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Kitabı oku: «Am Jenseits», sayfa 8

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Allah segne dich, er spende dir sein Licht; gute Nacht!

– – – – – – – – – – – – – – —

Die Wüste, durch welche wir heut kamen, war ein südöstlicher Ausläufer der arabischen Nefud, weiche selbst von den Eingeborenen sehr gefürchtet ist. Wir hatten Mühe, die Richtung beizubehalten. Sie besteht nämlich aus langgestreckten Sandhügeln, weiche oft parallel, oft divergierend voneinander liegen und durch unregelmäßige Querreihen miteinander verbunden sind. Dadurch entstehen zwischen ihnen tiefer liegende Vierecke, und das Ganze würde, aus der Vogelschau gesehen, jener Art von Back und Webwaren gleichen, welche man Waffeln nennt. Es läßt sich denken, daß es dafür uns ein sehr schwieriges Fortkommen gab, weil keine zusammenhängende, ebene Strecke vorhanden war und wir, um von einem Vierecke nach dem andern zu kommen, die zwischen ihnen liegende Höhe überwinden, also aus der einen Waffel heraus und hinauf und dann jenseits wieder in die andere hinunterreiten mußten. Das ermüdete die Kamele, zumal sie keine guten Kletterer sind, außerordentlich, denn die Abhänge waren oft sehr steil, so daß die Waffeltiefen wahre Abgründe bildeten, weiche um so schwer ergangbar waren, als die Wände aus lockerem Sande bestanden, weicher keinen festen Halt bot und bei jedem Schritte unter den Füßen der Hudschuhn wich.

Es war da sehr leicht, auf unnütze oder gar verderbliche Umwege zu verfallen, aber erstens besaßen wir ja Erfahrung genug, zweitens war der Ben Harb ein wirklich guter Führer, und drittens folgten wir den Spuren der Mekkaner, welche durch die Wahl ihres Weges bewiesen, daß sie diese Gegend ausgezeichnet kannten und ganz gewiß schon öfters durch sie geritten waren. Wenigstens galt dies von demjenigen von ihnen, weicher die Richtung zu bestimmen hatte. Wie wir später erfuhren, war das El Ghani selbst.

Diese Wüste war nicht ganz unbelebt. Es gab zuweilen einen einsamen, manneshohen Strauch, eine Eidechse und Spuren von kleinen Füchsen. Auch die Fährte eines Panthers entdeckten wir, doch gehörte er zur kleinen, weniger seltenen Art.

El Münedschi verhielt sich vollständig still; er bewegte sich kaum einmal und schien in einem immerwährenden Halbschlummer zu liegen. Wir hatten keine Ursache, ihn zu stören.

Es war noch nicht Mittag, als wir, indem wir uns auf einem der beschriebenen Hügelrücken befanden, im Zurückblicken bemerkten, daß es außer uns auch noch andere Menschen in dieser Gegend gab. Wir sahen auf einem der links seitwärts hinter uns liegenden Hügel eine Schar von Kamelreitern erscheinen, weiche sehr gut beritten sein mußten und große Eile verrieten. Ich zählte zweiundzwanzig Mann. Wir ritten unsern Schritt weiter. Sie kamen uns näher, und da sahen wir, daß zwanzig Mann von ihnen Uniformen trugen; sie waren also Soldaten. Türkische Soldaten hier in der arabischen Wüste! Das mußte einen ganz außerordentlichen Grund haben. Der arabische Beduine weist die Botmäßigkeit des großherrlichen Militärs mit aller Energie von sich ab. Auch uns ging die Sache jedenfalls nichts an, und so setzten wir also unsern Ritt ruhig fort.

Nach einiger Zeit holten sie uns ein. Die zwei Nichtmilitärs ritten voran; der eine von ihnen sprach uns an. Er war ein Perser; das sah ich ihm mit dem ersten Blicke an. Seine Kleidung bestand ganz aus Seide, und seine Waffen waren ausgesucht schön und von hohem Werte. Gradezu einzig aber war das Hedschihn, weiches ihn trug. Ein so fehlerlos gebautes, wunderbar gezeichnetes Reitkamel hatte ich noch nicht gesehen. Es war hellgrau gefärbt und fein fliegenschimmelartig dunkelbläulich getüpfelt, eine nicht älter als fünfjährige Stute mit leucotisch hellroten Augen. Und sonderbar, diese Augen schienen von dem hellen Tageslichte nicht im geringsten angegriffen zu werden, und ihr Blick war so treu, so intelligent, wie ich es noch bei keinem einzigen Kamele gesehen hatte. Die Füße waren außerordentlich klein und die Formen, ich möchte fast sagen, weiblich voll und rund. Bei einem Kamele kann natürlich von Schönheit nicht die Rede sein; hier aber möchte ich doch eine Ausnahme machen und behaupten, daß dieses schön gewesen sei. Ich gestehe, daß ich ganz entzückt über dieses Tier war.

Einen ebenso guten Eindruck machte der Reiter auf mich, doch nicht etwa seiner reichen Kleidung und Bewaffnung wegen, denn solche Äußerlichkeiten können mir niemals imponieren. Aber er saß im hohen Sattel aufrecht und stolz wie ein König, welcher gewohnt ist, zu gebieten und sofortigen Gehorsam zu finden. Und dieser Stolz war kein gemachter, sondern ein natürlicher; er kam von innen heraus. Auch war es kein dummer, hohler, kein mit Verachtung gepaarter Stolz, denn sein von einem dunkeln, wohlgepflegten Barte umrahmtes Gesicht trug die Kennzeichen geistiger Tätigkeit, und seine Augen hatten einen mildfreundlichen Blick, der aber erraten ließ, daß ihm das Feuer der Energie oder des Zornes auch nicht fremd sei. Alles in allem machte dieser Mann den Eindruck wirklicher Vornehmheit. Die Soldaten hatten respektvoll einen Zwischenraum zwischen ihm gelassen, und der andere Zivilist, wenn ich dieses Wort hier gebrauchen darf, welcher wohl der Khabir, der Führer der Truppe war, hielt sich jetzt auch seitwärts hinter ihm, ein unwillkürlich gegebenes Zugeständnis, daß dieser Mann der Herr sei und jetzt allein zu sprechen habe.

»Ässälam ‚aleikum!« grüßte er mit persischem Anklange in höflichem Tone, indem er seinen Blick forschend über uns gleiten und dann in bewunderndem Ausdrucke auf unsern Pferden haften ließ.

»Vä‘aleikum ässälam!« antwortete ich ebenso höflich und in demselben persischen Dialekte.

Halef hatte schon den Mund geöffnet, um zu sprechen; ich war ihm aber zuvorgekommen, denn seine vorschnelle Art und Weise war einem solchen Manne gegenüber nicht gut angebracht. Über die Züge des letzteren ging bei meiner Antwort ein freundliches Lächeln, und er fragte:

»Du verstehst und sprichst persisch?«

»Ja«, nickte ich.

»Bist du Perser?«

»Nein, aber ich war wiederholt und längere Zeit in diesem Lande, habe es liebgewonnen und besitze treue Freunde dort.«

»Muhäbbät-i-tu käm nä schäwäd – deine Freundschaft möge nicht abnehmen! Ich bin Khutub Agha, der Basch Nazyr (Oberwächter, Oberaufseher) des Heiligtums von Meschhed Ali. Allah segne und beschütze diese Stätte!«

Auch wenn er mich nun nicht so fragend angesehen hätte, wie er es jetzt tat, hätte die Höflichkeit es mir geboten, ihm meinen Namen auch zu nennen. Ich tat dies also:

»Ich heiße Hadschi Akil Schatir Effendi und bin aus dem fernen Lande des Moghreb gekommen, um die Reiche des Ostens zu sehen und ihre Bewohner kennen zu lernen.«

Das war aber meinem kleinen Halef viel, viel zu bescheiden ausgedrückt. Ich hatte das letzte Wort noch nicht ganz ausgesprochen, so fiel er schnell und außerordentlich eifrig ein:

»Das ist aber nur der Anfang seines Namens; den glorreichen Fortgang und das herrliche Ende desselben pflegt er leider aus falscher Demut zu verschweigen. Er heißt mit seinem vollständigen Namen, der aber trotzdem noch viel, viel länger gemacht werden könnte, Hadschi Akil Schatir el Megarrib Ben Hadschi Alim Schadschi er Rani Ibn Hadschi Dajim Maschhur el Azami Ben Hadschi Taki Abu Fadl el Mukarram Effendi. Seine Geburtsstätte ist das große Wadi Draha, aus welchem nur berühmte Männer kommen, und in seinem Kopfe sind die Seiten, Zeilen und Paragraphen sämtlicher Wissenschaften aufgestapelt. Allah erhalte ihm diese Vorzüge seines Geistes!«

Khutub Agha wartete geduldig und lächelnd, bis dieser lange Riemen abgewickelt worden war, und erkundigte sich dann:

»Und du? Wer bist du, und wer sind die andern?«

»Ich bin Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah, der oberste Scheik der Haddedihn vom großen Stamme der Schammar. Diese Männer sind einige meiner Krieger, welche mit uns nach Mekka pilgern, wo wir die heiligen Stätten sehen und verehren wollen.«

Das bei der Nennung meines Namens etwas ironisch gewordene Lächeln des Persers verlor jetzt diesen Ausdruck.

»Ich habe von den Haddedihn gehört«, sagte er. »Sie sind sehr brave und ruhige Leute, welche die Ehrlichkeit und den Frieden lieben. Sie besitzen einen Freund aus dem Abendlande, weicher Kara Ben Nemsi Effendi heißt und ihr Lehrer in allen nützlichen Künsten des Krieges und des Friedens gewesen ist.«

»Das ist richtig; das ist wahr! Woher weißt du das? Von wem hast du es erfahren?«

»Von einem Manne, der mir mitgeteilt hat, daß auch du ihn kennst, wenn du wirklich Hadschi Halef bist.«

»Ich bin es. Wie heißt dieser Mann?«

»Mirza Dschafar, mein bester Freund.«

Mirza Dschafar! Der bei meiner letzten Reise mit Halef durch Persien eine für uns so bedeutende Rolle gespielt hatte! Der Perser nannte ihn Mirza Dschafar, nicht Dschafar Mirza, gab ihm also nicht den prinzlichen, sondern den gewöhnlichen Titel. Diese vorsichtige Art, diesen Namen zu nennen, gab mir den Beweis, daß er von Dschafar mehr wußte, als er hier sagen konnte. ich war überrascht. Khutub Agha bezeichnete Dschafar als seinen besten Freund, aber die eigentümlichen Verhältnisse des letzteren geboten uns doch, vorsichtig zu sein. Das beste war, gar nicht weiter auf diese Bekanntschaft einzugehen; leider aber war es dem sanguinischen Hadschi Halef gradezu unmöglich, in solchen Fällen, wie der gegenwärtige einer war, die von mir gewünschte Zurückhaltung zu üben. Ich wollte die Fortsetzung des Gespräches selbst übernehmen und ihm winken, zu schweigen; er sah mich aber in seinem Eifer gar nicht an und rief unmittelbar nach der Nennung des Namens, so daß ich gar keine Zeit fand, das Wort zu ergreifen, in froherstauntem Tone aus:

»Mirza Dschafar! Unser persischer Freund! Den kennst du auch? Ja, du nennst ihn ebenso Freund, wie wir ihn nennen?

Schau hin, und sieh den Chandschar (Dolch), welcher dort im Gürtel meines Effendi steckt! Diese Waffe ist ein Geschenk von Mirza Dschafar, welches für ihn und uns einen großen Wert besitzt!«

O wehe! Welch eine Unvorsichtigkeit! Mit diesen Worten verriet Halef, ohne es zu wissen, daß ich gar nicht der Mann war, für den wir mich soeben ausgegeben hatten. Hanneh hustete warnend von ihrem Tachtirwahn herab; er sah zu ihr hinauf, ohne sie zu verstehen. Khutub Agha ließ sein Auge langsam über mich gleiten. Kein Zug seines Gesichtes sagte mir, ob er hinter unser Geheimnis gekommen sei oder nicht; aber er sprach von jetzt an nicht mehr zu Halef, sondern ausschließlich nur zu mir:

»Erlaube, daß ich dich nach dem Wege frage, den ihr bis hierher geritten seid! Den Grund, welcher mich diese Bitte aussprechen läßt, werde ich dir nachher gleich mitteilen.«

»Wir kommen aus der oberen Dschesireh«, antwortete ich, »und sind südwärts von Hit über den Euphrat gegangen.«

»Habt ihr den Nedschef-See berührt?«

»Nein.«

»Also auch nicht den Karawanenweg, welcher von Hilleh und Meschhed Ali nach Mekka führt?«

»Nein. Der hat stets weit links von unserem Pfade gelegen.«

»Wie schade!«

»Warum schade?«

»Wäret ihr diesen Weg geritten, so könntet ihr mir wahrscheinlich Auskunft über eine kleine Karawane geben, nach weicher wir suchen.«

»Suchen? Ihr sucht? Sonderbar!«

»Sonderbar? Warum nennst du unser Suchen so?«

»Weil du nach ihr suchst und mir doch sagst, wo sie zu finden ist, nämlich auf dem Wege von Meschhed Ali nach Mekka.«

»So will ich dir mitteilen, daß diese Karawane allen Grund hat, sich vor uns zu verstecken.«

»Wenn sie sich vor euch verbergen muß, hat sie auch alle Ursache, sich von andern, die sie an euch verraten könnten, nicht sehen zu lassen.«

Er nickte leise vor sich hin, ließ ein befriedigtes Lächeln um seine Lippen spielen, als ob bei ihm ein heimlicher Gedanke Bestätigung gefunden habe, und fuhr dann weiter fort:

»Ich sehe jetzt, daß du wirklich ein außerordentlich kluger Effendi aus dem Moghreb bist, denn du hast in einigen Augenblicken und in ganz wenigen Worten mehr durchdacht und mehr gesagt, als ein anderer Mann nach tagelangem Nachdenken erforschen würde und in einer stundenlangen Rede ausdrücken könnte. ich errate darum deine Gedanken und weiß also, daß du dich wunderst, uns hier an dieser Stelle zu sehen.

»Du irrst. Ein anderer würde sich wundern, daß ihr hier seid, während du doch selbst sagst, daß die von euch Gesuchten den weit von hier liegenden Karawanenweg eingeschlagen haben. Ich aber schließe aus eurem Hiersein darauf, daß diese Leute von dem Karawanenwege abgewichen sind. Ihr werdet, denke ich, die Spuren dieses Abweichens gefunden haben.«

»Effendi, du bist noch scharfsinniger, als ich dachte! Ja, du hast recht. Wir haben entdeckt, daß sie von dem Meschhed-Ali-Wege nach Westen abgewichen sind.«

»Wußten sie sich verfolgt?«

»Nein. Aber sie mußten sich allerdings sagen, daß man ihnen sofort nachjagen werde, falls ihre Tat zur Entdeckung käme.«

»Darf ich fragen, was für eine Tat es ist?«

»Dir sage ich es. Man hat das Heiligtum von Meschhed Ali bestohlen. Kannst du das glauben?«

»Warum nicht? Ich kenne Menschen, welche noch viel Schlimmeres getan haben.«

»Etwas Schlimmeres gibt es nicht! Wer das Heiligtum bestiehlt, der bestiehlt Allah!«

»Ein Faulenzer, ein Tagedieb bestiehlt Allah auch, denn die Tage des Lebens gehören nicht ihm, sondern Gott, und ein Lebenstag ist wenigstens ebenso wichtig wie irgend ein Gegenstand in den heiligen Mauern von Meschhed Ali oder Kerbelah.«

»Ich kann darüber nicht mit dir streiten, denn als ein Mann aus Fran— – – » er hielt einen Augenblick inne und verbesserte sich dann, indem er fortfuhr, »als ein Mann aus dem fernen Moghreb mußt du anderer Meinung sein als ich. Wir entdeckten vier Tage, nachdem die Diebe fort waren, den Raub, und ich als Hüter und Bewahrer der Schätze des Heiligtumes bin ihnen ohne Verweilen nach, um sie zu ergreifen und zu bestrafen.«

»Fran – – —« hatte er gesagt; sollte das Frankistan, das Land der Franken, der Christen heißen? Wenn dies der Fall war, so hatte Halefs Unvorsichtigkeit es allerdings verraten, daß ich Kara Ben Nemsi, nicht aber ein Mann aus dem Wadi Draha war. Nun kam es darauf an, klug zu sein und die Folgen dieser Entdeckung zu verhüten.

»Wußtest du gleich, welchen Weg die Diebe eingeschlagen hatten?« fragte ich.

»Ja. Sie waren Mekkaner, also konnte ich über ihren Weg nicht im Zweifel sein.«

»Es war aber auch möglich, daß sie zunächst eine andere Richtung einschlugen, um euch irre zu führen«, warf ich ein.

»Ich war so vorsichtig, mir dies auch zu sagen, und traf demnach meine Vorkehrungen. Ich sandte Abteilungen auf die Wege, welche nach Kerbelah und Hit, nach Hilleh und Bagdad, nach Semawat und nach Djof führen. Daß alle diese Leute die Diebe nicht finden würden, entdeckte ich in Akabet esch Scheitan, wo ich erfuhr, daß die Mekkaner vor vier Tagen durchgekommen seien. Die Route nach Mekka, welche ich eingeschlagen hatte, war also die richtige.«

»Nun seid ihr dieser Route so lange gefolgt, ohne euren Zweck erreicht zu haben.«

»Du sagst leider die Wahrheit. Der Scheitan scheint die Schurken zu beschützen, indem er sie für uns unsichtbar macht.«

»So scheint der Scheitan über eure Augen mehr Macht zu besitzen als über die meinigen.«

Er sah mich erst groß an und fragte dann aber desto schneller:

»Die deinigen? Hättest du sie gesehen?«

»Ja.«

»Wirklich?«

»Ja.«

»Wo?«

»Den dritten Teil einer Tagereise von hier.«

»Also hinter euch?«

»Ja.«

»Allah sei Dank! Ich glaube deinen Worten; du kannst dich nicht täuschen, denn ich weiß, daß du der » wieder hielt er inne und gab dann seinen Worten eine andere Wendung: »daß du ein sehr kluger Effendi aus dem Wadi Draha bist. Wir müssen sofort umkehren, sofort, denn ich darf keinen Augenblick »

»Halt! Übereile dich nicht!« unterbrach ich ihn. »Sie sind nicht mehr hinter uns, sondern vor uns.«

»Wie? Wirklich?«

»Ja. Sieh da die Spuren, denen wir folgen! Das ist die Fährte der Diebe, die du suchst.«

Kaum hatte ich das gesagt, so rief Halef aus:

»Effendi, sag das nicht! Du wirst diesen bestohlenen Beschützer der Heiligtümer irreführen. Das sind ja die Spuren der – – —«

»Bitte, schweig du!« unterbrach ich ihn trotz der Anwesenheit Hannehs, seines Sohnes und der Haddedihn in sehr bestimmtem Tone. »Du hast erfahren, daß ich stets ganz genau weiß, was ich sage.

»Ja«, antwortete er, noch immer oppositionslustig, »ich habe ja immer zugegeben, daß dein Verstand länger ist als der meinige; dafür ist aber meiner breiter als der deinige, und so fragt es sich also, ob hier der Irrtum in der Länge oder in der Breite liegt.«

»Lieber Halef, sei ja nicht stolz auf diese Breite deines Verstandes! Du hast trotz derselben vorhin einen Fehler begangen, der fast nicht zu verzeihen ist!«

»Ich – – – – ?« fragte er erstaunt.

»Ja, du.«

»Wann?«

»Vor zwei Minuten.«

»Also hier?«

»Ja.«

»Wodurch? Womit?«

»Das werde ich dir später sagen.«

»Nein, Sihdi! Ich will es jetzt wissen, jetzt gleich!«

Da wendete sich der Perser an mich:

»Erlaubst du, daß ich es ihm sage?«

»Ja, sage es«, antwortete ich ihm, da es dadurch auch mir klar werden mußte, wie weit die Wirkung der Unvorsichtigkeit Halefs reichte.

Khutub Agha ließ sein ironisches Lächeln wieder erscheinen und forderte den kleinen Hadschi auf:

»Sag mir noch einmal der Wahrheit gemäß, wer dieser dein Effendi ist!«

Halef richtete sich im Sattel in Positur und antwortete mit größter Bereitwilligkeit:

»Dieser mein Effendi heißt Hadschi Akil Schatir el Megarrib Ben Hadschi Alim Schadschi er Rani Ibn Hadschi Dajim – – – »

»Sei still, still, still!« fiel da der Basch Nazyr lachend ein . »So heißt er nicht. Ich weiß es besser, viel besser als du!«

»Besser – – – ? Als ich – – – ?« fragte Halef verwundert.

»Ja, besser!«

»So! Wenn du klüger bist, so sag doch seinen Namen!«

»Er ist Hadschi Kara Ben Nemsi aus Dschermanistan!«

Jetzt mußte man das Gesicht Halefs sehen! Es wurde vor Erstaunen fast noch einmal so lang, als es vorher gewesen war.

»Du weißt – – – weißt – – – weißt – – – », stotterte er.

»Ja, ich weiß!« nickte der Perser.

»Hast du ihn schon gekannt?«

»Nein.«

»Gesehen?«

»Nein, auch nicht gesehen. Aber gehört habe ich von ihm und auch von dir.«

»Wie kannst du da aber wissen, daß dieser Effendi hier es ist?!«

»Es ist mir ja vorhin gesagt worden!«

»Von wem?«

»Von dir!«

»Von – – – ?!«

Das »Mir« blieb dem Hadschi im Munde stecken. Er sah Khutub Agha aus vor Erstaunen weit aufgerissenen Augen an und fuhr dann aber zornig fort:

»Höre, ich verbiete dir, deinen Scherz mit mir zu treiben! Du bist zwar als der Bewacher der Heiligtümer von Meschhed Ali ein Mann, den man mit Höflichkeit und Achtung zu behandeln hat, aber wenn du meinst, mit mir, dem obersten Scheik der Haddedihn vorn großen Stamme der Schammar, ein loses Possenspiel treiben zu können, so wirst du sofort erfahren, was die Zunge der Unhöflichkeit zu leisten vermag. Ich werfe dir alle Grobheiten der Erde und des Weltalls an den Kopf, und auch noch einige hundert mehr! Sobald du dich mit mir streiten willst, können mir alle deine Heiligtümer ganz und gar nicht imponieren, weil die Wahrheit heiliger als dein ganzes Meschhed Ali ist, und du hast mir soeben die Unwahrheit gesagt. Gestehe es ein!«

»Ich kann nur eingestehen, daß ich die Wahrheit gesprochen habe.«

»Beweise es!«

»Hast du vorhin von dem Chandschar gesprochen, den der Effendi im Gürtel hat?«

»Ja, das habe ich.«

»Hast du gesagt, daß er ein Geschenk von Mirza Dschafar sei?«

»Ja.«

»Nun, damit hast du verraten, daß der Effendi nicht Akil Schatir, sondern Kara Ben Nemsi heißt.«

»Wieso?«

»Weil ich von Dschafar weiß, daß er diesen Chandschar seinem Freunde Kara Ben Nemsi geschenkt habe.«

»Wann?«

»Vor einer Reihe von Jahren.«

»Wo?«

»In einem Lande, welches jenseits des großen, westlichen Meeres liegt und Yeni dünja (Amerika) genannt wird.«

Jetzt machte Halef wieder sein langes Gesicht.

»Das stimmt; das stimmt ganz und gar! Allah, was gibt es doch für unvorsichtige, leichtfertige Menschen! Wir wollten mit dem Effendi nach Mekka, und weil er als Christ die heilige Stadt nicht betreten darf, habe ich aus ihm einen berühmten, muhammedanischen Gelehrten gemacht und ihm einen Namen gegeben, dessen Länge von Bagdad bis nach Stambul reicht. Und nun ich mir alle diese Mühe gegeben habe, muß ich erfahren, daß diese Anstrengung der ganzen Breite meines Verstandes umsonst gewesen ist, weil Mirza Dschafar, unser Freund, so unvorsichtig war, dir die Geschichte von dem Chandschar mitzuteilen!«

Da konnte sich selbst Hanneh nicht länger halten. Sie bog sich über den Rand des Tachtirwahn herab und rief ihm zornig zu:

»Hadschi Halef, du bist der Unvorsichtige gewesen, du selbst, du, du!«

»Ich – – – ?« fragte er, zweifelnd zu ihr aufschauend.

»Ja, du!«

»Inwiefern?«

»Mirza Dschafar hat es gut gemeint, auch konnte er nicht wissen, daß uns dieser Basch Nazyr einmal zu einer Zeit begegnen werde, in welcher der Effendi Veranlassung hat, einen andern Namen zu tragen. Gibst du das wohl zu?«

»Ja, ja! Du weißt ja, wenn du sprichst, welche die klügste unter den weisesten aller Frauen ist, so hast du stets nur das gesagt, was auch ich in diesem Falle sagen würde!«

»Gut! Du aber wußtest, daß der eigentliche Name des Effendi verschwiegen bleiben soll; du hörtest auch, daß der Basch Nazyr den Mirza kennt, und sprachst dennoch von dem Chandschar! Du konntest dir doch denken, daß beide von dieser Waffe, von diesem Geschenke miteinander gesprochen hatten!«

»So? Konnte ich mir das denken?« fragte er kleinlaut.

»Du konntest nicht nur, sondern du mußtest es! Warum sprichst du immer, wenn der Effendi reden will? Der berühmte Scheik eines so großen Stammes muß nicht immer reden, sondern schweigsam sein!«

Da legte er den Körper zurück, die Hände zusammen und sagte:

»Du hast recht, o Hanneh, du verständigste unter allen Selbstverständigkeiten der Frauenzelte; ich bin berühmt und werde schweigen! Du hast mir auch dieses Mal aus der Seele gesprochen!«

Und nun nahm er mit der größten Seelenruhe den Trost entgegen, den ihm der Perser gab:

»Sorge dich nicht um die Sicherheit deines Effendi, o Scheik der Haddedihn! Keiner von uns wird seinen wahren Namen verraten; das verspreche ich dir bei Allah, dem Propheten und bei den Söhnen Alis, des Kalifen! Es macht mich so glücklich, Kara Ben Nemsi so unerwartet kennen zu lernen, und nur weil er es ist, habe ich seinen Worten ein solches Vertrauen geschenkt. Wenn er sagt, er habe die Diebe gesehen, welche ich suche, so bin ich überzeugt, daß es wirklich so und nicht anders ist!«

»Es ist so!« bekräftigte ich.

»Du hast Leute gesehen«, fuhr er fort. »Woher aber weißt du, daß es die sind, von denen ich spreche?«

»Du machtest wiederholt die Angabe von vier Tagen, und dies war mir im Zusammenhange mit einigen andern Umständen genug, die Personen, welche ich meine, für die Gesuchten zu halten.«

Hierbei muß ich bemerken, daß El Münedschi sich auch jetzt noch in seinem schlafähnlichen Zustande befand und von dem Stillhalten der Kamele und unsrem Gespräche gar nichts merkte. Wir hatten ihm das Schleiertuch über das Gesicht gezogen, damit die Sonne ihn nicht stören möge. Er war also nicht zu erkennen.

»Du hältst also einen Irrtum für nicht möglich?« fragte der Perser.

»Warum nicht möglich? Keine menschliche Meinung ist untrüglich; aber ich denke, daß ich mich in diesem Falle nicht irre. Laß mich fragen: Es handelt sich um sechs Personen?«

»Ja.«

»Darunter war ein Greis von sonderbarem Benehmen?«

»Ja. Er war von Djinns besessen. Von ihm glaube ich, daß er von dem Diebstahle gar nichts weiß.«

»Sodann ein älterer Mann mit graugemischtem Haare, dessen Sohn bei ihm war?«

»Ja.«

»Und drei Männer im mittleren Lebensalter?«

»Auch das stimmt.«

Ich beschrieb die Anzüge, was auch alles zutraf.

»Sagten diese Leute, daß sie aus Mekka seien?« fragte ich weiter.

»Ja. Der Vater des Sohnes kam sogar als Abgesandter des Großscherif zu uns.«

»Ist es nicht eine sehr kühne Idee, den Gesandten des Beherrschers der heiligsten Orte des Islam des Diebstahles zu beschuldigen?«

»Ja, man kann es kaum fassen! Nur darum hat es volle vier Tage gedauert, ehe wir den Beweisen glaubten; dann aber hatten sie sich auch so gehäuft und waren so unwiderstehlich geworden, daß wir nicht mehr zweifeln konnten, was wir bis dahin trotz der Sicherheit aller Zeichen doch noch getan hatten.«

»Ist es nicht möglich, daß ihr euch doch noch im Irrtum befindet? Ich spreche diese Frage nämlich auch meinetwegen aus, denn ich gestehe dir, daß die Beschuldigten auch für mich sehr wichtige Personen sind und vielleicht noch wichtiger werden als jetzt. Ich habe also meine Gründe zu dieser Erkundigung.«

»Effendi, ich weiß, daß Kara Ben Nemsi niemals etwas tut oder etwas spricht, ohne von guten Ursachen dazu veranlaßt zu werden. Ich ahne, daß euer Zusammentreffen mit diesen Leuten kein gewöhnliches gewesen ist, und versichere dir, daß ihr da wirklich mit Schurken in Berührung gekommen seid, weiche unsere Heiligtümer beraubt haben. Um dir die Überzeugung zu geben, welche ich besitze, müßte ich dir unsere Beweise bringen, und dazu würde die Mitteilung von Dingen und die Beschreibung von orten nötig sein, von denen wir mit keinem Schiiten und noch viel weniger mit einem Andersgläubigen sprechen dürfen. Ich gebe dir aber mein Wort, daß ich mich nicht irre. Wahrscheinlich ist es dir möglich, mir zur Ausführung meines Vorhabens behilflich zu sein, und so versichere ich dir, daß du das getrost tun kannst, ohne befürchten zu müssen, diesen Leuten wehe zu tun, ohne daß sie es verdient haben. Ich weiß von Mirza Dschafar, daß die Erfahrungen, welche du mit den Schiiten gemacht hast, nicht geeignet sind, in dir Liebe zu uns zu erwecken; aber ich bitte dich, mich nicht in gleicher Weise zu beurteilen wie diejenigen, weiche dir Abscheu und Verachtung einflößten. Du wendest deine Unterstützung hier einem Manne zu, welcher ihrer nicht unwürdig ist und auch nicht zu den Undankbaren gehört, deren du so viele kennengelernt hast!«

Das glaubte ich ihm sehr gern. Der Eindruck, den er nicht nur auf mich, sondern auf uns alle machte, läßt sich am besten mit dem Ausdrucke bezeichnen: ein Schiit, ja, ein sehr hoher Beamter der Stelle, an welcher die Schia sich ihres nichtsnutzigsten Bodensatzes zu entledigen pflegt, aber doch ein Gentleman. Ich war also sehr gern bereit, ihm die gewünschte Auskunft zu erteilen, und hatte dazu noch zwei weitere Gründe. Erstens sah ich nun ein, daß er sich nicht nur den Freund Dschafars nannte, sondern es wirklich war, und infolge dieser Freundschaft mir als Christen nichts in den Weg legen, sondern darüber schweigen werde. Und zweitens kam mir die so überraschende Entdeckung, daß der so anmaßende Ghani, der »Liebling des Großscherifs«, ein verfolgter Verbrecher sei, außerordentlich gelegen. Ich bin nie rachsüchtig gewesen und war es auch hier nicht im geringsten, denn ich habe mich stets bemüht, grad in der verzeihenden Liebe derjenigen Christenpflicht gerecht zu werden, welche eine der ersten, ja wohl die allererste ist; ich habe mich sogar soweit überwunden, daß ich, und zwar sehr gern, meine Feinde, die ja jeder Mensch hat, täglich in mein Gebet einschließe, denn für sich selbst, für Verwandte und Freunde zu beten, ist keine Kunst und bringt kein Verdienst; hier aber durfte ich es ohne alle Rachsucht oder Schadenfreude als eine für uns willkommene Entdeckung hinnehmen, daß der stolze, gegen uns von Verachtung strotzende Moslem, der uns noch beim Abschiede so schwer bedroht hatte, jetzt hier als ein ganz gemeiner Verbrecher bezeichnet wurde. Das machte uns ihm in der Weise überlegen, daß jede Besorgnis, die wir seinetwegen vielleicht noch gehabt hätten, schwinden mußte.

»Wir können und werden dir behilflich sein«, versicherte ich ihm aus den angegebenen Gründen. »Darum wollen wir keine Zeit verlieren und hier nicht länger im Gespräche halten bleiben. Ich habe dir schon gesagt, daß die Gesuchten sich nicht hinter, sondern vor uns befinden. Wir können im Weiterreiten das besprechen, was zu besprechen ist.«

Ich setzte mich, mit dem Basch Nazyr neben mir, an die Spitze des Zuges und winkte Halef, sich uns beizugesellen. Das liebe Kerlchen war infolge der Zurechtweisung, die er von dem Perser, von mir und auch von Hanneh bekommen hatte, kleinlaut geworden und machte Miene, bei dem Tachtirwahn zu bleiben. Ich wußte, daß ihm diese Zurückhaltung außerordentlich schwer wurde, und rehabilitierte ihn also dadurch, daß ich ihm durch den Wink die Stelle anwies, an weiche er als Scheik und als mein Freund gehörte. Seine Unvorsichtigkeit war nicht gutzuheißen; aber sie blieb ja ohne die befürchteten Folgen, und er hatte seine unbedachten Äußerungen nur aus Liebe zu mir getan. Hinter uns ritten die Haddedihn, denen die Soldaten mit ihrem Khabir folgten. Selbstverständlich trieben wir die Kamele dabei zur Eile an. Wahrscheinlich wartete Khutub Agha, um sofort bestimmte Mitteilungen von uns zu hören; aber da ein Zusammenhandeln zwischen ihm und uns zu erwarten war, so kam es mir vor allen Dingen darauf an, zu erfahren, welche darauf bezüglichen Eigenschaften und Ansichten er besaß; darum sprach ich zunächst die Erkundigung aus:

»Hast du bei deinem Aufbruche von Meschhed Ali an die Gefahren gedacht, weiche von einem solchen Ritte unzertrennlich sind?«

»Ja, aber ich fürchte sie nicht«, antwortete er. »Ich bin, bevor ich Basch Nazyr wurde, Offizier des Schahin-Schah gewesen und befinde mich nicht zum erstenmal in der Wüste. Auch ist unser Khabir ein ausgezeichneter Führer, auf den ich mich verlassen kann.«

»Daß du dich nicht vor der Wüste fürchtest, habe ich als selbstverständlich angenommen, denn scheutest du dich vor ihr, so hättest du diesen Weg nicht selbst gemacht, sondern einen Anderen damit beauftragt. Und daß euer Khabir ein tüchtiger Mann ist, unterliegt auch keinem Zweifel, denn wenn er das nicht wäre, hätte er es nicht gewagt, von der Karawanenstraße abzuweichen.«

»Er kennt die Brunnen, welche außerhalb dieses Weges liegen und von den Beduinen heimlich gehalten werden. So weiß er zum Beispiel ganz genau, daß wir heut an den Bir Hilu kommen werden, wo es gutes, nicht salziges oder bitteres Wasser gibt.«

»Dahin wollen wir auch, und dort werden wir höchst wahrscheinlich die Diebe treffen.«

»Wirklich?« fragte er rasch und in frohem Tone.

»Ja.«

»Welche Freude für mich! Ich will dir gestehen, daß ich es schon fast aufgegeben hatte, ihre Spur wiederzufinden und sie noch in der Wüste einzuholen, was doch unbedingt nötig ist, wie ich wohl nicht erst zu sagen brauche.«

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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
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