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Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi I», sayfa 26

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Sechstes kapitel: Die Sklavinnen

Der treue Ben Nil bat, mich begleiten zu dürfen, doch durfte ich ihm das nicht erlauben. Ich hätte ihn gern mitgenommen, denn er war nicht nur mutig, sondern auch klug und vorsichtig, und vier Augen und Ohren konnten jedenfalls mehr sehen und hören als nur zwei; aber das Terrain war zu schwierig, und er hatte im Schleichen nicht die notwendige Übung. Ein falscher Schritt konnte uns verraten.

Ich brauchte aus dem angegebenen Grunde wohl eine halbe Stunde, ehe ich von der Kante der Schlucht hinab auf die Sohle derselben kam. Die Sterne leuchteten noch nicht, und infolgedessen war das Klettern beinahe halsbrecherisch zu nennen. Dann schlich ich mich in der Schlucht abwärts, sehr oft zweifelhafte Stellen des Weges erst mit den Händen untersuchend, ehe ich den Fuß vorwärts setzte. Endlich sagte mir ein Lichtschein, daß ich dem Ziele nahe sei.

Wie bereits erwähnt, war der graue Anzug, den ich in Kairo getragen hatte, durch den Besuch der Höhle von Maabdah und der vermeintlichen Königsgräber so defekt geworden, daß ich mir in Siut einen andern gekauft hatte. Dieser war von derselben Farbe. Den hellen Haïk hatte ich im Lager gelassen. Zur Bedeckung des Gesichtes hatte ich das Kaffije bei mir, ein Kopftuch, welches zum Gebrauche für Männer ungefähr die Größe eines Quadratmeters besitzt. Es wird einmal zusammengeschlagen, so daß es zwei aufeinander liegende Dreiecke bildet, und dann mit dem Ukal, einer Schnur, so auf den Tarbusch (Fez) befestigt, daß die lange Seite nach vorn kommt und der hinten herabfallende Zipfel den Nacken schützt. Wenn es sehr heiß ist, wird unter dem Fez noch ein Schweißkäppchen getragen. Arme Leute tragen wollene oder halbwollene Kaffijen; reiche bedienen sich seidener Tücher, welche in Kairo zwölf Mark und höher pro Stück zu stehen kommen. Diese seidenen Kaffijen werden meist in Zuk und Beirut gefertigt und zeigen gewöhnlich ein blaues oder rotes Muster auf goldfarbigem oder weißem Grunde. Mein Kaffije war dunkel. Von Waffen hatte ich das Messer und die Revolver bei mir; ein Gewehr wäre mir nur hinderlich gewesen. Im Falle einer Gefahr mußte ich zunächst nach dem Messer greifen; des Revolvers durfte ich, da ich Lärm so viel wie möglich zu vermeiden hatte, mich nur notgedrungen bedienen.

Also, ich sah einen Lichtschein vor mir. Er ging von einem Feuer aus, welches durch getrockneten Kameldünger unterhalten wurde – das einzige und ausschließliche Feuermaterial in dieser Wüste. Man geht sehr sparsam mit demselben um und läßt es nie zu einer wirklich hellen Flamme kommen. Das war natürlich ein Vorteil für mich, denn ein helles Feuer hätte mich, da das Thal des Brunnens nicht breit ist, leicht verraten können.

Das Feuer glimmte nur; daß ich es trotzdem sah, war mir ein Beweis, daß ich mich nicht weit von demselben befand. Ich band mir das Kaffije so um den Kopf, daß außer den Augen das ganze Gesicht bedeckt war, legte mich auf den Boden und kroch nun weiter.

Die bisher engen Felsenwände traten jetzt mehr auseinander, und nun sah ich vor mir und zur rechten Seite noch zwei Feuer glimmen, während das zuerst erblickte sich jetzt links von mir befand. Wohin sollte ich mich wenden? Aus den drei Feuern war zu schließen, daß drei Trupps hier kampierten. Ich wollte die Sklavenjäger belauschen; sie konnten jetzt noch nicht wohl da sein, doch war ihre Ankunft sehr bald zu erwarten. Wohin würden sie sich lagern? Jedenfalls in die Nähe des Wassers, denn es war anzunehmen, daß sie von der Fußwanderung durch die heiße Wüste sehr durstig geworden seien. Vor allen Dingen und zunächst mußte ich wissen, wer jetzt schon da war. Auf die Anwesenheit Murad Nassyrs konnte ich fast mit Gewißheit rechnen.

Ich kroch zunächst nach links hinüber, wo sich in diesem Augenblicke der leise Ton einer Rababa, einer einsaitigen Geige hören ließ. Nach wenigen Augenblicken fielen die Klänge einer Kamandscha ein. Das ist eine zweisaitige Geige, deren Schallkörper aus einer Kokosnußschale besteht. Diesen beiden Instrumenten gesellten sich eine Zammara und eine Schabbabi bei, eine Pfeife und eine Flöte von einfachster Konstruktion.

Was man vortrug, war nach unserm Begriffe keine Musik zu nennen. Es gab weder Takt noch Melodie und Harmonie. Jeder der vier Künstler strich oder blies ganz nach Belieben; aber die vier Instrumente erklangen zu gleicher Zeit, und das war für diese Leute genug, um als Konzert zu gelten. Die Dissonanzen beleidigten mein Ohr, waren mir aber dennoch sehr willkommen, da sie ein etwa von mir verursachtes Geräusch verdeckten.

Als ich näher kam, sah ich formlose Massen an der Erde liegen. Das waren Kamele und die Lasten, welche sie getragen hatten. Am Feuer saßen wohl ein Dutzend Männer; vier von ihnen gaben sich dem musikalischen Verbrechertume hin; zwei waren beschäftigt, einen Mehlbrei als Abendessen zu bereiten, und die andern sahen und hörten zu, mit großem Vergnügen, wie es schien.

Diese Leute konnten mich nicht interessieren; ich kroch also nach rechts, wo ich bald einige Zelte erblickte. Die nähere Untersuchung belehrte mich, daß es diejenigen der Ababdeh-Beduinen seien, denen die Beaufsichtigung des Brunnens anvertraut war. Auch hier hatte ich nichts zu suchen, und so schob ich mich auf den Knieen und Fingerspitzen nach dem dritten Feuer. Dieses glimmte vor einem Zelte, in dessen Nähe ein zweites stand. Zwei weibliche Gestalten hockten daran: auch sie waren mit der Bereitung des Abendessens beschäftigt. Eben bückte sich die eine nieder, um das fast verlöschende Feuer anzublasen; dadurch wurde ihr Gesicht beleuchtet. Das war Fatma, die Lieblingsdienerin und Köchin, deren Haare ich im Pillaw gefunden hatte! Die beiden Zelte gehörten also meinem feindlichen Freunde Murad Nassyr. Das eine war für seine Schwester und deren Dienerinnen bestimmt, und in dem andern wohnte jedenfalls er selbst. Als ich mich demselben näherte, sah ich ihn mit seinen Kameltreibern, welche er in Korosko gemietet hatte, vor dem Eingange sitzen.

Auch hier hatte ich nichts zu schaffen, denn was er mit seinen Führern sprach, konnte mir sehr gleichgültig sein. Wohin also nun? Ja, wenn ich gewußt hätte, ob die Erwarteten am Brunnen bleiben würden! Dieser lag in der Nähe des zweiten Feuers. Am besten schien es mir, mich dorthin zu wenden. Schon drehte ich mich um, diesen Vorsatz auszuführen, als ich den Schritt eines nahenden Kameles vernahm.

Der Reiter desselben schien die Örtlichkeit genau zu kennen, sonst wäre er in der Finsternis wohl langsamer geritten. Jedenfalls wollte auch er zum Brunnen. Aus dem Schalle der Huftritte hörte ich, daß er schneller war, als ich es sein konnte. Es war mir unmöglich, den Brunnen vor ihm zu erreichen und mich dort zu verstecken; ich befand mich gerade auf seinem Wege und sah mich also gezwungen, zur Seite auszuweichen. Aber wohin? Hinter Murad Nassyrs Zelt, welches ganz nahe an dem Felsen stand. Ich schnellte mich also zur Seite, und da ertönte auch schon die Stimme des Ankömmlings: »Heda, Wächter! Wo ist eure Leuchte?«

Diese Stimme kam mir bekannt vor. Wo hatte ich sie gehört? Es fiel mir nicht sofort ein. Ich wußte, daß man den Mann mit Licht empfangen werde, und mußte mich auf das schnellste unsichtbar machen. Ich schlich mich also hinter das erwähnte Zelt, fühlte mich da aber, wenigstens zunächst, gar nicht gut aufgehoben. Zwischen dem Zelte und der nahen Felsenwand gab es nämlich ein dichtes Strauchwerk, und als ich unter dasselbe kroch, bemerkte ich, daß es stachelige Mimosen waren. Aber ich war nun einmal da und mußte, wenn ich sicher sein wollte, immer tiefer hinein. Das war zunächst unangenehm, denn die spitzen Stacheln drangen durch mein Gewand, durch das Gesichtstuch und stachen mich auch in die nackten Hände, aber außerdem auch gefährlich, denn es waren hier Skorpionen zu vermuten. Vielleicht gab es da sogar Assalehs, welche die giftigsten Schlangen der Wüste sind. Der Biß einer solchen wäre unter den gegenwärtigen Verhältnissen für mich absolut tödlich gewesen. So geht es, wenn man zum Besten fremder Menschen in der Wüste und in den Oasen herumkriecht, zumal des Nachts!

Jetzt war ich gut versteckt und konnte um das Zelt bis zu Murad Nassyr blicken. Auf den Ruf des Neuangekommenen hatten die Brunnenwächter eine aus Palmenfaser und Harz gefertigte Fackel geholt; sie wurde an dem angeblasenen Feuer angezündet und dann, als sie brannte, emporgehalten. Die Flamme beleuchtete einen weiten Kreis, glücklicherweise aber das Mimosengestrüpp nicht mit. Der Reiter stieg ab. Er wendete mir den Rücken zu. Die Wächter kreuzten die Arme und verbeugten sich tief. Er mußte ein sehr vornehmer oder sehr frommer Mann sein. Jedenfalls war es auffällig, daß er keinen Führer, keinen Begleiter hatte, und des Nachts allein durch die Wüste ritt. Jetzt drehte er sich zur Seite. Murad Nassyr erblickte sein Gesicht, sprang sofort auf und rief: »Abd Asl! Bei Allah ist alles möglich; aber wie konnte ich ahnen, dich hier zu sehen?«

Der andere drehte sich bei diesem Rufe vollends um, und nun sah auch ich seine Züge. Wahrhaftig, es war Abd Asl, der »heilige Fakir«, welcher mich und Selim in den Brunnen bei Siut gelockt hatte, um uns in demselben umkommen zu lassen! Es zuckte in meinen Armen und Beinen, zu ihm hinzueilen, um Abrechnung mit ihm zu halten; aber das durfte ich nicht. Also darum war mir vorhin seine Stimme bekannt vorgekommen!

»EI Ukkazi!« antwortete er im Tone des Erstaunens. »Sehen meine Augen recht? Du bist hier beim Bir Murat? Allah hat dich hergeführt, denn ich habe mit dir zu sprechen.«

Er schritt auf Murad Nassyr zu und reichte ihm die Hand. Dieser schüttelte sie und entgegnete:

»Ja, Allah fügt dieses Zusammentreffen. Meine Seele freut sich deines Angesichtes. Du bist allein, und ich habe Dienerinnen bei mir. Sei mein Gast, und setze dich zu mir!«

Der Fakir nahm diese Einladung an. Er befahl den Wächtern, seinem Kamele den Sattel abzunehmen und es zu tränken, und ließ sich an der Seite des Türken nieder. Ich hatte jetzt doppelt Ursache, mich zu wundern. Erstens war sein Kamel, wie ich beim Scheine der Fackel sah, ein noch wertvolleres Reitkamel als das meinige. Wie kam dieser Fakir, der als solcher doch ein Armer war, zu einem so kostbaren Tiere? Und zweitens hatte er den Türken nicht Murad Nassyr, sondern EI Ukkazi genannt. Ukkazi heißt Krücke und wird auch in der Bedeutung von Krüppel gebraucht. Woher hatte der Türke diesen Beinamen? Er besaß doch ganz gesunde Glieder!

Er ging selbst in das Zelt, um dem Fakir einen Tschibuk zu holen. Dieser hatte mir in Siut gesagt, daß er niemals rauche; jetzt aber nahm er die Pfeife an und qualmte bald wie einer, der auf Kontrakt zu rauchen hat. Jetzt war ich dem stacheligen Gebüsch nicht mehr gram. Ich lag höchstens fünf Schritte von den beiden entfernt und durfte hoffen, Interessantes zu hören.

Sie wechselten zunächst die allgebräuchlichen Redensarten; dann wurde gegessen, und die Kameltreiber zogen sich zurück. Als das Mahl eingenommen worden war, sah der Fakir sich forschend um und sagte:

»Was ich mit dir zu sprechen habe, ist nicht für jedermanns Ohr. Du hast ein Harem bei dir; können unsere Worte in demselben gehört werden?«

»Die Tochter meines Vaters bewohnt das Zelt; sie kann alles hören; aber ihre Sklavinnen sind bei ihr, und so ist es besser, wenn wir in das meinige gehen.«

Sie begaben sich in das Zelt, hinter welchem ich lag. Drin war es vollständig dunkel. Die Brunnenwächter hatten die Fackel wieder verlöscht; nun war es auch im Freien wieder finster, doch begannen die Sterne nach und nach heller zu glänzen. Ich schob mich bis an das Zelt und horchte. Sie sprachen drin, aber nur halblaut, und die Leinwand ließ ihre Worte nicht deutlich zu mir dringen. Ich wollte und mußte aber hören; darum versuchte ich, die Zeltwand zwischen zwei Pfählen emporzuheben. Es ging, und zwar so gut, daß ich den Kopf hindurchstrecken konnte. Zu sehen vermochte ich die beiden nicht, ihren Stimmen aber entnahm ich, daß ich sie mit dem ausgestreckten Arme hätte erreichen können. Schade, daß ich den Anfang ihres Gespräches nicht gehört hatte, denn kein anderer als ich selbst war der Gegenstand desselben! Das hörte ich sofort aus den Worten des Fakirs:

»Da muß ich dich vor einem Menschen warnen, welcher mit dem Reïs Effendina im Bunde steht und zu ihm hinauf nach Chartum will, um Sklavenhändler abzufangen.«

»Solltest du denselben meinen, den auch ich kenne?« fragte Murad Nassyr. »Ich weiß einen, vor dem ich auch dich zu warnen habe.«

»Wer ist er?«

»Ein Giaur aus Almanja.«

»Allah! Es ist derselbe, von dem ich sprechen wollte. Wo hast du ihn kennen gelernt?«

»In Kahira sah ich ihn wieder; aber ich habe ihn schon vorher in Dschezair [Algier]gesehen. Daß und wie du mit ihm zusammengetroffen bist, das weiß ich ganz genau, denn er selbst hat es mir in Siut erzählt.«

»So trafst du ihn nicht bloß in Kahira, sondern auch dann in Siut?«

»Er wartete in Siut auf mich, denn er sollte mich nach Chartum und von da aus weiter den Bahr el Abiad hinauf begleiten. Er ist ein kluger und verwegener Kerl und wäre für uns so unbezahlbar gewesen, daß ich ihm die jüngere Tochter meines Vaters angeboten habe.«

»Allah kerihm! Wie konntest du das thun! Nun ist er dein Freund und Schwager, und ich darf mich nicht an ihm rächen.«

»Nichts ist er, gar nichts weiter, als mein ärgster Feind, Er hat mein Anerbieten abgeschlagen.«

»Ist das möglich! Das wäre ja eine Beleidigung, welche nur mit Blut abgewaschen werden kann!«

»Ja, das ist sie, und dreimal wehe ihm, wenn er in meine Hand gerät! Doch vor allen Dingen muß ich dir genau und ausführlich erzählen, wie und warum ich ihn an meine Seite gezogen habe.«

Sein Bericht umfaßte alles Geschehene bis zu unserer Entzweiung in Korosko. Als er bei den Versprechungen ankam, welche er mir gemacht hatte, meinte der Fakir zornig:

»Dein Kopf ist krank gewesen! Wie konntest du ihm beides versprechen, deine Schwester und Reichtum! Keins von beiden gehört ganz dir! Mein Sohn hat teil an allem, was dir gehört. Du bringst ihm jetzt die ältere Tochter deines Vaters. Wie konntest du da die jüngere diesem räudigen Giaur versprechen, den Allah verbrennen und verdürsten lassen möge! Wie darf ein solcher Hund die Schwester eines Weibes haben, welches meinem Sohne gehört!«

»Bedenke seine Eigenschaften!«

»Was gehen sie mich an, wenn er ein Giaur ist!«

»Ich stellte ihm ja die Bedingung, zum Islam überzutreten!«

»Das zu thun, fällt diesem Schakale niemals ein. Ich bin ihm von Gizeh aus gefolgt, ohne daß er es ahnte. Die Kadirine hatte ihn in meine Hand und in die Hand des Gauklers gegeben. Dein Selim, welcher kein Hirn besitzt, war, ohne es zu wissen, unser Verbündeter. Dieser Mensch sollte schon in Maabdah zu Grunde gehen; aber da der Stallmeister des Pascha sich bei ihm befand, mußte ich eine andere Gelegenheit herbeiführen. Selim hatte zu viel erfahren und mußte also auch zum Schweigen gebracht werden. Darum lockte ich beide in den alten Brunnen und war, ebenso wie der Gaukler, überzeugt, daß sie denselben nie wieder verlassen würden. Aber der Scheitan scheint mit ihnen im Bunde zu stehen und ihnen einen uns unbekannten Ausweg gezeigt zu haben. Sie entkamen, und ich mußte schleunigst fliehen, um ihrer Rache zu entgehen. Die Konsuls dieser fremden Hunde sind mächtiger als der Khedive selbst. Erst nach einiger Zeit wagte ich es, nachzuforschen, und erfuhr, daß der Giaur mit Selim auf einem Sandal, welcher Et Tahr heißt, nilaufwärts gefahren sei.«

»Das war mein Schiff; ich hatte es gemietet.«

»Das wußte ich nicht. Ich hatte überhaupt keine Ahnung davon, daß du dich schon wieder in Ägypten befindest. Du wolltest die Tochter deiner Mutter viel später bringen.«

»Und ich ahnte bisher nicht, daß du zur Kadirine gehörst. Darum freute ich mich, daß es diesem Giaur gelang, mich von den Gespenstern zu befreien.«

»Das war ein Eingriff in unsere Geheimnisse. Dann wurde auf seine Veranlassung unsere Sklavendahabije konfisziert. Beides mußte er mit dem Leben büßen. Er entkam uns. Wenn er erzählt, was geschehen ist, können wir uns auf Schlimmes gefaßt machen; er muß also verschwinden. Dazu kommt, daß er auch dich tödlich beleidigt hat. Ich werde ihn zerschmettern!«

»Ganz dasselbe habe auch ich ihm angedroht; er aber hat mich verlacht.«

»Laß ihn lachen! Wir werden ihn erreichen. In kurzer Zeit wird er sich zwischen mir und dem Gaukler befinden und sicher einem von uns in die Hände laufen. Jener folgt ihm auf dem Nile, und ich ließ mir von einem Freunde das schnellste Reitkamel geben, um nach Abu Hammed zu gehen. Dort erwarte ich ihn; der Gaukler treibt ihn mir zu.«

»Da täuschest du dich. Wie kannst du denken, daß er sich auf meinem Sandal befinde! Er hat mich beleidigt; wir sind Todfeinde; meinst du, daß ich ihm da erlauben werde, mein Schiff zu benutzen?«

Das Gesicht des Fakirs zeigte jetzt sicher den Ausdruck größter Enttäuschung; ich konnte es nicht sehen; dafür hörte ich ihn im Tone tiefer Betroffenheit sagen:

»Wie! Er ist nicht auf dem Sandal! So befinden wir uns also auf falscher Fährte?«

»Ja. Er ist euch abermals entgangen. Du hast recht; dieser Giaur steht mit dem Scheitan im Bunde.«

»Aber wohin ist er? Weißt du es vielleicht?«

»Ich weiß es nicht, kann es auch nicht erraten; aber ich glaube, daß er eher als du in Abu Hammed sein wird – wenn er überhaupt dorthin zu gehen beabsichtigt. Es hatte den Anschein, als ob er von Korosko nach Korti wolle, um von dort aus durch die Bajuda-Wüste direkt nach Chartum zu gehen.«

»Woraus schließest du das? Hat er vielleicht ein unbedachtes Wort darüber fallen lassen? Warst du bei seiner Abreise zugegen?«

»Nein. Ich ritt eher fort als er; aber er kam mir sehr bald nach. Es war mir das unerklärlich. Er saß mit dem Lieutenant des Reïs Effendinavor dem Thore des Chans und – —«

»Mit wem?« unterbrach ihn der Fakir. »Der Reïs Effendina hat seinen Lieutenant nach Korosko geschickt?«

»Ja. Der Lieutenant nahm mich vor und behauptete, mich zu kennen. Er hatte recht, doch leugnete ich. Meines Bleibens konnte keinen Augenblick länger sein, und so mietete ich die ersten besten Kamele und machte mich aus dem Staube. Bald darauf kam der Giaur mit dem Lieutenant nach. Sie ritten Prachtkamele und hatten Selim und Ben Nil bei sich.«

»Ben Nil? Allah, Allah! Ich kannte einen dieses Namens, der ist aber tot.«

»Ein Matrose aus Gubator?«

»Ja. Wie kommst du dazu, diesen Ort zu nennen?«

»Weil ich von demjenigen spreche, den du für tot hältst. Du hast ihn, wie er mir selbst erzählte, in den Brunnen gelockt; aber dieser deutsche Ungläubige hat ihn befreit und mit sich genommen.«

»Das – ist – — nicht möglich!« hörte ich den Fakir beinahe lallend sagen.

»Es ist ganz genau so, wie ich es dir erzähle. Ben Nil ist der Diener des Giaur geworden.«

»Allah kerihm! Das ist zu viel! Da sind ja alle drei, welche sterben sollten, beisammen! Und wir hatten doch alle Vorsichtsmaßregeln getroffen? Das ist schon wieder einer mehr gegen uns. Aber noch fürchte ich mich nicht. Ich habe die Macht in den Händen, sie alle zu verderben, und ich schwöre bei dem Propheten und seinem Barte, daß ich es thun werde. Ich werde ihnen folgen; ich werde sie jagen, und sollte ich bis an den Bahr el Ghazal gehen. Ich suche meinen Sohn auf, und finde ich selbst sie nicht, so gebe ich sie in seine Hände. Hast du denn gar keine Ahnung, wo sie zu treffen sind?«

»Nein. Sie folgten der Karawanenstraße nur eine kurze Strecke weit; dann sind sie, wie die Spuren zeigten, nach rechts abgeritten.«

»So muß ich mich beeilen, nach Abu Hammed zu kommen. Sind sie nicht dort, so sende ich Boten nach Berber, nach Korti und auch nach Debbeh. An einem von diesen Orten muß ich wenigstens eine Spur von ihnen finden.«

»Das ist mir leid. Ich freute mich, als ich dich sah, denn ich glaubte, daß wir nun miteinander reisen würden.«

»Das ist nicht möglich. Du hast das Harem bei dir und kannst nur langsam reisen; mir aber thut nun die höchste Eile not. Wann sind sie von Korosko fort?«

»Arn Montag früh.«

»Und heute ist Donnerstag. Du sagtest, daß sie gute Reitkamele ritten; da haben sie einen großen Vorsprung, den ich unbedingt einholen muß. Ich – —«

Seine folgenden Worte konnte ich nicht hören, denn es ließ sich wieder Hufschlag hören, und eine laute Stimme rief-

»Auf, ihr Wächter, ihr Bewahrer des Brunnens! Zündet die Leuchte an, denn wir brauchen Wasser!«

Ich zog den Kopf unter dem Zelte hervor und versteckte mich wieder in das Gesträuch. Die Sterne leuchteten heller als vorhin, und ihr Schein war hinreichend, mich sehen zu lassen, daß nicht nur ein Kamelreiter, sondern ein ganzer Trupp angekommen war. Sie ließen ihre Tiere niederknien und stiegen im Finstern ab. Es wurde eine Fackel angebrannt, und nun konnte ich sieben Männer Zählen, welche auf fünf Tieren gekommen waren. Dieses Verhältnis der Zahl der Reiter zu derjenigen der Kamele befremdete mich anfangs, doch konnte ich es bald erklären, denn ich erkannte – — die vier Sklavenjäger, welchen ich die Freiheit gelassen hatte.

Die andern drei waren von der Haupttruppe der Sklavenjäger abgeschickt worden, um auf fünf Kamelen beim Bir Murat Wasser zu holen, und hatten unterwegs ihre verunglückten Kameraden getroffen. Nun war es gewiß, daß ich mich nicht geirrt hatte; die vier gehörten zu den Frauenräubern, welche wir suchten. Die letzteren hatten wirklich den nördlichen Weg eingeschlagen und mußten uns nun in die Hände fallen.

Das freute mich natürlich; um so weniger befriedigte mich meine gegenwärtige Situation. Ich war gekommen, um die Sklavenjäger zu belauschen, und steckte nun hier hinter dem Zelte fest. Sie hielten sich jedenfalls nicht lange auf, und ich fand höchst wahrscheinlich keine Gelegenheit, mich ihnen zu nähern. So dachte ich; aber glücklicherweise gestalteten sich die Umstände günstiger, weit günstiger, als ich hoffen durfte.

Murad Nassyr war nämlich mit dem Fakir aus dem Zelte getreten, um einen Blick auf die Ankömmlinge zu werfen. Da rief der erstere überrascht:

»Allah, Allah! Abermals ein Wunder! Das ist ja wieder ein Freund, den meine Augen erblicken!«

Und der andere stimmte bei:

»Ja, es ist ein Freund, den wir hier unmöglich erwarten konnten. Malaf, nahe dich uns, um aus unserm Becher zu trinken und eine Pfeife des Willkommens mit uns zu rauchen!«

Malaf drehte sich zu ihnen um. Es war der Anführer der Leute, denen ich ihre Gefangenen abgenommen hatte.

»EI Ukkazi und Abd Asl, der Vater unsers Gebieters!« rief er erstaunt. »Allah gebe euch Gnade und Glück zu jedem eurer Schritte! Erlaubt eurem Diener, euch zu begrüßen!«

Er trat zu ihnen und machte eine sehr respektvolle Verneigung.

»Bist du zufällig hier?« erkundigte sich der Fakir.

»Nein. Wir holen Wasser für eine Karwan er Reqiq [Sklavenkarawane].«

»So befiehl deinen Leuten, die Schläuche zu füllen, und komme, während sie dies thun, zu uns in das Zelt! Ich möchte dich nach meinem Sohne fragen.«

Diese Worte waren mir lieber, als wenn mir jemand tausend Mark geschenkt hätte, denn ich war nun überzeugt, nicht nur das, was ich ursprünglich wissen wollte, sondern auch noch andere Dinge von höchster Wichtigkeit zu erfahren.

Die Fackel brannte noch und wurde während des Füllens der Schläuche wohl auch nicht ausgelöscht. Das hätte leicht störend wirken können, allein ich bemerkte zu meiner Freude, daß das Gestrüpp dicht und auch breit genug war, mich vollständig zu decken. Ich konnte den Kopf wieder unter die Zeltwand stecken, ohne daß man meinen Körper von außen dabei zu sehen vermochte.

Malaf gehorchte der an ihn ergangenen Aufforderung; er gab seinen Männern die betreffende Anweisung und kam dann in das Zelt. Als ich mit dem Kopfe in das Innere desselben gelangte, stand er im Begriff, sich niederzusetzen. Ich konnte alle drei ziemlich deutlich erkennen, da die Eingangsmatte offen stand und von der Fackel ein Lichtschein hereindrang. Als Malaf Platz genommen hatte, sagte der alte Fakir:

»Ich glaubte euch jetzt am obern weißen Nil. Ist der Fang so schnell gegangen und war der Transport so leicht, daß ihr jetzt schon hier sein könnt?«

»Wir waren gar nicht am Bahr el Ghazal, sondern haben die Richtung nach Westen eingeschlagen.«

»Also nach Kordofan? Dort giebt es doch nichts zu holen!«

»Wir waren weiter.«

»Nach Dar-fur also? Wie kommt das? Wer kauft Sklaven, welche dort geboren sind? Früher, ja, aber jetzt nicht mehr.«

»Wir waren weder in Kordofan noch in Dar-fur, sondern wir haben arabische Frauen und Mädchen geholt.«

»Allah! Arabische Beduininnen?«

»Ja.«

»Aber das sind doch Anhängerinnen des wahren Glaubens, welche nicht verkauft werden dürfen?«

»Frage sie,« lachte Malaf, »und sie werden dir sagen, daß sie den Islam gar nicht kennen.«

»So ist es recht! Ihr seid kluge Geschäftsleute. Die Furcht vor der Strafe wird sie, wenn es gilt, zu Heidinnen machen. Aber von welchem Stamme habt ihr sie geholt?«

»Von demjenigen, welcher seiner schönen Frauen wegen berühmt ist, nämlich von dem der Fessarah.«

»Beim Barte des Propheten, das war sehr viel gewagt. Die Krieger der Fessarah sind als sehr tapfere Männer bekannt, und der Raub ihrer Frauen und Mädchen wird euch das Leben vieler Leute gekostet haben.«

»Es ist kein einziger verwundet oder gar getötet worden. Ihre Krieger waren alle nach dem Dschebel Modjaf geritten, um eine große Fantasia dort abzuhalten, und die Frauen befanden sich also mit den Kindern und Greisen ganz unbeschützt im Duar. Wir umzingelten denselben, suchten gegen sechszig der Schönsten aus und töteten alle übrigen, damit niemand über uns berichten könne.«

»Und unterwegs? Habt ihr da auch Glück gehabt?»

»Ganz ebenso. Wir hatten schon auf dem Hinzuge stets gute Kundschafter vor uns, um alle Begegnungen zu vermeiden, und thaten das auf dem Rückwege ebenso. Ein Wüstensturrn verwehte unsere Spuren, so daß jetzt kein Mensch weiß, wer die Jäger gewesen sind.«

»Wer hat diesen Plan ausgesonnen?«

»Wer anders als Ibn Asl ed Dschasuhr, dein Sohn, unser Gebieter.«

»Ja, das konnte ich mir denken. Er ist der berühmteste Sklavenjäger, und ich bin stolz auf ihn. Aber wie kam er auf den Gedanken, Beduininnen zu holen? Es ist dies das größte Wagnis, welches er bisher unternommen hat. Wenn entdeckt wird, daß er es war, treten nicht nur die weltlichen Richter, sondern auch die Religionslehrer gegen ihn auf, und dann kann es ihm schlimm ergehen.«

»Es wird nichts verraten werden. Unsere Leute erhalten einen so guten Anteil, daß keiner von ihnen den Mund öffnet, um den Anführer zu bezeichnen. Einer unserer Abnehmer in Stambul bat um Araberinnen. Er schrieb, Negerinnen seien zu häßlich und die Cirkassierinnen ständen jetzt nicht in der Mode. Araberinnen hat man noch nicht in den Handel gebracht, und da die Töchter der Wüste etwas so seltenes sind, stand ein sehr lohnendes Geschäft zu erwarten.«

»Nach Stambul also! Welchen Weg werdet ihr nehmen?«

»Wir sind durch das Wadi Melk und Wadi el Gab gekommen, bei der Insel Argo über den Nil gegangen und wollen nun nach dem Vorgebirge Rauai, Dschidda gegenüber. Dort wird das Schiff unsers Abnehmers anlegen und die Ware in Empfang nehmen.«

Diese Worte bestätigten auf das Genaueste meine Vermutungen. Gegen sechzig Sklavinnen! Und darüber ging der alte Fakir mit der größten Ruhe hinweg. Wie hatte mir in Maabdah und Siut sein ehrwürdiges Gesicht gefallen. Er wurde als Heiliger verehrt und war doch ein Scheusal. Ein Fakir, ein Marabut, und doch billigte er ohne den geringsten Vorbehalt den Raub von sechzig Muhammedanerinnen! Da steckte ein Teufel in der Maske eines Heiligen.

»Jetzt aber die Hauptsache,« fuhr er fort. »Mein Sohn ist doch bei euch?«

»Ja. Er reitet mit bis Ras Rauai, um dort das Geld in Empfang zu nehmen.«

»Nach dem Bir Murat kommt er nicht?«

»Nein, denn er soll am allerwenigsten gesehen werden. Du weißt, daß wir einige geheime Brunnen in der Wüste haben; das erleichtert es uns, unbemerkt zu bleiben. Aber sechzig Sklavinnen, fünfzig Begleiter und die dazu gehörigen Tiere bedürfen viel Wasser. Dennoch hätten wir uns nicht hierher zu wenden gebraucht, wenn unser letzter geheimer Brunnen nicht von andern entdeckt und geleert worden wäre.«

»Wie kann man einen solchen Brunnen entdecken!«

»Auch ich habe es für sehr schwierig gehalten. Der Zufall muß diesem Christenhunde günstig gewesen sein.«

»Einem Christen? Du hast einen Giaur in der Wüste am Brunnen getroffen?«

»Einen verfluchten Schakal mit seinen Begleitern. Aber dieser Schakal war nicht feig, sondern verwegen wie ein hungriger Panther. Er hat uns nicht nur die beiden Gefangenen, sondern auch alles, was wir nicht auf dem Leibe trugen, abgenommen.«

»Ich verstehe dich nicht; ich entnehme aus deiner Rede nur, daß euch ein seltsamer Unfall widerfahren ist. Erzähle also, was geschehen ist!«

Malaf gehorchte. Er hielt sich ganz genau an die Wahrheit und sagte kein Wort zu wenig oder zu viel. Er stellte meine Unerschrockenheit ins Licht, freilich nicht aus Gerechtigkeit, sondern aus Klugheit. je höher er mich ernporhob, desto geringer wurde die Veranlassung, ihm Vorwürfe zu machen. Ibn Asl ed Dschasuhr war an dem heimlichen Brunnen angekommen und hatte dort kein Wasser gefunden. Darum hatte er Leute mit Kamelen und Schläuchen nach dem Bir Murat gesandt, und diese waren auf Malaf und dessen Begleiter getroffen. Nun wollten sie hier schöpfen und mit Anbruch des Morgens fortziehen.

Die beiden Zuhörer hatten den Erzähler nicht unterbrochen; jetzt fragte Murad Nassyr:

»Wie viele Männer hatte der Giaur bei sich?«

»Zwei.«

»Wer waren sie? Woher kamen sie, und wo wollten sie hin?«

»Auch das kann ich nicht sagen, denn die Schurken haben keine meiner Fragen beantwortet.«

»Sollte es der deutsche Giaur gewesen sein? Beschreibe ihn und die beiden andern einmal genau!«

Malaf kam dieser Aufforderung nach; er beschrieb erst den Lieutenant, dann Ben Nil und endlich mich.

»Er ist‘s, er ist‘s!« rief der Fakir aus, und der Türke stimmte ihm bei. »Es kann kein anderer sein; ein Irrtum ist unmöglich. Und die beiden andern waren Ben Nil und der Lieutenant des Reïs Effendina. Da fehlt aber Selim. Wo mag er geblieben sein?«

»Die Frage ist sehr leicht zu beantworten,« meinte Murad Nassyr. »Selim ist ausgerissen; er hat sich versteckt. Der Halunke nennt sich den obersten der Helden und ist doch der größte Feigling, den man sich denken kann.«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
630 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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