Kitabı oku: «Am Jenseits», sayfa 23
Halef sah die Augen aller auf sich gerichtet. Ich nahm an, daß er seinen Gegner nun für einige Zeit mit Finten beschäftigen werde; er tat dies aber nicht. Später erklärte er mir auf meine darauf bezügliche Frage, daß er es als der Würde eines Scheikes der Haddedihn nicht für angemessen gehalten habe, wie ein Gaukler unausgeführte Bewegungen vorzutäuschen. Er hatte recht!
Er stand lange still und unbeweglich, wie aus Marmor gemeißelt, und ließ alle Zurufe von sich abprallen. Aber dann fuhr auch ganz plötzlich, gradezu gedankenschnell, sein Arm mit dem Speer empor; der so lange erwartete Wurf geschah, und der Dscherid flog in einem hohen Bogen so genau auf sein Ziel zu, daß der Ben Khalid verloren war, wenn er auf seinem Platze blieb. Aller Augen, außer den unserigen, waren auf die fliegende Waffe gerichtet, und niemand achtete in diesem Augenblicke auf Halef. Dieser sah, daß sein Gegner den Fuß hob, um sich durch einen Sprung nach rechts zu retten, und ließ darum schnell hintereinander auch die beiden übrigen Speere fliegen, sie um ein weniges nach dieser Richtung dirigierend. Die erste Lanze kam; und der Ben Khalid machte die vorausgesehene Bewegung des Ausweichens, doch kaum hatte er das getan, so fuhr ihm die zweite, ihn mit sich niederreißend, in den seitlich obern Teil der Brust, und die dritte nagelte ihm den Arm fest in den Sand.
Der Aufruhr, den dies bei den Beni Khalid hervorbrachte, ist nicht zu beschreiben. Der Sieger kümmerte sich nicht um diesen mehr als hörbaren Erfolg seiner Überlegenheit. Er kehrte so ruhig, wie er gegangen war, zu uns zurück und sprach da nur die Frage aus:
»Hätte ich es besser machen können, Sihdi?«
»Nein«, antwortete ich. »Du hast alle Erwartungen so vollständig erfüllt, daß ich dir danken muß. Komm, gib mir deine Hand!«
Während ich sie ihm schüttelte, richtete er sein Auge auf Hanneh. Sie sah lächelnd zu ihm auf und sagte nichts als:
»Ich wußte es!«
Doch reichte sie ihm beide Hände hin, die er, sich zu ihr neigend, an seine Lippen zog. Dabei flüsterte er ihr zu:
»Ich zeige auch sonst meinen Rücken keinem Feinde; aber wenn ich dich bei mir weiß, dann wird aus deinem alten, tapfern Löwen eine ganze Löwenschar!«
Auch der Basch Nazyr richtete das Wort an ihn:
»Hadschi Halef, du hast mir den Schatz gerettet, denn nach dieser ihrer zweiten Niederlage haben die Beni Khalid keinen Anspruch darauf. Wahrscheinlich werden sie nun auf den dritten Gang verzichten.«
Da entgegnete ihm Omar Ben Sadek, der sich schon bereitgemacht und seinen Oberkörper entkleidet hatte:
»Das darfst du ja nicht denken. Du siehst, daß ich schon kampffertig bin. Dieser Gang wird ihnen zwar auf keinen Fall den Schatz der Glieder bringen, aber sie meinen, sich rächen zu können, darum darfst du sicher sein, daß sie nicht auf ihn verzichten werden.«
Der Perser betrachtete den jetzt nicht mehr verhüllten Bau des Oberkörpers dessen, der dies sagte. Er schüttelte den Kopf und sprach:
»Eure kriegerische Befähigung entdeckt man erst, wenn man euch ohne Hülle sieht. Du bist ja fast zweimal so breit wie ich!«
»Das hast du noch nicht bemerkt?« lachte Omar vergnügt.
»Nein!«
»So paß nachher auf, wenn ich den Ben Khalid aus den Angeln hebe! Wir haben von unserm Effendi einen wunderbaren Griff unter das Schlüsselbein gelernt. Dazu gebe ich einen Stoß in die andere Achselhöhle, fasse an der Seite herunter in das Fleisch und lege, wenn dies sehr schnell und mit voller Körperkraft geschieht, den stärksten Mann dann nieder in den Sand.«
»Also das ist auch vom Effendi?«
»Nein«, fiel ich da ein. »Nur den Griff unter das Schlüsselbein habe ich gezeigt; das andere hat Omar Ben Sadek hinzuprobiert und mir erst kurz vor unserer Reise gezeigt. Er ist also in Beziehung auf dieses Kunst und Kraftstück mein Lehrer, und ich bin neugierig, ob ich es ihm nachmachen kann. Heut werde ich es zum erstenmale im Ernste ausgeführt sehen.«
Da ertönte die donnernde Stimme des Scheiks Tawil:
»Der Ringer her!«
Ich stand sofort auf und ging hinüber zu ihm. Diese Art und Weise, uns anzuschreien, verdiente eine Lektion.
»Bist du es denn, der ringen wird?« fragte er mich, indem er mich mit seinen Augen durchbohren zu wollen schien.
»Nein«, antwortete ich.
»So packe dich fort! Hier haben nur die Ringer Platz.«
»Bist du einer?«
»Welche Frage! Ich doch nicht!«
»So packe auch du dich fort!«
»Ich befehlige den Kampf!«
»Ich auch!
»Wer hat dir das erlaubt?«
»Wer dir?«
»Ich!«
»Ich sage ebenso Ich! Du hast dir dieses Recht angemaßt, und wir sind dazu still gewesen. weil es dem Stärkeren geziemt, daß er nachgibt; aber den Ton, in welchem du jetzt zu uns zu sprechen wagst, den werden wir uns verbitten! Du hättest vielmehr alle Veranlassung, höflich und bescheiden zu sein, denn wir sind nicht nur bisher Sieger, sondern werden euch beweisen, daß wir es auch bleiben! Der Kanz el A‘da gehört uns schon; die Fortsetzung des Kampfes ist also vollständig überflüssig.«
»Ihr fürchtet euch?!«
»Diese Frage ist nach dem bisher Geschehenen so kindisch lächerlich, daß ich sie gar nicht beantworte. Ich will dir nur das Verständnis dafür geben, daß wir, wenn wir auch den dritten Gang beenden, dies nur freiwillig tun.«
»Freiwillig? Ich würde euch zwingen!«
»Alah mahlak!« (Gemach! Pah!)
»Sieh dort meine Leute!«
»Alah mahlak!«
»Und sieh hier mich!«
Er warf sich in die Brust, als ob er ein Halbgott und ich ein reiner Garnichts sei. Darum ließ ich meine Augen vom Kopfe bis zu den Füßen herab langsam und höchst geringschätzig über ihn gleiten und antwortete wieder nur:
»Alah mahlak!«
Dies brachte ihn so in Wut, daß er mich beim Arme faßte und mir grad in das Gesicht brüllte:
»Leiste sofort Abbitte, sonst zermalme ich dich mit meinen Fäusten!«
»Ich habe nichts abzubitten«, antwortete ich sehr ruhig. »Es ist ausgemacht, daß jede Beleidigung zu vermeiden sei; du aber hast uns angebrüllt, als ob wir räudige Hunde seien; du beleidigst jetzt auch mich; ja, du wagst es sogar, die Hand an mich zu legen. Du brichst also den Frieden! Paß auf, was ich dir jetzt sage! Achtest du nicht sofort auf meine Worte, so zeige ich dir, ob du es bist, der mich zermalmen kann! Also: Weg mit deiner Hand von meinem Arm!«
»Hund!« antwortete er, indem er auch den andern faßte. »Ihr habt euch darüber aufgehalten, daß ich mich nicht mit am Kampfe beteiligt habe. Jetzt will ich dir zeigen, ob – »
Er sprach nicht weiter, denn was jetzt geschah, raubte ihm die Sprache. Er hatte während seiner überlaut gebrüllten Worte versucht, mich niederzuwerfen; da aber bekam er den vorhin erwähnten Griff unter das Schlüsselbein, was ihn zwang, mit der entgegengesetzten Hand mich loszulassen und herüberzulangen. Dadurch gab er die Achselgrube frei, in welche sofort von unten herauf mein Hieb zu sitzen kam, der ihn mit unwiderstehlicher Gewalt auf die Seite warf, indem er ihm den Fuß aushob, und nun fuhr ich mit derselben Hand schnell herunter und faßte ihn so rücksichtslos fest in der Weiche, daß er sogar das Schreien vergaß. So hob ich ihn auf und warf ihn nieder auf die Erde.
Das war in Zeit von kaum zehn Sekunden geschehen, so schnell, daß seine Leute ihn liegen sahen, ohne eigentlich zu wissen, wie das zugegangen war. Er wollte zwar wieder aufspringen, um mich zu fassen, konnte aber nicht. Es gelang ihm nur, sich unter schmerzlichem Ächzen und fast atemlos sehr langsam zu erheben. Als er dann gebeugt vor mir stand, denn den Oberkörper grad zu halten, das brachte er noch nicht gleich fertig, sprach ich in demselben ruhigen Tone wie vorher:
»Nun, wie steht es mit dem Zermalmen? Daß du mich einen Hund genannt hast, das verzeihe ich dir; aber du hast dich an mir vergriffen, und das bringt Schande über dich und deinen ganzen Stamm! Von nun an wird es heißen: Tawil Ben Schahid, der Scheik der Beni Khalid, der so stolz auf die Unverbrüchlichkeit und Heiligkeit seines Wortes ist, hat nicht nur dieses sein Wort, sondern sogar seinen Schwur, höre! seinen auf den Kuran geleisteten Schwur gebrochen! Wenn du diese Schande tragen kannst, so trage sie; ich aber würde mir eine Kugel durch den Kopf jagen!«
Nach diesen Worten ließ ich ihn stehen und ging an meinen Platz zurück. Von da aus sah ich ihn langsam forthinken, zu seinen Leuten hin.
»Das hast du recht gemacht!« sagte Halef. »Nun ist auch er besiegt, körperlich und moralisch! Wie wird er seinen Zorn verwünschen, der ihn zu diesem Fehler verführt hat!«
»Und ich habe da gleich Gelegenheit gefunden, den Kraftstreich auszuführen, den ich von Omar gelernt habe. Er ist ausgezeichnet. Nur schonen darf man nicht dabei; dann nimmt er dem Betreffenden den Atem und die ganze Kraft zum Widerstande.«
»Das scheint der Fall zu sein«, bemerkte Halef; »denn Tawil Ben Schahid geht gebückt wie ein alter Greis, der den Stock zu Hilfe nehmen muß. Nun bin ich wirklich neugierig, was geschehen wird. Vielleicht hetzt er seine Krieger zum offenen und sofortigen Angriff gegen uns!«
»Das befürchte ich nicht«, war meine Meinung. »Ich halte den Stoß, welchen er auf die Unverletzlichkeit seines Wortes legt, für echt. Er wird die jetzige Niederlage schwer empfinden, so schwer, daß er gegen seine Leute darüber schweigt. Wenn mich meine Vermutung nicht täuscht, so tritt etwas ganz Unerwartetes ein.«
»Was?«
»Das kann Verschiedenerlei sein, wahrscheinlich ein Rückzug ohne Beendigung des Kampfes.«
»Das würde mir sehr unlieb sein«, bemerkte Omar Ben Sadek. »Ich will doch auch meinen Gegner haben!«
Sei nicht unwirsch darüber! Du wirst später mehr als nur diesen einen finden. Unser Übereinkommen bezieht sich ja nur auf den heutigen Tag: von morgen an ist ihre Feindschaft doppelt unversöhnlich. Ich bin vollständig überzeugt, daß wir nach unserer Entfernung von hier nicht lange auf einen neuen und zwar viel gefährlicheren Angriff von ihnen zu warten haben. Sie werden überhaupt nach Rache dürsten, und der Scheik wird im Besonderen darnach trachten, denjenigen den Mund sprachlos zu machen, welche erzählen können, daß er seinen Schwur gebrochen hat.«
Die Vermutung, von welcher ich gesprochen hatte, ging wirklich in Erfüllung. Wir sahen, daß der Scheik die ansehnlichsten seiner Krieger um sich versammelt hatte und mit ihnen beriet. Das dauerte eine geraume Zeit; dann kam er allein wieder über den Platz herüber und blieb, uns winkend, dort stehen. Er konnte sich schon besser aufrichten als vorhin. Ich ging mit Halef hin. Als wir ihn erreichten, versuchte er, seinem Gesichte nur einen Ausdruck des Ernstes zu geben; aber er konnte doch nicht ganz verleugnen, daß ein Vulkan des Hasses und der Rache in ihm lag.
»Hadschi Halef Omar und Akil Schatir Effendi«, begann er »ich will euch mit dem Freimute eines berühmten Kriegers gestehen, daß ich eine Übereilung begangen habe, die ich hätte unterlassen sollen, Ich bitte euch, sie zu vergessen und gegen niemanden davon zu sprechen! Für die Erfüllung dieses Wunsches biete ich euch Entschädigung.«
»Welche?« fragte ich.
»Wir verzichten zunächst auf die Fortsetzung des Kampfes.«
»Das heißt, wir sollen auf den dritten Sieg verzichten; so ist es. Doch weiter!«
»Wir nehmen sofort unsern Aufbruch und ziehen fort!«
»Das müßtet ihr sowieso, denn der Besiegte ist dazu gezwungen. Weiter.«
»Wir lassen euch den Kanz el A‘da.«
»Den könnt ihr uns nicht nehmen; er ist dem Sieger zuerkannt, und wir haben ja gesiegt. Noch etwas?«
»Ihr macht keine Ansprüche auf die Mekkaner.«
»Behaltet sie in Allahs Namen, denn wir sind herzlich froh, daß wir uns nicht mehr mit ihnen zu befassen brauchen!«
»So seid ihr also einverstanden?«
»Das habe ich nicht gesagt. Du verlangst von uns das Geschenk der Verschwiegenheit und bietest uns dafür nur Dinge, die schon unser Eigentum sind, Das ist für dich freilich ein vorteilhafter Handel, bei dem du alles bekommst und nichts zu geben hast. Da wir nun keine geistig blinden Menschen sind, so wollen wir uns, ehe wir dir unser Wort geben, die Angelegenheit doch erst einmal näher betrachten. Wohin reitet ihr von hier?«
»Nach der Ain Bahrid« (Kalte Quelle).
»Wirklich?«
»Ja.«
»Irre ich mich nicht, so liegt sie eine volle Tagesreise im Südwesten von hier?«
»Ja.«
»Und dorthin wollt ihr reiten? So, so! Ich habe bisher angenommen, daß der Pfad des Krieges, auf dem ihr euch befindet, euch nach Westen und Nordwesten führt! Doch geht uns das nichts an, denn eure Wege sind nicht unsere Wege; aber weit wir darum wünschen, daß sie nicht wieder zusammenführen, so hoffen wir, daß ihr auch wirklich und direkt nach der Ain Bahrid reitet. Es war ausgemacht, daß nach der Beendigung des Zweikampfes für heute Friede zwischen uns sein solle. Wie steht es damit?«
»Es bleibt dabei.«
»Für heute nur?«
»Ja.«
»Und später?«
»Wieder Kampf.«
»Und da sollen wir dir Verschwiegenheit versprechen, für die du nichts weiter als nur Fortsetzung der Feindschaft bieten kannst!«
»Ich habe euch doch viel, viel mehr versprochen!«
»Das haben wir ja alles schon! Dieser dein Vorschlag ist so kindisch, daß wir uns sogar schämen müssen, darüber zu lachen! Wir sind keine Kinder, die man mit nichtssagenden Worten oder mit leblosen Puppen beruhigen kann, sondern Männer, denen die Stürme der Wüste und des Lebens noch öfter und drohender als euch um die Nase gepfiffen sind, und als solche durchschauen wir dich nur zu wohl. Du sollst also auf deine Anfrage nicht eine kindische Zusage, sondern eine Männerantwort zu hören bekommen, und diese lautet folgendermaßen: Ihr verlaßt den Bir Hilu sofort und gebt uns für heute den ausbedungenen Frieden. Wenn ihr das tut, so versprechen wir dir die gewünschte Verschwiegenheit für uns so lange, als uns nichts Feindliches von euch widerfährt. Das ist unser Entschluß, zu welchem nichts getan und von weichem auch nichts genommen wird.«
»Hast du nichts hinzuzufügen?«
»Nein; ich sage es ja; kein Wort!«
»Also ihr werdet schweigen, so lange euch von uns nichts geschieht?«
»Ja.«
»Gut, ich bin zufrieden!«
»Dieser jetzige Handel gilt?«
»Ja.«
»Du gibst dein Wort?«
»Ich gebe es!«
»Reiche Hadschi Halef Omar, dem Scheik der Haddedihn, deine Hand darauf, dann sind wir fertig!«
Er tat es, hielt die Hand Halefs fest, sah ihm und dann auch mir ebenso fest in die Augen und wiederholte, jedes Wort einzeln und schwer betonend:
»Ihr schweigt, so lange euch von uns nichts geschieht! Abgemacht! Wir reiten fort!«
Hierauf drehte er sich um und ging hinüber zu seinen Leuten. Halef sah mich fragend an und schüttelte den Kopf.
»Dir ist etwas nicht klar?« fragte ich ihn.
»Allerdings!«
»Was?«
»Warum wiederholte er diesen Satz und betonte ihn in solcher Weise, Effendi?«
»Weil er ein höchst unvorsichtiger Mann ist, der gar nicht ahnt, daß er uns seine Absichten damit verraten hat.«
»Wieso?«
»Du glaubst doch, daß die Beni Khalid darauf brennen, sich an uns zu rächen?«
»Das ist doch so sicher, daß wir gar kein Wort darüber zu verlieren brauchen!«
»so dauert also unsere Verschwiegenheit von heut an bis zum nächsten Angriffe ihrerseits; da der Scheik aber unserer Schweigsamkeit nicht traut, wird er diese Zeit möglichst abzukürzen, zu verringern suchen. Verstehst du mich?«
»Sehr gut, sehr gut! Du meinst, daß wir es baldigst wieder mit ihnen zu tun haben werden.«
»Ja. Heut zwar nicht, denn Wort wird er halten, aber sehr wahrscheinlich morgen schon, und wenn das nicht, dann sicher übermorgen, damit wir nicht etwa Gelegenheit bekommen, mit Leuten zusammenzutreffen, denen wir von seinem Schwuresbruche erzählen können. Wir haben uns also so in acht zu nehmen, wie noch selten in unserm Leben. Das hat er uns verraten, ohne es zu wissen. Er wollte uns unsere Verpflichtung so tief und fest wie möglich einprägen und dachte dabei aber nicht, daß grad in dieser Wiederholung für einen vorsichtigen und scharfsinnigen Mann die Aufforderung lag, zwischen seinen Worten die verborgenen Gedanken herauszulesen.«
Omar Ben Sadek sah sich also zu seinem wirklichen Leidwesen gezwungen, auf eine der Ehre seines Stammes geltende Heldentat zu verzichten. Er versicherte, sich darauf gefreut zu haben, und wir alle glaubten ihm das gern. Eigentlich trug ich die Schuld an dieser Entsagung, denn wenn ich nicht auf den Gedanken gekommen wäre, dem Scheik der Beni Khalid die erteilte Lektion zu geben, so hätte der dritte Gang wohl noch ausgekämpft werden müssen, aber dann wäre uns nicht durch den Wortbruch Tawils eine Waffe in die Hand gegeben worden, die nicht nur für heut‘, sondern auch für später geeignet war, uns gute Dienste zu leisten.
Wir sahen zu unserer Genugtuung, daß sich die Beni Khalid zum schnellen Aufbruche rüsteten. Daß sie nicht direkt nach der Ain Bahrid reiten würden, stand für mich außer allem Zweifel. Ich hatte diese Quelle und ihre Lage, als er von ihr sprach, gekannt, weil sie auch unser nächstes Ziel war, nach welchem wir uns zu wenden hatten, gleichviel, ob die Beni Khalid auch hingingen oder nicht. Sie war die nächste Wasserstation auf unserer Route.
Eigentlich konnten wir mit unserm Erfolge sehr zufrieden sein. Wir hatten die gestohlenen Sachen bekommen und den Perser mit seinen Soldaten befreit, wir Fünfzig gegen eine uns so vielfach überlegene Schar! Ja sogar den Kampfplatz hatten wir behauptet, während die Überlisteten und Besiegten gezwungen waren, abzuziehen!
Als ihre Vorbereitungen ziemlich vollendet waren, sahen wir den Scheik noch einmal herüberkommen. Hinter ihm ging zu unserem Erstaunen der Ghani, welcher den Münedschi an der Hand führte. Daß dem ersteren noch etwas eingefallen war, was er uns nachträglich zu sagen hatte, das war ja leicht denkbar; was aber wollten die beiden andern noch hier bei uns?
Sie kamen zunächst nicht ganz heran, sondern blieben in einiger Entfernung von uns stehen. Der Scheik sagte:
»Ich komme nicht um meinetwillen, sondern nur um dieser beiden Männer wegen. Sie wollen von euch etwas holen und fürchten, von euch feindlich behandelt zu werden. Da sie als Gastfreunde unter meinem Schutze stehen, habe ich dafür zu sorgen, daß dies nicht geschehe. und sie also begleitet. Dürfen sie hinkommen zu euch?«
»Ja«, antwortete Halef.
»Ihr vergreift euch nicht an ihnen und haltet sie fest?«
»Das kann uns gar nicht in den Sinn kommen!«
»So habe ich meine Pflicht getan und werde hier stehen bleiben, um auf sie zu warten. Geht!«
Diese letztere Aufforderung war an den Ghani gerichtet, welcher ihr folgte, indem er mit dem Blinden vollends zu uns kam. Er deutete auf das Paket, welches neben dem Perser lag und sagte:
»Ihr habt mir dieses mein Eigentum gestohlen, welches ihr als Kanz el A‘da bezeichnet, um euern Diebstahl.«
»Halt!« unterbrach ich ihn da. »Wir haben euch erlaubt, mit uns zu sprechen, und unser Wort gegeben, daß euch nichts geschehen soll. Wenn du es aber wagst, uns solche schamlose, freche Beschuldigungen, deren Grundlosigkeit du am allerbesten kennst, in das Gesicht zu werfen, so stehe ich für nichts. Sag‘ also kurz, was du willst, und nimm dich zusammen, kein unnützes Wort zu sprechen!«
Er schien sich gar nicht sehr eingeschüchtert zu fühlen, fuhr aber nun ohne weitere Beleidigungen fort:
»Die Sachen sind in meinen Gebetsteppich gewickelt. Ich muß sie euch lassen, weil der Scheik der Beni Khalid sie euch zugesprochen hat; aber den Teppich verlange ich zurück!«
»Du irrst. Es hat uns niemand diese Gegenstände zugesprochen, sondern das Wüstengericht der Haddedihn hat erkannt, daß sie Eigentum des Kanz el A‘da in Meschhed Ali sind, wo sie gestohlen wurden. Daß ein Teppich des Gebetes zur Umhüllung gestohlener Sachen benutzt wird, könnte man vielleicht einem ungläubigen Abd el Asnahm (Heide, Götzendiener), nie aber dem Liebling des Großscherifs‘ von Mekka zutrauen. Ihr habt da eben ganz Unglaubliches geleistet. Daß ein so entweihter Teppich wieder seine fromme Benutzung finden werde, halte zwar ich für ganz ausgeschlossen, euch aber ist das allerdings wohl zuzutrauen —«
»Ihn Harahm! Cha‘in!« (Schurke! Schuft!) rief der Blinde laut dazwischen, indem er mit der Gebärde tiefsten Abscheues seine Hände emporwarf.
Ich wußte in diesem Augenblicke nicht, wem das gelten sollte, und fuhr also fort:
»Es fällt uns gar nicht ein, uns an diesem Stücke zu bereichern; es wird dir gleich zurückgegeben werden.«
»Ja, sofort!« stimmte der Basch Nazyr bei. »Es kann mir bloß lieb sein, wenn ich nichts mehr zu berühren brauche, was Eigentum von Dieben ist.«
Er wickelte das Paket auf, legte die Beutel einstweilen neben sich und warf dem Ghani den Teppich samt der Schnur zu. Dieser hob beides auf.
»Seid ihr nun fertig?« fragte ich.
»Nein. Der Münedschi ist auch da«, antwortete der »Liebling«.
»Was will er?«
Da trat der Blinde, dem Klange meiner Stimme folgend, nahe zu mir heran und sagte:
»Damit ich mich ja nicht irre, muß ich wissen, ob du der Effendi aus dem Wadi Draha bist. Du hast seine Stimme, ich könnte mich trotzdem täuschen und einen großen Fehler begehen. Was ich dir zu sagen habe, ist für keinen andern. Also du bist es?«
»Ja.«
»Neige dein Gesicht ganz nahe her zu mir! Du weißt, daß ich dich dann erkennen kann, weit die Sonne scheint.«
Ich hatte keinen Grund, ihm diese Bitte abzuschlagen, und hielt ihm das Gesicht hin. Er hob die Hände, faßte hüben und drüben meinen Kopf, hielt ihn fest und spie mir ein, zwei, dreimal in das Gesicht. Auf so einen Angriff gar nicht gefaßt und von ihm mit allen seinen Kräften festgehalten, gelang mir die Befreiung meines Kopfes nicht schnell genug, der dreimaligen Mißhandlung zu entgehen. Ein fünfzigfacher Schrei der Haddedhin ertönte rundum, und Halef packte mit beiden Fäusten den Blinden an der Brust.
»Mensch! Wahnsinniger!« schrie er ihn, ganz außer sich, an. »Was hast du getan! Du bist ein Greis und blind dazu, aber das soll mich nicht abhalten, dich zu Brei zu malmen!«
Er hatte ihn schon fast nieder; ich griff also, ohne mich abwischen zu können, schnell zu, riß ihn von dem Münedschi weg und befahl mit lauter Stimme:
»Daß keiner den Blinden anrührt! Diese Beleidigung geht nur mich an, keinen andern Menschen!«
»Aber. Sihdi, er hat es gewollt; er hat es beabsichtigt!« rief Halef, noch immer höchst aufgeregt »Er befindet sich nicht in seinem Zustande des Traumes, sondern er ist wach und vollständig im Besitze seiner Sinne! Er hat also nicht unbewußt gehandelt, sondern mit klarer Überlegung, und da ist es eine so freche und infame Besudelung deiner Person, daß die Strafe gar nicht hart und schnell genug erfolgen kann!«
»Das ändert gar nichts daran, daß nur ich allein darauf zu antworten habe! Er will sprechen, seid still!«
Hanneh war auch erschrocken aufgesprungen. Sie kam heran zu mir, wischte mir den Geifer aus dem Gesichte und liebkoste mir dann, ohne dabei zu sprechen, mit ihrer Hand die nach Ansicht ihres Mannes so fürchterlich gekränkten Wangen. Während sie das tat, sprach der Münedschi:
»Das, das wollte ich dir sagen, ja, sagen, denn das Anspeien ist ja die deutlichste der Sprachen! Du bist der elendste, der armseligste Mensch, der mir jemals vorgekommen ist! Mit Worten der Liebe hast du dich in mein Herz gestohlen, während in dem deinigen nur der Haß regiert! Du gabst dir den Anschein der Seelenreinheit, der Gedankenhöhe und wälzest dich doch in dem tiefsten, niedrigsten Schmutze des Verbrechens! Du hast das Kleid der Güte, der Barmherzigkeit um dich geschlagen und hetzest doch die Menschen wie Hunde, die sich zerreißen sollen, aufeinander. Du heuchelst Wahrheit, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und Treue und bist doch voller Falschheit, Lug und Trug! Ja, deine Gelehrsamkeit ist groß, wohl größer als das Wissen, weiches ich mir mühsam erworben habe, aber du hast sie in den Pfuhl der sittlichen Verdorbenheit geworfen, aus dem heraus sie nur verderbend anstatt Segen bringend wirken kann! Du gibst vor, himmelan zu streben und stehst doch nicht nur auf dem Weg zur Hölle, sondern bist schon jetzt und selbst ein Abgrund schlimmster Teufelei! Du tust, als liege dir der Menschen Seligkeit am Herzen und bist doch ein Verführer zum Verbrechen und trägst die Schuld an all der Schlechtigkeit, die hier geschehen ist! Ihr sprecht von einem Kanz el A‘da, der eine unverschämte Lüge ist, du aber hast einen Raub an mir begangen, hast meine Seele betrogen und bestohlen und mir einen innern Verlust zugefügt, für den es keinen Ersatz gibt! Das mußte ich dir sagen; nur darum ließ ich mich jetzt zu dir führen, um dich des Seelenraubes, ja, des Seelenmordes anzuklagen und dir in das Gesicht zu speien, damit du erfährst, wie der von dir denkt, dem du das Herz nur öffnetest, um es noch ärmer und elender zu machen, als es vorher war! Das erblindete Auge meines Körpers ist trocken, aber mein inneres Auge weint. Ich gebe dich der Strafe Allahs heim und fordere von ihm, für dich nicht Gnade, nicht Barmherzigkeit zu haben, sondern nur den Untergang, das ewige Verderben!«
Die Wucht dieser gegen mich geschleuderten Anklagen wurden durch den Eindruck seiner Persönlichkeit überhaupt und dann auch durch die Art und Weise verstärkt, wie er sie vorbrachte. Das waren ja wahre Keulenschläge, die mich aber nicht treffen konnten, und also in die Luft geführt. Die Haddedihn waren so betroffen, daß sie nur erstaunte Blicke hatten. Halef schaute mich erwartungsvoll an, was ich nun sagen werde. Ich öffnete auch schon den Mund, um zu antworten, da trat der Ghani auch zu mir heran und warf mir die Worte zu:
»Mein Schützling, der von meiner Barmherzigkeit lebt und unsere Unschuld kennt, hat mir aus dem Herzen gesprochen. Ich bestätige alles, was er gesägt hat, und zeige dir meine Verachtung in ganz derselben Weise wie er, indem ich dich ansp— – – – !«
Wahrhaftig, dieser Mensch war so frechverwegen, auch speien und spucken zu wollen! Vielleicht machte ihn meine Selbstbeherrschung, welche ich dem Münedschi gegenüber zeigte, so vermessen! Aber er hatte das Wort noch nicht ganz ausgesprochen, so bekam er von mir eine so gewaltige Maulschelle, nicht etwa bloß Ohrfeige, daß er, wie von Pulverkraft getrieben, zur Seite und unter die Haddedihn hineinflog. Fast hätte er einige von ihnen mit in seinen Sturz gerissen. Sie stürzten sofort über ihn her, um das von meiner Hand begonnene Werk so tatkräftig fortzusetzen, daß seine heulende Stimme über den ganzen Platz schallte. Da sprang der Scheik herbei. Er schlug, um ihn zu befreien, auf sie ein und schrie:
»Weg von ihm, weg! Er steht unter meinem Schutze! Indem ihr euch an ihm vergreift, brecht ihr die für heut getroffene, friedliche Vereinbarung!«
Da drängte ihn Halef von ihnen ab und antwortete drohend:
»Zurück mit dir, augenblicklich zurück! Wer hat sie zuerst gebrochen, wir oder ihr? Das weiche Herz unsers Effendi hat den Münedschi geschont, weil der alte Mann blind und auch sonst unzurechnungsfähig ist, dem Ghani aber, diesem Ausbund der maßlosesten Unverschämtheit, muß gezeigt werden, daß wir ihn mit demjenigen Eifer zu behandeln wissen, den wir seinem Verhalten schuldig sind. Ich an deiner Stelle würde mich schämen, hier noch von Schutz zu sprechen! Eure Dreistigkeit ist geradezu empörend!
Er nahm sich aber doch des Gezüchtigten an, indem er ihn aus den Händen der Haddedihn befreite, was allerdings nicht allzuschnell vonstatten ging. Die »eifrige Behandlung« hatte zur Folge, daß er fast des Gebrauches seiner Glieder beraubt war. Er hinkte zu dem Münedschi hin und ergriff seine Hand, um ihn fortzuführen; dies geschah aber nicht, ohne daß er uns noch drohend zuzischte.
»Wartet bis Mekka, bis Mekka! Oder vielleicht noch viel, viel eher, ihr Hunde!«
Der Scheik entfernte sich mit schnellen Schritten. Sein »Schützling« krümmte sich, so gut oder übel er konnte, mit dem Blinden hinter ihm her.
»Ich habe schon viel, sehr viel erlebt«, meinte Halef »und so manchen von Gott verlassenen Menschen kennengelernt, aber so etwas hätte ich doch nicht für möglich gehalten! Doch, er hat für einstweilen seinen Lohn, und wahrscheinlich wird er uns in dieser Beziehung noch besser kennen lernen! Aber, Effendi, du warst ganz still! Warum hast du zu dem Münedschi kein einziges Wort der Verteidigung gesagt? Nun ist er überzeugt, daß er recht, habe!«
»Erstens ging alles so schnell, daß es für mich keine Zeit zum Sprechen gab, und zweitens war es wohl genug von mir, daß ich überhaupt schwieg. Und wenn ich ihm seine stundenlange Rede gehalten hätte, so wäre sie doch ohne Erfolg geblieben. Ich habe ihm verziehen und denke, daß für jetzt nicht mehr erforderlich war. Betrachten wir diesen so ganz unerwarteten Angriff als ungeschehen!«
»Gut! Es ist wohl auch am richtigsten so! Wir haben jetzt an Dinge zu denken, weiche für uns wichtiger sind als diese grundlosen Beschuldigungen aus dem Munde eines armen, mißgeleiteten, blinden Mannes. Ich hätte ihn in der ersten Hitze umbringen können; nun aber freue ich mich, daß du mich davon abgehalten hast, ihn zu züchtigen. – – – Was tun wir jetzt? Wann setzen wir unsere Reise fort?«
»Morgen früh.«
»Erst? Warum nicht schon heut?«
»Weil wir erst an der Ain Bahrid Wasser finden und sie heut‘ nicht erreichen würden, denn die Beni Khalid sind zwischen uns und ihr. Ich vermute überhaupt, daß wir nicht so schnell, wie wir es wünschen, an diese Quelle kommen werden; die Rache Ben Schahids hält uns auf. Darum haben wir uns vor allen Dingen mit Wasser zu versehen und werden den heutigen Tag zur Füllung unserer Schläuche benutzen, doch nicht eher, als bis Khutub Agha dies mit den seinigen getan hat.«
»Warum ich?« fragte der Perser.
»Weil du natürlich so bald wie möglich fortreitest.«
»So bald wie möglich? Nein, Effendi! Ich habe gesagt, daß wir diesen Ort nicht eher als ihr verlassen werden, und von diesem Vorhaben bringt mich niemand ab, auch du nicht. Soll Dschafar, unser gemeinschaftlicher Freund, wenn ich ihn treffe, mir den erstaunten Vorwurf machen, daß ich mit Kara Ben Nemsi zusammen gewesen bin und dieses Glück, diesen Vorzug nicht bis zum letzten Augenblick ausgenützt habe? Und wenn du mir alles zumuten darfst, alles andere, aber nur das nicht!«
»So ist es meine Pflicht, dich zu warnen! Der Scheik der Beni Khalid ist ohne Zweifel gewillt, dir den Kanz el A‘da wieder abzunehmen. Jetzt, wenn du dich so bald wie möglich von hier entfernst, muß er darauf verzichten; bleibst du aber bis morgen hier, so gibst du ihm Zeit, diese seine Absicht auf irgendeine Weise auszuführen. Das mußt du bedenken!«
»Ich bedenke es und bleibe dennoch da. Auf mein gestriges Zusammentreffen mit ihm war ich nicht vorbereitet; nun ich aber weiß, woran ich bin, kann es ihm unmöglich gelingen, mich zum zweitenmal festzunehmen. Also, ich bitte dich, rede mir nicht darein; ich bleibe!«