Kitabı oku: «Der Schatz im Silbersee», sayfa 31
»Ja.«
»So paßt auf, damit ich nicht überrumpelt werde. Ich will euch das Nötigste erzählen.«
Die Freude dieser Männer über das Zusammentreffen war gewiß groß; aber die Verhältnisse verboten es, ihr Worte zu verleihen und dabei Zeit zu verschwenden. Man machte sich gegenseitig in kurzer Weise die nötigen Mitteilungen, welche der geübte Scharfsinn dieser Leute sehr leicht zu ergänzen vermochte. Als man damit zu Ende war, ergriff Winnetou das Wort, indem er Old Shatterhand fragte: »Mein weißer Bruder kennt die tiefe Schlucht, welche von den Bleichgesichtern Night-Canon genannt wird?«
»Ja; ich bin ja mit dir mehrere Male dort gewesen.«
»Sie ist von hier aus in fünf Stunden zu erreichen. Sie erweitert sich in ihrer Mitte zu einem runden Platze, dessen Wände, die niemand zu ersteigen vermag, bis zum Himmel zu reichen scheinen. Erinnert Old Shatterhand sich dieser Stelle?«
»Sehr gut.«
»Bis dorthin mag mein weißer Bruder reiten. Ist er durch diese runde Stelle gekommen, so mag er sich jenseits derselben festsetzen. Die Schlucht ist da so schmal, daß kaum zwei Reiter einander ausweichen können. Er bedarf seiner Gefährten gar nicht und kann allein mit seiner Zauberflinte mehrere hundert Utahs aufhalten. Wenn sie dort angekommen sind, so können sie weder vorwärts noch rückwärts, denn wir werden schnelle hinter ihnen sein. Es bleibt ihnen nur die Wahl, sich bis auf den letzten Mann erschießen zu lassen oder sich zu ergeben.«
»Gut, wir werden diesem Rate folgen. Aber sagt mir nur vor allen Dingen noch das eine: Warum reitet ihr zu so vielen hinauf an den Silbersee?«
»Das will ich dir sagen,« antwortete Old Firehand. »Es gibt da oben eine äußerst reiche Silbermine, aber in so wasserloser Gegend, daß die Ausbeutung derselben eine Unmöglichkeit ist, falls es uns nicht gelingt, Wasser zu schaffen. Da ist mir der Gedanke gekommen, das Wasser des Silbersees hinzuleiten. Gelingt uns das, so nehmen wir Millionen aus der Mine. Ich habe einen Ingenieur mit, welcher die technischen Punkte erst zu begutachten und, im Falle des Glückes, dann auszuführen hat.«
Über Old Shatterhands Gesicht flog ein undefinierbares Lächeln, als er bemerkte: »Eine Mine? Wer hat sie entdeckt?«
»Ich selbst war mit dabei.«
»Hm! Leite den See nach dieser Mine, so machst du ein doppeltes Geschäft.«
»Wieso?«
»Auf dem Grunde desselben liegen Reichtümer, gegen welche deine Silberader die reinste Armut ist.«
»Ah! Meinst du den Schatz im Silbersee?«
»Allerdings.«
»Was weißt du davon?«
»Mehr, als du denkst. Du wirst es später erfahren, wenn mehr Zeit als jetzt dazu ist. Aber du selbst sprichst von diesem Schatze. Von wem hast du darüber erfahren?«
»Von – – na, auch davon später. Mache dich fort! Ich sehe Indianer aus dem Lager kommen.«
»Hierher?«
»Ja, zu Pferde.«
»Wie viele?«
»Fünf.«
»Pshaw! Sie sind nicht zu fürchten; aber ihr dürft euch doch nicht vor ihnen sehen lassen. Es ist die Avantgarde, welche uns nicht aus den Augen lassen soll; das Gros wird jedenfalls bald folgen. Also vorwärts! Auf Wiedersehen im Nachtcanon!«
Er gab seinem Pferde die Fersen und ritt mit den drei Begleitern davon. Old Firehand und Winnetou duckten sich nieder, um die fünf Utahs zu beobachten. Sie kamen heran und ritten, die Blicke aufmerksam nach vorn und gegen die Erde gerichtet, vorüber, ohne zu ahnen, was für gefährliche Leute sich in der Nähe befanden.
Nun kehrten die beiden zu ihren Leuten zurück. Diese hatten sich in den Wald zurückgezogen und befanden sich nahe der Einmündung des Baches in den See. Old Firehand wollte ihnen mitteilen, was er mit Old Shatterhand besprochen hatte; da fiel sein Auge auf mehrere Utahfrauen, welche sich dem Ufer des Sees näherten; sie trugen die zum Angeln nötigen Gerätschaften in den Händen. Er machte Winnetou auf sie aufmerksam und sagte: »Wenn man diese Squaws belauschen könnte, so würde man über die Absicht ihrer Krieger vielleicht etwas erfahren.«
»Winnetou wird es versuchen, wenn sie nahe genug herankommen,« antwortete der Apache.
Ja, sie kamen nahe genug herbei. Sie wollten nicht im See, sondern in der Mündung des Baches fischen. Dort setzten sie sich unter Büschen nebeneinander ans Ufer hin, warfen die Angeln aus und sprachen miteinander. Sie schienen es gar nicht zu wissen oder wenigstens sich nicht daran zu kehren, daß der Angler nicht sprechen darf. Winnetou wand sich wie eine Schlange zu ihnen hin und legte sich hinter die Büsche, an denen sie saßen. Es war unterhaltend, sie und zugleich auch ihn beobachten zu können. So lag er wohl über eine Viertelstunde und kehrte dann zurück, um zu melden: »Wenn diese Squaws nicht besser schweigen lernen, werden sie niemals eine Forelle fangen. Sie haben mir alles gesagt, was ich wissen wollte.«
»Und was war das?« wurde er gefragt.
»Die fünf Krieger, welche an uns vorüberritten, sollen die Fährte Old Shatterhands deutlicher machen, und in kurzer Zeit werden fünfzig andre folgen, angeführt von dem »großen Wolfe«.«
»So ist er unverletzt?«
»Ja. Der Hieb Old Shatterhands hat ihm die rechte Hand gelähmt und seinen Atem ins Stocken gebracht. Dieser ist ihm zurückgekehrt und die Hand hindert ihn nicht, die Verfolgung selbst zu leiten. Old Shatterhand soll erschossen werden, damit er den Navajos nichts über die Absichten der Utahs verraten kann. Diese letzteren zerstreuen sich heute in der ganzen Gegend, um zu jagen und Fleisch zu machen, denn morgen soll das Lager abgebrochen werden.«
»Wohin wird es verlegt?«
»Die Frauen und Kinder ziehen zu den Alten in die Berge, wo sie sicher sind; die Krieger aber folgen dem »großen Wolfe« nach, um den Versammlungsplatz aller Utahstämme aufzusuchen.«
»Wo ist derselbe?«
»Das schienen die Squaws nicht zu wissen. Mehr konnte ich nicht erfahren; es ist aber für das, was wir vorhaben, genug.«
»So können wir nichts thun, als warten, bis der »große Wolf« mit seinem Truppe vorüber ist. Daß er fünfundfünfzig Männer mit sich nimmt, zeigt uns, welchen Respekt er vor Old Shatterhand hat. Eine solche Überzahl gegen vier Weiße!«
»Old Shatterhand ist mein Freund und Schüler,« meinte Winnetou stolz. »Er hat fünfundfünfzig nicht zu fürchten.«
Nun legte man sich auf die Lauer, bis wohl nach einer Stunde der »große Wolf« mit seinen Leuten kam. Sie ritten vorüber, ohne einen Blick unter die Bäume zu werfen. Ihr Aussehen war ein höchst kriegerisches. Sie waren ohne Ausnahme mit Schießgewehren bewaffnet. Der Häuptling trug die rechte Hand in einer Binde. Sein Gesicht war noch dicker bemalt als am Morgen. Von seinen Schultern hing der mit Federn geschmückte Kriegsmantel auf den Rücken des Pferdes nieder; aber der Kopf trug nicht mehr den Schmuck der Adlerschwingen. Er war besiegt worden und wollte diese Auszeichnung erst wieder anlegen, wenn er seine Rache befriedigt hatte. Seine besten Leute ritten die besten Pferde, welche sich im Lager befunden hatten.
Zehn Minuten später folgte der kühne Winnetou ganz allein und nach abermals zehn Minuten brachen die andern auf.
Von einem wirklichen Wege war natürlich keine Rede. Man ritt immer am Wasser aufwärts. Dieses hatte im Frühjahre während des Hochwassers an den Ufern gefressen. Losgerissene Steine und Stämme lagen überall, und man kam infolgedessen nur sehr langsam vorwärts, besonders da die Sänfte nur schwer über solche Hindernisse zu bringen war. Als man dann die Lehne des Berges hinter sich hatte, wurde es besser. Die größte Steigung war überwunden, und je weniger Fall das Wasser hatte, desto weniger zerstört war die Umgebung des Baches.
Was die Fährte betrifft, welcher man folgte, so konnte dieselbe gar nicht deutlicher sein. Da Old Shatterhand solche Verbündete gefunden hatte, hielt er es nicht mehr für nötig, für eine unlesbare Spur zu sorgen. Die ihm folgenden fünf Utahs waren mit Absicht so geritten, daß ihre Hufeindrücke leicht zu sehen waren, und da der »große Wolf« keinen Feind hinter sich wußte, war es ihm nicht eingefallen, Vorsicht anzuwenden. Die Richtung nach dem Nachtcanon führte an der schmalsten Stelle der Elk Mountains quer über das Gebirge. Als man sich oben befand, wurde der Bach verlassen; es ging mitten durch Urwald, welcher kein Unterholz hatte. Die weit auseinander stehenden Stämme vereinigten ihre Kronen zu einer so dichten Laubdecke, daß nur an einzelnen Stellen ein Sonnenstrahl durchzudringen vermochte. Der Boden war moderig und weich und zeigte die Fährte tief eingeschnitten.
Einige Male näherte man sich dem Apachen so, daß man ihn zu sehen bekam. Seine Haltung war eine sehr unbesorgte. Er wußte, daß die Utahs ihre Aufmerksamkeit wohl schwerlich hinter sich richteten.
Zehn Uhr war es gewesen, als Old Firehand mit seinen Leuten vom See aufgebrochen war. Bis ein Uhr ging es fast nur durch Wald und dann über eine Buschprairie, was den Weißen sehr lieb sein mußte. Wäre die Prairie offen gewesen, so hätte man viel größere Abstände nehmen müssen. Das grasige Land senkte sich oft zu Thal, um drüben wieder emporzusteigen, dann kam wieder Wald, aber nicht für lange Zeit, denn schon nach wenigen Minuten erreichte man den jenseitigen Saum desselben. Dort hielt der Apache, um seine Gefährten zu erwarten. Warum er nicht weiterritt, diese Frage beantwortete er nicht durch Worte, sondern dadurch, daß er vorwärts zeigte.
Ein Anblick wirklich ganz einziger Art bot sich den Weißen. Man hatte das Gebiet des Elkgebirges hinter und dasjenige des Grand-River mit seinen Canons vor sich. Von rechts, von links und von da, wo die Reiter hielten, senkten sich drei schwarze, schiefe Felsenebenen wie riesige, unten zusammenstoßende Schiefertafeln gegeneinander. Die Neigung derselben war so stark und ihre Fläche so glatt, daß man unmöglich im Sattel bleiben konnte. Es war fast schaurig, bis auf den tiefen Grund, den man doch erreichen mußte, zu blicken. Von beiden Seiten, da wo die Riesentafeln zusammenstießen, floß ein Wasser abwärts, aber ohne einen Baum, einen Busch oder auch nur einen Halm zu nähren. Unten vereinigten sich die beiden Wasser, um in einem Felsenspalt zu verschwinden, welcher die scheinbare Breite eines Lineales besaß.
»Das ist der Night-Canon,« erklärte Old Firehand, indem er auf diese Spalte deutete. »Er trägt diesen Namen, weil er so tief und schmal ist, daß das Licht der Sonne nicht hinabzudringen vermag und es in seiner Tiefe selbst am hellen Tage fast Nacht ist; daher der Name Nachtcanon. Man reitet da um die Mittagszeit in einer ziemlichen Dämmerung. Und seht da unten!«
Er zeigte abwärts, dahin, wo das Wasser im Spalt verschwand. Dort bewegten sich kleine Gestalten; Reiter waren es, so klein, daß sie dem Beobachter kaum bis an die Kniee zu reichen schienen. Das waren die Utahs, welche soeben im Felsenspalt verschwanden.
Dieser war fast senkrecht in eine gigantische Steinmauer gerissen, über welcher eine weite, weite Ebene lag, die von nebelfernen Bergriesen, dem Bookgebirge, abgeschlossen wurde. Die Tante Droll blickte in die Tiefe und sagte zu dem schwarzen Tom: »Da solle wir ‚nunter? Das kann doch nur een Schieferdecker fertig bringe! Das is ja de reene Lebensgefährlichkeet, wenn‘s nötig is! Wennste dich hersetzt, und ich geb‘ dir eenen Schwupps, so kannste bis ‚nunter Schlitte fahre.«
»Und doch müssen wir hinab,« meinte Old Firehand. »Steigt ab, und nehmt eure Pferde bei den Zügeln, aber kurz. Wir müssen es allerdings gerade wie beim Schlittenfahren machen, wenn es einen Berg hinabgeht. Da man kein Schleifzeug und keinen Hemmschuh hat, kann man nur dadurch hemmen, daß man im Zickzack abwärts fährt. So auch wir jetzt, immer herüber und hinüber.«
Dieser Rat wurde befolgt, und es zeigte sich, daß derselbe gut war. In gerader Richtung wäre man schwerlich ohne verschiedene Schiffbrüche hinabgekommen; der Abstieg nahm weit über eine halbe Stunde in Anspruch. Ein wahres Glück, daß die Utahs so ahnungslos waren! Hätten sie ihre Verfolger bemerkt und sich im Felsenspalt festgesetzt, so wäre es ihnen ein Leichtes gewesen, sie während dieses langsamen Abstieges, ohne alle Gefahr für sich, einen nach dem andern wegzuputzen.
Endlich war man unten und ordnete sich zum Eindringen in den Canon, welcher hier so schmal war, daß neben dem Wasser nur zwei Reiter Platz fanden. Voran war natürlich wieder Winnetou. Ihm folgte Old Firehand, neben welchem jetzt der Lord ritt. Dann kamen die Jäger und nachher die Rafters, welche den Ingenieur und seine Tochter zwischen sich nahmen. Der Trupp war seit dem Eagletail dadurch größer geworden, daß sich Watson, der Schichtmeister, mit noch mehreren Arbeitern angeschlossen hatte.
Gesprochen durfte nicht werden, da jeder Laut in diesem Spalte viel weiter als im Freien zu hören war. Der Hufschlag der Pferde konnte zum Verräter werden; darum war Winnetou abgestiegen und, während sein Pferd von einem Rafter geführt wurde, auf seinen weichen Mokassins den Gefährten vorangegangen.
Es war wie ein Ritt durch die Unterwelt. Vor und hinter sich den engen Spalt, unter sich den starren, steinbesäeten Felsen und das dunkle, unheimliche Wasser und rechts und links die gerade aufstrebenden Felsenwände, welche so hoch waren, daß sie den Himmel nicht sehen ließen, sondern oben zusammenzustoßen schienen. Die Luft wurde, je weiter man eindrang, desto kälter und schwerer, und das Tageslicht verwandelte sich in Dämmerung.
Und lang war der Canon, ewig lang! Zuweilen wurde er ein wenig breiter, so daß er Raum für fünf oder sechs Reiter bot; dann traten die Wände wieder so eng zusammen, daß man vor Angst, erdrückt zu werden, laut hätte aufschreien mögen. Sogar den Pferden war es nicht geheuer; sie schnaubten ängstlich und strebten schnell vorwärts, um aus dieser Enge erlöst zu werden.
Eine Viertelstunde verging und noch eine; da – – unwillkürlich blieben alle halten – – gab es einen Krach, als ob zehn Kanonen zugleich abgeschossen worden seien.
»Um Gottes willen, was war das?« fragte Butler, der Ingenieur. »Stürzen vielleicht die Felsen ein?«
»Ein Flintenschuß,« antwortete Old Firehand. »Der Augenblick ist da. Je ein Mann für drei Pferde bleibt zurück; die andern vor. Absteigen!«
Im Nu waren über dreißig Mann, jeder die Büchse in der Hand, auf den Füßen, um ihm zu folgen. Schon nach wenigen Schritten sahen sie Winnetou stehen, den Rücken ihnen zugekehrt und die Silberbüchse nach vorwärts zum Schusse angelegt.
»Die Waffen nieder, sonst spricht meine Zauberbüchse!« ertönte eine gewaltige Stimme; man wußte nicht, woher, ob von oben hernieder oder aus dem Erdboden heraus.
»Nieder die Waffen!« donnerte es abermals in der Sprache der Utahs, daß in dem engen Spalte aus den wenigen Silben ein ganzes Gewittergrollen wurde. Dann fielen schnell aufeinander drei Schüsse. Man hörte, daß sie aus einem und demselben Laufe kamen. Das mußte der Henrystutzen Old Shatterhands sein, dessen Knall hier allerdings die Stärke eines Kanonenschusses hatte. Gleich darauf blitzte auch die Silberbüchse Winnetous auf. Die Getroffenen schrieen, und dann folgte ein Geheul, als ob alle Scharen der Hölle losgelassen seien.
Old Firehand hatte den Apachen erreicht und konnte nun sehen, was und wen er vor sich hatte. Der Spalt erweiterte sich auf eine kurze Strecke und bildete einen Raum, welchen man am besten ein Felsengemach nennen konnte. Es war von rundlicher Gestalt und so groß, daß vielleicht hundert Reiter in demselben Platz finden konnten. Das Wasser lief am linken Rande desselben hin. Auch hier herrschte Dämmerung; doch konnte man die Schar der Utahs sehen.
Die fünf vorausgesandten Krieger hatten einen großen Fehler begangen. Sie waren hier halten geblieben, um die Ihrigen zu erwarten. Hätten sie das nicht gethan, so wären die jenseits postierten vier Weißen gezwungen gewesen, sie anzureden, und sie hätten wohl rückwärts fliehen können, um die Ihrigen zu warnen. Da sie aber so lange gewartet hatten, bis diese nachkamen, so waren sie nun alle eingeschlossen. Drüben stand Old Shatterhand mit dem erhobenen Henrystutzen, und neben ihm kniete der Hobble-Frank, damit Davy und Jemmy über ihn hinwegschießen könnten. Die Roten hatten ihre Waffen auf die Aufforderung des ersteren nicht sofort gesenkt, und darum waren die Schüsse gefallen. Fünf tote Utahs lagen am Boden. Die andern konnten kaum an Gegenwehr denken; sie hatten genug zu thun, ihre Pferde zu bändigen, welche durch den außerordentlichen Wiederhall der Schüsse scheu geworden waren.
»Werft die Waffen weg, sonst schieße ich wieder!« ertönte Old Shatterhands Stimme abermals.
Und von der andern Seite her erschallte es: »Hier steht Old Firehand. Ergebt euch, wenn ihr euer Leben retten wollt!«
Und neben diesem rief der Apache: »Wer kennt Winnetou, den Häuptling der Apachen? Wer sein Gewehr gegen ihn erhebt, der verliert seinen Skalp. Howgh!«
Waren die Utahs der Meinung gewesen, den Feind nur vor sich zu haben, so sahen sie jetzt, daß ihnen der Rückweg auch verschlossen war. Dort stand die mächtige Gestalt Old Firehands und die stolz-schlanke des berühmten Apachenhäuptlings. Neben ihnen hielt, da sonst kein Raum vorhanden war, die Tante Droll mit angeschlagenem Gewehr im Wasser, und zwischen diesen dreien sah man verschiedene Gewehrläufe ragen.
Kein einziger der Utahs wagte, sein Gewehr wieder zu erheben. Sie starrten nach vorn und nach hinten und wußten nicht, was sie thun sollten.
Widerstand leisten wäre ihr Verderben gewesen, das sahen sie ein; aber sich so schnell und ohne alle Verhandlung ergeben, das widerstrebte ihnen. Da sprang Droll aus dem Wasser, schritt bis zum Häuptling vor, hielt ihm den Lauf des Gewehres an die Brust und rief ihm zu: »Wirf das Gewehr weg, sonst drücke ich los!«
Der »große Wolf« hielt den Blick starr auf die dicke, fremdartige Gestalt geheftet, als ob er ein Gespenst vor sich sehe; die Finger seiner Rechten öffneten sich und ließen das Gewehr fallen.
»Den Tomahawk auch und das Messer!«
Der Häuptling griff in den Gürtel, nahm die beiden genannten Waffen heraus und warf sie fort.
»Binde deinen Lasso los!«
Auch diesem Befehle gehorchte der »große Wolf«. Droll nahm den Lasso und band mit demselben die Füße des Häuptlings unter dem Bauche seines Pferdes zusammen. Dann nahm er dieses letztere beim Zügel, führte es auf die Seite und rief dem Gunstick-Uncle, welcher hinter Old Firehand stand, zu: »Komm her, Onkel, und fessele ihm die Hände!«
Der Uncle kam steif und gravitätisch herbeigeschritten und antwortete: »An den Gürtel will ich hinten – – ihm die beiden Hände binden.«
Er schwang sich hinter dem »großen Wolf« auf das Pferd, machte seine Worte zur That und sprang dann wieder ab. Es war, als habe der Häuptling gar nicht gewußt, was mit ihm vorging; er befand sich wie im Traume. Sei Beispiel wirkte. Die Seinen ergaben sich nun auch in ihr Schicksal; sie wurden ebenso entwaffnet und gebunden wie er, und das ging außerordentlich schnell von statten, da alle Weißen nur darauf bedacht waren, zu thun, was der Augenblick erforderte.
Gern hätte der Hobble-Frank Winnetou begrüßt; Davy und Jemmy hatten ganz dasselbe Verlangen; aber man durfte jetzt nicht an solche Herzensangelegenheiten denken, sondern mußte die Erledigung derselben für später aufheben. Es galt vor allen Dingen aus dem Canon zu kommen. Darum wurde, als der letzte Rote gebunden war und man die erbeuteten Waffen aufgelesen hatte, sofort der Weiterritt angetreten. Voran ritten die Jäger, dann kamen die Roten, und den Beschluß bildeten die Rafters. Winnetou und Old Firehand ritten mit Old Shatterhand voran. Sie hatten ihm still die Hand gegeben, die einzige Begrüßungsart, welche sie einstweilen für nötig hielten. Gerade vor den Gefangenen ritten zwei, welche sich viel näher standen, als sie dachten, nämlich die Tante Droll und der Hobble-Frank. Keiner sagte ein Wort zu dem andern. Nach einiger Zeit nahm Droll die Füße aus den Steigbügeln, stieg im Reiten auf den Rücken des Pferdes und setzte sich verkehrt in den Sattel.
»Heavens! Was soll das heißen?« fragte Frank. »Wollt Ihr Komödie spielen, Sir? Vielleicht seid Ihr in einem Cirkus als Clown angestellt gewesen?«
»Nein, Master,« antwortete der Dicke. »Ich habe nur die Gewohnheit, die Festtage so zu feiern, wie sie fallen.«
»Wie meint Ihr das?«
»Ich setze mich verkehrt, weil es uns sonst verkehrt gehen kann. Denkt doch daran, daß hinter uns fünfzig Rote reiten; da kann leicht etwas geschehen, woran man nicht gedacht hat. Ich behalte sie in dieser Stellung im Auge und habe den Revolver in der Hand, um ihnen, wenn‘s nötig ist, eine Pille zu geben. Wenn Ihr gescheit seid, so macht es auch so!«
»Hm! Was Ihr sagt, ist sehr richtig. Mein Pferd wird es nicht übelnehmen; ich drehe mich auch um.«
Einige Sekunden später saß auch er verkehrt im Sattel, um die Roten beaufsichtigen zu können. Es ging nun gar nicht anders, als daß diese beiden possierlichen Reiter einander oft ansehen mußten; dabei wurden ihre Blicke immer freundlicher; sie gefielen einander offenbar. Das ging so eine Weile, ohne daß dabei ein Wort fiel, bis endlich der Hobble-Frank nicht länger zu schweigen vermochte. Er begann: »Nehmt mir‘s nicht übel, wenn ich Euch nach Eurem Namen frage. So wie Ihr da neben mir sitzet, habe ich Euch schon gesehen.«
»Wo denn?«
»In meiner Einbildung.«
»Alle Wetter! Wer hätte geahnt, daß ich in Eurer Einbildung lebe! Wieviel Mietzins habe ich da zu bezahlen, und wie steht es mit der Kündigung?«
»Ganz nach Belieben; aber heute ist es mit der Einbildung alle, da ich Euch nun in Person sehe. Wenn Ihr der seid, für den ich Euch halte, so habe ich viel Spaßhaftes von Euch gehört.«
»Nun, für wen haltet Ihr mich denn?«
»Für die Tante Droll.«
»Und wo habt Ihr von dieser gehört?«
»An verschiedenen Orten, an denen ich mit Old Shatterhand und Winnetou gewesen bin.«
»Was! Mit diesen beiden berühmten Männern seid Ihr geritten?«
»Ja. Wir waren oben im Nationalpark und dann auch in den Estacato.«
»Donner und Doria! Da seid Ihr wohl gar der Hobble-Frank?«
»Ja. Kennt Ihr mich?«
»Natürlich! Der Apache hat oft von Euch gesprochen und Euch noch heute, als wir vor dem Lager der Utahs lagen, einen kleinen Helden genannt.«
»Einen – kleinen – Helden!« wiederholte Frank, indem ein seliges Lächeln über sein Gesicht ging. »Einen – kleinen – Helden! Das muß ich mir aufschreiben! Ihr habt richtig geraten, wer ich bin; aber ob auch ich richtig geraten habe?«
»Für wen haltet Ihr mich denn?«
»Für die Tante Droll, wie ich schon gesagt habe.«
»Die bin ich auch.«
»Wirklich? Das freut mich herzlich!«
»Wie seid Ihr denn auf die Vermutung gekommen, daß ich diese Tante bin?«
»Eure Kleidung sagte es mir, und ebenso Euer Verhalten. Ich habe oft erzählen gehört, daß die Tante Droll ein ganz außerordentlich couragiertes Weibsbild ist, und als ich Euch vorhin so mit dem Häuptlinge der Utahs umspringen sah, dachte ich mir gleich: Das und keine andre ist die Tante!«
»Sehr ehrenvoll für mich! Na, wir sind wohl beide Kerle, welche ihre Schuldigkeit thun. Aber die Hauptsache für mich ist, daß ich vernommen habe, Ihr seid ein Landsmann von Old Shatterhand?«
»Das ist richtig.«
»Also ein Deutscher?«
»Ja.«
»Woher denn da?«
»Gerade aus der Mitte heraus. Ich bin nämlich ein Sachse.«
»Alle Wetter! Was für einer? Königreich? Altenburg? Koburg-Gotha? Meiningen-Hildburghausen?«
»Königreich, Königreich! Aber Ihr kennt diese Namen so genau. Seid Ihr etwa auch ein Deutscher?«
»Natürlich!«
»Woher denn da?« fragte Frank nun seinerseits entzückt.
»Auch aus Sachsen, nämlich Sachsen-Altenburg.«
»Herrjemerschnee!« fiel da der Kleine in seinem heimischen Dialekte ein. »Ooch een Sachse, und zwar een Altenburger? Is es denn die Möglichkeet! Aus der Schtadt Altenburg oder vom Lande, he?«
»Nich aus der Residenz, sondern aus der Langenleube.«
»Langen— – leube?« fragte Frank, indem ihm der Mund offen stehen blieb. »Langenleube-Niederhain?«
»Jawohl! Kennen Sie es?«
»Warum sollte ich nich? Ich habe ja Verwandte dort, ganz nahe Verwandte, bei denen ich als Junge zweemal off der Kirmse gewesen bin. Hören Sie, dort gibt‘s aber Kirmsen, im Altenburgischen! Da wird gleich vierzehn Tage lang Kuchen gebacken. Und wenn so eene Kirmse alle is, da geht sie off dem nächsten Dorfe wieder an. Drum schpricht man dort nur so im allgemeenen vom Altenburger Landessen.«
»Das is richtig!« nickte Droll. »Mache könne mersch, denn habe thune mersch. Aber Se habe Verwandte bei uns? Wie heiße denn die Leute, und wo schtamme se her?«
»Es is ganz nahe Verwandtschaft. Das is nämlich so! Mein Vater hat eenen Paten gehabt, dessen selige Schwiegertochter sich in der Langenleube wieder verheiratet hat. Später schtarb sie, aber ihr Schtiefsohn hat eenen Schwager, und der is es, den ich meene.«
»So! Was war er denne?«
»Alles mögliche. Er war een ganzer Kerl, der alles fertig brachte. Bald war er Kellner, bald Kirchner, bald Bürgergardenfeldwebel und bald Hochzeitsbitter, bald —«
»Halt!« unterbrach ihn Droll, indem er herüberlangte und seinen Arm ergriff. »Wie war sein Name?«
»Seinen Vornamen kenne ich nicht mehr; aber sein Familienname war Pampel. Ich nannte ihn nur immer Vetter Pampel.«
»Wie? Pampel? Höre ich recht?« rief Droll. »Hatte er Kinder?«
»Die schwere Menge!«
»Wisse Se, wie Se geheeße habe?«
»Nee, nich mehr. Aber off den größten kann ich mich noch sehr gut besinnen, denn ich war dem Kerl gut. Er hieß Bastel.«
»Bastel, also Sebastian?«
»Jawohl, denn Sebastian wird off Altenburgisch Bastel ausgeschprochen. Ich gloobe, er hieß ooch noch Melchior dazu, een Name, der in Altenburg sehr gäng und gäbe is.«
»Richtig, sehr richtig! Es thut schtimme, es thut sehr genau schtimme! Sebastian Melchior Pampel? Wisse Se, was aus ihm geworde is?«
»Nee, leider nich.«
»So sehe Se mal mich an, schaue Se mal her zu mir!«
»Warum?«
»Weil ich es bin, der draus geworde is.«
»Sie – Sie?« fragte der Kleine.
»Ja, ich! Ich war der Bastel, und ich weeß noch ganz genau, wer bei uns off der Kirmse gewese is; des war der Vetter Frank aus Moritzburg, der nachher Forschtgehilfe geworde is.«
»Der bin ich, ich in eegener Person! Vetter, also hier, hier mitten in der Wildnis finden wir uns als schtammverwandte Menschen und Cousängs! Wer hätte das für möglich gehalten! Komm her, Bruderherz, ich muß dich an meinen Busen drücken!«
»Ja, ich ooch. Hier haste mich!«
Er langte herüber, und der andre langte hinüber. Die Umarmung war, da beide verkehrt auf ihren Pferden saßen, mit einigen Schwierigkeiten verbunden, welche aber zur Not überwunden wurden.
Die finster blickenden Indianer wußten jedenfalls nicht, was sie von dem Gebaren der beiden halten sollten; diese aber kehrten sich nicht an die bemalten Gesichter; sie ritten Hand in Hand nebeneinander, mit dem Rücken nach vorn, und sprachen von der seligen Jugendzeit. Sie hätten wohl noch lange kein Ende gefunden, wenn nicht im Zuge eine Stockung eingetreten wäre. Man hatte nämlich das Ende der Spalte erreicht, welche auf einen größeren und viel breiteren Canon mündete.
Zwar war die Sonne schon so tief gesunken, daß ihre Strahlen den Boden desselben nicht mehr erreichten, aber es gab doch Licht da und eine reine, bewegte Luft. Die Reiter atmeten erleichtert auf, als sie ins Freie gelangten, welches sie freilich nicht eher betraten, als bis sie vorsichtig Umschau gehalten hatten, ob keine feindlichen Wesen in der Nähe seien.
Dieser Canon war vielleicht zweihundert Schritte breit und hatte auf seinem Grunde ein kleines, schmales Flüßchen, welches man leicht durchwaten konnte. Am Wasser gab es Gras und Buschwerk, und auch einige Bäume standen da.
Die Roten wurden von den Pferden genommen und dann mit wieder gefesselten Füßen auf die Erde gesetzt. Nun erst war der richtige Augenblick zur ausgiebigen Begrüßung gekommen, und er wurde gehörig ausgenutzt. Diejenigen, welche sich bisher noch nicht gekannt hatten, lernten sich schnell kennen, und es dauerte gar nicht lange, so gab es keine andre Anrede als das trauliche »Du«. Davon waren natürlich Firehand, Shatterhand, Winnetou, der Lord und der Ingenieur ausgenommen.
Der Trupp Old Firehands hatte Proviant bei sich gehabt, und es wurde zunächst gegessen. Dann sollte über das Schicksal der Roten entschieden werden. Hierüber gab es mehr als eine Ansicht. Winnetou, Old Firehand und Old Shatterhand waren bereit, sie frei zu geben; die andern aber verlangten eine strenge Bestrafung. Der Lord meinte: »Bis dahin, wo die Zweikämpfe vorüber waren, halte ich sie nicht für strafbar, dann aber mußten sie euch die Freiheit geben. Statt das zu thun, haben sie euch verfolgt, um euch zu ermorden, und ich zweifle gar nicht daran, daß sie dies gethan hätten, wenn ihnen die Gelegenheit dazu geworden wäre.«
»Das ist sehr wahrscheinlich,« antwortete Old Shatterhand; »aber sie haben die Gelegenheit dazu nicht gefunden, und es also auch nicht gethan.«
»Well! So ist die Absicht strafbar.«
»Wie wollt Ihr diese Absicht bestrafen?«
»Hm! Das ist freilich schwierig.«
»Mit dem Tode doch nicht?«
»Nein.«
»Mit Haft, Gefängnis, Zuchthaus?«
»Pshaw! Prügelt sie tüchtig durch!«
»Das wäre das Schlimmste, was wir thun könnten, denn es gibt für den Indianer keine größere Beleidigung, als Schläge. Sie würden uns über den ganzen Kontinent verfolgen.«
»So legt ihnen eine Geldstrafe auf!«
»Haben sie Geld?«
»Nein, aber Pferde und Waffen.«
»Ihr meint, daß wir ihnen diese nehmen sollen? Das wäre grausam. Ohne Pferde und Waffen müßten sie verhungern oder in die Hände ihrer Feinde fallen.«
»Ich begreife Euch nicht, Sir! Je nachsichtiger Ihr mit diesen Leuten seid, desto undankbarer werden sie. Gerade Ihr solltet nicht so milde denken, da gerade eben Ihr es seid, an dem sie sich vergangen haben.«
»Und gerade weil sie sich an mir, Frank, Davy und Jemmy vergangen haben, sollten wir vier es sein, die über ihr Schicksal zu bestimmen haben.«
»Macht, was Ihr wollt!« sagte der Lord, indem er sich unwillig abwendete. Gleich aber drehte er sich ihm wieder zu und fragte: »Wollen wir wetten?«
»Worüber?«
»Darüber, daß diese Kerle es Euch übel vergelten, wenn Ihr sie mit Nachsicht behandelt?«
»Nein.«
»Ich setze zehn Dollar!«
»Ich nicht.«
»Ich setze zwanzig gegen zehn!«
»Und ich wette gar nicht.«
»Niemals?«
»Nein.«
»Schade, jammerschade! Ich habe es während dieses ganzen langen Rittes vom Osagenook bis hierher zu keiner Wette gebracht. Nach allem, was ich von Euch hörte, muß ich Euch für einen veritablen Gentleman halten, und nun sagt auch Ihr mir, daß Ihr niemals wettet. Ich wiederhole es: Macht, was Ihr wollt!«