wirklich in den Büchern?«

»Ja.«

»Und jeder kann es lesen?«

»Meine Bücher befinden sich in mehr Händen, als du denkst. Hunderttausende haben es schon gelesen.«

»Sei barmherzig und sag, daß es nicht so ist!«

»Das kann ich nicht, denn es ist wirklich so.«

»Allah kerihm! So sei Allah mir gnädig! Was müssen diese Leute alle von mir denken! Für was müssen sie mich hatten, den Scheik der Haddedihn vom großen Stamme der Schammar! Wenn mein Mich stets vor deinem Dich zu finden ist, ohne daß ich deinem Dir vor meinem Mir den Vortritt lasse, so ist zu befürchten, daß unser Uns auch stets an der unrechten Stelle steht! Mein ganzer Ruhm ist hin! Man wird mein Ich für ungeheuer rücksichtslos halten und mich mit Recht der unhöflichen und also unverzeihlichen Zurückstellung deines dir mit vollstem Rechte gehörenden Du beschuldigen! Die Ehre meiner bescheidenen Unterwürfigkeit ist hingeschwunden und der Glanz meiner schönen Umgangsform in Finsternis verwandelt! O Sihdi, warum, warum hast du das mir, deinem treuen Halef, angetan!«

»Du hast es so gewollt. Ich sollte dich ja nicht anders beschreiben, als du bist!«

»Das ist wohl wahr; aber als ich diesen Wunsch aussprach, war mir das Mich und Dich ganz unbekannt. Nun ist dein Hadschi Halef im ganzen Abendlande ein anrüchiger Mensch geworden, und all mein einstiger guter Ruf hat sich in Schimpf und Schmach verkehrt. Ich bin eine verdorbene Wassermelone, ein fauler Apfel, ein wurmstichiger Buchecker geworden, den kein Sindschab (Eichhörnchen) verzehren mag! Sei gütig gegen mich, Effendi, und sag, ob das nicht noch zu ändern ist!«

»Was einmal im Buche steht, kann leider nicht daraus entfernt werden.«

»Aber wie da, wenn du ein neues schreibst?«

»Da will ich dir ganz gern deinen Wunsch erfüllen und zeigen, daß du dich geändert hast. Nur muß diese Änderung auch Wahrheit sein!

»Sie wird es sein; das verspreche ich dir! Da du mein Freund bist, muß es doch wohl mich und dich betrüben, wenn – »

»Halt!« unterbrach ich ihn. »Da eben hast du wieder mich und dich gesagt und dich vorangestellt!.

»Sihdi, glaube mir, ich wollte hinterher kommen, bin mir aber in der Eile so verkehrt aus dem Munde gefahren, daß du keinen Platz gefunden hast, vor mir zu erscheinen. Ich bitte dich, mich stets und sofort zu erinnern, wenn du den Vorrang nicht bekommst, der dir gebührt! Also diese Zurücksetzung des Dich hat mich bei dir um meinen Ruhm gebracht?«

»Nicht um den Ruhm gebracht; ich habe nur sagen wollen, wie bezeichnend sie für dich und deine Art und Weise ist. Das war die Bestrafung deiner Unüberlegtheit im Verhalten zu el Ghani. Deine Peitsche heut kann uns sehr viel, sogar das Leben kosten. Er ist Araber, also rachsüchtig, und sodann gar Scherif! Hast du denn die grüne Farbe seines Turbans nicht beachtet?«

»Sihdi, es wurde mir vor Zorn so grün vor den Augen, daß die Farbe des Turbans sich gar nicht extra unterscheiden ließ. Ich hoffe doch, daß du, wenn du unser Zusammentreffen mit den Mekkanern beschreibst, mich und die Kurbadsch nicht mit erwähnst?«

»Hin! Diesen Gefallen möchte ich dir wohl gern tun, glaube aber, daß es mir nicht möglich sein wird.«

»Warum nicht?«

»Weil sich wahrscheinlich die Folgen deiner schnellen Handlungsweise einstellen werden, und wenn ich von diesen erzähle, muß ich auch die Ursache, deine Peitsche, erwähnen.«

»Das tut mir leid, sehr leid! Du kannst dir doch denken, daß ich nicht gern als ein Mensch beschrieben sein will, der nichts als Dummheiten macht!«

»So hüte dich, welche zu begehen!«

»Das mir zu sagen, ist wohl leicht; aber wenn es mir in der Zunge oder in den Gliedern zuckt, so springt die Katze heraus, ehe ich sie festhalten kann. Es ist mir aber ein gutes, ein sehr gutes Mittel der Bedachtsamkeit eingefallen, vorhin, als du die Bücher erwähntest. Ich habe mir vorgenommen, in diesen Büchern von jetzt an als leuchtendes Vorbild reiflicher Überlegung und ernster Behutsamkeit zu glänzen; ich werde keinen Finger mehr eher bewegen, als bis ich mir ganz genau berechnet habe, welcher von den zehn, die ich besitze, es sein muß. Dabei aber mußt du mich als Freund unterstützen, indem du mich sofort an die Bücher, weiche du noch schreiben willst, erinnerst, falls ich mich in Gefahr befinde, etwas zu sagen oder zu tun, was ich verschweigen oder unterlassen soll.«

»Da bin ich einverstanden; ich werde es gern tun.«

»Aber das braucht keiner, der dabeisteht, zu bemerken. Darum mußt du vermeiden, mir eine lange Rede zu halten, Sihdi!«

»Hast du mich als einen Freund von langen Reden kennen gelernt, Halef?

»Nein. Aber auch mir wird ein einziges Wort genügen.«

»Welches?«

»Kutub (Bücher). Sag einfach Kutub, so weiß ich, was du meinst, ohne daß ein anderer es erfährt! Sobald du dieses Wort aussprichst, werde ich sofort daran denken, daß ich den vielen, vielen Lesern deiner Bücher als erhabenes Vorbild und unerreichtes Muster aller irdischen und männlichen Tugenden zu gelten habe. Dieses Wort wird mich im größten Zorne beruhigen, indem es meinen Grimm mit Sanftmut übergießt; es wird mich in jeder Aufregung, überhaupt in jeder Lage, zur Besinnung und Überlegung dessen bringen, daß derjenige Teil der Weltgeschichte, weicher von mir, von meinen Worten und Werken handeln wird, nichts enthalten darf, wodurch der Glanz meines Ruhmes verdunkelt werden könnte. Also nur dieses eine Wort »Kutub« brauchst du zu sagen, wenn du den wütenden Löwen, der ich zuweilen bin, schnell in ein stilles, geduldiges Lamm verwandeln willst. Dafür bin ich aber auch überzeugt, zur Besänftigung deines Zornes nun alles getan zu haben, was du von mir verlangen kannst, und bitte dich, den überflüssigen Schwung, den ich meiner Peitsche gegeben habe, nicht wieder zu erwähnen!«

Mit diesen Worten war für ihn die Sache abgemacht, für mich aber freilich noch nicht, denn ich war überzeugt, daß die Folgen gewiß nicht auf sich warten lassen würden.

Jetzt war es Zeit, uns schlafen zu legen; ich sah also noch einmal nach dem Hedschihn, welches ich während dieser Reise ritt, und rief dann meinen Hengst Assil zu mir, denn er war jetzt ganz genau so mein Schlafkamerad, wie sein Vater Rih es früher gewesen war. Sein Hals diente mir als Kopfkissen, und vor dem Einschlafen sagte ich ihm die für ihn bestimmte Sure in das Ohr. Dann wurde es rundum still, denn außer dem einen Haddedihn, auf welchen die Wache gefallen war, hatten sie alle sich zur Ruhe gelegt. Später wurden wir durch einen Schuß aus dem Schlaf geschreckt; die Geier hatten sich zu nahe an den Toten gewagt und waren von dem Wächter vertrieben worden. Als ich später wieder aufwachte, war es um die Zeit des Fagr, des Gebetes um die Zeit der Morgenröte. Die meisten der Haddedihn waren schon munter. Hanneh hatte das Feuer wieder angezündet, um den Morgenkaffee zu kochen, zu welchem die gestern übrig gebliebenen Brotkuchen verzehrt werden sollten.

Hierbei will ich bemerken, daß der Beduine außerordentlich mäßig lebt und nur bei festlichen Schmausereien von dieser Regel eine Ausnahme macht. Der Fremde, weicher sich denselben Anstrengungen wie der Einheimische unterwerfen will. muß sich auch ganz derselben Mäßigkeit befleißigen, wenn er nicht von Krankheiten schnell dahingerafft sein will. Ich denke da noch heut mit großem Vergnügen eines Zusammentreffens zwischen mir und einem Wüstenreisenden, dessen Werke nicht unbekannt sind. Er erzählte mir mit großer, sichtlicher Befriedigung, daß er in der Wüste stündlich mehrere Glas Wasser getrunken habe. Er reiste mit vierzehn Zelten. Sobald diese aufgeschlagen waren, nahm er ein Frühstück zu sich, weiches aus einer Flasche Wein, Sardinen, kalter Zunge und Biskuit bestand, hierauf aß er zu Mittag eine »Suppe ersten Ranges«; so nannte er sie nämlich. Sie bestand, notabene für ihn ganz allein, aus drei Hühnern und einer ganzen Ochsenschwanz— oder Schildkröten-Konserve. Hierauf folgten Schafs oder Lammbraten, eine Eier oder Reisspeise, Biskuit nebst Wein und Kaffee. Dieser Herr versicherte mir im Tone stolzer Genugtuung, daß er »in der Wüste niemals einen Beduinen besucht habe, ohne Handschuhe anzuziehen! Und das, was er mir erzählte, hat er auch geschrieben und durch den Druck veröffentlicht! Wenn es Europäer gibt, welche in südlichen Ländern in dieser ausgiebigen Weise für das Wohlbefinden ihres Körpers sorgen, so ist es gar kein Wunder, wenn die durch diese Völlerei erzeugten überschüssigen Säfte sich auf dem auch schon nicht mehr ungewöhnlichen Wege des Tropenkollers Luft zu machen suchen! Ich habe stets genau in derselben Weise wie die Eingeborenen gelebt und bin nie der Ansicht gewesen, daß ich mich durch den Genuß von Extraspeisen und Delikatessen vor ihnen auszeichnen müsse. Was sie hatten und aßen, das hatte und aß auch ich, und da ich diesen Grundsatz auch in jeder andern Beziehung verfolgte, so bin ich mit ihnen stets, auch ohne Tropenkoller, sehr gut ausgekommen.

Als wir den Morgenkaffee zu uns genommen hatten, durften wir an unsern Aufbruch denken; vorher aber hatten wir das zu tun, was zu tun wir uns durch die Malice el Ghanis gezwungen sahen: Wir mußten die Leiche des Münedschi vollends mit Sand bedecken, wenn wir uns nicht einer ganz unverzeihlichen religiösen Unterlassungssünde schuldig machen wollten. Es wurden einige Haddedihn damit beauftragt, denen Halef befahl, es nicht bloß bei dem einfachen Zudecken zu lassen, sondern einen hohen und möglichst festen Grabhügel aufzubauen. damit die Geier dann nicht zu der Leiche könnten. Meiner alten Gewohnheit folgend, mich womöglich um alles selbst mit zu bekümmern, ging ich mit diesen Leuten nach der Stelle, wo die Mekkaner ihren Toten liegengelassen hatten; Halef war auch dabei.

Der Körper der Leiche war im Sande eingegraben, der Kopf noch nicht, das Gesicht hatte man mit einem Zipfel des Gewandes bedeckt. Ich schlug diesen Zipfel zurück.

»Allah w‘Allah!« sagte Halef. »Welcher Ausdruck der Ehrwürdigkeit! So wie diesen Mann habe ich mir die Propheten vergangener Jahrhunderte vorgestellt!«

Er hatte recht; es ging mir grad so wie ihm. Ich hatte wohl noch selten ein so schönes, Ehrfurcht gebietendes Greisenangesicht gesehen, noch jetzt, im Tode, schön!

»Er hat nicht das Aussehen eines Toten, sondern eines Schlafenden«, fuhr Halef fort, »eines Schlafenden, der von Allahs Himmel träumt. Sieh, wie er selig lächelt!«

Es ist nach meinen Erfahrungen mit diesem sogenannten »seligen Lächeln« der Verstorbenen eine ganz eigene Sache, denn ich habe es am ausgeprägtesten, am ergreifendsten bei Personen gefunden, deren Ende ein gewaltsames gewesen war. Ich habe in den Zügen im Kampfe Gefallener kurz nach ihrem Tode den sprechendsten Ausdruck des Hasses, des Grimmes, der Angst, d ‚ es physischen Schmerzes gesehen, und dann wahrgenommen, daß dieser Ausdruck sich sehr bald in denjenigen der Milde, der Ruhe, des Friedens verwandelte. Und wiederum sah ich Leute so sanft und kampflos hinüberschlafen, daß ich mir wünschte »so möchte einst auch dein Tod sein!«, und dann nahmen ihre Gesichter nach und nach das Gepräge seelischer Angst oder körperlicher Pein, des Leidens an. Sollten die Affekte oder Stimmungen, welche im Augenblicke des für uns sichtbaren Sterbens vorherrschend sind, nur deshalb keine nachhaltige Wirkung hinterlassen, weil die eigentliche Trennung der Seele von dem Körper erst später, von uns unbemerkbar, erfolgt und der Geist erst dann das, was ihm bei diesem endgültigen Scheiden bewegt. zum Troste oder zur Warnung für die Hinterbliebenen auf das Angesicht schreibt? Diese Frage gehört auch zu denen, welche wir Lebenden wohl aussprechen, aber nicht beantworten können.

Indem ich die Züge des Münedschi betrachtete, fiel mir die Färbung des Gesichtes auf; sie war blaß und totenähnlich, dabei aber von einem so eigentümlichen Ton, daß ich aufmerksam wurde. Ich legte die Hand an seine Wange und fühlte, daß sie kalt war. Ich entfernte den Sand von den Armen und den Händen; diese letzteren hatten auch die Kälte des Todes. Nach der Trübung der Augen sah ich nicht, da ich ja gehört hatte, daß der Münedschi blind gewesen war. Leichengeruch gab es nicht, doch war die Todesstarre eingetreten, die aber ebenso wie die Kälte und die Veränderung der Hornhaut des Auges kein unzweifelhafter Beweis des wirklich eingetretenen Todes ist. Ich forderte einige Haddedihn, welche bei uns standen, auf, den Mekkaner ganz vom Sande freizumachen.

»Warum das?« fragte Halef im Tone der Überraschung. »Denkst du etwa, daß er noch lebt, Sihdi?«

»Das wohl nicht«, antwortete ich, »aber ich habe das Gefühl, als läge auf dem Gesichte noch ein leiser, leiser Lebenshauch, der nicht auf wirklichen Tod, sondern nur auf Ohnmacht schließen läßt.«

»Nur ohnmächtig? Also scheintot? Effendi, wir haben schon viel, sehr viel erfahren und gar manches erlebt, was kein anderer Mensch erleben wird, aber einen Scheintoten wieder lebendig zu machen, dazu haben wir doch noch keine Gelegenheit gehabt! Was für ein großer Ruhm würde es für uns sein, wenn wir sagen könnten, daß sogar die Macht des Todes nicht vor uns standhalten könne! Hier ist die beste, die allerbeste Gelegenheit dazu, dies zu beweisen! »

»Nur langsam, nicht wieder so vorschnell, lieber Halef! Ich habe ja noch gar nicht behauptet, daß es sich hier nur um Scheintod handle! Ich täusche mich jedenfalls, hatte es aber doch für meine Pflicht, diesen Mann nicht eher vollends zu begraben, als bis ich mich überzeugt habe, daß der Tod wirklich eingetreten ist.«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
590 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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