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Kitabı oku: «Am Jenseits», sayfa 26

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Das hätte ich dem Perser gerne gesagt; aber der Scheik und auch der Ghani hielten uns so scharf unter ihren Augen, daß mir kein leises Wort ermöglicht war. Sie hinderten aber den Basch Nazyr nicht, laut zu sprechen:

»Effendi, da unser Geschick sich in dieser Weise geändert hat, will ich dir eine Mitteilung machen, welche dich interessieren wird. Ich habe darüber geschwiegen, weil ich glaubte, daß du Dschafar Mirza zürnen werdest.«

»Warum?«

»Er hat mir ein Geschenk gemacht, welches er erst von dir erhalten hat.«

»Darüber kann ich doch nicht zornig sein! Das Geschenk gehörte dann ihm, und er konnte also darüber verfügen, wie es ihm beliebte. Wir haben uns gegenseitig wiederholt mit Gaben erfreut. Welches Geschenk meinst du?«

»Das kleine Buch in persischer Sprache El Beschair el arba (Die vier Evangelien). Ich habe mit ihm in innigerer Beziehung gestanden, als ich dir bisher gesagt habe und jetzt in der Todesstunde sagen kann. Du weißt, sein Leben war geheimnisvoll, und darum schwieg ich gegen dich. Er hat das Buch gelesen und jede Zeile desselben in sein Herz gegraben. Dann schenkte er es mir, damit auch ich erleuchtet werde. Du hast mir verziehen, was ich über die Spaltung eures Glaubens sagte; nur die Bekenner sind uneinig; die Lehre selbst aber kennt und will diese Teilung nicht. Sie ist auch mir in das Herz gedrungen, obgleich ich zu dir kein Wort davon gesprochen habe, denn du solltest ja nicht wissen, daß ich das, was ich jetzt denke und fühle, aus deinem Geschenk gezogen habe. Ich las täglich darin, auch heut früh wieder, als ihr es nicht merktet. Da schlug ich die Stelle nach, welche lautet: Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde; tut Gutes denen, die euch hassen, und betet für die, welche euch verfolgen und verleumden, aul dasß ihr Kinder seid eures Vater, der im Himmel ist, der seine Sonne aufgehen läßt über die Guten und die Bösen und läßt regnen über die Gerechten und die Ungerechten! Es lebte jedes Wort in mir, welches wir von Ben Nur gehört hatten, als der Quell und die Summe seiner ganzen Rede nur das eine, nur die Liebe war. Ich dachte an unser Verhalten gegen diese unsere Feinde hier, denen wir für den Haß die Liebe gaben. Es schien mir der Güte allzu viel gewesen zu sein, und darum schlug ich diese Stelle auf, um meiner Schwachheit Kraft zu geben. Nun scheint es aber doch, als hätten wir besser gehandelt, wenn wir schwach geblieben wären, denn wir werden, du und ich, unsern Gehorsam gegen die Liebe mit dem Leben bezahlen!«

»Nein, das glaube ich nicht!« antwortete ich, tief ergriffen von diesem so unerwarteten Glaubensbekenntnisse des dem Tode Geweihten. »Das Leben hat dieselbe Ewigkeit wie die Liebe. Wir sterben nicht, vielleicht nicht einmal leiblich. Der, weicher, als du heut die Stelle lasest, von dir forderte, deine Feinde zu lieben, hat wohl die Macht, dich grad durch diese Liebe zu erretten! Sein Evangelium ist ein fester Schutz und Schirm im Leben und auch in der größten Todesgefahr. Wenn du auf ihn vertraust, ist seine Hilfe vielleicht näher, als du denkst!«

»So wollen wir uns ja beeilen, dieser Hilfe schnell zuvorzukommen!« lachte der Scheik. Das Loch ist fertig.«

»Ja, es ist fertig und meine Kugel ist bereit!« fügte El Ghani entschlossen hinzu. »Wir müssen fort. Nun wird nicht länger gezaudert!«

»Stelle dich hierher!«

Bei diesem an den Perser gerichteten Befehle deutete der Scheik neben das Grab; Khutub Agha gehorchte. Als er dort stand, rief er mir zu.

»Effendi, ich sage kein Lebewohl zu dir, denn wir trennen uns doch nur für einige Augenblicke. Du kannst deine Hände nicht falten, weil du auch gefesselt bist; aber sprich in deiner Seele ein Gebet für mich, daß ich an EI Mizan, der Waage der Gerechtigkeit, die Hand des Engels fassen darf, der mich hinüberführt!«

Bei dieser Bitte kam ein Grimm über mich, den ich, wenigstens für mich und mein ganzes Leben, wohl beispiellos nennen kann. Es erhob sich eine, fast möchte ich sagen, bisher unbekannte, dämonische Kraft in mir, weiche, keinen Widerstand achtend, zum rücksichtslosen Ausbruch trieb. Da, vor mir stand der Freund, mitten unter den Mördern, in einer roten Lache des vergossenen Soldatenblutes! Mußte es geschehen? Durfte es geschehen? Konnte ich denn nicht helfen? War ich armseliger Kerl denn wirklich zu schwach für meine Fesseln?

»Du sollst noch nicht nach dieser Hand fassen!« schrie ich auf. .Ich befreie mich; ich komme, ich komme! Steh nur nicht still, sondern wehre dich! Du hast ja die Füße frei! Stoß zu; tritt sie nieder, immer nieder!

Ich zog und drehte an meinen Fesseln, obgleich ich fühlte, daß sie mir in das Fleisch schnitten; ich bäumte und schnellte mich auf, stürzte aber sofort wieder hin, doch nicht, ohne daß der um die Fußgelenke geschlungene Strick zerriß. Er hatte der Kraft, mehr derjenigen des Falles als meiner eigenen, doch nicht widerstehen können!

»Drauf! Drauf auf ihn! Der Hund macht sich wirklich frei!« rief der Scheik.

»Er, die Beni Khalid und die drei Mekkaner warfen sich auf mich. Ich stieß mit den noch gefesselten Händen und den frei gewordenen Füßen nach ihnen, schnellte mich hin und her – – – ! Es war ein zu ungleicher Kampf, und da – – – da fiel der Pistolenschuß des Ghani; ich sah aus der Umschlingung, in der ich mich befand, heraus, daß der Perser mit ausgebreiteten Armen hintenüberstürzte; da war mein Widerstand dahin; ich streckte mich aus und ließ mir auch ruhig die Füße wieder zusammenbinden und gestehe, daß ich dabei laut und bitterlich weinte. Ich wollte nicht; ich wußte nur zu gut, weich eine Schande mir dieser Weinkrampf machte; aber es war eben ein Krampf, der sich nicht unterdrücken ließ. Es war mir das noch nie passiert, doch da die beispiellose Aufregung, welche sich meiner bemächtigt hatte, nicht auf anderem Wege hatte explodieren können, tat sie es eben in diesem Schluchzen, welches bei denen, die es hörten, ein schallendes Gelächter hervorrief.

Auf den Hohn, mit dem ich nun beworfen und überschüttet wurde, achtete ich gar nicht. Sie mußten ja von selbst aufhören, und das taten sie sehr bald, weil der Ghani die Aufmerksamkeit. der andern von mir auf sich ablenkte. Er kniete nämlich bei dem Basch Nazyr nieder und begann, dessen Taschen zu durchsuchen.

»Halt! Was fällt dir ein!« störte ihn der Scheik.

»Nichts fällt mir ein, als nur das, was ich darf!« antwortete der andere. »Soll das, was er bei sich hat, etwa mit ihm begraben werden?«

»Nein, aber dir gehört es nicht!«

»Dieser Schiit ist mein Eigentum! Mir ist er nachgeritten, mich hat er beschuldigt und beleidigt; von meiner Kugel ist er gefallen. Sein Eigentum, sein ganzes, ganzes Eigentum gehört also nur mir!«

Ich sah da einen Streit kommen, der sich vielleicht in die Länge ziehen und mir dadurch Rettung bringen konnte. Dieser Gedanke wirkte wohltätig auf mich; ich wurde innerlich wieder ruhig.

»Sollen wir dich vielleicht ebenso auslachen, wie wir jetzt über diesen weinenden Hund gelacht haben?« fragte Tawil Ben Schahid. »Wer hat den Angriff hier geleitet, wer die Soldaten besiegt, du oder ich? Wer ist also Besitzer alles dessen, was sich hier befindet?«

Er stand hochaufgerichtet und drohend vor dem Ghani, und seine Beni Khalid näherten sich, ihre Gewehre in den Händen, den Mekkanern in einer Weise, welche zwar diesen nicht, aber mir auffiel. Das sah ja ganz so aus, als ob jetzt etwas geschehen solle, was der Scheik vorher mit seinen Leuten heimlich verabredet hatte! In dieser Vermutung wurde ich durch die Beobachtung bestärkt, daß sie ihre Augen nur auf ihn gerichtet hielten, als ob sie auf ein mit ihm vereinbartes Zeichen warteten.

»Etwa du?« rief der Liebling des Großscherifs. »Warum hast du den Kanz el A‘da dort neben dein Kamel gelegt? Willst du mich um ihn betrügen? Ich habe schon gestern während des ganzen Tages gemerkt, daß du etwas gegen uns im Schilde führst. Ist‘s ein Betrug, eine Verräterei, so denke nicht, daß ich sie dulden werde! Meine Macht reicht weiter als die deinige!«

Seine Augen funkelten; der Scheik antwortete um so ruhiger und kälter:

»Wie weit deine Macht und dagegen die meinige reicht, wirst du sofort erfahren! – – – Jetzt!«

Dieses Wort, weiches den erwarteten Befehl enthielt, galt seinen Leuten. Wie von nur einer einzigen Hand gehoben, flogen die Kolben ihrer Gewehre empor und krachten auf die Köpfe der Mekkaner nieder, die auf eine solche Überrumpelung nicht vorbereitet waren und, vor Schreck sich gar nicht wehrend, durch weitere Hiebe niedergeschlagen wurden. Daß diese Tat vorher besprochen worden war, bestätigte sich nun gleich auch dadurch, daß die zum Binden der Mekkaner nötigen Stricke sofort bei der Hand waren. Es war für mich ein unendlich häßlicher, widerlicher Vorgang, der mich empören mußte, obwohl die so verräterisch Behandelten meine Feinde waren. Nur für wenige Augenblicke bestürzt oder betäubt gewesen, wanden und krümmten sie sich nun schreiend, fluchend und heulend hin und her. Der Scheik stand eine ganze Weile stumm dabei, um ihre erste Wut vorübergehen zu lassen; aber als ihm das zu lange dauerte, zog er seine Pistole und gab sein Wort als Schwur, daß er jeden, der nicht sofort ruhig sei, erschießen werde. Das wirkte augenblicklich, denn sie wußten j a, wie stolz er darauf war, daß er sein Wort oder gar seinen Schwur niemals breche.

Hatte ich mich vorhin in einer beinahe beispiellosen Aufregung befunden, so fühlte ich mich jetzt von einer fast ebenso großen Spannung ergriffen. Indem die Ereignisse der letzten Tage an mir vorüberflogen, wurde es für mich gewiß, daß der Tod der Mekkaner für den Scheik eine beschlossene Sache sei. Er wollte den Kanz el A‘da haben und mußte sich auch alter Zeugen dessen, was geschehen war, entledigen. Aber seine Leute! Wie stand es da mit diesen? Durften sie alles wissen?

Es zeigte sich, daß dies eine Frage war, die er schon vorher im stillen beantwortet hatte. Er gab ihnen den Befehl:

»Jetzt könnt auch ihr nun fort; ich komme nach! Ich habe diesen früheren Freunden und jetzigen Feinden einige gute Lehren zu erteilen, ehe ich sie wieder freigebe. Nach dem Bir Hilu dürfen sie auf keinen Fall wieder. Der Effendi bekommt von mir selbst eine Kugel.«

Sie gehorchten, wenn auch sichtlich widerstrebend. Sie schienen, wenigstens in Beziehung auf den Kanz el A‘da, auch ihre Absichten und Wünsche zu haben. Wahrscheinlich durchschauten sie den Scheik und hielten es aber für klug, ihm einstweilen alles zu überlassen und erst später dann mit ihren Forderungen hervorzutreten. Sie gingen zu ihren Kamelen, stiegen auf und ritten fort, und zwar nicht auf dem Wege, den ich gekommen war, sondern auf demjenigen, der sie hierhergeführt hatte, denn sie waren einen weiten Bogen um den Bir Hilu geritten und so vorsichtig gewesen, erst hier auf die Linie zu treffen, auf welcher ihrer Ansicht nach die Rückkehr des Persers erfolgen werde. Das war ein für mich sehr günstiger Umstand, da ich nun nicht zu befürchten brauchte, daß sie mit Halef zusammentreffen oder gar ihn vorzeitig sehen und schnell zurückkehren würden, um den Scheik zu warnen.

Dieser hatte für mich einstweilen keine Beachtung mehr, womit ich allerdings sehr gern einverstanden war. Jetzt, da seine Leute sich entfernt hatten, war meine Lage so ganz unerwartet hoffnungsvoll geworden. Ich hatte es mit ihm allein zu tun und hielt es für gar nicht unmöglich, mit ihm fertig zu werden, ohne Halefs Hilfe abzuwarten. Die Hauptsache dabei war, ihn nahe an meine Hände zu bekommen.

Auf seine Flinte gelehnt, hatte er dagestanden, bis seine Beni Khalid verschwunden waren. Nun wendete er sich dem Ghani zu:

»Ich wiederhole es: Es spricht keiner von euch eher, als bis ich es erlaube, sonst ist ihm eine Kugel sicher! Ich gebe noch einmal mein Wort darauf!«

Er sah sie einzeln, einen nach dem andern finster an und fuhr dann fort:

»Ihr seid ganz unbeschreiblich dumme und dabei ebenso unbeschreiblich freche Menschen! Es ist eine Unverschämtheit sondergleichen, mir zuzumuten, euch für unschuldig zu halten! Allah weiß es, und ich weiß es auch, daß der Schiit dort in seinem Rechte war. Ich sage euch das in Gegenwart dieses Effendi, den ich dem Perser nicht nachschicken will, ohne ihn vorher zu überzeugen, daß ich euch gar wohl durchschaut habe. Das tue ich, weil ich mich bisher vor ihm zu schämen hatte, denn er mußte ja annehmen, daß ich verbrannte Dattelkörner anstatt des Gehirnes im Kopfe habe!«

»Wir sind – – – !« wollte der Ghani beginnen.

»Schweig!« wurde er unterbrochen. »Ich werde dir sagen, wenn du zu sprechen hast.«

»Aber ich muß – – »

Er hielt sofort wieder inne, denn der Scheik richtete den Lauf der Pistole auf ihn.

»Du scheinst gern reden zu wollen. Gut, du sollst es dürfen, aber ja nicht mehr als ein einziges Wort!«

Er trat hart an ihn heran, näherte die Waffe seinem Herzen und fuhr fort:

»Wenn du eine Lüge antwortest oder mehr als nur ein einziges Wort, auch wenn du auf den Gedanken kommen solltest, nicht zu antworten, also in jedem von diesen drei Fällen trifft dich meine Kugel augenblicklich und ebenso sicher, wie die deinige dort den Unschuldigen getroffen hat! Also jetzt! Habt ihr den Kanz el A‘da gestohlen? Ja oder nein!«

»Ja«, würgte der Ghani, als ob er am Ersticken sei, hervor.

»Daran habe ich natürlich keine Sekunde lang gezweifelt, und darum verdient es die härteste aller Strafen, daß ihr mich für einen Geisteskranken gehalten und von mir gefordert habt, euch nicht nur als Unschuldige gegen die Haddedihn und die Asaker zu verteidigen, sondern, was noch tausendmal schlimmer ist, euch auch wirklich für unschuldig zu halten. Ich kannte dich, Ghani, schon früher, und ihr kamt zu uns an den Brunnen. Ihr waret also meine Gäste, und wir haben mehr als unsere Pflicht gegen euch getan. Sogar das Leben wagten wir wiederholt, zuletzt im Zweikampfe, den wir um euretwillen forderten. Dann aber war euch genug von uns geschehen. Als wir vorn Brunnen reiten mußten, erklärte ich euch, daß wir uns von euch trennen müßten. Ihr weigertet euch, zu gehen! Ich sagte euch, daß ich euch nicht mehr als Gäste betrachten dürfe. Ihr bliebt dennoch bei uns! Als wir hierherritten, befahl ich euch, zurückzubleiben. Ihr gehorchtet nicht, sondern kamt uns nachgeritten! Wir mußten euch dulden, weil ihr sonst zu den Feinden geritten wäret, um zu verraten, daß wir dem Perser auflauern wollen. Ihr seid also nicht als meine Gäste und Freunde mitgeritten, sondern als zudringliches Ungeziefer, dessen man sich entledigt, wenn es zu frech geworden ist. Und das tue ich jetzt. Was den Kanz el A‘da betrifft, so ist diese Angelegenheit durch den Zweikampf vollständig für euch erledigt worden. Er gehörte euch nicht, denn ihr hattet ihn gestohlen, und er wurde dem rechtmäßigen Besitzer zugesprochen. Wolltet ihr ihn wiederhaben, so konntet ihr ihn ja zum zweitenmal stehlen; dagegen hatte ich nichts, und es war allein eure Sache; ihr hättet euch also von uns trennen sollen! Ebenso hatte ich das Recht, ihn mir zu holen, denn euer Recht ist nicht größer als das meinige, nämlich gar keins! Ich habe das unternommen, und der Fang ist mir gelungen; nun seid ihr an der Reihe, nichts dagegen zu haben! Anstatt dessen aber sehe und höre ich, daß ihr es wagt, mich um den wohlerworbenen Lohn zu bringen. Ihr seid trotz eurer Schwäche und Erbärmlichkeit so dreist, ihn mir streitig zu machen. Ihr bezahlt meine Güte mit Feindschaft, meine Gastfreundlichkeit mit Undank, und es ist für mich also Pflicht der Selbsterhaltung, daß ich mich gegen euch sicherstelle. Da ich euch weder durch Güte noch durch ernste Vorstellungen loswerden konnte, muß ich zu einem anderen Mittel greifen, mich eurer zu entledigen. Bis vorhin war ich gewillt, kein Blut zu vergießen. Ich wollte euch gefesselt hier liegen lassen, bin aber anderer Meinung geworden. Ihr würdet langsam verschmachtet sein, ohne daß ich mir die Schuld zu geben hätte, weil ihr gegen meinen Willen mit hierhergeritten seid. Doch seit ich vorhin gesehen habe, weiche Freude es dir macht, mit eigener Hand das Blut eines Unschuldigen zu vergießen, kann ich euch denselben Dienst erweisen, ohne mir den geringsten Vorwurf machen zu müssen. Ja, eine Kugel ist nur die wohlverdiente Strafe für euch, und indem ich euch den Weg von der Erde zeige, befreie ich die Menschheit von einer Anzahl von Schurken, welche der allerärgsten Verbrechen fähig sind!«

Es war gewiß eine sonderbare Logik, welche dieser langen Rede zugrunde lag! Machte es die Plötzlichkeit, mit weicher der Scheik jetzt seine Feindseligkeit enthüllte, oder die Angst vor der angedrohten Kugel, kurz, es ließ keiner ein Wort der Entgegnung hören. Auch der Münedschi war still. Ich kann die Art und Weise, in der er dem Ben Khalid zugehört hatte, wohl nicht besser bezeichnen, als indem ich sage, daß er ihm mit den Ohren die Worte von den Lippen las. Seine blaustrahlenden Augen standen weit auf, und sein Mund war geöffnet; sein Gesicht schien plötzlich versteinert zu sein, denn kein Zug desselben, kein einziges Haar seines Bartes wollte sich bewegen. Es war mir mehr, weit mehr als interessant, ihn zu beobachten. Er hatte das Geständnis des Ghani gehört, ebenso alles, was von dem Scheik gesagt worden war, und mußte nun also wissen, was es mit dem Kanz el A‘da für eine Bewandtnis hatte. Obgleich es wohl eigentlich nicht nötig ist, will ich doch erwähnen, daß er weder einen Kolbenschlag empfangen hatte, noch gefesselt worden war. Dieser Gewaltmaßregeln bedurfte es bei ihm, dem Blinden, nicht.

Während ich den Blick beobachtend auf ihn gerichtet hatte, sah ich, daß die Starrheit aus seinen Zügen wich. Er stand auf, langsam, sehr langsam, wie jemand, der aus einem tiefen Schlaf mit süßem Traume zur ganz entgegengesetzten, harten Wirklichkeit erwacht.

»Darf ich reden?« fragte er.

»Du? – Ja«, antwortete der Scheik.

»Ich hörte alles, was du sprachst. Ich bitte dich bei Allah und allem, was dir heilig ist, mir die Wahrheit zu sagen! Haben meine Gefährten wirklich den Kanz el A‘da in Meschhed Ali gestohlen?«

»Ja.«

»Es ist ihnen wirklich nachgewiesen? Sie sind wirklich überführt worden?«

»Ja. Der Ghani hat es doch jetzt sogar gestanden!«

»Und sie haben die Gegenstände des Raubes bei sich gehabt?«

»Gewiß! Du hast es ja gehört! Im Zweikampfe handelte es sich doch nur um sie!«

»So hatte der erschossene Perser recht?«

»Vollständig recht!«

»Bedenke, was du damit sagst! Du wühlst damit in mir das großte Unglück auf, welches es im Leben der Bewohner dieser Erde geben kann!«

»Es ist so, wie ich sage. Der Basch Nazyr hat nichts als seine Pflicht getan und wurde dafür von der ruchlosen Hand des Hauptdiebes umgebracht.«

»So ist der Ghani also nicht nur Dieb, sondern auch Mörder?«

»Beides. Überhaupt, wenn du diesen deinen Beschützer, welcher so oft und sehr mit seinen dir erwiesenen Wohltaten prahlt, für einen guten Menschen gehalten hast, so ist dieser dein Irrtum nur mit deiner Blindheit zu entschuldigen. Auf ihn, nicht auf den Effendi paßt das Wort, welches du diesem in das Gesicht warfst, nämlich daß er ein höchst gefährliches Raubtier sei, von welchem man die Menschheit zu erlösen habe.«

»So hat also dieser Effendi aus dem Wadi Draha nicht gelogen und betrogen, sondern es ist von ihm die Unschuld, das Gesetz verteidigt worden?«

»Ja. Er ist mit euch ganz unbegreiflich gütig verfahren. Ein anderer an seiner Stelle hätte euch alle ohne Gnade und Rücksicht umgebracht!«

»O Allah, Allah, Allah! Er hat mich vom Grabe errettet! Er hat mir solche Liebe und Barmherzigkeit geschenkt! Und ich, ich – – – ich – – —ich habe ihm in das Gesicht gespien! Welch eine Sünde, welche Undankbarkeit!«

Er schlug die Hände zusammen und sah dabei grad so aus, als ob er vor Scham und Reue in die Erde sinken wolle. Tahil Ben Schahid antwortete:

»Wäre ich er gewesen, als du ihn anspucktest, so hätte ich dich zerrissen!«

»Welch eine Selbstbeherrschung, welch ein Edelmut von ihm! Und er ist hier?«

»Ja. Da liegt er, nur fünf Schritte von dir.«

»Er hat alles, was hier geschehen ist, gesehen? Er hört auch, was ich jetzt sage?«

»Natürlich sieht und hört er alles! Er hält seinen Blick auf dich gerichtet.«

»So erbarme sich Allah meiner! Was habe ich getan; was habe ich getan!«

Nach diesem Ausrufe sank er wieder nieder, legte die Arme auf die angezogenen Knie und verbarg das Gesicht in die Hände. Jetzt durfte ich mich über meine ihm gegenüber geübte Schonung freuen. Er hatte die einzig richtige Antwort auf seinen wörtlichen und tätlichen Angriff ohne mein Zutun nun erhalten. Es gibt eben eine Gerechtigkeit, welche hoch über der menschlichen steht und mit ebenso unerschütterlicher wie unnachsichtlicher Strenge darüber wacht, daß sich nach dem großen, ethischen Weltgesetze des Allgerechten die Strafe aus der Sünde zu entwickeln hat. Nicht ein einziges menschliches Gesetz ist fähig, eine solche Kongruenz zwischen Schuld und Sühne, eine solche innere »Einerleiheit« von Tat und Folge zu erreichen!

Der Scheik hatte seine Antworten in der sehr bemerkbaren Absicht gegeben, die Schlechtigkeit des Ghani zu beleuchten. Vielleicht war es ihm dabei gleichgültig, oder dachte er gar nicht daran, daß er damit auch über sich selbst ein nicht weniger treffendes Urteil sprach.

Er setzte nun seine Rede an den Ghani fort, doch hörte ich nicht, was er sagte, denn meine Aufmerksamkeit war jetzt von ihm ab und auf die Höhe der Düne gelenkt worden. Ich sah nämlich zwei Reiter oben erscheinen, dann einen dritten – – – Halef, Kara und Omar Ben Sadek. Sie rissen, als sie uns sahen, ihre Pferde zurück, wodurch sie auch aus der gefährlichen Nähe des Sandsturzes kamen. Ein schneller Blick unterrichtete sie über die Lage, in weicher ich mich befand; dann verschwanden sie wieder. Hatte ich schon seit dem Fortritte der Beni Khalid nichts mehr für mich befürchtet, so war ich nun erst recht meiner Sache gewiß. Das Blatt sollte sich für den Scheik gefährlich wenden!

Jedenfalls waren die drei unsern Haddedihn eine Strecke vorausgeritten; sie saßen auf unsern Pferden, weiche schneller als die Kamele waren. Es war auch gut, daß sie den jähen Abfall auf dieser Seite der Höhe gesehen hatten, denn nun konnten sie sich vor ihm hüten. Jetzt berieten sie wohl, ob sie auf das Herankommen unserer Krieger warten sollten oder nicht. Wie ich meinen ungeduldigen, gern rasch handelnden Halef kannte, stimmte er gegen den Verzug. Sie hatten es ja nur mit einem einzelnen Gegner, dem Scheik, zu tun! Und wie ich gedacht hatte, so geschah es: Ich sah sie wieder erscheinen, seitwärts von der gefährlichen Stelle. Sie kamen, um dem Ben Khalid keine Zeit zum Besinnen zu geben, trotz der Steilheit des Terrains in einer Weise heruntergejagt, daß es mir um sie und auch die Pferde hätte angst und bange werden mögen.

»Allah, Allah!« rief der Ghani, der sie zuerst erblickte.

Seine Augen waren mit einem Ausdrucke auf die Höhe gerichtet, der den Scheik aufmerksam machen mußte. Er drehte sich rasch um und sah sie kommen.

»Die Haddedihn!« schrie er auf. »Die führt der Teufel her! Aber sie haben sich getäuscht!«

Er hatte seine Pistole noch in der Rechten und das Gewehr in der Linken. Die erstere auf mich richtend, drückte er ab. Ich schnellte mich sofort zur Seite und wurde nicht getroffen. Ohne dies in seinem Eifer zu bemerken, legte er das Gewehr auf Halef, welcher der vorderste war, an und schoß. Auch diese Kugel ging fehl. Nun sprang er zu den Gewehren der Mekkaner, weiche in meiner Nähe lagen. Ich mußte annehmen, daß sie geladen seien, und es lag noch so viel Raum zwischen ihm und meinen Helfern, daß es für ihn, ehe sie ihn erreichen konnten, genug Zeit zu mehreren Schüssen gab, denn das, was er tat, geschah so schnell, daß es in dem winzigen Zeitraum einiger Sekunden lag.

Jetzt war es an mir, ihm den Gebrauch dieser Waffen unmöglich zu machen! Das war nicht allzuschwer, denn indem er sich zu ihnen niederbückte, kehrte er mir den Rücken zu. Ich stemmte die Hände und die Füße ein und arbeitete mich mit einigen kräftigen Stößen zu ihm hin. Als ich ihn erreichte, hatte er sich schon wieder aufgerichtet und das ergriffene Gewehr im Anschlage. Ich konnte trotz der Fesseln den Fuß packen, auf weichen er den Schwerpunkt legte. Ein Ruck, und er stürzte nieder, wobei er das Gewehr fallen ließ. Im Begriffe, sich augenblicklich wieder emporzuraffen, sah er, wer ihn zum Falle gebracht hatte, und machte den Fehler, den ihm noch zustehenden Augenblick mit mir zu versäumen. Er schleuderte sich herum, faßte mich mit der Linken an der Brust und griff mit der andern Hand nach dem Messer.

»Du lebst noch, Hund?« schrie er. »Also zuerst noch dich!«

Es kam mir darauf an, ihn beim Halse nehmen zu können; darum gab ich ihm in die Ellbogenbeuge einen Stoß, weicher seinen Arm zusammenklappte und seinen Oberkörper zu mir nieder brachte. Sofort hatte ich ihn bei der Kehle und preßte sie ihm so zusammen, daß es ihm alle Kraft benahm. Das Messer blieb stecken; sein Körper fiel vollends nieder, und seine Arme und Beine bewegten sich. krampfhaft in der Todesangst.

»Halte ihn fest, Sihdi! Ich bin schon da!« rief da der kleine Hadschi..

Er hatte mich erreicht, parierte sein Pferd, sprang ab und griff auch mit zu.

»Ich halte ihn schon fest. Bindet ihn!« sagte ich.

»Mit Wonne und mit Stricken!« lachte er. »Den lassen wir ja nicht wieder laufen, er weiß nichts, als nur Unheil anzurichten!«

Nun standen auch Kara und Omar da. Sie banden mir die Fesseln los, welche zu den Händen und Füßen des Scheikes hinüberwanderten, auch eine unmittelbare Gerechtigkeit! Erst jetzt, als ich mich aufgerichtet hatte und die Anne streckte, fühlte ich den ganzen Schmerz meiner verletzten Handgelenke.

»Allah erbarme sich!« klagte Halef nun, indem er rund umherblickte. »Alle Soldaten tot, alle!«

»Und dort der Basch Nazyr auch!« machte ich ihn aufmerksam, indem ich auf die in der schon erwähnten Blutlache liegende Leiche zeigte.

Sie lag mit dem Rücken nach oben. Der Hadschi ging hin, zog sie auf das Trockene, drehte sie um und untersuchte sie.

»Mich schaudert, Sihdi!« sagte er, fast stöhnend. »Warum hat er dir nicht gefolgt! Der Ärmste ist ganz vom Blute durchtränkt! Hier sehe ich das Loch im Gewand. Die Kugel ging ihm in die Brust, grad in das Herz! Und dieses Gesicht, so todesstarr und bleich! Ich kann es nicht länger ansehen!«

Er wendete sich ab.

»Und nicht etwa im Kampfe erschossen, sondern als gefesselter Gefangener von dem Ghani mit Bedacht ermordet!« erklärte ich.

Da sah mich Halef stumm an; dann trat er zu dem Mekkaner hin und sprach:

»Ungeheuer! So also dankst du es ihm und uns, daß wir euch eine Nachsicht zeigten, die man fast für unmöglich halten sollte! Mit dieser deiner Kugel hast du nicht nur ihn, sondern auch dich selbst erschossen! Du wirst in kurzer Zeit eine Leiche sein wie er!«

Er kehrte sich mit der Gebärde des Abscheues wieder von ihm ab, betrachtete die umherliegenden Leichen, schüttelte traurig den Kopf und fuhr dann fort:

»Es ist mir, als ob ich gar nich daran glauben könne! Wie ist das nur gekommen. Zwanzig, zwanzig Asaker tot, und doch nur der Schtik mit den Mekkanern hier, die noch dazu gefesselt sind. Das ist mir unerklärlich, vollständig unerklärlich! Und wie bist du in die Hand dieses Teufels gefallen, welcher im Körper des Scheikes der Beni Khalid steckt? Erzähle es doch, Effendi!«

»Wann kommen unsere Krieger!« fragte ich.

»Sie werden gleich hier sein. Unser Vorsprung vor ihnen war nicht groß.«

»So will ich mit meiner Erzählung warten, bis sie da sind, sonst müßte ich sie dann wiederholen. Kara mag auf die Höhe steigen und sie auf die eingesunkene Stelle aufmerksam machen, sonst geht es, wenigstens den Vorderen von ihnen, so wie mir. Ich bin nämlich mit dem Hedschihn abgestürzt, von oben herunter bis hierher.«

»Oh! Und darum konnten sie dich erwischen, nur darum?«

»Ja. Ich hatte dem Kamele das Geheimnis gegeben, und so entwickelte es eine Schnelligkeit, weiche es mir unmöglich machte, mitten im Laufe vor dem Loche anzuhalten.«

»Und da mußten diese Halunken auch grad hier unten sein!«

»Wahrscheinlich hatten sie nur dieser Stelle wegen sich für hier entschieden. Freilich weiß ich nicht, ob sie sie vorher kannten. »

»Sie werden auch stürzen, und zwar nicht von da oben herunter in den weichen Sand, sondern von der Brücke des Todes hinab in Ei Halahk, den Abgrund des Verderbens! Denn das versteht sich doch nun ganz von selbst, daß wir von jetzt an nur die größte Strenge walten lassen. Blut um Blut, Leben um Leben! So wie die Kerls hier liegen, werden sie erschossen, und dann suchen wir die Beni Khalid auf. Wir sind zwar nur fünfzig Mann, aber auch wenn sie tausend zählten, würde ich nicht eher ruhen, als bis für jeden ermordeten Soldaten wenigstens zwei oder drei von ihnen tot am Boden liegen!«

Jetzt kamen unsere Haddedihn, deren Kamelen man es ansah, daß sie zur größten Eile angetrieben worden waren. Am meisten schwitzten und außer Atem waren die beiden, welche den Tachtirwan zu tragen hatten. Dieser Ritt, immer auf und nieder, war eine große Anstrengung für Hanneh gewesen, die ihr aber nicht hatte erspart werden können, weil auch schon nur der Gedanke, sie einstweilen irgendwo zurückzulassen, sich unter den gegenwärtigen Verhältnissen ganz von selbst verbot.

Auf sie, die Frau, machte der Anblick der Leichen natürlich noch einen ganz anderen Eindruck als auf die rauheren Männer, und doch gab es auch unter diesen wohl keinen, der jetzt das Verlangen nach Rache nicht empfunden hätte!

Als alle abgestiegen waren, lagerten sie sich, um meine Erzählung zu hören, in einem Kreise, der die Gefangenen umschloß. Diese wagten kaum, eine Bewegung zu machen, und gar vom Sprechen war erst recht keine Rede. Auch der Münedschi war still. Er saß aufrecht und mit geschlossenen Augen da wie ein lebloses Bild; er war nach der Aufregung von vorhin wieder in seinen Zustand der In sich selbst Versunkenheit gefallen.

Ehe ich meinen Bericht begann, schickte ich einen Haddedihn auf die Höhe, um dort Wache zu stehen. Da sie die andern Dünen überragte, hatte er einen weiten Fernblick und mußte also jede Annäherung so rechtzeitig bemerken, daß wir nicht überrascht werden konnten. Es war zwar, wenigstens für jetzt, kein Grund vorhanden, unsere Sicherheit für gefährdet zu halten, aber wir hatten annehmen müssen, daß die Hauptabteilung der Beni Khalid sich an dem westlichen Bergeszug befand, in dessen Nähe wir umgekehrt waren. Da war es denn leicht möglich, daß sie uns gesehen und beobachtet hatten. Ihr Scheik war mit einer kleinen Schar wieder nordwärts geritten, und da auch wir in dieser Richtung zurückgingen, konnten sie sich denken, daß wir dies in der Absicht taten, ihm zu folgen. Sie wußten ihn also von uns bedroht, und so wäre es eine unverzeihliche Nachlässigkeit von ihnen gewesen, wenn sie unterlassen hätten, uns nachzukommen oder uns wenigstens eine hinreichend starke Rotte nachzuschicken. Hatten sie aber dies getan, so war die von mir getroffene Vorsichtsmaßregel gar nicht überflüssig, zumal wir nicht wußten, wohin die Begleiter des Scheikes geritten waren, deren größter Teil sich schon vor meinem Eintreffen von hier entfernt hatte, während der Rest dann nach dem Angriffe auf die Mekkaner von ihm fortgeschickt worden war.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
590 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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