Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi II», sayfa 11
»Sterben, sterben!« stimmten zwanzig, dreißig, fünfzig andere ein.
»Bedenke, daß dann auch dein Vater stirbt!«
»Bedenke,« lachte er ingrimmig, »daß ich bis jetzt nur dich gehört habe und auch noch Oram hören muß! Wahrscheinlich giebt das, was er mir zu sagen hat, der Sache eine Wendung, welche dich erbeben macht. Mag es aber kommen, wie es will, dich, dich gebe ich nicht frei!«
»So willst du deinen Vater opfern?«
»Mag er sterben! Er hat lange genug gelebt. Dir habe ich nachgestrebt, ohne dich fassen zu können. Jetzt bist du mir freiwillig in die Hände gelaufen, und diese werden dich festhalten, um dich erst dann wieder zu lassen, wenn der letzte Seufzer deines Atems mit dem letzten Tropfen deines Blutes davongegangen ist. Bringt die drei Hunde fort, mir aus den Augen, hinunter in den Raum! Riegelt sie dort ein, und laßt einen Wächter bei ihnen stehen!«
Wir wurden gepackt und über das Deck nach der Luke geschleift. Dort ließ man uns über die Stiege hinabfallen, ohne zu fragen, ob wir mit heilen Gliedern unten ankommen würden. Unten war es dunkel. Man nahm uns auf und trug uns fort, ob nach vorn oder hinten, das konnte ich nicht beurteilen. Ich hörte einen Riegel gehen; er war nicht von Eisen, sondern von Holz. Wir wurden niedergeworfen; eine Thüre fiel zu; der Riegel klapperte wieder; dann sagte einer der Kerls:
»Viel zu viel Rederei mit diesen Hunden! So kurz wie möglich; das Messer ins Fleisch; das ist das beste. Allah verbrenne sie! Wer bleibt da?«
»Ich!« antwortete eine Stimme, welche mir bekannt vorkam.
»Gut! Dann löse ich dich ab. Aufzupassen giebt es eigentlich nichts. Sie sind gebunden, und wie wollten sie auch vom Schiffe kommen!«
Schritte entfernten Sich; dann wurde es draußen still. Ich fühlte, daß wir auf einer Holzdiele lagen, und horchte auf das Geräusch des Wassers, um beurteilen zu können, ob wir uns im Vorder- oder Hinterteile befanden. Es war nichts zu hören. Da man den Sog29 unbedingt gehört hätte, so war anzunehmen, daß wir im Vorderteile lagen. Wir lagen ganz trocken, folglich hatte man uns nicht in den eigentlichen Kielraum gebracht.
Abu en Nil wollte sprechen; ich verbot es ihm. Jetzt war die Hauptsache, sich zu orientieren. Es mußte auf jedes, selbst das geringste Geräusch geachtet werden. Draußen hörte ich ein leises Tappen und Schleichen. Es entfernte sich und kam dann wieder zurück. Dann wurde an unsere Thüre geklopft, so vorsichtig, daß man es nur wenige Schritte weit hören konnte. Wir antworteten nicht. Es klopfte wieder, diesmal etwas stärker, und als wir auch jetzt schwiegen, erklang es leise:
»Effendi, hörst du mich?«
»Ja,« antwortete ich.
»Ich bin mit Fleiß als Wächter geblieben. Wirst du mich verderben?«
»Verderben – Wer bist du denn?«
»Der, mit dem du gestern in Hegasi gesprochen hast.«
Ah, Gott sei Dank! Da begann uns ja ganz un- erwartet ein Stern zu leuchten! Zwar kaum wahrnehmbar jetzt, aber wenn man es richtig anfing, konnte er sich zu einem hellen Doppelstern entwickeln und vielleicht gar zum Rettungssterne werden. Der Mann hatte Angst; er glaubte, daß ich im Zorne vielleicht mein ihm gegebenes Wort vergessen und plaudern werde. Diese Sorge kam mir sehr gelegen. Wenn Ibn Asl erfuhr, was er mir alles gesagt hatte, so stand ihm jedenfalls eine sehr harte Strafe bevor.
Ich hatte mich, falls alles andere mißglückte, auf meine Körperkraft verlassen. Wahrscheinlich war es mir möglich, den Palmfaserstrick, der meine Hände hinten vereinigte, zu zerreißen oder an einer scharfen Ecke oder Kante zu zerscheuern, Das übrige hätte sich dann gefunden. Bequemer aber war es jedenfalls, die sich jetzt bietende Gelegenheit zu benutzen. Der Mann konnte uns nicht nur ein scharfes, schneidendes Werkzeug liefern, sondern uns auch diejenigen Auskünfte erteilen, ohne welche die Flucht schwer oder gar unmöglich war. Ich kroch ganz nahe zur Thüre hin und fragte leise:
»Hast du gehört, daß mir die Nägel herausgerissen werden sollten?«
»Ja, Effendi.«
»So weißt du, was man gegen mich vorhatte, und wie es uns noch ergehen soll.«
»Ihr werdet wohl sterben müssen!«
»Aber dann Abd Asl auch mit allen seinen Leuten!«
»O, Ibn Asl läßt seinen Vater sterben, nur um dich martern zu können.«
»Was sagen seine Leute dazu?«
»Viele sind dafür. Viele wollen aber, daß ihr frei gegeben werden Sollt, falls unsere Kameraden, welche ihr gefangen habt, dadurch ihre Freiheit auch erhalten.«
»Welche Partei ist zahlreicher?«
»Das kann ich jetzt nicht sagen. Aber ich bitte dich um Allahs Willen, nichts von dem, was du von mir erfahren hast, an Ibn Asl zu verraten! Er würde mich einfach niederschießen oder den Krokodilen vorwerfen lassen.«
»Dann thut es mir leid, daß ich dich nicht schonen kann.« »Nicht? Allah kerihm – Allah ist gnädig! Willst du nicht auch Gnade üben, da du ein Christ bist?«
»Ein Christ liebt sein Leben nicht weniger als ein Moslem.«
»Aber du kannst es dir doch dadurch, daß du plauderst, gar nicht retten!«
»Da irrst du dich. Du hast mir manches gesagt, was ich zu meinem Vorteile benutzen kann.«
»Aber du hast mir ja Schweigen gelobt!«
»Soviel ich mich erinnere nur in Beziehung auf einen einzigen Punkt. Und auch dieses Gelöbnis ist hinfällig, denn ich habe es nur unter der Voraussetzung gegeben, daß ich für den gehalten würde, für den ich mich ausgegeben habe. Das ist nun aber anders geworden. Deine Mitteilungen geben mir die letzte und wichtigste Waffe in die Hand.«
»O Allah, o Prophet! So bin ich verloren!«
Er schwieg, und ich sagte auch nichts. Es galt, nun zuerst die Wirkung meiner Drohung abzuwarten. Diese fiel günstiger, viel günstiger aus, als ich für so kurze Zeit hatte erwarten können. Nach einer Weile klopfte er wieder leise und fragte:
»Effendi, höre, wenn du fliehen könntest!«
»Das wäre freilich gut, auch für dich, denn da wäre ich nicht gezwungen, von dir zu sprechen.«
»Es ist aber unmöglich, vollständig unmöglich! Du bist gefesselt, es wird stets eine Wache hier stehen. Und drittens, wenn das alles nicht wäre, wie wolltet ihr vom Schiffe kommen?«
»Hast du noch andere Bedenken?«
»Nein, nur diese drei, und das ist jedenfalls mehr als genug«
»O nein! Diese drei Punkte genieren mich ganz und gar nicht. Nur würde ich einen brauchen, der mir behilflich ist.«
»Das ist gefährlich, Effendi!«
»Ganz und gar nicht. Kein einziger Mensch würde etwas merken oder erfahren.«
»Was hätte der Mann zu thun?«
»Zweierlei, wovon das eine ebenso leicht und ungefährlich ist wie das andere. Er müßte mir zunächst ein scharfes, spitzes Messer hereingeben.«
Es trat eine Pause ein. Er überlegte. Dann erklärte er zu meiner Freude:
»Du sollst ein Messer haben.«
»Wann?«
»Sobald unser Gespräch zu Ende ist. Es steht dort hinten eine offene Kiste mit Messern und andem Werkzeugen, die man immer braucht. Und was ist das zweite, was du verlangst?«
»Auskunft, weiter nichts. Giebst du uns diese und das Messer, so hast du alles gethan, was ich verlange, und ich verspreche dir, kein Wort von dir zu reden.«
»So frage! Ich werde dir antworten, denn es ist – – halt, still, man kommt!«
Die Stiege knarrte. Es kam jemand herabgestiegen, blieb unten stehen und brannte ein Licht an. Ich sah den Schein desselben durch viele Ritzen, welche sich in der Wand unseres Gefängnisses befanden. Die Hitze des Sudans hatte die Bretter ausgedörrt; sie waren zurückgegangen und hatten Lücken zwischen sich geöffnet, von denen mehrere breiter als ein starker Messerrücken waren. Sofort kam mir der Gedanke an den Riegel. Ich suchte ihn mit dem Auge und fand ihn sehr leicht. Er war in der Mitte der Thüre angebracht, wohl eine Elle lang und vielleicht vier Zoll breit. Er lag gerade zwischen zwei Brettern auf und verdeckte eine Spalte, welche mit zu den breitesten gehörte.
Das Herz schlug mir vor Freude. Wenn man die Messerklinge durch die Spalte schob und mit der Spitze in den Riegel stieß, konnte man denselben bewegen, also von innen öffnen. Zu dieser Beobachtung hatte ich nur zwei oder drei Sekunden gebraucht, und da stand der Mann auch schon an der Thüre und öffnete dieselbe.
Ibn Asl war‘s. Er hatte ein Thonlämpchen in der Hand und leuchtete herein. Ich lag auf dem Rücken und hielt scheinbar die Augen geschlossen, doch hatte ich die Lider ein ganz klein wenig geöffnet, um unser gegenwärtiges Tuskulum zu betrachten. Es war niedrig wie ein Taubenschlag, zwei Eilen hoch, drei Ellen breit und ein wenig mehr lang. Außer uns Insassen war es vollständig leer; nicht einmal ein Haken oder ein Nagel war zu sehen.
»Nun, wie gefällt es euch hier?« höhnte der Sklavenjäger. »Zeig deine Fesseln! Wollen sehen, ob sie etwa zu locker sind.«
Er setzte die Lampe nieder und untersuchte meine Stricke. Nun, er konnte zufrieden sein. Man hatte mich so fest gebunden, daß mir an den betreffenden Stellen das Blut stocken wollte.
»Hast du weiter über deinen prächtigen Vorschlag nachgedacht?« fragte er.
Ich antwortete nicht.
»Oder willst du mir wohl sagen, wann die Zeit, nach welcher man dich erwartet, abgelaufen ist?«
»Gerade dann, wann ich komme,« lautete mein Bescheid.
»Dann ist‘s eine Ewigkeit, denn die Hunde, die zu dir gehören, werden dich niemals wiedersehen. Halte gut Wache, und wenn diese struppigen Schakals etwa miteinander sprechen, so nimm die Peitsche, und haue sie ihnen um die Köpfe!«
Diese letzteren Worte galten dem Wächter. Ibn Asl nahm die Lampe wieder auf, spuckte mich an und verschloß die Thüre. An der Stiege verlöschte er die Lampe, um sie dort irgend wohin zu setzen, und stieg dann empor. Unser Verbündeter wagte erst nach einer Weile wieder zu klopfen.
»Er ist fort, und wir sind sicher, Effendi,« sagte er. »Was hast du mich zu fragen?«
»Sage zunächst, was das für ein Raum ist, in welchem wir uns befinden.«
»Es ist das Sidschn el Bahriji30, in welchem diejenigen von uns, welche diese Strafe verdient haben, krumm geschlossen werden.«
»Wo schlaft ihr des Nachts?«
»Hier in diesem Raume und auch unten im Kielraume, wenn wir keine Menschenladung haben.«
»So müßten wir mitten durch die Schlafenden hindurch?«
»Ja.«
»Das ist freilich schlimm!«
»Die Mannschaft befindet sich des Abends am Ufer und legt sich erst spät im Schiffe nieder, gewöhnlich um dieselbe Zeit wie gestern.«
»Kennst du den Maijeh es Saratin?«
»Sehr genau. Wir sind schon oft dort gewesen, um uns zu verstecken.«
»Wo liegt diese Bucht des Niles?«
»Am linken Ufer jenseits des Dorfes Qaua. Ihr Eingang ist so verwachsen, daß einer, der sie nicht kennt, sie gar nicht findet. Und wenn man hineinkommt, so kann der Rumpf des Schiffes sich unter den überhängenden Aesten, Zweigen, Büschen und Schlingpflanzen vollständig verstecken.«
»Dort wird Oram, der Kamelreiter, euch heute erwarten?«
»Ja.«
»Wann erreichen wir den Maijeh?«
»Wohl noch vor Mitternacht, da wir uns solche Mühe geben, schnell vorwärts zu kommen. Wir fahren nach Mittag an der Insel Mohabileh und, wenn es Abend geworden ist, an Qaua vorüber.«
»Kannst du es nicht so einrichten, daß du, wenn wir den Maijeh erreichen, die Wache wieder hast?«
»Sehr leicht. Aber, wollt ihr etwa da entweichen?«
»Nein. Dadurch würden wir ja dich ins Unglück bringen. Wir gehen erst später, wenn du fort bist; aber das muß sein, wenn sich die Leute noch am Ufer befinden. Wenn sie sich hier im Raume zum Schlafen niedergelegt haben, ist es zu spät. Giebt es einen unter deinen Kameraden, einen recht bösen, schlechten Halunken, den du nicht leiden magst?«
»O, mehrere!«
»Könntest du es nicht so einrichten, daß ein solcher Kerl nach dir die Wache bekommt?«
»Wenn ich es schlau genug anfange, kann ich es vielleicht fertig bringen.«
»Versuche es wenigstens! Je schlimmer dieser Mensch, desto lieber ist es mir, da er, wenn uns die Flucht gelingt, jedenfalls bestraft wird. Und nun die Hauptsache: Du mußt uns sagen können, wo sich unsere Waffen befinden, ohne welche ich nicht gehen möchte.«
»Ibn Asl hat sie in seiner Kajüte. Er betrachtet sie als seine Beute.«
»So passe genau auf, ob sie dort bleiben oder vielleicht an einen andern Ort geschafft werden. Ich muß das unbedingt wissen. Machst du deine Sache zu meiner Zufriedenheit, so werde ich dich nicht nur nicht verraten, sondern dir noch extra ein Geschenk geben. Man hat uns alles gelassen, was sich in unsern Taschen befindet. Das ist für uns kein gutes Zeichen, sondern ein Beweis, daß man uns ganz sicher zu haben glaubt. Im letzten Augenblicke, wenn ich überzeugt bin, daß die Flucht glückt, werde ich, ehe wir vom Schiffe gehen, dir deine Belohnung an eine Stelle legen, welche du mir jetzt bezeichnen magst.«
»Wenn du mir etwas schenken willst, Effendi, so giebt es keinen bessern Ort, als dort unter der Stiege. Dort liegen einige alte Palmenmatten, unter welche du es stecken kannst.«
»So hole es sofort, wenn wir fort sind, damit es nicht etwa ein anderer zufällig findet.«
»Wie aber weiß ich denn, daß ihr fort seid? Es darf ja kein Mensch eure Entfernung hören oder sehen.«
»Ich werde dir ein Zeichen geben. Es giebt in den hiesigen Wäldern kleine Meerkatzen. Hast du einmal das zornige Kreischen eines solchen Affen, wenn er von einem andern in seiner Nachtruhe gestört wird, gehört?«
»Sehr oft.«
»Gut! Das ist ein Geräusch, welches nicht auffallen kann. Damit du aber weißt, daß ich es bin, der es verursacht, und nicht ein wirklicher Affe, werde ich es dreimal wiederholen, erst mit einer längern und dann mit einer sehr kurzen Pause. Sobald du das gehört hast, gehst du an Bord, wo du unter den Matten das Geschenk finden wirst.«
»Effendi, ich wünsche von ganzem Herzen, daß ich es finde, einesteils um es zu bekommen und andernteils weil es die Gewißheit giebt, daß eure Flucht geglückt ist. Was habe ich noch zu thun?«
»Ich möchte sehr gern wissen, was der Kamelreiter euch zu berichten hat; es ist aber für uns unmöglich, es zu erfahren, weil wir, wenn das Gespräch mit ihm zu Ende ist, schon fort sein müssen.«
»Vielleicht könnte ich euch wenigstens etwas davon sagen.«
»Auf welche Weise denn und wo?«
»Hier unten.«
»In Gegenwart des Wächters?«
»Ja, denn ich werde thun, als ob ich es diesem erzählen will. Ihr könnt doch nicht sogleich fort, wenn wir ans Land legen; Oram aber wird sofort erzählen. Ich höre zu. Euer Wächter kann diese Neuigkeit nicht hören, weil er sich im Schiffe befindet, und so gehe ich zu ihm, um sie ihm zu bringen. Ihr hört, was ich mit ihm spreche, und wißt also, woran ihr seid.«
»Das ist ein wirklich vortrefflicher Gedanke! Mein Geschenk wird um so größer sein, je mehr ich mit dir zufrieden bin. Jetzt habe ich dir nichts mehr zu sagen. Ich weiß genug und will mit dem übrigen dein Gewissen nicht in Unruhe versetzen.«
Das Gespräch war zu Ende, und unser Verbündeter holte mir das Messer. Es war scharf und spitz, so wie ich es brauchte, scharf zum Durchschneiden der Stricke und spitz, um es als Stichwaffe zu gebrauchen. Denn ich war fest entschlossen, jeden, der sich uns entgegenstellen sollte, zu töten, und glaubte, mir kein Gewissen daraus machen zu müssen.
Welch ein Glück, daß dieser Mann eine solche Angst hatte, von mir verraten zu werden! Ich war beinahe überzeugt, daß wir um Mitternacht frei sein würden. Er hatte eine Stunde Wache zu halten und wurde dann abgelöst. Im Laufe des Nachmittages kam mir der Gedanke, einmal nachzusehen, ob nur die Innenwände unsers Gefängnisses Ritzen und Lücken besaßen. Dazu mußte ich mich aufrichten, was mir nach einiger Mühe auch gelang.
Ich hatte alle Ursache, mit dieser Untersuchung zufrieden zu sein. Das Schiff ging, da es nicht beladen war, nicht tief im Wasser. Die Gegend der äußern Wand, welche gewöhnlich unter dem Wasser, jetzt aber über demselben lag, war von den Sonnenstrahlen ausgetrocknet worden; das Pech war aus den Plankenritzen gelaufen, und indem ich den Griff des Messers zwischen die Zähne nahm, konnte ich mit der Spitze desselben so viel Werg nach außen stoßen, daß an einigen Stellen Oeffnungen entstanden, welche groß genug waren, dem Auge einen Blick ins Freie zu gestatten. Das konnte besonders am Abend von großem Vorteil für uns sein. Jetzt sah ich das Boot noch immer vorgespannt. Man hatte auf demselben sogar, um die Ruderer zu unterstützen, einen kleinen Mast errichtet, welcher ein Segel trug. Dies war allerdings nur durch den steifen Luftzug, welcher wehte, ermöglicht worden, sonst hätte das Boot, da es am Schlepptau zog, leicht kentern können.
Gegen Abend kam Ibn Asl abermals, um nach meinen Fesseln zu sehen. Er schien nur mich für gefährlich zu halten, da er die Stricke der andern nicht untersuchte. Das Messer bemerkte er nicht; es lag in der hintersten Ecke bei dem alten Steuermanne, welcher dort hockte. Da ich im Besitze dieses Instrumentes war, hätte ich uns leicht die Fesseln lockern können; aber ich verzichtete darauf, es zu thun, da ich annahm, daß Ibn Asl nochmals kommen und wenigstens die meinigen wieder untersuchen werde.
Ich lehnte mich an die Außenwand und sah durch die von mir gemachten Löcher hinaus auf den Nil. Wir waren längst an der Dschesireh Mohabileh vorüber und mußten bald das Dorf Qaua passieren. Die Schatten des linken Ufers lagen über der ganzen Breite des Flusses, ein Zeichen, daß die Sonne im Sinken sei. Bald wurde es Abend, und da ich nun nichts mehr zu sehen vermochte, legte ich mich wieder nieder.
Es mochte nach abendländischer Zeitrechnung gegen acht Uhr sein, als unser Verbündeter die Wache wieder übernahm. Er sprach nur kurze Zeit mit uns. Er hatte seine Gesinnung nicht geändert und teilte uns mit, daß nach ihm einer kommen werde, dem es zu gönnen sei, daß er wegen unserer Flucht bestraft werde.
»Und wann werden wir den Maijeh erreichen?« fragte ich.
»Kurze Zeit nachdem meine Wache zu Ende ist,« antwortete er. »Das paßt vortrefflich für unsere Absichten. Ich werde da gleich mit an das Land gehen, und wenn etwas Unerwartetes geschehen sollte, so kann ich euch warnen. Uebrigens liegen eure Waffen bei Ibn Asl in der Vorkajüte.«
Die Zeit verging, und er wurde abgelöst. Wir sprachen leise miteinander. Sein Nachfolger hörte es, öffnete die Thüre und schlug mit der Peitsche herein, die er sich zu diesem Zwecke mitgebracht hatte. Dabei ließ er es an »Giaurs« und »Christenhunden« nicht fehlen. Nun, dem Manne sollte meine Anerkennung recht bald werden. Kurze Zeit später ertönten laute Kommandorufe über uns; wir hörten Taue über das Deck streifen; man nahm die Segel ein. Der Maijeh mußte sich also in der Nähe befinden. Dann vernahmen wir das Knarren der Stemmbäume gegen die Bordkanten. Man schob das Schiff aus dem Flusse in den Maijeh.
Ich erhob mich und sah hinaus. Es war ganz dunkel; ich konnte den Himmel nicht erkennen. Das Schiff befand sich also schon unter den Wipfeln der Bäume des Maijeh. Dann aber wurde es hell. Ein Feuer brannte am Ufer, und bei demselben stand ein Mann, welcher rief. »Hierher! Werft das Tau herab; ich winde es um den Baum.«
Man hielt es für überflüssig, den Anker fallen zu lassen. Es wurde vielmehr vom Vorder- und Hinterteile je ein Tau ausgeworfen, mit denen man das Fahrzeug ganz ans Ufer ziehen und dort an zwei Bäumen befestigen konnte. Zu diesem Zwecke wurde, als das Vorderteil angehängt war, die Leiter hinabgelassen, über welche mehrere Männer an das Und stiegen.
Die Wand, an welcher ich lehnte, lag nach dem Ufer zu, so daß ich, wenigstens so weit mein enger Gesichtskreis reichte, sehen konnte, was dort geschah. Das übrige mußte ich erraten. Als das Schiff vollständig fest lag, gingen auch die andern an das Land. Es stand zu erwarten, daß Ibn Asl dies auch thun, uns aber vorher noch einen Besuch abstatten werde. Darum ließ ich mich wieder niedergleiten. Kaum war dies geschehen, so knarrte die Stiege, die Lampe wurde angesteckt, und ich hörte seine Stimme:
»Nun, ist alles in Ordnung?«
»Alles,« antwortete der Wächter. »Die Hunde bellten miteinander; da habe ich sie mit der Peitsche zur Ruhe gebracht.«
»Recht so! Hau nur tüchtig zu!«
Er öffnete die Thüre, leuchtete mit der einen Hand herein, untersuchte mit der andern meine Fesseln und sagte dann, mir höhnisch zugrinsend:
»Jetzt werde ich mit dem Manne sprechen, und euer Schicksal wird sich entscheiden. Mache dich gefaßt! Deine Martern beginnen schon am heutigen Abend.«
»Du redest wie ein Kind,« antwortete ich. »An meinem Schicksale kannst du nichts ändern. Es hat sich schon entschieden. Du vermagst uns nichts anzuhaben.«
Er schlug ein lautes Gelächter auf und rief:
»Die Angst hat dich verrückt gemacht! In einer Stunde wirst du anders singen.«
»Du hast heute erfahren, wie es denen ergeht, welche mich singen machen wollen.«
»Das konnte nur einmal geschehen; zum zweitenmale wird es dir aber nicht gelingen.«
Er verriegelte die Thüre, löschte die Lampe aus und ging. Ich stand auf und blickte wieder hinaus. Man schnitt das am Ufer wachsende Schilf ab, um Lagerplätze zu gewinnen, und brannte noch einige Feuer an. Ich konnte sie zwar nicht sehen, vermutete es aber aus der vermehrten Helligkeit und weil die Baumstämme nicht nur einen, sondern mehrere Schatten warfen.
Jetzt war die Zeit gekommen, uns von den Fesseln zu befreien. Ich schob also mit dem Fuße das Messer aus dem Winkel vor, wälzte mich dann um und nahm es in die Hand. Ben Nil mußte sich mit seinem Rücken gegen den meinigen legen, so daß ich die Klinge in die Fesseln seiner Hände stecken konnte. Ich mußte vorsichtig sein, um ihn nicht zu schneiden oder zu stechen; es ging nicht leicht, aber es ging doch. Bald hatte er die Hände frei. Nun nahm er das Messer, um zuerst seine Füße frei zu bekommen und dann auch uns von den Stricken zu erlösen. Das geschah alles so geräuschlos, daß der Wächter es nicht hören konnte.
Darauf warteten wir, ob unser Verbündeter Wort halten könne und kommen werde. Erst nach einer halben Stunde knarrte die Stiege wieder, und wir hörten seine Stimme:
»Wenn du herauf und herauskommen könntest! Es giebt soviel zu hören.«
»Willst du mich ärgern?« antwortete der Wachthabende. »Der Teufel hat es dem Lieutenant eingegeben, gerade mich und gerade jetzt hier herunterzustellen. Was giebt es denn?«
»Der ungläubige Effendi hat wirklich die Wahrheit gesagt. Unsere Kameraden sind gefangen und acht von ihnen mit dem Kolben erschlagen worden!«
»Allah vernichte die Brut dieses Reïs Effendina! Um diesen verdammten christlichen Effendi aber ist es nun ganz gewiß geschehen! Wie ist denn Oram entkommen? Er hat sich wohl gar nicht ergreifen lassen?«
»O doch! Aber die Asaker haben ihn nicht fest gebunden gehabt. Gegen Morgen ist es ihm gelungen, sich loszumachen. Er hat sich davongeschlichen und sogar ein Kamel mitgenommen. Natürlich ist er sofort in einer Tour nach der Hassanieh geritten, um uns zu benachrichtigen, aber einige Minuten zu spät gekommen.«
»Warum kam er nicht bei unserm Lagerplatze, sondern weiter oben an den Nil?«
»Weil er nicht konnte. Er sah die Asaker des Reïs Effendina sich nach dem Platze wenden. Unsere gefangenen Kameraden werden nicht nach Chartum, wie eigentlich beschlossen war, sondern nach Hegasi gebracht, wo die Asaker von dem christlichen Effendi erwartet werden sollen.«
»Er wird sie niemals wiedersehen, und sie werden von uns in der gehörigen Weise empfangen werden, denn ich hoffe doch, daß Ibn Asl alles thun wird, unsere Gefährten zu retten!«
»Das ist selbstverständlich.«
»Aber es ist keine Zeit zu verlieren! Wenn ich nur unten sein könnte. Willst du nicht die Wache für mich thun? Ich gebe dir dafür gern – —«
»Fällt mir gar nicht ein!« unterbrach ihn der andere. »Ich habe soeben erst zwei Stunden hier gestanden.«
Die Stiege knarrte wieder. Er ging. Er hatte Wort gehalten, und das, was er mir auf diese Weise mitgeteilt hatte, war von sehr hohem Werte für uns. Darum sollte er die ihm versprochene Gratifikation erhalten. Er war zwar unser Feind und außerdem ein schlechter Mensch, aber ich mußte Wort halten. Er sollte mich, den Christen, nicht einen Betrüger nennen können.
Uebrigens war das Gespräch auch von noch anderem Vorteile für uns gewesen. Das Oeffnen des Riegels mit Hilfe des Messers mußte nämlich ein, wenn auch geringes, aber doch immerhin ein Geräusch verursachen, welches den Posten leicht aufmerksam machen konnte. Außerdem hatte der letztere an der Angelseite gestanden, so daß, wenn wir die Thüre öffneten, er uns im Wege stand und wir sie nicht ganz aufbringen konnten. Er hätte also hinter derselben gestanden, und es wäre nicht leicht gewesen, so schnell an ihn zu kommen, wie es nötig war, wenn man ihn unschädlich machen wollte, ohne daß er um Hilfe zu rufen oder gar Widerstand zu leisten vermochte.
Diesen Uebelständen war nun Abhilfe geschafft worden. Der Mann war nämlich, um den andern besser verstehen zu können, mehrere Schritte nach der Stiege zu gegangen; er hatte also die Thüre frei gegeben. Während sie laut miteinander sprachen, steckte ich die Spitze des Messers durch die Ritze in das Holz des Riegels und schob den letzteren zurück. Das gab ein Geräusch, welches der Wächter aber nicht hörte. Ich stieß die Thüre auf und kroch hinaus. Die andern beiden folgten. Um ihnen Platz zu machen, mußte ich avancieren und kam hart hinter dem Wächter zu stehen, als er eben seinen Kameraden aufforderte, für ihn die Wache zu übernehmen. Als dieser nun ging, drehte er sich um und stieß an mich. Im Nu hatte ich ihn mit beiden Händen am Halse. Er brach aus Mangel an Luft, vielleicht auch mit vor Schreck, unter meinem Griffe zusammen, wurde mit seinem Gürtel gebunden und bekam den Fez, welchen er auf dem Kopfe hatte, in den Mund gesteckt.
Nun ging ich zur Stiege und stieg sehr vorsichtig, damit sie nicht knarren möge, hinauf, um zunächst zu rekognoszieren. Was ich sah, erfüllte mich mit großer Freude, denn die Umstände konnten uns gar nicht günstiger sein. Die am Ufer brennenden Feuer konnte ich zwar nicht sehen, aber sie verbreiteten einen Schein, welcher sogar das Deck genugsam erleuchtete. Ich sah, daß sich kein Mensch auf demselben befand, und stieg wieder hinab.
Dort nahm ich von meinem Gelde soviel heraus, wie ich für angezeigt hielt, und legte es unter die unterste Palmenmatte. Dann kehrte ich, natürlich von meinen beiden Gefährten begleitet, auf Deck zurück. Aufrichten durften wir uns nicht, da wir da möglicherweise gesehen werden konnten. Wir krochen nach der Kajüte, um unsere Waffen zu holen. Das war die Hauptsache. Es war zwar dunkel in dem Vorraume, aber mit Hilfe des Tastsinnes fanden wir schnell, was wir suchten.
»Was aber nun?« flüsterte Ben Nil. »Es ist natürlich gefährlich, die Leiter hinabzusteigen.«
»Da haben sie uns beim Kragen, noch ehe wir mit den Füßen den Boden erreichen,« stimmte sein Großvater bei.
»Aber es giebt keinen andern Weg! Am besten ist‘s, wir steigen nicht, sondern wir springen hinab, mitten unter sie hinein. Sie werden erstaunen, erschrecken, und ehe sie sich besinnen können, sind wir fort.«
»Werden meine alten Beine einen solchen Sprung aushalten?«
»Sorge dich nicht!« tröstete ich ihn. »Wir werden weder steigen noch springen, sondern klettern. Wir steigen in das Boot des Schiffes, das nach dem Flusse zu hängt, und rudern davon.«
»Allah, Wallah, Tallah! Das ist ein prächtiger Gedanke! Aber – es wird dennoch nicht gehen.«
»Warum?«
»Weil das Boot hinten am Schiffe hängen wird. Da liegt es im Scheine der Feuer, und wir können also nicht hinein.«
»Ich vermute, daß es am Vorderteile hängt. Es ist ja vorgespannt gewesen, und so wird man, als nach dem Maijeh. eingelenkt wurde, das Bugsiertau, an welchem es hing, einfach eingezogen haben. Man hatte die Segel einzunehmen und die Masten niederzulegen. Da gab es, zumal es dunkel war, soviel zu thun, daß man sich nicht die Zeit nehmen konnte, das Boot von vorn nach hinten zu bringen. Kommt, ihr werdet sehen!«
Wir krochen nach vorn, nach der dem Wasser zugewendeten Seite des Schiffes. Da unsere Feinde sich auf der andern Seite befanden, konnten wir, ohne von ihnen gesehen zu werden, uns aufrichten und über die Brüstung blicken. Ja, da hing das Boot an einem Tau, welches so stark war, daß der schwerste Mann sich demselben getrost anvertrauen konnte. Es lag im Schatten; wir konnten also nicht sehen, ob die Ruder sich darin befanden; jedenfalls aber hatte man sie nicht an Bord genommen; wenigstens sahen wir sie nicht hier oben liegen. Etwas Helles lag im Boote.
»Was mag das sein?« fragte Ben Nil.
»Wahrscheinlich das Segel, welches ich heute während der Fahrt aufgerichtet gesehen habe. In diesem Falle liegt auch der Mast dabei, und das ist sehr gut, da wir uns mit Rudern nicht sehr anzustrengen brauchen.«
Wir befanden uns in der Nähe des kleinen Vordermastes. Dort hatte ich heute früh ein Bündel Palmfaserfackeln liegen sehen, wie sie in jenen Gegenden bei verschiedenen Gelegenheiten im Gebrauche sind. Ich kroch hin. Sie lagen noch da; ich nahm einige, kehrte an die Brüstung zurück und warf sie hinunter in das Boot.
»Wozu willst du Fackeln mitnehmen?« fragte Ben Nil.
»Davon später. Jetzt haben wir genug gesprochen und gezögert. Jetzt wollen wir über Bord. Steig du zuerst hinab; dein Großvater wird folgen, und ich mache den letzten.«
Er warf seine Flinte am Riemen über den Rücken und stieg über die Brüstung, um sich am Taue hinabzuturnen. In diesem Augenblicke hörte ich die Stimme Ibn Asls rufen:
»Bringt auch einen Krugvoll Raki mit!«
Raki ist Schnaps, den die Muhammedaner trinken dürfen. Die Worte sagten mir, daß mehrere, wenigstens zwei Männer, unterwegs nach dem Decke seien. Ich drehte mich um. Wirklich, da kam einer gestiegen, hinter ihm ein zweiter.
»Schnell, schnell!« raunte ich Abu en Nil zu. »Noch haben sie uns nicht gesehen!«
Ich kauerte mich nieder, um ihnen nicht sofort in die Augen zu fallen. Aber der alte Steuermann mußte über die Brüstung; ihn mußten sie bemerken. Und da kam auch noch ein dritter hinterher gestiegen. Der erste, vorderste sah den Alten und infolgedessen auch mich. Er begriff die Situation auf der Stelle und schrie:
»Auf, herbei ihr Männer! Die Gefangenen sind los! Sie wollen fort!«
Er stürzte herbei; die beiden andern folgten. Ich blieb kauern, um nicht erraten zu lassen, was ich beabsichtigte. Als der erste noch drei Schritte bis zu mir hatte, schnellte ich mich auf und rannte ihm den Gewehrkolben in der Weise gegen den Leib, daß er zurück- und niederflog; den zweiten, welcher eben den Arm nach mir ausstreckte, schlug ich über den Kopf: er brach auch zusammen. Der dritte war mir auch schon nahe. Er war klüger als die beiden vorigen, denn er zog sein Pistol und drückte es auf mich ab. Ich sprang zur Seite und wurde nicht getroffen; desto sicherer aber warf ihn in der nächsten Sekunde mein Kolben nieder.