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Kitabı oku: «Am Jenseits», sayfa 24

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»Er sagte das in einem so bestimmten Tone, daß ich die Vergeblichkeit jedes weiteren Einspruches einsehen mußte und also schwieg, obgleich ich es viel, viel lieber gesehen hätte, wenn er von diesem seinem Vorhaben abgewichen wäre, welches gefährlicher für ihn war, als er in seiner Unerfahrenheit jetzt dachte.

Bald hierauf sahen wir die Beni Khalid mit ihren »Gastfreunden » abziehen, und einige Zeit später schickten wir ihnen zwei Haddedihn zur Beobachtung nach. Das war eine Vorsichtsmaßregel, deren Ausführung wir nicht versäumen durften.

Nun waren wir allein und für den heutigen Tag wahrscheinlich sicher. Da machten unsere Leute es sich bequem. Der Platz und seine Umgebung wurden auf das genaueste durchforscht und die hiesigen Verhältnisse ebenso genau und ausgiebig im Gespräche durchgenommen. Der Vormittag verlief vollends, ohne daß etwas Erwähnenswertes geschah, und ein großer Teil des Nachmittages auch. Dann aber bekamen wir am Brunnen Besuch, nämlich zwei Beduinen, welche auf Eilkamelen aus westlicher Richtung kamen und, als sie den Brunnen besetzt sahen, von weitem halten blieben. Sie beobachteten uns eine Weile und kamen dann näher. Der Umstand, daß Soldaten bei uns waren, mochte ihr Mißtrauen zerstreut haben. Als sie uns erreicht hatten, stiegen sie aber nicht sogleich ab.

»Hadschahdsch!« sagte der eine von ihnen, weiter nichts.

Dieses Wort ist der Plural von Hadschi und sollte soviel heißen wie. »Wir sind Mekkapilger!« Es gibt nämlich eine Vorschrift, nach welcher man gegen jeden Pilger Frieden zu hatten hat, während er unterwegs ist, selbst wenn er einem feindlichen Stamme angehört. Doch aber sind es grad die Pilgerzüge, welche sich vor den räuberischen Beduinen am meisten in acht zu nehmen haben. Daß diese beiden Männer hier Hadschahdsch seien, das glaubten wir nicht; sie legten sich diese Eigenschaft nur bei, um von uns nicht feindlich aufgenommen zu werden. Halef antwortete:

»Seid uns willkommen, und steigt getrost ab! Wir haben Platz und auch Wasser für euch!«

»Wer seid Ihr?«

»Ich bin Hadschi Halef Omar, der oberste Scheik der Haddedihn vom Stamme der Schammar.«

»Und diese Asaker?«

»Sie sind in der hiesigen Gegend gewesen, um einen Flüchtling einzufangen, und kehren nun nach Meschhed Ali zurück. Und welchem Stamme gehört ihr an?«

»Wir sind Scherarat von der Ferkah Fawwahl und haben nicht die Absicht, lange hier zu bleiben. Erlaubt uns nur, unsere Kamele zu tränken; dann reiten wir wieder fort.«

Das mußte auffallen. Wenn sie friedliche Pilger waren, so blieben sie hier, denn der nächste Brunnen war eine Tagereise entfernt, und als Wallfahrer treibt man sich doch nicht des Nachts in einem unbekannten Teile der Wüste herum. Ich machte also Halef die leise Aufforderung, seinen Leuten und auch den Soldaten den Befehl zu geben, sich ja nicht etwa ausfragen zu lassen. Er tat dies so, daß die Fremden es nicht bemerkten.

Diese letzteren hatten ganz besondere Blicke für unsere Pferde und für das getüpfelte Hedschihn des Persers. Die Art und Weise, wie sie diese Tiere nur ganz verstohlen aber mit gieriger Bewunderung betrachteten und einander dann ansahen, fiel nicht nur mir, sondern auch Hadschi Halef auf.

»Effendi, das sind Pferdediebe!« flüsterte er mir zu.

»Vom Stamme der Beni Lam«, ergänzte ich seine Worte.

»Maschallah! Das ist möglich!

»Ich habe zwar keine Beweise dafür, möchte aber behaupten, daß ich mich nicht irre. Daß sie zu den Fawwahl der Scherarat hören, ist eine Lüge, denn wären sie das wirklich, so führte sie der Weg nach Mekka immer den Tebuk, Madschihn und Medina-Karawanenpfad entlang, aber nicht so weit in die südöstliche Nedschd-Wüste herüber. Der Scheik der Beni Khalid hat uns ja gesagt, daß sein Kriegszug den Beni Lam gelte, und so ist es klar, wenigstens für mich, daß diese zwei Beduinen Kundschafter dieses Stammes sind, welche nach den Beni Khalid suchen.«

Bald darauf wurde uns der Beweis geliefert, daß ich mit dieser Vermutung nicht fehlgegangen war, denn als ihre Kamele getrunken hatten, fragte uns der eine:

»Wohin geht von hier aus euer Weg?«

»Nach der Ain Bahrid«, antwortete ich.

»Dahin reiten wir jetzt und ruhen uns dann dort aus. Ihr werdet uns also morgen abend dort wiedersehen.«

Wie schlau! Er wollte nur wissen, wann wir von hier aufzubrechen beabsichtigten. Darum führte ich ihn irre:

»Die Freude, euch dort zu treffen, ist uns versagt, denn wir sind so ermüdet, daß wir diesen Brunnen hier erst übermorgen verlassen werden.«

Da fragte er unvorsichtig schnell: »So seid ihr morgen den ganzen Tag noch hier?«

»Ja.«

»Habt ihr vielleicht Begegnungen gehabt? Wir wurden vor den Beni Khalid gewarnt, welche sich auf einem Kriegszuge gegen die Beni Lam in der Gegend des Bir Hilu herumtreiben sollen.«

Jetzt hätten wir die beste Gelegenheit gehabt, uns dadurch an den Beni Khalid zu rächen, daß wir die Beni Lam auf sie hetzten. Eine schnelle Bewegung Halefs sagte mir, daß er auch wirklich in diesem Sinne an meiner Stelle antworten wolle; ich kam ihm aber zuvor:

»Wir sind Hadschahdsch, gradso wie ihr, und bekümmern uns nicht um die Streitigkeiten fremder Leute.«

»Aber Auskunft könnt ihr uns doch geben, ob ihr eine Spur der Beni Khalid oder gar sie selbst gesehen habt!«

»Nein, denn ihr seid Beni Lam und keine Scherarat! Wir Haddedihn lassen uns nicht täuschen, und es fällt uns nicht ein, die Schuld am Blute anderer auf uns zu laden!«

Da wollte er heftig werden, besann sich aber eines anderen und war still.

Nach kurzer Zeit stiegen sie auf, grüßten ganz kurz und ritten fort, und zwar in westlicher Richtung, während der Weg nach der Ain Bahrid sie doch nach Süden geführt hätte. Sie hielten es also für überflüssig, noch einen Versuch zu machen, unsere Ansicht über sie zu ändern.

»Warum sagtest du ihnen die Wahrheit über die Beni Khalid nicht?« fragte mich der Hadschi, als sie fort waren.

»Habe ich ihnen die Unwahrheit gesagt?«

»Nein. Du hast nichts als nur geschwiegen. Aber wie schön hätten wir uns der Rache Tawil Ben Schahids entziehen können, wenn wir ihnen die Beni Lam nachgeschickt hätten, von denen ich jetzt überzeugt bin, daß sie da im Westen von uns irgendwo stecken!«

»Wir hätten dadurch einen blutigen Zusammenstoß zwischen ihnen verursacht!«

»Der aber doch auch ohne uns ganz sicher geschehen wird!«

»Da sind wir ohne Schuld; meine Mitteilung aber wäre eine so direkte Ursache gewesen, daß ich mir später die bittersten Vorwürfe gemacht hätte. Denke doch an El Mizan, lieber Halef, an El Mizan!«

»Ja, ja, an die Waage der Gerechtigkeit! Du hast recht, Effendi! Es wird Liebe von uns verlangt, immer nur Liebe; hättest du aber die Frage dieses Kundschafters beantwortet, so würde es uns dereinst als Haß, als Rache angerechnet werden, und diese schwere Last wollen wir ja nicht auf unsere Seelen laden. Ich fürchte mich in meinem Leben zum allererstenmal, und zwar vor dieser fürchterlichen Waage, welche nichts verschweigt, sondern alles Verborgene an das helle Licht des Tages zieht!«

»Wollte doch jedermann die Augen stets immer zu der Beobachtung offenhalten, daß das Gute die Belohnung und das Böse die Bestrafung ohne alles Zutun des Menschen schon in sich trägt! Leider üben die meisten Menschen diese Aufmerksamkeit fast nie, und nur in ganz in die Augen springenden Fällen läßt man sich zu einer Art von Erstaunen herbei, denkt einen kurzen Moment darüber nach und hält dann die Sache mit dem geistreichen Endurteile Sonderbarer Zufall! für abgetan! Und doch gibt es keinen Zufall! Wenigstens für den gläubigen Christen ist durch dieses Wort ein starker, dicker Strich gemacht. Der Erfinder desselben wußte von Gottes Weisheit und Gerechtigkeit nichts, und alte, die es nach ihm in den Mund nahmen, hatten, grad wie er, ihr Augenmerk zwar auf die irdische, nicht aber auf die himmlische Erkenntnis gerichtet. Man spricht so schön gelehrt vom Makrokosmos und vom Mikrokosmos; der erstere bedeutet die ganze Weit, der letztere ist der Mensch. Nun ist man wohl bereit, jene sogenannte große Weltordnung‘ zu bewundern, nach welcher alles zum Makrokosmos Gehörige sich auf streng vorgeschriebener Gesetzesbahn bewegt und keine einzige der Welterscheinungen absolut für sich selbst bestehen kann, sondern sich in der innigsten Beziehung zum Ganzen befindet, weil sich das eine aus dem andern mit lückenloser Folgerichtigkeit entwickeln muß und bisher auch entwickelt hat. Das hat man wohl erkannt, und das gibt auch der Gottesleugner zu. Er gibt sogar auch zu, daß Gesetze von ähnlicher Unverbrüchlichkeit ebenso im Mikrokosmos, also im Menschen, walten, meint aber damit nur den für die Erde existierenden Menschen; der für den Himmel den ich hier Seele‘ nennen will, existiert ja für ihn nicht. Und doch gibt es eine – – bitte, ja nicht zu lächeln! – – eine Seelenweltordnung, welche wenigstens ebenso große Bewunderung verdient wie jene angestaunte Ordnung der makrokosmischen Welt!

Wie das Leben der Einzelseele eine gottgewollte Entwicklung eng zusammenhängender Folgerichtigkeiten zeigt, so werden auch die Beziehungen der Seelen zueinander von Gesetzen regiert, von welchen es keine Abwege und gegen die es kein Widerstreben gibt. Schau nur hinein in deine Seele, lieber Leser! Beobachte sie und ihre Regungen mit nachdenkender Aufmerksamkeit! Du wirst bald wunderbare Entdeckungen machen und vor allen Dingen zu der Erkenntnis gelangen, daß dir diese deine eigene Seele bisher eine vollständig unbekannte Welt gewesen ist! Es ist mir ja ganz ebenso gegangen! Aber als ich erst einmal mit Ernst angefangen hatte, da wuchs mein Interesse für diese meine innere Welt von Tag zu Tag, und es taten sich mir Ausblicke auf, die mich zum Weiterforschen förmlich begeisterten. Es begann zunächst eine große, leider so unendlich schwierige Reinigung, daß ich gar wohl einsehe, mit ihr in diesem kurzen Erdenleben nicht fertig werden zu können; aber es wurde doch wenigstens soviel Erdenschmutz überwunden, daß mir jetzt, wo ich Fast sechzig Jahre zähle, das Weiterlernen und Weiterüben als die schönste Aufgabe der mir beschiedenen, abendroten Tage erscheint. Wie herzlich, aber wie so von ganzem Herzen wünschte ich, daß jeder meiner Mitmenschen ein so beseligendes Abendrot haben möge!

Könntest du, meine Freundin oder mein Freund, deine Seele in die Hand nehmen und beobachten wie eine Uhr, welch ein wunderbares, wohlgeordnetes Ineinandergreifen sämtlicher Regungen würdest du da bemerken! Du würdest sehen, wie reingehalten sie werden muß, wieviel hinderlicher Erdenstaub stets zu entfernen ist. Du würdest erkennen, daß jedes einzelne Tick und Tack darauf berechnet ist, den Zeiger nach der mitternächtlichen, letzten Zwölf zu leiten, nach welcher dir die Eins des Jenseits schlägt. Das hängt alles, alles, so innig zusammen, das kommt wie ganz von selbst; da kannst du dir nicht eine einzige Sekunde ohne die vorhergehenden denken; da kann nicht eine einzige Minute als überflüssig weggelassen und zur zeitleeren Lücke werden. Genau so steht die leiseste Seelenvibration im Zusammenhange mit dem Ganzen, und ob dein Leben ein Streben nach dem Himmel oder ein Sträuben gegen den Himmel sei, es ist nicht das kleinste seelische Stäubchen in dir zu finden, weiches unbeteiligt an diesem Streben oder Sträuben ist. Und wie in deinem Seelenmikrokosmos die treibenden Kräfte nur nach ganz bestimmten Regeln und Geboten tätig sind, so herrschen auch im Seelenmakrokosmos, also auf dem Gebiete der Zusammen, der Auseinanderwirkung menschlicher Seelen, Vorschriften und Gesetze, welche selbst die geringste Ordnungslosigkeit, also auch den Zufall, vollständig ausschließen. Es können zwei Seelen nicht, wenn auch noch so kurz, aneinander vorüberstreifen, ohne aufeinander zu wirken. Und wenn eine Seele die deinige nur einen Augenblick berührt, so wird diese Berührung einen Punkt in deinem innern Leben schaffen, der sich zur für dich vielleicht nicht bemerkbaren Linie weiterbildet. So entstehen Beziehungen, für dich einstweilen geheimnisvolle Fäden, welche dich mit andern unsichtbar aber doch für immer vereinen und als einen nicht zu missenden, sondern notwendigen Teil des Ganzen mit der großen, unendlichen Welt der Seelen verbinden. Du gehörst notwendig zu ihr, wie die einzelne Minute zur Stunde, zum Tag, zum Jahr, zur Ewigkeit; sie würde ohne dich nicht vollständig sein. Und wie sie auf dich und deinen Einfluß, mag er auch noch so winzig und unbedeutend sein, nicht verzichten kann, so stehst auch du und so steht auch jede andere Seele in fortwährender, unabweisbarer Beziehung zu ihr und ihren Gesetzen, weiche weit, weit entfernt liegende Ursachen an dir oder durch dich zur Tätigkeit bringen, so daß scheinbar plötzliche Handlungen entstehen oder vermeintlich zusammenhanglosen Ereignisse eintreten, weiche man sich nicht erklären kann. Dieses Herüberwirken der Seelenwelt in die Welt der Seele, diese Folgen, deren Gründe und diese Schlüsse, deren Voraussetzungen im Verborgenen liegen, sind nicht etwa Unbegreiflichkeiten, sondern ganz das gerade Gegenteil, nämlich Beweise eines von der göttlichen Weisheit vorgeschriebenen und unendlich logischen Zusammenhanges der unsichtbaren mit der sichtbaren Welt. Wer diese unsichtbare freilich leugnet, weil er unter dem Pantoffel seines gelehrten und geliebten Materialismus steht oder nicht gewohnt ist, nachzudenken, der weiß sich beim Eintritte solcher, für ihn zusammenhangloser Ereignisse nicht anders zu helfen, als daß er sie auf die Rechnung des großen Unbekannten‘ und doch so Wohlbekannten schreibt, den man so wie jenen berüchtigten kriminellen Unbekannten an den Haaren herbeizieht, wenn man sich nicht mehr zu helfen weiß, auf die Rechnung des Zufalles nämlich.

Wenn ich mich des Wortes Materialismus bediene, so meine ich nicht nur die ungläubigen Materialisten. Es gibt auch gläubige Christen, und zwar sind es leider Millionen, weiche ich so nenne. Sie halten sich für das Material der Erlösung, des Heiles, der Seligkeit. Unser Herrgott hat sie geschaffen; er wird sie auch erhalten. Er hat sie für den Himmel berufen und muß sie also nun auch hinaufführen. Sie beten, sie singen, sie sind fleißige Kirchenbesucher und fühlen sich unendlich behaglich dabei. Der himmlische Vater hat es nun einmal grad auf sie abgesehen. Die Überzeugung, seine Lieblinge zu sein, verleiht ihnen einen Komfort, der ihnen über die irdischen Freuden geht, und das halten sie für ein Verdienst, weiches er ihnen hoch anzurechnen hat. Sie sind geladene Hochzeitsgäste, und da sie damit einverstanden sind und ganz gern kommen wollen, so wird man sie per Equipage abholen. Da sie das Material der Seligkeit sind, so ist diese Seligkeit ohne sie gar nicht möglich; welche Freude muß also im Himmel über sie sein! Alle Mühen und Beschwerden des Himmelsweges legen sie in Gottes Hand; er wird ihnen schon darüber hinweghelfen, und seine Diener müssen Vorspann leisten! Für ihn und sie bestehen diese Leute nur aus dem äußern Menschen, dem die Auferstehung von den Toten und das ewige Leben verheißen ist. Ihre Seele aber? Gibt es denn eine Seele? Wenn ja, nun, so gehört sie zum Körper und muß doch mit ihm selig werden. Über diesen Punkt viel nachzudenken oder gar an dieser Seele zu arbeiten, das würde die ganze Behaglichkeit zunichte machen. Für diese Materialisten, diese Liebhaber des religiösen Komfortes, gibt es keinen Zufall, denn daß sie so fromm sind so selig werden, das ist doch wahrlich kein Zufall, sondern die unbedingte Folge ihres hohen geistlichen und auch sonstigen Wertes; das ist doch leicht erklärlich! Und was sie nicht erklären können, das nennen sie nicht Zufall, denn dieses Wort paßt für einen guten Christen nicht, sondern Gottes Schickung. Aber wie das Wort Schickung hier gemeint ist, bedeutet es eben auch nur Zufall, und zwar nicht nur ein blindes, sondern ein gewolltes Ungefähr, und das ist noch schlimmer. Das Wort Schickung in diesem Sinne bringt das allgerechte und allweise Walten der göttlichen Liebe um die ihr auf den Knieen zu zollende Ehre. Geistliche Güter sind in gewissem Sinne auch als materielle Gaben zu bezeichnen und die Liebe Gottes teilt diese Geschenke nicht nach Willkür aus, sondern nach Gesetzen, die ihre eigenen sind , sie handelt nicht regellos. Ist doch grad sie es, die jene geheimen Fäden in den Händen hält, welche Seele mit Seele vereinen und Ursache mit Ursache verbinden, so daß die Wirkung dann als eine Schickung im wirklichen Sinne, nämlich als eine Fügung des allgütigen Ratschlusses Gottes erscheint. Wer gelernt hat, zu sehen, der kann in seinem Leben Beweis um Beweis finden, daß das, was andere Zufall nennen, ein von der belohnenden, warnenden oder wohl auch strafenden Liebe herübergeleitetes Ergebnis seelischer Zusammenwirkung ist. Und wenn er eifrig sucht, wird er dann gewiß in seiner eigenen Seele den Berührungspunkt entdecken, der ihm erklärt, warum grad ihn und keinen andern diese Fügung traf, die dann für ihn nichts weniger als ein Zufall ist!

Warum aber hier diese Darlegung meiner Ansicht über den Zufall? Zunächst, weil es mir so sehr am Herzen liegt, soviel Menschen wie möglich an dem sonnigen Glücke teilnehmen zu lassen, welches ich meinem Glauben verdanke. Und sodann bin ich jetzt beim Bir Hilu überzeugt, daß viele meiner Leser unser Zusammentreffen mit den beiden Beni Lam und unser Gespräch mit ihnen für Zufall halten werden, aber es stand mit dem, was geschehen war und noch geschehen sollte, in so engem Zusammenhange und grad der Umstand, daß ich die Beni Khalid nicht verraten hatte, obgleich sie unsere Feinde waren und ihre Ablenkung von uns auf die Beni Lam vom größten Vorteile für uns zu sein versprach, lieferte uns dann später den augenfälligsten beweis, daß eine jede Tat ihre guten oder bösen Folgen schon in sich trägt. Hätte ich nicht den seelischen Einflüssen in mir, sondern meiner kalten Berechnung und Klugheit gefolgt, so wären wir schon am nächsten Tage alle verloren gewesen!

Am Abende dieses Tages saßen wir beisammen, zum letztenmal mit dein Basch Nazyr, wie wir alte meinten. Wir hatten einige Wachen ausgestellt und unterhielten uns, wie das ja begreiflich ist, fast ausschließlich über das, was wir seit unserm Zusammentreffen mit ihm gemeinschaftlich erlebt hatten. Später, als die Zeit zum Schlafen gekommen war, richtete er die Frage an mich:

»Sihdi, ich habe eine Bitte an dich. Wirst du sie mir erfüllen?«

»Recht gern, wenn ich kann«, antwortete ich.

»Ich möchte gern eines meiner Kamele mit einem von euch vertauschen.«

»Warum?«

»Um ein Andenken zu haben.«

»So! Ich habe kein Kamel, bezweifle es aber nicht im geringsten, daß Halef auf deinen Wunsch eingeht.«

»Das wird er gewiß tun; nur möchte ich gern wissen, ob du gewillt bist, das Kamel von mir anzunehmen.«

»Ich?«

»Ja; denn du bist es, der es reiten soll.«

»Warum ich?«

»Weil es ein Andenken von mir an dich sein soll. Ich gebe dir meine Hedschihn Stute, und weil ich dann ein Kamel zu wenig haben würde, bitte ich mir dafür ein anderes aus.«

Ich sah ihn an, ohne zunächst zu antworten. Diese herrliche, unbezahlbare Stute wollte er mir schenken! Als Scherz konnte ich dieses Anerbieten unmöglich auffassen und behandeln, und da es also Ernst war, so handelte es sich um eine gradezu fürstliche Freigebigkeit, von der ich nicht wußte, wie ich mich zu ihr verhalten sollte. Ja zu sagen, widerstrebte meinem ganzen Wesen, und ein Nein hätte ihn nicht nur kränken, sondern sogar schwer beleidigen müssen. Da fuhr er fort:

»Ich begreife, daß dir mein Wunsch überraschend kommt, hoffe aber, daß du ihn nicht für zudringlich halten wirst. Es würde mir eine stolze Freude sein, zu wissen, daß Kara Ben Nemsi Effendi auf meinem Hedschihn sitzt. Den Wert des Tieres darfst du nicht berücksichtigen, denn ich habe es ja nicht zu bezahlen gehabt und kann mir von Tscharbagh zu jeder Zeit ein ähnliches erbitten. Dazu kommt, daß du mir das Leben gerettet hast und —«

»Ich nicht!« warf ich ein.

»Ja, doch du! Dabei will ich aber die Verdienste Halefs um mich gar nicht schmälern. Auch hast du den Kanz el A‘da entdeckt; ohne dich würde ich ihn nicht wiederbekommen haben. Du wirst also einsehen, daß das Geschenk dieses Kameles gar nichts ist gegen das, was ich dir zu verdanken habe. Ich will jetzt nicht in dich dringen; du hast ja eine ganze Nacht Zeit dazu, es dir zu überlegen. Aber ich gebe mich der Hoffnung hin, daß du mir morgen früh nicht den Schmerz bereitest, mir diese Bitte abzuschlagen, die mir so aus dem Herzen kommt!«

Er wendete sich ab und schien also die Sache als für einstweilen erledigt zu betrachten; darum sagte auch ich nichts mehr; aber Halef, der dabeigesessen hatte, raunte mir dringlichst zu:

»Effendi, du wirst es annehmen; ja, du mußt sogar! Einen Freund darf man doch nicht durch die Verweigerung der Annahme eines Geschenkes beleidigen!«

»Aber eines solchen!« antwortete ich.

»Es ist freilich wertvoll, höchst wertvoll, ja; aber du mußt bedenken, daß du es zwar jetzt für dich, dann aber auch für uns bekommst!«

»Ah! Du schaust aus diesem verborgenen Loch heraus?«

»Ja. In deiner Heimat ist dir dieses Hedschihn nutzlos, und so wirst du es mit ihm wohl ebenso machen, wie du es damals mit deinem herrlichen Rih gemacht hast, nämlich du wirst es nicht mitnehmen, sondern bei uns lassen. Und nun denke dir unsere Freude, wenn wir für unsere Zucht eine fünfjährige, tadellose Stute von dieser Vortrefflichkeit erhalten! Wenn du es annimmst, erweisest du unserm Stamme einen Dienst, der uns dir zur größten Dankbarkeit verpflichtet. Ich hoffe, daß du das einsiehst! Oder etwa nicht?«

»Doch! Es wäre eine vortreffliche Erwerbung für euch!«

»Schön, Effendi! Es freut mich, daß du diese Einsicht besitzest. Sie ist aber nur die Nebeneinsicht, und ich hoffe, daß dir nun auch noch die Haupteinsicht kommt!«

»Welche?«

»Daß du es annehmen mußt. Willst du?«

»Hm!«

Da wendete er sich rasch zum Perser:

»Mein Freund Khutub Agha. Es liegt mir sehr am Herzen, daß mein Sihdi deinen Wunsch erfüllt. Ich habe ihn jetzt in diesem Sinne bearbeitet und kann dir mitteilen, daß ich zufrieden bin, denn er hat soeben schon gehmt! Da ich ihn sehr genau kenne, so weiß ich, daß man bei ihm von diesem unschlüssigen Hm bis zum schließlichen Ja nicht weit zu reiten hat. Es ist mir gelungen, ihn schon halb und halb, ja schon vielleicht dreiviertel für deinen Vorschlag einzunehmen, und so darfst du der angenehmen Hoffnung sein, daß das vierte Viertel sich bis morgen früh auch noch einstellen wird. Du wirst also einsehen, daß das Kismet dir und deinem Kamele nicht ungünstig gestimmt ist. Ihr werdet voneinander befreit werden!«

Dieser liebe, kleine Pfiffikus! So schwer es ihm stets wurde, sich in die Verhältnisse und Anschauungen meines Vaterlandes zu versetzen, in welches er den Orient fast stets zu übertragen pflegte, jetzt, wo es sich um die Aneignung des Hedschihn handelte, hatte er sich sofort daran erinnert, daß mir ein Kamel in der Heimat nichts nützen könne! Und dann die rasche und sonderbare Ausdeutung meines Hm. So etwas brachte eben nur mein Hadschi Halef fertig!

Früh gestand er mir, daß er wegen des Hedschihn fast die ganze Nacht nicht habe schlafen können, und daß ich es unbedingt annehmen müsse, wenn ich ihn nicht für seine ganze Lebenszeit um den Schlaf bringen wolle, was doch unbedingt seinen schließlichen Tod zur Folge haben müsse. Dann zog er den Basch Nazyr heran, und ich wurde von ihnen, nach Halefs gestrigem Ausdrucke, in der Weise »bearbeitet«, daß ich schließlich wohl oder übel meine Einwilligung erteilte. Das gab einen Jubel bei den Haddedihn! Ebenso kann ich von dem Perser sagen, daß er sich wirklich und aufrichtig freute. Er hatte mir das Geschenk nicht in chinesischer Weise, auf welche man mit der Nichtannahme zu antworten hat, angeboten, und diese seine Freude war mir ebenso lieb wie der Gegenstand seiner Freigebigkeit. Während die andern das Kamel umringten und alle seine Vorzüge aufzählten, wobei es von ihnen als »unser« Hedschin bezeichnet wurde, nahm er mich auf die Seite und sagte:

»Effendi, da du mich mit der Annahme meines Geschenkes beglückt hast, muß ich dir etwas sagen, was jetzt noch niemand außer dir zu wissen braucht. Es ist dir wohl bekannt, daß man den Kamelen nicht, wie den Pferden reinsten Blutes, ein Geheimnis geben kann, denn sie sind zu dumm dazu; bei diesem Hedschihn aber ist es mir gelungen, und zwar vortrefflich. Es besitzt eine Intelligenz, welche man bei seinesgleichen sonst vergeblich sucht, und ist so treu, anhänglich und willig wie ein Pferd. Da es nun dein Eigentum ist, will ich dir sein Geheimnis mitteilen, damit du es anwenden kannst. Das Tier heißt Maschurah (Die Berühmte). Um es vorher aufmerksam zu machen, mußt du diesen Namen zweimal nennen, worauf du dreimal hintereinander das Wort »Bubuna« (Kamille) sagst. Hast du das getan, so entwickelt es eine Eile, weiche dir die stille Luft als Wind erscheinen läßt, und hört nicht eherauf, als bis du ihm das Wort »Yawahsch!« (Langsam, sachte) auch dreimal sagst. Da das Kamel das Pferd an Ausdauer überhaupt übertrifft. so hält meine Maschurah, die nun die deinige ist, auch unter dem Geheimnisse viel länger aus als ein Pferd, was dich aus großer Gefahr erretten kann und jede Verfolgung nutzlos machen wird. Hast du dir das alles gut gemerkt?«

»Ja; ich danke dir! Aber sag, warum hast du grad dieses Wort Bubuna gewählt?«

»Weit dieses Hedschihn eine große und ganz sonderbare Vorliebe für Kamillen hat. Ich habe darum, so oft ich es reite, stets einige von diesen Pflanzen in der Tasche. Ich reibe sie in der Hand, so daß sie nach ihnen riecht und liebkose dann das Maul und die Nase Maschurahs mit dieser Hand. Wenn da das tust, wirst du seine Freundschaft und Liebe schnell erwerben. Nur darfst du es keinem andern verraten, dem es dann durch Anwendung dieses Mittels gelänge, die Anhänglichkeit des Tieres auf sich zu lenken. Ich habe auch jetzt Kamillen mit und werde sie dir geben. Sie sind trocken geworden. duften aber noch stark genug.«

Ein Kamel mit einem »Geheimnisse«! Das hatte auch ich bisher für unmöglich gehalten. Wenn es sich bewährte, so war diese Stute allerdings unbezahlbar zu pennen! Er gab mir die Pflanzen, welche ich einsteckte, und erteilte dann seinen Asaker den Befehl, sich zum Aufbruche zu rüsten.

Als dies geschehen war, verabschiedete er sich von uns. Es geschah das in der herzlichsten Weise. Man sah ihm an, daß er uns liebgewonnen hatte; die Tränen standen ihm in den Augen, und er griff immer und immer wieder nach unsern Händen. Es war wirklich, als ob er sich gar nicht von uns trennen könne.

Ich forderte ihn zur größten Vorsicht auf und bat ihn, wenigstens für heut ja den Weg zu meiden, den er, und wir nach ihm, hierhergeritten war. Er versprach das auch, doch leider nicht in der bestimmten Weise, wie ich es wünschte, und ich merkte gar wohl, daß er die ihm von den Khalid drohende Gefahr nicht für so bedeutend hielt wie ich. Er glaubte, seinen Kanz el A‘da sicher zu haben, denn sie waren ja nach Süden gezogen, während er nach Norden ritt. Als er sich schon in Bewegung gesetzt hatte, rief ich ihm meine Warnung noch einmal dringend nach. Er drehte sich nach uns um und nickte mir lächelnd zu, doch grad dieses Lächeln wollte mir nicht gefallen!

Es verstand sich ganz von selbst, daß Halef ihm eines unserer besten Hudschuhn gegeben hatte, welches zwar nicht den Wert von Maschurah besaß, aber doch verläßlich war. Als sich die Reiter so weit entfernt hatten, daß wir sie nicht mehr sehen konnten, beschäftigte ich mich mit der Stute. Sie hatte ihrem bisherigen Herrn sehr lange nachgesehen, eine Anhänglichkeit, die von uns allen noch bei keinem Kamele beobachtet worden war. Als ich ihr mit meiner nach den Kamillen duftenden Hand über die Nase strich, sog sie den Geruch mit sichtbarer Wonne ein, streckte die Lippen wie Fangschalen so außerordentlich weit, daß ich darüber lachen mußte, aus und ließ die Hand vollständig im Maule verschwinden, wo sie, das Gebiß nur ganz sanft auflegend, an ihr zu saugen begann wie ein Kind an einem Zuckerstücke. Ich sah, daß es mir nicht schwerfallen werde, ihre Zuneigung zu gewinnen, und ließ ihr meinen Sattel auflegen, denn es verstand sich ganz von selbst, daß ich sie nun ritt.

Nun konnten auch wir den Bir Hilu verlassen, den wir wohl nicht wiedersehen würden; so dachten wir, weil wir uns für die Heimkehr von Mekka einen andern Weg vorgenommen hatten, doch es steht geschrieben: »Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, noch meine Wege eure Wege, spricht der Herr!« Unsere Schläuche waren voll. In dieser Beziehung waren wir darauf vorbereitet, die Ain Bahrid heute abend schon besetzt zu finden. Wir hatten Wasser für mehrere Tage.

Als wir den Brunnenplatz verlassen hatten, waren die Spuren der Beni Khalid so deutlich zu sehen, daß wir ihnen mühelos folgen konnten, denn es verstand sich ganz von selbst, daß wir dies taten. Wir mußten wissen, woran wir mit ihnen waren. Nach vielleicht einer Stunde kamen wir aus der Wüste der zerstreuten Felsengruppen heraus auf den offenen, ebenen Sand. Die Fährte führte genau in der Richtung der »Kalten Quelle.

Halef und Kara ritten neben mir. Unsere Unterhaltung hatte fast nur den Perser zum Gegenstande, der in dem gestern abend geführten Gespräche wiederholt den tiefen Eindruck verraten hatte, der ihm von der vorgestrigen Szene mit Ben Nur hinterlassen worden war. Das Wort von der Liebe hatte sich seinem Herzen so tief eingeprägt, daß er wiederholt und mit großem Eifer darauf zurückgekommen war. Darum hegten wir die Überzeugung, daß sie von jetzt an wohltätig auf sein Tun und Leben einwirken werde.

Nach einer zweiten Stunde bog die Spur nach Westen ab. Das war ein Umstand, der uns auffallen mußte. Es kam uns nicht bei, unsere bisherige Richtung innezuhalten, sondern wir blieben der Fährte der Beni Khalid treu. So ritten wir vielleicht zwei Stunden lang nach Sonnenuntergang und sahen dann an dem Horizonte vor uns eine dunkle Linie auftauchen, von welcher der Ben Harb, unser Führer, vermutete, daß sie ein langgestreckter Höhenzug sei, von dem er wohl gehört hatte, dessen Namen er aber nicht kannte. Wenn er sich nicht irre, müsse die Wüste nun wieder steinig werden.

Dies war auch wirklich der Fall. Je näher wir dieser Höhe kamen, desto gerölliger wurde der Sand; dann trat der nackte, unbedeckte Felsen zutage, auf weichem wir nur noch mit Mühe die Spuren entdecken konnten.

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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
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