Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi II», sayfa 10
»Gestehen? Nur Verbrecher, nur Sünder haben Geständnisse abzulegen. Was ich that, war keine Sünde, kein Verbrechen.«
»So giebst du zu, es gethan zu haben?«
»Ja.«
Er sah mir starr in das Gesicht. Das hatte er doch nicht erwartet.
»Ah, hört ihr‘s, hört ihr‘s?« rief er dann. »Er ist‘s gewesen; er giebt es zu! Mensch, weißt du, daß du damit dein Todesurteil gesprochen hast? Warum hast du das Oel auslaufen lassen?«
»Diese Frage hast du schon selbst beantwortet.«
»Um den Reïs Effendina zu retten?«
»Ja. Ich bin sein Freund!«
»Der fremde Effendi?«
»Ja.«
»Und dieser, den du deinen Gehilfen Omar nanntest, ist Ben Nil?«
»Er ist es.«
Er trat, ganz betroffen über die Offenheit dieses Geständnisses, zwei Schritte zurück. Er war überzeugt, daß jeder andere fortgeleugnet hätte, denn seiner Meinung nach konnte in meiner Lage Rettung nur im Leugnen liegen. Er wendete sich von mir ab und seinen Leuten zu und sagte.
»Hört ihr abermals? Er bekennt es, daß er der Effendi ist. Ah, wir haben ihn; wir haben ihn! Allah sei Preis und Dank gesagt!«
Dies benutzte Ben Nil, mir zuzuraunen:
»O, Effendi, warum hast du es gestanden! Nun ist alles, alles verloren!«
»Noch nicht. Sei nur guten Mutes, und laß mich machen!«
Die Leute drängten sich näher herbei, um mich recht genau in Augenschein nehmen zu können. Er trat wieder ganz zu mir heran und sagte, indem er mir höhnisch zunickte:
»Du bist ein verwegener Mensch, Effendi, ein höchst verwegener Mensch; aber du hast doch noch nicht gewußt, was es heißt, dich in meine Nähe zu wagen!«
»Pah! Was soll das weiter heißen! Ich habe noch ganz andere Dinge gewagt. Wenn dir nicht der Zufall günstig gewesen wäre, hättest du nicht entdeckt, wer ich bin. Oder bildest du dir etwa ein, daß du es deinem Scharfsinne, deiner Klugheit zuzuschreiben hast?«
»Ungeziefer, wagst du, mich zu schmähen!« rief er, indem er mir abermals einen Fußtritt versetzte.
»Jetzt magst du mich treten; ich bin gefesselt; aber ich sage dir, daß du mir jeden Fußtritt bezahlen wirst!«
»Dir? Wann denn? Du willst dich rächen? Bist du toll?«
»Ich spreche mit vollster Ueberzeugung. Wie lange glaubst du mich wohl bei dir zu haben?«
»So lange, bis du vermodert bist!«
»Darüber lache ich. Bedenke, daß sich der Reïs Effendina hier befindet!«
»Verlässest du dich auf den? Hoffst du, daß er dich retten werde?«
»Allerdings.«
»So hoffe, bis du verendest! Ich kann diesen Hundesohn nun freilich nicht verbrennen, aber – —«
Er wurde unterbrochen. Es entstand vom Schiffsrande her ein Gedränge. Zwischen den Leuten hindurch schob sich der Posten, den er gegen Hegasi hin ausgestellt gehabt hatte. Der Mann war ganz außer Atem und meldete:
»Herr, mit dem Petroleumfeuer wird es nichts, denn der Reïs Effendina kommt nicht auf dem Flusse.«
»Wo denn?«
»Allah sei Dank dafür, daß er mir den Gedanken eingab, weiter vorzugehen, als du mir geheißen hattest! Ich stand da auf einer Stelle des Ufers, welche so hoch war, daß ich nicht nur den Fluß sehen, sondern auch über die Bäume hinweg in die Steppe blicken konnte. Und da sah ich ihn kommen.«
»Weißt du denn, daß er es war?«
»Wer könnte es sonst gewesen sein? Sie waren weit, sehr weit entfernt von mir, aber ich erkannte doch, daß sie in Uniformen gekleidet waren.«
»So sind sie es gewesen, Wie viele Köpfe zählten sie?«
»Das weiß ich nicht. Sie gingen zu zweien, und es war eine lange, lange Reihe.«
»Und wann können sie hier sein?
»Sie müssen vorsichtig verfahren und werden also längere Zeit als sonst brauchen; auch bin ich sehr schnell gelaufen; aber in einer halben Stunde können sie hier eintreffen.«
»So müssen wir fort. Dieser Hund hat uns das Oel genommen, welches uns nun freilich auch nichts nützen könnte. Wollten wir kämpfen, so würden wir siegen, aber gewiß viele unserer Kameraden verlieren. Das müssen wir vermeiden. Ich werde, um den Reïs Effendina durch List in meine Gewalt zu bringen, einen andern Plan erdenken. Also auf, ihr Männer, an die Arbeit! Nehmt die Masten empor, und öffnet die Segel! Der Wind ist uns günstig und wird uns rasch aufwärts führen.«
Was sich am Ufer befand, wurde schnell an Bord geschafft; die leeren Petroleumfässer warf man in das Wasser; dann richtete man die Masten auf. Der Noquer hatte nämlich außer dem Hauptmast vorn noch einen kleineren Mast. Das Fahrzeug war überhaupt anders eingerichtet, wie die Noquer es gewöhnlich sind. Der Wind begann die Segel zu blähen, wir stießen vom Lande und wurden aufwärts gegen den Strom geführt.
Da jedermann beschäftigt war, hatte man auf uns wenig acht. Auch unser Wächter hielt seine Aufmerksamkeit mehr auf die Bewegung des Schiffes als auf uns gerichtet. Darum konnten wir es wagen, wenn auch nur leise, wieder miteinander zu sprechen. Wir kamen eben an dem Schiffe vorüber, welches Ibn Asl zum Anlegen gezwungen hatte; da sagte Abu en Nil:
»Meinst du, Effendi, daß ich meine Leute jetzt rufe?«
»Um Allahs willen, nein! Du würdest dadurch unsere Lage nur verschlimmern, deinen Zweck aber nicht erreichen.«
»Aber ich muß doch auf meinen Posten zurück und kann unmöglich mit diesem entsetzlichen Ibn Asl fahren!«
»Dem fällt es nicht ein, dich zu fragen, ob du kannst oder willst; du mußt!«
»Aber was soll aus mir werden?«
»Ganz dasselbe, was aus uns beiden wird.«
»Nun, was wird das sein?«
»Allah weiß es, ich aber nicht. Du allein trägst die Schuld, daß du dich in dieser Lage befindest.«
»Ich war so erschrocken und konnte doch nicht wissen, daß ich eure Namen nicht nennen durfte.«
»Wir waren gefangen; das mußte dir genug sagen.«
Noch hatten wir die Dschesireh Hassanieh zur Linken. Rechts am Ufer traten die Bäume weit auseinander. Es gab eine freie Stelle, und man konnte hindurch und hinaus auf die Steppe sehen. Trotzdem ich lag, erblickte ich einen Reiter, welcher auf einem Kamele saß und im scharfen Gange durch diese Lichtung nach dem Flusse strebte. Als er das Schiff sah, richtete er seinen Oberkörper auf, wie einer thut, der etwas scharf ins Auge nehmen will. Dann winkte er, indem er sein Gewehr schwang, und schlug auf sein Tier ein, um das Ufer schnell zu erreichen. Eben stand Ibn Asl in unserer Nähe. Ich hörte ihn sagen:
»Seht! Das ist Oram, welcher uns als Bote gesendet wird! Wir können ihn nicht einnehmen; wir dürfen nicht halten, sonst werden wir von dem Reïs Effendina eingeholt.«
Er legte die beiden Hände hohl an den Mund und rief durch dieses Sprachrohr nach dem Ufer, an welchem der Reiter jetzt hielt, hinüber.
»Maijeh es Saratin, Maijeh es Saratin!«
Der Reiter hatte ihn verstanden; er drehte sein Kamel um und ritt schnellstens wieder von dannen.
Ein Maijeh ist ein sumpfiger Nebenarm eines Flusses, die Einbuchtung eines Stromes, deren Wasser still steht, also ganz dasselbe, was der Anwohner des Mississippi einen Bayou nennt. Im weiteren Sinne wird Maijeh auch jeder Sumpf genannt. Es Saratin heißt »der Krebse«. Der Mann war also nach dem Krebsarm. oder Krebssumpf gewiesen worden, jedenfalls einer Einbuchtung des Niles, in welcher es viele Krebse gab und an deren Ufer er das Schiff erwarten sollte. Er war ein Bote. Von wem? Ich hatte sein Gesicht nicht deutlich sehen können, und dennoch war er mir wie bekannt vorgekommen.
Doch, was kümmerte mich dieser Mann! Ich hatte jetzt genug mit mir zu thun. Es verstand sich ganz von selbst, daß ich mich freute, den Reïs Effendina gerettet zu haben; nun aber stak ich selbst im Pech. Konnte ich Hilfe von ihm erwarten? Möglich, aber nicht wahrscheinlich. Er wußte jedenfalls nicht genau, wo er die Vögel, welche nun ausgeflogen waren, zu suchen hatte. Fand er das verlassene Lager, so forschte er wahrscheinlich weiter nach ihnen. Und erfuhr er von Abu en Nils Schiffsleuten, daß der Noquer aufwärts gefahren sei, so kehrte er nach Hegasi zu seinem Schiff zurück, um ihn zu verfolgen. Dabei mußte die kostbare Zeit verloren gehen, und Ibn Asl erhielt einen Vorsprung, welcher nicht rasch einzuholen war. Der »Falke« des Reïs Effendina war zwar ein Schnellsegler und der »Eidechse« weit überlegen, aber wenn diese sich in einen versteckten Maijeh verkroch, so segelte der »Falke« vorüber, ohne sie zu finden.
Auf den Reïs Effendina konnte ich mich also nicht verlassen; ich mußte Rettung einzig und allein bei mir selbst suchen. Das erklärte ich meinen beiden Mitgefangenen. Ben Nil hatte alles Vertrauen zu mir; sein Großvater wollte aber alle Hoffnung sinken lassen. Er erzählte uns in aller Kürze, daß er, als er von Ben Nil getrennt worden war, ein Schiff gefunden hatte, welches nach Faschodah bestimmt gewesen war. Der Reïs, welcher ihn zufälligerweise kannte, hatte ihn mitgenommen und ihm später die Stelle des Steuermannes anvertraut. Auf der Rückfahrt begriffen, waren sie heute früh von dem Boote des Sklavenjägers angehalten worden. Ibn Asl hatte sagen lassen, daß eine gewaltige, neu angeschwemmte Omm Sufah-Insel den Nilarm unpassierbar gemacht habe. Der Kapitän hatte sein Schiff nach dem Ufer dirigiert und den alten Steuermann im Boote des Sklavenhändlers vorangehen lassen, um die Strecke zu untersuchen. Anstatt einer Omm Sufah-Insel aber hatte der letztere die Gefangenschaft gefunden. Nun klagte er alle Welt und Allah an und fragte, wie es gekommen sei, daß Ibn Asl eine solche Rache auf uns habe. Als sein Enkel ihm diese Frage in kurzer Weise beantwortet hatte, jammerte er:
»O Allah, o Himmel! Wer hätte das gedacht! Nun sind nicht mehr meine Jahre und Tage, sondern meine Stunden gezählt, denn dieser Sklavenjäger wird uns ermorden. Ich werde die Meinen nicht wiedersehen und ein Ende mit tausend Schrecken finden.«
»Jammere nicht!« ermahnte ihn Ben Nil. »Du fällst mit deinen Klagen dem Effendi beschwerlich. Sei still, und gieb ihm Ruhe zum Nachdenken, so wird er sich sicher einen Weg aussinnen, der uns zur Freiheit führt! Uebrigens können nur wir beide verloren sein. Du hast Ibn Asl nichts gethan, und so kann er nicht grausam gegen dich sein.«
»Hast du denn nicht gehört, was er sagte? Er glaubt, daß ich euer Verbündeter sei, und hat mir ganz dasselbe Schicksal wie euch bestimmt.«
Der alte Mann wollte mir als ein rechter Egoist erscheinen. Er dachte nur an sich und sprach nur von sich, nicht aber von seinem Enkel, welcher sich doch in noch viel größerer Gefahr als er befand. Aber ich hatte mich geirrt. Er war, wie ich schon damals in Gizeh gesehen hatte, kein Held, und daß er plötzlich in eine so fatale Lage gekommen war, das hatte ihn vollständig verwirrt. Denn als sein Enkel ihm jetzt vorwarf. »Merkst du denn nicht, daß du den Effendi belästigest? Deine Klagen müssen ihn doch beleidigen!« antwortete er, zu mir gewendet:
»Verzeihe, Effendi! Ich weiß vor Schreck nicht, was ich thue und was ich sage. Man warf mich so plötzlich nieder und band mir die Arme und die Beine. Das hat mich so angegriffen, daß ich mich selbst kaum mehr kenne. Ich weiß, was ich dir zu verdanken habe, und ich wünsche, dir beweisen zu können, daß ich dir gern danken möchte. Sage mir, was ich thun soll.«
»Klage nicht, sondern füge dich still in dein jetziges Schicksal! Das ist es, was ich von dir begehre.«
Wir waren jetzt an der Insel vorübergekommen und segelten im ungeteilten Strome. Kein Schiff war vor oder hinter uns zu sehen. Da ließ Ibn Asl die beiden vorn am Buge in einem spitzen Winkel aufeinander stoßenden Bretter, auf denen der Name des Schiffes stand, wegnehmen, umdrehen und wieder dort befestigen. War da erst die »Eidechse« zu lesen gewesen, so stand nun auf den andern Seiten der Name »Karnuk« geschrieben. Karnuk heißt Kranich, speziell der Kronkranich. Er wird nach seiner Stimme so genannt. Das »Kar – nuk – nuk – nuk« der Kronkraniche pflegt am obern Nile das Herannahen des Morgens zu verkünden.
Ibn Asl hatte also mehrere Namen für sein Schiff.
Zu welchem Zwecke, das läßt sich sehr leicht denken. Es stand zu erwarten, daß der Reïs Effendina die »Eidechse« verfolgen werde; unter dem Namen »Kranich« konnte sie Hoffnung haben, ihm zu entkommen. Vielleicht bedienten auch andere Sklavenschiffe sich derselben List.
Ich sah zu meinem Leidwesen, daß der »Kranich« ein sehr guter Segler war; dennoch ließ Ibn Asl auch noch mit Stoßbäumen arbeiten, und um die Schnelligkeit des Schiffes in noch höherem Grade zu vermehren, wurde das Boot an einem Taue vorgespannt. Es saßen zwölf Männer drin, welche aus Leibeskräften ruderten und halbstündlich abgelöst wurden. Das geschah, um einen möglichst großen Vorsprung vor dem »Falken« des Reïs Effendina zu bekommen.
Da die Fahrt nun glatt im Gange war, hatte Ibn Asl wieder Zeit, sich mit uns zu beschäftigen. Er kam mit seinen beiden Offizieren, von denen der eine Oberlieutenant und der andere Lieutenant genannt wurde, zu uns. Sie standen längere Zeit da, um uns, ohne ein Wort zu sprechen, mit höhnischen, triumphierenden Blicken zu betrachten; dann fragte er mich:
»Wer war der Mann, welcher mich am Wadi el Berd verfolgte?«
»Ich war es,« antwortete ich.
»Du? Ah, du selbst! Hast du mich erwischt?«
»Blähe dich nicht auf! Daß ich dich nicht einzuholen vermochte, das hast du nicht einem Vorzuge von dir, sondern der Schnelligkeit deines Dschebel-Gerfeh-Kameles zu verdanken. Du hast nicht mich, sondern dein Tier hat das meinige besiegt.«
»Meinst du, daß ich dich nicht auch besiegen würde, elender Wurm, der du bist!«
»Sei ohne Fesseln, und nimm ein Messer in die Hand; mir aber binde die Hände hinten los und vorne zusammen, ohne daß ich ein Messer habe; dann wollen wir kämpfen. Da wird es sich zeigen, wer ein Wurm und elend ist, du oder ich!«
»Schweig!. Du hast Glück gehabt; das macht dich übermütig; aber dieser Uebermut soll sich sehr bald in das Gegenteil verkehren. Ich habe mich bisher vergeblich gesehnt, dich in meine Gewalt zu bekommen; nun es endlich doch geschehen ist, sollst du erfahren, wie ein Gläubiger mit einem räudigen Christenhunde verfährt. Dir wäre besser, wenn du nicht geboren wärest! Ich werde —«
»Erspare dir die Drohungen! Ich weiß schon, was du mit mir thun willst.«
»Nun, was?«
»Zunächst die Zunge herausreißen, dann die Augen, die Ohren, die Nase und die Glieder einzeln abschneiden.«
»Wirklich, du weißt es! Wer hat es dir gesagt?«
»Einer, welcher wiederholt erfahren hat, daß ich keine Furcht kenne und mich selbst aus der schlimmsten Lage zu retten weiß.«
»Wer?«
Abd Asl, dein Vater.«
»Ja, dem bist du schon einigemal entgangen. Der Scheitan hat dich beschützt. Aber das war er, nicht ich. Mir wirst du nicht entkommen. Eher fällt der Himmel ein, als daß ich dich aus den Händen lasse!«
»Das bilde dir nicht ein! Wenn mir je ein Mensch Angst zu machen vermöchte, du aber ganz gewißlich nicht.«
»Hund, du wirst schon in einigen Minuten mich um Gnade und Erbarmen anheulen!«
»Versuche es!«
»Meinst du, daß ich scherze?«
»Nein; aber du drohst nur, doch hast du nicht den Mut, es auszuführen.«
»Daß dich der Scheitan fresse! Ich will dir zeigen, daß ich wohl den Mut habe. Herbei, ihr Männer! Ihr sollt sehen, wie dieser Christenhund im ersten Grade gemartert wird.«
Die Menschen alle, welche nichts zu thun hatten, kamen herzu. Er trat in die Kajüte.
»Effendi, was fällt dir ein!« meinte Ben Nil. »Du reizest ihn. Ich kenne dich, den vorsichtigen Mann, nicht mehr. Du verschlimmerst unsere Lage!«
»Nein. Ich will ihm nur zeigen, daß wohl ich ihn in Furcht zu setzen vermag, nicht aber er mich.«
Jetzt kam Ibn Asl zurück. Er hatte eine Zange geholt, hielt dieselbe empor und rief:
»Diesem Sohne einer verfluchten Hündin sollen jetzt zunächst die Nägel von den Fingern gerissen werden, zuerst an den Daumen. Wer will das thun?«
»Ich, ich, ich, ich!« schrieen mehrere.
Ein kräftiger Kerl drängte die andern zurück, langte nach der Zange und bat.
»Gieb sie mir, Herr! Du weißt, daß ich es verstehe. Es ist nicht das erste Mal, daß ich jemand dadurch zum Singen gebracht habe.«
»Ja, thue es. Du hast Uebung darin!«
Der Mensch erhielt die Zange, stellte sich zähnefletschend vor mich hin und klappte sie abwechselnd auf und zu, um mir zunächst einen idealen Vorgeschmack der späteren Schmerzen zu geben. Dann bückte er sich über mich nieder, um mich umzuwenden, da ich die Hände auf dem Rücken hatte. Darauf hatte ich gewartet. Dieser Kerl rühmte sich, schon viele durch Schmerz zum »Singen« gebracht zu haben! Ihm konnte eine Lehre gar nichts schaden. Und wenn er daran starb, so war es umso besser. Ich zog also schnell meine Kniee an mich und schnellte ihm dann beide Füße so gegen den Leib, daß er empor und kopfüber unter die andern flog, mehrere von ihnen niederriß und dann wie tot liegen blieb. Das Blut drang ihm aus dem Munde; ich nahm an, daß er sich durch den Fall in die Zunge gebissen habe.
Alles schrie, fluchte und drohte. Ibn Asl gebot Ruhe und untersuchte den Getroffenen, welcher kein Lebenszeichen gab. Er ließ ihn forttragen, ballte die Faust gegen mich und knirschte:
»Das sollst du büßen, zehnfach, hundertfach büßen! Nun sollen deine Qualen noch ganz anders sein, als ich vorher beschlossen hatte. Haltet ihn fest, damit er sich nicht bewegen kann, und dann herunter mit den Nägeln!«
Sechs, acht Kerls warfen sich auf mich. Ich wehrte mich nicht im geringsten. Einer holte die Zange, welche weit fortgeflogen war, und schickte sich an, die Operation zu vollziehen.
»Halt, vorher ein Wort, Ibn Asl!« rief ich jetzt. »Thue mit mir, was du willst; du wirst keinen Laut des Schmerzes hören. Aber was mit mir geschieht, genau dasselbe wird mit Abd Asl, deinem Vater, geschehen!«
»Mit – meinem – – Vater?« fragte er erstaunt.
»Ja. Und nicht nur mit ihm allein, sondern auch mit jedem seiner Leute, die er bei sich hat.«
»Was weißt du von meinem Vater? Wo ist er?«
»Mir entgegen, um mich zu fangen.«
»Das – ist – – richtig. Du bist ihm abermals entgangen. Er hat dich nicht getroffen.«
»Allerdings. Er hat mich nicht getroffen; aber ich habe ihn getroffen, und zwar in der Weise, daß er nun wohl nicht wieder wünschen wird, mir zu begegnen.«
»Kullu Schejatin! Alle Teufel! Sagst du die Wahrheit?«
»Glaube es, oder glaube es nicht. Mir ist es gleich.«
»Wo hast du ihn getroffen?«
»Am Brunnen.«
»An welchem?«
»Das sage ich nicht.«
»Ich muß es wissen!«
»Fällt mir nicht ein! Zunächst bleibt es mein Geheimnis.
Binde uns los, so werden wir dich zu ihm führen. Wo nicht, so hast du ihn und seinen ganzen Trupp auf dem Gewissen!«
»Das will ich gern,« lachte er. »Du willst dich durch eine Lüge retten.«
»Lüge? Woher könnte ich wissen, daß er mir entgegen ist?«
Er sah ein, daß dieser Einwand begründet war, denn er fragte:
»Sie waren zu Fuße?«
»Nein, zu Kamele.«
»Wieviel Mann?«
»Pah, meinst du, daß ich Lust habe, mich wie einen Buben ausfragen zu lassen? Es ist genug, daß du erfährst: Sie sind alle gefangen und werden dasselbe erleiden, was du mit uns thust.«
»So sind sie in der Nähe?«
»Nein. Wir sind auf Eilkamelen weit voran,«
»Warum bliebst du nicht bei ihnen?«
»Sie befinden sich in sicheren Händen. Ist dir einer bekannt, welcher sich Fakir el Fukara nennt?«
»Freilich ist er mir bekannt. Wir haben ja schon gestern abend von ihm gesprochen. Was willst du mit ihm?«
»Der kam zufällig dazu und wollte sie retten.«
»Ist es ihm gelungen?«
»Wäre ich dann hier? Er hat sein Unternehmen büßen müssen, denn er ist nun selbst gefangen. Ich begreife nicht, wie es dir einfallen kann, Leute auszusenden, welche mich fangen sollen. Es ist euch noch nicht gelungen und wird euch auch niemals gelingen.«
»Allah! Redest du irr? Du bist ja eben jetzt mein Gefangener!«
»Nein, denn du wirst mich wieder frei geben; das weiß ich sehr genau.«
»Eher soll mich der Scheitan – —«
»Halt! Fluche und schwöre nicht! Du weißt nicht, was du thust.«
»Und du bist listiger als der Fuchs. Niemand darf dir trauen. Du ahnst nur, daß wir dich fangen wollten, und thust nun so, als ob du alles genau wüßtest.«
»Kann ich auch ahnen, daß dein Vater der Anführer ist?«
»Nein. Aber warum bist du nach der Dschesireh Hassanieh gekommen?«
»Um mit dir zu unterhandeln.«
»Wer hat dir gesagt, daß ich mich dort befand?«
»Dein Vater. Das ist der allerbeste Beweis, daß ich mit ihm gesprochen habe.«
»Ueber was wolltest du mit mir verhandeln?«
»Ueber die Loslassung meiner Gefangenen.«
»Wieso? Wolltest du ein Lösegeld haben?«
»Darüber sprechen wir später.«
»So begreife ich nicht, daß du nicht schon gestern abend davon gesprochen hast.«
»Da hätte ich dir sagen müssen, wer ich bin, und es wäre mir unmöglich gewesen, den Reïs Effendina zu retten.«
»Wußtest du denn, daß ich auf ihn wartete?«
»Ja, von deinem Vater.«
»Das ist unmöglich, Effendi! Mein Vater wird dir doch nicht solche Dinge mitgeteilt haben!«
»Er hat es gethan, ohne es zu wissen.«
»Das begreife ich nicht.«
»Du wirst, wenn du mir auch fernerhin nach dem Leben trachtest, noch manches andere ebensowenig begreifen!«
»Du sprichst in einem höchst stolzen Tone und liegst doch gebunden und hilflos vor mir!«
»Hilflos? Irre dich nicht! Wenn ich nicht bis zu einer gewissen Zeit zu meinen Leuten zurückgekehrt bin, ergeht es allen unseren Gefangenen und auch deinem Vater gerade so wie denen, welche der Reïs Effendina im Wadi el Berd erschießen ließ. Sogar der Fakir el Fukara muß sterben.«
Es trat eine Pause ein, während welcher er den Eindruck meiner Worte verarbeitete. Dann fragte er:
»Wie viele von meinen Leuten sind euch entkommen?«
»Keiner.«
»Du lügst doch, trotz der Bestimmtheit, mit welcher du sprichst, und trotz des ehrlichen Gesichtes, welches du zeigst.«
»Ich sage die Wahrheit!«
»Und ich kann dir beweisen, daß du gelogen hast! Hast du vielleicht den Reiter gesehen, welcher vorhin an das Ufer kam?«
»Ja.«
»Es war Oram, einer meiner Leute. Er befand sich bei meinem Vater.«
»Dann aber sicher nicht zu der Zeit, in welcher ich deinen Trupp überfiel. Vielleicht wurde er irgend wohin gesandt, fand bei seiner Rückkehr seine Kameraden gefangen und machte sich schleunigst weiter, dir dieses zu melden.«
»Kann ich erfahren, wie es gekommen ist, daß es dir gelang, meine gegen dich ausgesandten Leute zu fangen?«
»Ich habe nichts dagegen, daß du es hörst; aber es selbst zu erzählen, dazu habe ich keine Lust.«
»So mag dieser alte Abu en Nil es erzählen!«
»Er weiß nichts davon, denn er war nicht dabei. Seit ich ihm damals in Gizeh zur Flucht verhalf, habe ich ihn nicht wiedergesehen als erst heute, da er dein Schiff bestieg.«
»Ist das wahr?«
»Frage mich nicht immerwährend, ob das, was ich sage, wahr ist! Du wirst es doch wohl begreifen, daß das eine Beleidigung für mich ist.«
»So! Wer nannte sich denn gestern Amm Selad aus Suez und entpuppte sich heute als der gesuchte Effendi? War das etwa keine Lüge?«
»Nein, eine Kriegslist.«
»Ihr Christen scheint nicht zu wissen, was man unter Lüge zu verstehen hat!«
»Und ihr Moslemin gebt euch gar nicht erst mit Kriegslisten ab, sondern ihr mordet lieber gleich. Danke Allah, daß ich mich gestern für einen andern ausgegeben habe, als ich bin! Hätte ich das nicht gethan, so trügst du nun mit dir ein Gewissen herum, welches mit einem hundertfachen Mord beschwert wäre. Ben Nil war dabei. Er mag dir erzählen.«
Die Leute drängten sich noch weiter heran. Jeder wollte den interessanten Bericht hören und kein Wort des- desselben verlieren. Da ich vorhin die Oertlichkeit verheimlicht hatte, so war Ben Nil so klug, über dieselbe auch zu schweigen. Als er davon sprechen wollte, daß ich gelauscht hatte, verbot ich es ihm. Daß ich alles wußte und doch niemand sagen konnte, wie ich es erfahren hatte, das gab der Sache einen rätselhaften, geheimnisvollen Anstrich, welcher mir nur nützlich sein konnte. Man hörte mit fast atemloser Spannung zu, bis der Erzähler geendet hatte. Dann rief Ibn Asl aus:
»Soll man es wirklich glauben! Den Löwen von EI Teitel hast du getötet, Effendi?«
»Wie du gehört hast!«
»Dann hast du es gethan, weil du nicht wußtest, was du dabei wagtest!«
»Mein Leben wagte ich. Was sonst?«
»Ist das nicht genug? Kann ein Mensch mehr verlieren als sein Leben?«
»Jawohl, viel, viel mehr.«
»Was?«
»Das, was du schon längst verloren hast, nämlich die Ehre, den guten Namen, das Wohlgefallen bei Gott und den Menschen.«
»Effendi!« brauste er auf. »Denke ja nicht, daß ich plötzlich langmütig geworden bin! Bedenke, daß ich jetzt dein Herr und Besitzer bin! Dein Leben steht in meiner Hand!«
»Allerdings. Aber mit dem meinigen auch dasjenige deines Vaters, des Fakir el Fukara und deiner Leute.«
»Du bist gekommen, dieser Leute wegen mit mir zu verhandeln. Gieb sie frei! Was verlangst du dafür?«
»Deinen Schwur, vom Sklavenhandel abzulassen, meine Freiheit und diejenige von Ben Nil und seinem Großvater natürlich.«
»Würde mein Schwur dir genügen?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es ist möglich, daß ich Sicherstellung verlange.«
»Warum nimmst du an, daß ich falsch schwören könne?«
»Weil ich mehrere Moslemin kenne, welche falsch geschworen haben.«
»Dann sind sie keine wahren, echten Söhne des Propheten.«
»Nun, ich kann dir beweisen, daß der Fakir el Fukara und auch dein Vater, welcher für einen sehr heiligen Fakir gehalten wird, bei Allah und beim Barte des Propheten geschworen und dabei doch gelogen haben.«
»Warst du es, dem sie den Schwur leisteten?«
»Ja.«
»So thaten sie keine Sünde, denn du bist ein Ungläubiger.«
»Ah, ist es so? Also wenn ein Moslem einem Christen einen falschen Eid schwört, so ist das erlaubt, so ist das kein Meineid?«
»Es ist, als hätte er nichts gesagt.«
»Und da verlangst du, daß ich dich schwören lassen und dir glauben soll? Du hast dich selbst gefangen, und ich verzichte nun darauf, den menschenfreundlichen Vorschlag auszusprechen, den ich dir machen wollte.«
»So sind wir also fertig?«
»Trotzdem noch nicht. Ich mache dir ein anderes Anerbieten.«
»Laß es hören!«
»Du giebst uns drei hier frei, und ich gebe dir dafür deinen Vater und den Fakir el Fukara. Die andern Gefangenen liefere ich an den Reïs Effendina aus.«
»Welch eine Verwegenheit!« lachte er höhnisch grimmig auf. »Dieser Giaur befindet sich in unserer Gewalt und redet genau so, als ob er uns Befehle erteilen könne! – Warum erhebe ich nicht die Hand, um dich zu zerschmettern!«
»Weil du nicht kannst; sie ist dir gebunden. Sterbe ich, so stirbt dein Vater auch, und zwar vielleicht eines schlimmeren Todes als ich.«
»Das weißt du so genau?«
»Ja. Er ist so unvorsichtig gewesen, zu sagen, in welcher Weise ich von dir gemartert werden soll. Kehre ich nun zur bestimmten Stunde nicht zurück, so wird man ohne allen Verzug ihn ganz genau denselben Martern unterwerfen, und nicht nur ihn, sondern alle und jeden einzelnen Gefangenen. Laß die kostbare Zeit nicht verstreichen!«
»Wann mußt du zurück sein?«
»Das brauchst du nicht zu wissen. Je schneller du dich entschließest, desto weniger läuft dein Vater Gefahr.«
»Also euch drei Personen soll ich gegen nur zwei ausliefern! Ist das richtig gerechnet?«
»Ja, denn Abu en Nil zählt nichts, da er euch nichts gethan hat.«
»Und wie hoch schätzest du dich?«
»Bei diesem Handel bin ich nur eine Ziffer. Zwei Männer gegen zwei Männer. Der Steuermann hier geht nebenbei.«
»Ist dies dein fester, letzter Vorschlag?«
»Ja.«
»So will ich dir auch den meinigen sagen. Ihr gebt alle eure Gefangenen frei, und ich liefere dafür Abu en Nil und Ben Nil aus.«
»Und ich?«
»Du bleibst bei uns.«
»Danke! Allah ist groß. Er hat dich mit einer Klugheit begnadet, vor welcher ich, wenn ich nicht schon am Boden läge, in Demut auf den Knieen kriechen würde!«
»Und deine Weisheit ist grenzenlos, denn – – sie hat noch gar keinen Anfang gehabt! Wie kann ich dich frei geben! Denke zurück an alles, was du gegen uns begangen hast! Und dort liegt der Mann, den du vorhin ermordet hast!«
»Ermordet?«
»Ja. Er bewegt sich noch immer nicht.«
»Er wird besinnungslos sein. Untersucht ihn nur!«
»Wir haben keinen Hekim an Bord. Aber – du bist ein Fremder, ein Effendi. Alle fremden Effendi sind Aerzte. Bist du auch einer?«
»Ja.«
»So untersuche ihn!«
»Ich bin ja gefesselt.«
»Wenn ich dir die Hände frei gäbe, so würdest du einen Fluchtversuch machen!«
»Nein.«
»Wer kann dir trauen! Du bist stark, verwegen und schnell.«
»Meinst du, daß ich Lust habe, in den Nil zu springen und mich von den Krokodilen fressen zu lassen? Und selbst wenn ich so tollkühn sein wollte, so gebe ich dir mein Wort, daß ich ohne diese meine Mitgefangenen das Schiff auf keinen Fall verlasse. Gieb mir also die Hände frei! Und wenn ich den Mann untersucht habe, lasse ich sie mir ruhig wieder fesseln.«
»Gut! Aber ich nehme meine Pistole in die Hand und schieße dich bei der geringsten falschen Bewegung über den Haufen.«
Man brachte den Menschen zu mir her und löste mir die Hände. Die Füße blieben zusammengebunden. Hätte ich mein Wort brechen wollen, so wäre es mir leicht gewesen, einen Streich auszuführen, der uns gewiß von Nutzen gewesen wäre. Der Mensch, welcher ohne Bewegung vor mir lag, hatte das Messer in seinem Gürtel. Es herausziehen und meine Fußfessel durchschneiden, wäre in einem einzigen Augenblicke geschehen gewesen; ein zweiter Moment hätte genügt, Ibn Asl zu packen. Dieser hatte zwar die Pistole in der Hand, aber den Hahn nicht gespannt; er hielt sie auch nicht auf mich gerichtet, sondern niederwärts. Hätte ich ihn gefaßt und mit in die Kajüte, neben welcher wir uns befanden, gerissen, so wäre ich sein Herr gewesen und hätte ihm diktieren können, was mir beliebte. Aber ich hatte mein Wort gegeben und mußte es halten, obgleich ich überzeugt war, daß jeder dieser Menschen, von Ibn Asl an bis zum letzten seiner Leute herunter, nicht gezaudert hätte, mir den heiligsten Schwur zu brechen.
»Nun?« fragte er, als er sah, daß ich fertig war. »Hat er nur die Besinnung verloren?«
»Ja, er hat nur die Besinnung verloren und wird sie für diesmal auch nicht wieder bekommen. So ist es, wenn man unbesonnen handelt und sich darauf freut, einem Menschenkinde die Nägel auszureißen!«
»Was? – Er ist tot?«
»Ja. Er wird nie wieder einen Menschen zum »Singen« bringen. Mein Fußtritt hat ihm innere Organe verletzt oder gesprengt; ferner hat er sich die Zunge zerbissen; und endlich ist er so gefallen, daß ihm das Genick gebrochen ist.«
»Allah kerihm! Du bist sein Mörder!«
»Ich nicht. Zwei andere sind es gewesen, nämlich du und er selbst.«
»Nein, du warst es, denn du hast ihm den Fußtritt versetzt. Du hast von Stunde zu Stunde immer mehr zu büßen. Denke ja nicht daran, daß ich dich frei geben kann!«
»Nein, sterben muß er!« rief der Oberlieutenant.