Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi II», sayfa 13
»Natürlich! Ich schwöre bei Allah, daß ich ihn heute oder morgen – —«
»Schwöre nicht! Der Mensch ist nicht Herr der Ereignisse. Ein kleiner Fehler, ein unbedeutender Zufall kann alles verderben. Auf welche Weise denkst du ihn zu fassen?«
»Auf die allereinfachste: Wir segeln nach dem Maijeh es Saratin und greifen ihn dort an.«
»Er ist gar nicht mehr dort. Ich bin überzeugt, daß er kurz nach unserer Flucht den Maijeh verlassen hat, und zwar aus zwei verschiedenen Gründen. Erstens fühlt er sich dort nicht mehr sicher, weil ich nun dieses Versteck kenne, und zweitens muß er sich beeilen, seinen Vater und seine Untergebenen zu befreien. Er ist hinter uns her nilabwärts gesegelt.«
»So brauchen wir ihm ja nur entgegen zu gehen, um – —«
»Um ihn nicht zu sehen und zu treffen,« fiel ich ein.
»Wir durchsuchen jeden Winkel des Ufers!«
»Ja, und während wir dies thun, marschiert er mit seinen Leuten schon durch die Steppe und unsern Asakern entgegen!«
»So schnell bringt er das nicht fertig!«
»Warum nicht? Er weiß, daß du ihn suchst und daß ich dir jedenfalls entgegen bin, um dich nach dem Maijeh zu bringen. Er hat die Nacht benutzt, diesen Ort zu verlassen und möglichst weit stromabwärts zu kommen. Dort legt er an irgend einer ihm bekannten, sonst aber versteckten Stelle an, läßt einige Mann zur Bewachung des Fahrzeuges zurück und marschiert mit den andern unsern Asakern entgegen.«
»Das leuchtet mir freilich ein. Ich muß mit meinen Leuten schnell aufbrechen, um die Karawane zu beschützen. Du begleitest uns natürlich.«
»Ich bleibe nicht, sondern ich reite der Karawane mit Ben Nil entgegen, während du Ibn Asl einen Hinterhalt legst.«
»Warum wollen wir ihr denn nicht gleich zusammen entgegen gehen?«
»Weil wir in diesem Fall Ihn Asl nicht bekommen würden. Er befindet sich mit seinen Leuten oberhalb von uns; wir haben also einen Vorsprung; er kommt hintendrein und findet unsere Spur, wird dadurch aufmerksam gemacht und – bleibt zurück.«
»Aber wenn er seinen Vater retten will, muß er uns doch folgen und uns angreifen!«
»Fällt ihm nicht ein! Seine eigene Sicherheit ist ihm wertvoller als das Leben seines Vaters und als dasjenige aller seiner Leute. Das habe ich erfahren und dir erzählt. Ja, vielleicht ließe er uns durch seine Sklavenjäger angreifen, aber daß er selbst uns nicht in die Hände fallen könne, dafür würde er gewiß Sorge tragen. Oder, was noch viel wahrscheinlicher ist, würde er sich auf irgend eine List verlegen, die uns allen sehr gefährlich werden dürfte, da wir von derselben keine Ahnung haben können.«
»Also sollen nicht wir voranziehen? Soll ich etwa ihn voran lassen? Dann überfällt er unsere Karawane und ich komme zu spät.«
»Für die Karawane wäre in diesem Falle wenig oder nichts zu befürchten, da ich ja bei derselben sein würde. Er könnte sie also nicht, wie er die Absicht hat, überrumpeln. Aber ich beabsichtige etwas ganz anderes. Ich habe schon sehr oft durch List sehr leicht und sehr vollständig erreicht, was mir bei Anwendung aller Gewalt nicht gelungen wäre. Du selbst hast Beispiele davon erlebt. Mit einer solchen List werde ich, wenn du es erlaubst, Ibn Asl zu fassen suchen, und wenn dabei kein Fehler unterläuft, so bin ich des Gelingens vollkommen sicher.«
»Was willst du thun?«
»Ihm ein Fußeisen legen, in welchem er sich fangen wird. Es erleichtert den Sieg ganz bedeutend, wenn man den Kampfplatz genau kennt. Versteht es ein Feldherr, den Feind nach dem Platze zu locken, wo schon alles zum Empfange des Gegners vorbereitet ist, so ist ihm der Sieg selbst bei ungleichen Kräften beinahe sicher. Ziehst du hinaus in die offene Steppe, so weißt du nicht, wo du Ibn Asl treffen wirst und unter welchen Umständen der Kampf erfolgen wird. Um das zu vermeiden, wollen wir einen Ort bestimmen, an welchem wir auf ihn warten werden.«
»Aber ob er kommen wird!«
»Er kommt. Dafür laß nur mich sorgen.«
»Hast du einen bestimmten Ort im Sinne?«
»Ja, einen sehr passenden. Er muß natürlich so nahe wie möglich derjenigen Richtung liegen, aus welcher unsere Karawane kommen wird und in welche also Ibn Asl zu ziehen hat. Der Dschebel Arasch Qol ist der geeignetste Ort für meinen Plan. Warst du oft dort?«
»Fünfmal. Ich habe damals die ganze Umgebung durchstrichen.«
»Das ist mir lieb, denn dann brauche ich dich wahrscheinlich nicht heimlich hinzubegleiten, um dir die Oertlichkeiten, welche ich im Auge habe, zu zeigen. Es giebt zwei Maijehs dort, zwei Sümpfe, welche durch einen Wasserarm mit dem Nile in Verbindung stehen. Der nördlichere ist größer und weit länger als der südliche. Kennst du sie?«
»Ja. Der große Maijeh wird Maijeh el Humma32 genannt; den Namen des kleineren kenne ich nicht.«
»Diesen Sumpf des Fiebers meine ich. Er zieht sich lang und schmal hart am Fuße des Berges hin. Man muß über vier Stunden gehen, um von einem Ende an das andere zu gelangen. Ungefähr in der Mitte seiner Länge tritt ein Busen vor, weit in den Berg hinein. Er ist sehr tief, mit trügerischem Omm Sufah bedeckt und an seinem Rande mit hohen, dicht belaubten Gafulbäumen33 bewachsen, welche mir außerordentlich in die Augen fielen, weil keine Art des Gaful sonst eine solche Höhe zu erreichen pflegt.«
»Ich kenne sie. Ihr außerordentlich lieblicher Duft erfüllt die ganze Gegend und macht den Gestank des Sumpfes weniger empfindlich. Ein Fußgänger kann da wohl bequem vorüberkommen; ein Kamelreiter aber muß sich sehr in acht nehmen. Der Felsen ist tief eingebuchtet und steigt fast senkrecht himmelan. Diese Bucht ist von dem Busen des Maijeh angefüllt; zwischen dem Wasser und dem Felsen gibt es einen nur sehr schmalen Streifen Weges, auf welchem große Steinstücke zerstreut liegen, die von oben herabgefallen sind und besonders den Kamelen das Gehen erschweren. Dieser Weg rund um den Busen des Maijeh hat schon vielen Menschen Unheil gebracht und wird darum Darb el Musibi34 genannt.«
»Ganz richtig. Und er soll für Ibn Asl so ein richtiger, echter Unglücksweg werden.«
»Wie willst du den Mann dorthin locken?«
»Daß ich ihn sicher hinlocken werde, weiß ich ganz genau; die Art kenne ich selbst noch nicht; der Augenblick wird sie ergeben. Der Unglücksweg liegt am westlichen Ufer; kennst du auch das östliche Ufer des Maijeh?«
»Ebenso genau.«
»So kennst du wohl den dichten Hegelikwald, welcher am südlichen Ende desselben steht?«
»Ja. Dieser Wald ist beinahe undurchdringlich, da der Raum zwischen den Stämmen der Bäume fast ganz mit Nabak-Büschen ausgefüllt ist.«
»Er soll euch zum Verstecke dienen.«
»Uns? Sollen wir etwa Ibn Asl dort erwarten?«
»Ja. Jetzt kommt die Hauptsache für dich, Emir. Merke sie dir wohl! Du fährst, wenn du nach Hegasi zurückkommst, sogleich von dort ab, suchst aber vorher den Scheik el Beled zu sprechen.«
»Diesen Hund, diesen Verräter, den ich streng bestrafen werde!«
»Das wirst du später thun. Heute aber wirst du noch sehr freundlich mit ihm sein und dir den Anschein geben, als ob er dein vollstes Vertrauen besitze. Du sagst ihm, daß du hier an der Hassanieh Sklavenhändler gesucht aber nicht gefunden habest, du seist jedenfalls von Ibn Asl irre geführt worden; dieser befindet sich sehr wahrscheinlich in Chartum, und du kehrest schnell dorthin zurück, um nach ihm zu forschen und ihn zu bestrafen.«
»Warum soll ich dies gerade dem Scheik el Beled sagen?«
»Weil er in meinem Plane eine bedeutende Rolle spielt. Er soll Ibn Asl das Fußeisen legen, ohne selbst eine Ahnung davon zu haben. Er ist sein Verbündeter, und Ibn Asl kommt jetzt ganz gewiß entweder selbst, natürlich heimlich, zu ihm oder schickt ihm einen Boten, um sich zu erkundigen, wo du bist oder wie die Verhältnisse stehen. Der Scheik sagt ihm oder läßt ihm sagen, daß du zurück nach Chartum bist, und so wird Ibn Asl sich vor dir ganz sicher fühlen.«
»Auch vor dir?«
»Ja, denn auch ich werde mit dem Scheik sprechen. Du kehrst jetzt zu Fuß nach Hegasi zurück und lässest dich unterwegs wo möglich von niemand sehen. Damit man dich nicht von weitem erkenne, bat ich dich, deinen Waffenrock umzutauschen. Wenn du von dort fort bist, komme ich mit Ben Nil angesegelt —«
»Wie willst du wissen, daß ich fort bin?«
»Das laß meine Sorge sein! Ich werde schon Ausguck halten. Also dann komme ich mit Ben Nil ange- segelt und suche den Scheik el Beled auf. Ich thue so, als ob ich soeben erst vom Maijeh komme, und erzähle ihm, was da oben und vorher an der Dschesireh Hassanieh geschehen ist.«
»Sagst du ihm da, wer du wirklich bist?«
»Natürlich! Er wird es ja doch dann von Ibn Asl erfahren. Hätte ich ihn in Beziehung auf meinen Namen belogen, so würde er auch das, was ich ihm außerdem sage, nicht glauben, und mein Plan käme in Gefahr, zu verunglücken. Ich werde ihm das größte Vertrauen zeigen. Als Scheik el Beled ist er eine obrigkeitliche Person, deren Hilfe ich scheinbar in Anspruch nehmen werde. ich übergebe ihm das Boot zur Aufbewahrung und sage ihm, daß du es später abholen werdest.«
»Du kommst nur mit Ben Nil nach Hegasi; er aber wird erfahren, daß Abu en Nil auch dabei gewesen ist. Wie willst du das Fehlen dieses letzteren erklären?«
»O, der ist, als er während unserer Flucht in das Boot klettern wollte, in das Wasser gefallen und, falls Ibn Asl ihn nicht wieder erwischt hat, von den Krokodilen gefressen worden.«
»Warum lässest du ihn bei mir? Du könntest ihn doch mitnehmen?«
»Nein; es fehlt mir an einem Reittiere. Du weißt ja, daß ich nur zwei Kamele in Hegasi stehen habe.«
»Wohin sagst du, daß du reiten wolltest?«
»Meiner Karawane wieder entgegen. Ich habe dieselbe verlassen, um dich zu warnen. Jetzt höre ich, daß du gerettet bist, und kann sie also wieder aufsuchen. Das ist ein Coup, welcher sicher von Erfolg sein wird. Ibn Asl wird unendlich ergrimmt darüber sein, daß ich ihm entkommen bin; er zieht unserer Karawane entgegen, um unsere Gefangenen zu befreien; wenn er nun hört, daß ich wieder bei derselben bin, wird er darüber ganz entzückt sein, denn dies giebt ihm die Hoffnung, mich abermals ergreifen zu können. Er wird dann also erst recht entschlossen sein, uns anzugreifen, und uns mit doppelter Sicherheit in die Falle gehen.«
»Du weißt aber noch nicht, wie du es anfangen wirst, ihn in die Falle zu locken.«
»Bis soeben wußte ich es noch nicht; nun aber ist mir ein Gedanke gekommen. Ich mache dem Scheik el Beled eine Bemerkung, auf welche hin Ibn Asl den Dschebel Arasch Qol ganz gewiß aufsuchen wird. Ich erzähle im folgendes: Ich habe das Leben meiner Gefangenen geschont, obgleich diese Halunken den Tod schon mehrfach verdient haben. Nach dem aber, was jetzt geschehen ist, kann ich nicht länger Milde walten lassen. Solches Ungeziefer muß ohne Erbarmen ausgerottet werden. Man hat mich zu Tode martern wollen; nun wohl, jeder Untergebene von Ibn Asl, der in meine Hände fällt, muß sterben, vor allen Dingen zunächst die Gefangenen, denen ich entgegen reite. Ich werde sie nach dem Dschebel Arasch Qol führen, um sie dort in den Maijeh el Humma werfen zu lassen. Wenn In Asl dies hört, wird er sich sofort dorthin wenden, um auf uns zu warten und sie zu retten. Meinst du nicht auch?«
»Ja, gewiß! Ich denke, daß diese Berechnung dich nicht trügen wird. Aber wie willst du ihn verleiten, dort eine Stellung einzunehmen, welche uns den Sieg sichert?«
»Das wird der Augenblick ergeben. Er ist eher dort als ich und wird die Oertlichkeit, falls er sie noch nicht kennen sollte, sehr sorgfältig in Augenschein nehmen. Hat er nur einigermaßen offene Augen, so wird er auf den Gedanken kommen, mir ganz dieselbe Falle zu stellen, in welcher ich ihn fangen will, das heißt, mich von hinten und von vorn anzugreifen, während ich mich auf dem engen Pfade zwischen dem Felsen und dem Wasser befinde. Glückt ihm dies, so bin ich seiner Ansicht nach verloren.«
»Und wirst du in diese Falle gehen?«
»Vielleicht ja, natürlich aber nur, um ihn mit hinein zu ziehen und drin zu verderben. Du fährst von Hegasi ab, hältst in gleicher Breite mit dem Dschebel Arasch Qol an, versteckst dein Schiff und lässest es unter der Bewachung nur weniger Leute zurück. Mit den übrigen Matrosen und Asakern marschierst du nach dem Maijeh el Humma, um dich am Südende desselben in dem erwähnten Hegelikwalde zu verstecken. Dort erwartest du, natürlich ohne dich sehen zu lassen, Ibn Asls Ankunft und auch die meinige. Es ist möglich, daß ich, bevor der Schlag ausgeführt wird, dich dort aufsuche, um dir noch nähere Mitteilungen zu machen. Sollte dies aber nicht der Fall sein, sollte ich nicht kommen, so ist das, was du zu thun hast, außerordentlich einfach. So bald du schießen hörst, kannst du annehmen, daß ich, von Norden kommend, mich ‚ auf dem engen Kampfplatze befinde und von Süden her von Ibn Asl angegriffen werde; natürlich befindet sich dieser mit seinen Leuten auf demselben engen Raume. Du brichst schnell aus dem Walde hervor, um ihm in den Rücken zu kommen. Gelingt das, so steckt er zwischen dir und mir fest, kann nicht ausweichen und muß entweder sich ergeben oder sich in den Maijeh drängen lassen, wo er unter der trügerischen Omm Sufah-Decke ein unerbittliches Grab finden wird.«
»Effendi, dieser Plan ist gut, ist ausgezeichnet! Dennoch aber habe ich ein sehr großes Bedenken; du hast nur zwanzig Mann bei dir!«
»Brauche ich mehr Leute, so hole ich sie mir von dir.«
»Wenn du Zeit dazu findest!«
»Mag sein! Dieses Bedenken ist allerdings nicht ganz unbegründet.«
»Das zweite auch! Ihr habt die Gefangenen zu bewachen. Wie viele Männer bleiben dir da zum Kampfe übrig? Und es ist sehr wahrscheinlich, daß Ibn Asl dich nicht nur von Süden her angreift, sondern dir im Norden der verhängnisvollen Stelle einen Hinterhalt legt. Du willst ihn zwischen zwei Feuern haben; er wird betreffs deiner ganz dasselbe beabsichtigen.«
»Davon bin ich schon, bevor du mir dies mitteiltest, überzeugt gewesen. Einen Hinterhalt wird er mir natürlich legen, zumal er mehr als ausreichend Zeit dazu hat; aber da ich dies weiß, liegt in diesem Umstande gar keine Gefahr für mich. Weiß man, daß an einer gewissen Stelle eine Mine liegt, so geht man entweder nicht hin oder sorgt dafür, daß sie vorzeitig zur Explosion gelangt. Dann kann sie keinen Schaden machen. Da ich aber allerdings viel weniger Leute als du bei mir habe und von diesen die Gefangenen zu bewachen sind, so kannst du mir ja zwanzig Mann zu Hilfe senden.«
»Und wohin schicke ich sie, damit sie dich auch sicher treffen?«
»Die Leute dürfen vom Feinde nicht gesehen, müssen aber von mir leicht gefunden werden können. Mit ist eine Stelle bekannt, welche sich außerordentlich gut für unsern Zweck eignen würde. Ich habe einst an derselben gelagert. Das war an der Nordseite des Dschebel Arasch Qol. Es führt ein sehr schmales, trockenes Regenbett in den Berg hinein. Ist man fünf Minuten lang aufwärts gegangen, so erweitert sich dieses Bett zu einem kleinen Kessel, welcher mit dichten Büschen angefüllt ist.«
»Das ist ein Kittr-Gesträuch.«
»Ah, du kennst den Ort?«
»Ja. Ich bin einmal diesem Regenbette gefolgt, weil ich nach Trinkwasser suchte.«
»Es giebt keines dort, da der Regen sofort ab- und in den Maijeh fließt. Was von dem Wasser in dem Kessel zurückbleibt, wird schnell faulig und ungenießbar und dient nur zur Erhaltung der Kittrsträucher. Es ist mir sehr lieb, daß du das Regenbett kennst, da auf diese Weise ein Versehen ausgeschlossen ist. Sende mir die zwanzig Mann dorthin!«
»Wann sollen sie dort sein?«
»Es ist nicht gut, wenn sie sehr lange vor meiner Ankunft dort eintreffen. In diesem Falle könnten sie von Ibn Asl leicht entdeckt werden. Stimmt meine Berechnung, so stoße ich schon heute auf unsere Karawane – —
»Das ist unmöglich, denn sie hat fünf Tagereisen zu machen, und heute ist erst der dritte Tag.«
»Bedenke, daß dieser Oram entflohen ist, welcher gestern abend Ibn Asl das Geschehene meldete. Unsere Asaker müssen sich sagen, daß er jedenfalls. zu Ibn Asl ist; infolgedessen werden sie sich beeilen und wohl nur vier Tage brauchen, anstatt fünf. Heute abend sind sie also eine Tagereise weit von hier, und da ich bis dahin wenigstens auch einen vollen Tagesritt zurücklege, werde ich sie sehr wahrscheinlich in dieser Entfernung von hier und um diese Zeit treffen. Morgen früh brechen wir dann nach dem Dschebel Arasch Qol auf, doch reite ich nicht ganz bis zu ihm, sondern mache Nachtlager, ehe wir ihn erreichen. Ich will den Ueberfall natürlich nicht des Nachts haben, sondern ihn für übermorgen früh aufsparen. Vielleicht suche ich dich während der Nacht auf. Jedenfalls aber kannst du, wenn ich bis eine Stunde nach Mitternacht nicht bei dir bin, die zwanzig Mann absenden. Sie können um den Maijeh marschieren und sich in dem Kessel des Regenbettes verstecken, wo ich sie dann treffen werde. Ich lasse, wenn ich ankomme, dreimal das tiefe Gelächter einer Hyäne hören. Dies wiederhole ich, indem ich am Waldesrande hinschreite. Der Posten, welcher dies zuerst hört, kann zu mir kommen, um mich zu dir zu führen. Jetzt bin ich mit meiner Unterweisung zu Ende.«
»So will ich jetzt nach Hegasi aufbrechen. Vorher aber, Effendi, muß ich dir danken für das, was – —«
»Jetzt nichts davon, Emir! Willst du mir über deine Rettung je eine lange Rede halten, so habe ich nichts dawider, aber ich bitte dich, dies später zu thun. Jetzt haben wir keine Zeit dazu.«
»Nun wohl, ich gehe, doch wird die Rede, von welcher du sprichst, dir keinesfalls erspart bleiben. Ich will hoffen, daß unser nächstes Wiedersehen ein fröhliches und siegreiches sein möge!«
Er gab mir und Ben Nil die Hand und ging. Wir warteten, bis wir annehmen konnten, daß er in Hegasi angekommen sei; dann stiegen wir in das Boot und ruderten uns zum gegenüberliegenden Ufer. Dort wurde das Boot im Schilfe versteckt, und wir gingen soweit abwärts, bis wir Hegasi drüben liegen sahen.
Wir hielten uns so, daß wir von dort aus nicht gesehen werden konnten. Der »Falke« lag noch an der Mischrah; aber als wir ungefähr eine halbe Stunde gewartet hatten, wurden die Segel aufgezogen, er steuerte hinaus auf die Höhe des Flusses und richtete den Bug nach Norden. Wir kehrten nach unserem Boote zurück, warteten noch eine Viertelstunde und ruderten uns dann nach der Mitte des Niles. Dort richteten wir den Mast auf und öffneten das Segel. Der Wind war nicht günstig; wir lavierten also langsam auf Hegasi zu.
Ben Nil war Zeuge unsers Gespräches gewesen, und so waren für ihn, da er alles gehört hatte, nicht noch erst besondere Verhaltungsmaßregeln nötig. Er brannte, ganz ebenso wie ich, vor Verlangen, die Scharte, welche man uns gestern geschlagen hatte, auszuwetzen. Die Hauptsache war jetzt, daß wir den Scheik el Beled daheim trafen. In dieser Beziehung konnten wir es nicht besser treffen, denn als wir uns der Mischrah näherten, sahen wir ihn unten am Wasser stehen und neugierig nach uns ausschauen. Wir ließen das Segel fallen, brachten uns mit einigen Ruderschlägen an das Ufer, stiegen aus und befestigten das Boot. Er kam sogleich auf uns zu und sagte im freundlichsten Tone:
»Sallam aaleikum! Wie kommt es, daß ihr zurückkehrt? Ich glaubte, ihr wolltet mit der »Eidechse« nach Faschodah fahren. Eure Kamele konntet ihr ja später bei der Rückkehr mitnehmen.«
»Ich danke! Nach Faschodah hat man von hier aus fast zehn Tage zu fahren. Eine so lange Abwesenheit konnten wir nicht beabsichtigen. Beinahe aber wären wir zu einer solchen, ja zu einer noch viel längeren gezwungen worden.«
»Wieso?«
Er gab sich Mühe, ein möglichst unbefangenes Gesicht zu zeigen, konnte aber die außerordentliche Spannung, in welcher er sich befand, nicht ganz beherrschen.
»Ich werde es dir sagen,« antwortete ich. »Aber komm mit uns ein wenig auf die Seite! Es ist sehr Wichtiges geschehen, was wir nur dir allein erzählen möchten.«
»Du erfüllst meine Seele mit Wißbegierde, Herr,« meinte er, indem er uns seitwärts folgte. »Was kann hier in diesem kleinen Hegasi so sehr Wichtiges geschehen!«
»Du wirst dich wundern, wenn du es hörst. Kanntest du den Mann, welchem du die Pferde borgtest?«
»Näher nicht. Er sagte, daß er zur »Eidechse« gehöre, weiche an der Dschesireh Hassanieh lag.«
»weiß du, was das für ein Schiff ist?«
»Ein Handelsschiff aus Berber, sagte mir der Mann.«
»Hast du ihn nicht gefragt, wie der Besitzer desselben heißt?«
»Warum sollte ich fragen? Was ging mich das Schiff an? Ich bin weder Kapitän noch Wächter eines Hafens. Warum sollte ich mein Gedächtnis mit den Namen aller hier vorüberkommenden Schiffe und ihrer Herren belästigen?«
»Du hat recht. Aber ich bedaure, daß du dies nicht thust, denn du hättest uns jedenfalls gewarnt und wir wären nicht in die Gefahr gekommen, unser Leben zu verlieren.«
»Euer Leben?« fragte er, indem er sich sehr erschrocken stellte. »Allah‘l Allah! Habt ich euch in einer solchen Gefahr befunden?«
»Allerdings, denn wisse, daß diese »Eidechse« das Schiff des größten Verbrechers und Sklavenräubers ist, den es nur geben kann. Kannst du dir denken, wen ich meine?«
»Ich weiß nicht, ob ich es zu erraten vermag. Für den schlimmsten aller Sklavenräuber halte ich Ibn Asl, den Allah verdammen möge; aber dieser kann es doch nicht wagen, sich hier sehen zu lassen!«
»Er hat es gewagt.«
»Wirklich, wirklich? Allah! Hätte ich das gewußt, so hätte ich alle Männer und Jünglinge von Hegasi aufgeboten, ihn zu ergreifen und dem Reïs Effendina auszuliefern.«
»Kennst du den Reh des Vizekönigs?«
»Natürlich kenne ich ihn. Es ist kaum eine Stunde her, daß ich mit ihm gesprochen habe.«
»So war er da?« fragte ich, indem ich mich überrascht stellte.
»Heute, hier! Gestern ist er an der Hassanieh gewesen.«
»Als wir schon fort waren! Allah sei Lob und Preis gesagt! So ist es mir also gelungen, ihn zu retten! Ich glaubte nicht, daß er so unvorsichtig sein werde, zu kommen. Man wollte ihn in das Verderben locken.«
»Herr, du erschreckst meine Adern und meine Gebeine! Das Blut will mir erstarren! Den Reïs Effendina, dem Allah tausend Gnaden erweisen möge, in das Verderben locken! Wer denn, wer?«
»Ibn Asl.«
»Ist‘s möglich? Die Zunge will mir den Dienst versagen! Erzähle doch, Herr, erzähle!«
»So will ich dich vorher fragen, ob du mich vielleicht kennst?«
»Nein. Ich habe dich noch nie gesehen und weiß auch nicht, wie du heißest.«
»Ich bin ein Effendi aus dem Lande der Christen und ein Freund des Reïs Effendina, welchen ich – —«
»Allah, Allah, Allah!« unterbrach er mich im Tone unbeherrschten Erstaunens oder vielmehr Erschreckens. »So bist du also der fremde Effendi, welcher schon so viele Sklaven befreit hat und – —«
Er hielt inne. Er erkannte, daß er zu weit gegangen sei und zu viel gesagt habe, denn er durfte doch eigentlich gar nichts von mir wissen. Ich that, als ob ich dies gar nicht bemerkte, und sagte:
»So hast du also schon von mir gehört? Das freut mich, denn nun brauche ich dir keine so lange Rede zu halten, wie es sonst wohl nötig gewesen wäre. Du weißt also, daß ich dem Emir ein wenig behilflich bin, seine Aufgabe zu erfüllen?«
»Ein wenig nur? Effendi, ich weiß, daß du erreicht hast, was der Emir nicht fertig gebracht hätte.«
»Nun, dann kannst du dir denken, daß Ibn Asl eine große Rache gegen mich hat.«
»Eine außerordentliche! Ich glaube, er haßt dich noch weit mehr, als den Reïs Effendina selbst.«
»Das ist wahr; ich habe es einige Male erfahren und gestern wieder. Ich muß es dir erzählen.«
Ich berichtete ihm von den früheren Ereignissen soviel, wie ich für nötig hielt, das gestrige Erlebnis aber auf das ausführlichste. Nur, daß ich den Emir getroffen hatte, das erwähnte ich natürlich nicht. Er spielte sich als den Ahnungslosen und also außerordentlich Erstaunten auf und rief, als ich geendet hatte, aus:
»O Allah, o Prophet der Propheten! Sollte man solche Dinge für möglich halten! Effendi, du bist ein Christ; aber Allah muß dir trotzdem unendlich gewogen sein, sonst wäre es dir nicht gelungen, den Händen dieser blutdürstigen Hyänen zu entschlüpfen! Aber wo ist denn dieser Abu en Nil? Du hast ihn nicht mit, und doch sagst du, daß er mit auf dem Deck gestanden habe.«
»Er ist beim Hinabklettern in den Nil gestürzt. Wir konnten uns nicht um ihn kümmern. Wenn die Schurken ihn nicht herausgefischt haben, so ist er von den Krokodilen gefressen worden.«
»Welch ein Unglück! Und ihr seid jetzt eben erst hier angekommen?«
»Ja. Wir wären früher da gewesen, wenn wir nicht die Zeit damit versäumt hätten, daß wir den Reïs Effendina suchten. Wir glaubten natürlich, daß er die »Eidechse« verfolgen werde.«
»Verfolgen? Warum hätte er auf diesen Gedanken kommen können? Er hat die »Eidechse« gar nicht im Verdachte gehabt. Er glaubt, daß er in Chartum von Ibn Asl geäfft worden ist. Dieser hat ihn durch eine falsche Nachricht von dort fortgelockt, höchst wahrscheinlich um Zeit und Raum zu einem guten Geschäft zu gewinnen.«
»Wer sagte dir das?«
»Der Emir selbst.«
»Wo ist er jetzt?«
»Nach Chartum zurück.«
»Das ist mir höchst unlieb. Er hätte das Boot hier, welches ich erbeutet habe, mitnehmen können. Was thue ich mit demselben?«
»Es fragt sich, was du überhaupt zu thun entschlossen bist. Wenn du nach Chartum willst, so kannst du das nächste Schiff, welches dorthin geht, besteigen und das Boot hinten anhängen.«
»Das geht nicht. Nach Chartum kann ich nicht. Du vergissest, daß meine Asaker mit den Gefangenen nach hier unterwegs sind. Ihnen will ich entgegen.«
»So kannst du das Boot hier lassen. Ich will es nach Chartum senden. Ich hoffe, daß du mich für den Mann hältst, dem du es anvertrauen kannst!«
»Was das betrifft, so habe ich keine Bedenken. Du bist die Obrigkeit, der Gebieter von Hegasi. Ich würde dir gern ein Vermögen von vielen Tausenden anvertrauen. Ich will es dir also übergeben. Aber du brauchst es nicht nach Chartum zu senden. Laß es liegen, bis der Reïs Effendina wiederkommt; da wird er es mitnehmen.«
»Kommt er bald wieder?«
»Das weiß ich nicht. Er hat nicht davon gesprochen. Er hätte wohl alle Ursache dazu. Er könnte Ibn Asl verfolgen, der jedenfalls nun unterwegs nach Faschodah und noch weiter hinauf ist. Der macht jedenfalls schleunigst, daß er uns aus den Augen kommt. Er wird wohl hinauf nach dem Bahr ed Dschebel oder dem Bahr es Seraf gehen, um Sklaven zu fangen. Es wäre zu langweilig und zu beschwerlich, ihm zu folgen; aber wenn er zurückkehrt, werden wir ihm auflauern, ihm die geraubten Sklaven abnehmen und die Schlußrechnung mit ihm halten. Dann soll es ihm genau so ergehen, wie es jetzt seinem Vater Abd Asl ergehen wird!«
»Wie? Was steht denn diesem bevor?«
»Der Tod. Ich hätte die Schufte alle sofort niederschießen lassen sollen, ganz so, wie der Emir es im Wadi el Berd mit ihren Genossen gethan hat. Ich war zu gütig; ich schonte sie und wollte sie ihm allerdings ausliefern. Aber ich bin anderer Meinung geworden und habe vom Reïs Effendina Gewalt über Leben und Tod.«
»Hat er dir solche Vollmachten geben dürfen, die sonst nur vom Khedive zu erlangen sind?«
»Ja. Er hat von dem Khedive die Erlaubnis erhalten, seine Rechte, wenn er es für nötig hält, für einige Zeit an andere abzutreten. Nur auf diese Weise werden Zeitverluste und sonstige Weiterungen vermieden; nur dadurch wird der Zweck erreicht, den Sklavenräubern ein schnelles Ende mit Schrecken zu bereiten. Ich habe von diesem überkommenen Rechte noch nicht Gebrauch gemacht und werde es nun zum erstenmale thun.«
»Du handelst richtig und bist nur zu loben, daß du es thust, aber bedenke auch die Verantwortung, welche du dann zu tragen hast!«
»Pah! Verantwortlich bin ich auch für alle Schandthaten, welche von diesen Kerls noch begangen würden, falls ich sie entkommen ließe. Hast du vielleicht Mitleid mit ihnen?«
»Effendi, welche Frage! Je schneller sie ausgerottet werden, desto mehr werde ich mich darüber freuen. Ich wollte, ich könnte euch dazu behilflich sein!«
»Das kannst du leider nicht. Bedenke, was diese Menschen sich vorgenommen hatten! Sie wollten meine Asaker erschießen und mich langsam totmartern. Ich habe sie trotzdem geschont. Nun aber, da ich nur mit großer Not dem qualvollsten Tode entgangen bin, wäre ich geradezu ein Selbstmörder, wenn ich nicht die äußerste Strenge und Rücksichtslosigkeit walten ließe.«
»Willst du vielleicht hier in Hegasi Gericht über sie halten?«
»Nein; sie werden Hegasi gar nicht zu sehen bekommen.«
»Wo? Effendi, halte es nicht für eine gewöhnliche Neugierde, daß ich dich frage. Meine Seele ist so entrüstet über die Thaten dieser Verbrecher, daß ich zu gern genau wissen möchte, ob die Strafe sie auch wirklich ereilt.«
»Ich erkenne deine Gerechtigkeitsliebe an und habe keinen Grund, dir aus dem, was ich beabsichtige, ein Geheimnis zu machen. Kennst du den Dschebel Arasch Qol?«
»Wie sollte ich diesen nicht kennen! Ich bin schon sehr viele Male dort gewesen.«
»Auch den Maijeh el Humma, an welchem er liegt?«
»Auch diesen.«
»Hat der Maijeh viele Krokodile?«
»Unzählige! Ganz besonders wimmelt der Busen, weicher sich tief in den Berg hineindrängt, von ihnen.«
»Nicht wahr, um diesen Busen führt ein nur sehr schmaler Weg?«
»Ja. Auf der einen Seite steigen die Wände des Berges gerade in die Höhe, und auf der andern breitet sich auf dem Wasser schwimmende Omm Sufah aus, unter weicher die Krokodile in Massen wohnen. Der Weg ist wegen der Felsbrocken, welche auf ihm liegen, für Kamele kaum gangbar. Wer da nicht herunter- und den Krokodilen in den Rachen fallen will, muß absteigen und sein Tier langsam und vorsichtig hinter sich herführen.«
»Das weiß ich. Es giebt keinen Ort, der besser für meine Absicht paßt, als dieser Busen des Fiebersumpfes.«
Der Scheik el Beled erschrak; das war ihm anzusehen.
»Dort, also dort willst du deine Rache halten? 0, Effendi, das wird ja entsetzlich, fürchterlich sein!«
»Jeder erntet, was und wie er gesäet hat. Und gar so entsetzlich, wie du meinst, ist es nicht. Mir sollten die Nägel von den Fingern gerissen werden; dann wollte man jedes Glied meines Körpers einzeln, nach und nach abschneiden; ich aber will diese Leute einfach in die Omm Sufah werfen, wo sie in wenigen Augenblicken von den Krokodilen verschlungen werden. Welcher ist fürchterlicher, ihr Tod oder derjenige, den ich sterben sollte?«
»Der deinige, Effendi. Aber wann wird das geschehen, Effendi?«
»Uebermorgen früh, eine Stunde nach dem Gebete der Morgenröte werden wir den Dschebel Arasch Qol und den Maijeh des Fiebers erreichen.«