Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi II», sayfa 12
Die drei Kerls hatten aus Leibeskräften gebrüllt. Jetzt lagen sie lautlos da. Unten antwortete man. Es schrie, wer schreien konnte. Natürlich eilte man herbei; in wenigen Augenblicken konnte es zu spät für mich sein. Gleich nach dem letzten Kolbenhiebe wendete ich mich um. Der alte Abu en Nil war weg. Ein Sprung nach der Brüstung, hinauf, hinüber, das Tau fassen, hinunter ins Boot, das Messer ziehen und das Tau zerschneiden – da erklang oben die brüllende Stimme Asls:
»Wo sind sie? Sucht, sucht! Sie haben uns diese drei erschlagen. Ich sehe sie nicht. Sie werden in der Kajüte stecken, die Hunde. Greift sie; schnell, schnell!«
Schon hatte ich das Boot vom Schiffe abgedrängt und das Steuer ergriffen. Die Ruder lagen da.
»Setzt euch!« gebot ich mit leiser Stimme. »Ibn Asl ahnt nicht, wo wir sind. Nur erst aus dem Bereiche seiner Augen; dann mag er meinetwegen schießen. Nehmt die Ruder. Macht aber leise und im Takt!«
Sie gehorchten. Die Spitze des Bootes richtete sich im rechten Winkel vom Schiffe ab. Ich durfte nicht anders steuern; ich mußte in dem tiefen Schatten bleiben, welchen der Noquer auf das Wasser warf. Als wir uns in guter Entfernung befanden, ließ ich halten. Kein Mensch befand sich mehr am Ufer. Alle, alle waren an Bord geeilt, um nach uns zu suchen. Das gab ein Schreien und Brüllen, daß ein einzelnes Wort gar nicht verstanden werden konnte. Jedenfalls hatte man den Wächter gefunden, uns aber nicht. Dann trat eine plötzliche Stille ein. Unser vollständiges Verschwinden war ihnen unerklärlich. Sie berieten, wie es schien, denn während sie vorher bunt durcheinander gerannt waren, standen sie jetzt ruhig beieinander. Wir waren nur ungefähr dreißig Bootslängen von ihnen entfernt und konnten ihre Gestalten sehen.
»Jetzt kannst du die Stimme des Affen nachahmen,« meinte der Steuermann. »Wir sind frei.«
»Ich werde auf diese Nachahmung verzichten,« antwortete ich, »und direkt mit Ibn Asl reden.«
»Da hören sie, wo wir uns befinden. Viele seiner Leute haben die Gewehre in den Händen. Es ist zwar dunkel, aber wenn sie schießen, können wir aus Zufall doch getroffen werden.«
»Ich führe sie irre, und das wird dir Spaß machen.«
Mich nicht gegen das Schiff, sondern wasseraufwärts wendend, hielt ich die hohlen Hände an den Mund und rief durch dieses Sprachrohr, indem ich die Silben langsam ausdehnte: »Ibn Asl, Ibn Asl, komm, hole uns!«
Der hohe und dichte Wald, welcher das Wasser einfaßte, machte, daß es so klang, als ob die Worte weit oben im Maijeh gerufen worden seien. Meine Stimme war deutlich zu erkennen.
»Das ist er, der Hund, der Hundesohn!« schrie Ibn Asl. »Da droben sind sie, auf dem Wasser! Sie müssen unser Boot haben!«
Wir bemerkten, daß man sogleich nach dem Boote sah.
»Ja, wir haben es!« antwortete ich in derselben Weise. »Jetzt laß mich doch einmal singen!«
»Hört ihr‘s, hört ihr‘s!« brüllte er wütend. »Sie sind mit dem Boote fort. Da oben, vielleicht achtzig Schritte von hier. Schießt, schießt, ihr Männer!«
Viele Schüsse krachten westwärts, während wir uns in südlicher Richtung befanden. Auf die gegebene Oertlichkeit rechnend, wendete ich jetzt das Gesicht nach Osten, lachte so schallend wie möglich auf und fügte hinzu:
»Fehlgeschossen! Wo sucht ihr uns denn?«
Das klang von der entgegengesetzten Seite her. Alle drehten sich um, und Ibn Asl gebot:
»Nicht da oben, sondern dort unten sind sie. Schießt dorthin, dorthin!«
Man gehorchte ihm, natürlich ohne allen Erfolg. Ich wendete mich wieder nach der vorigen Richtung und ließ ein möglichst höhnisches Gelächter hören. Sofort wendeten sie sich wieder um.
»Er hat den Teufel!« schrie Ibn Asl. «Ich hab‘s gewußt, daß er den Teufel hat! Nun ist er wieder dort oben!«
Meine Absicht, sie irre zu führen, war geglückt, und wir konnten nun ohne Sorge vor ihren Kugeln die Flucht fortsetzen. Das war nicht etwa etwas ganz Leichtes. Keiner von uns kannte den Maijeh. Wo befand sich der Eingang desselben, welcher, wie wir gehört hatten, durch Pflanzenwuchs maskiert war? Ich hatte keine Ahnung davon, und den beiden andern ging es ebenso. Wir konnten uns nur die ungefähre Richtung denken.
Dazu kam, daß diese stehenden Flußarme gewöhnlich von Krokodilen, weiter südwärts auch mit Nilpferden bevölkert sind. Der Maijeh es Saratin lag am linken Nilufer; das war alles, was wir wußten. Glücklicherweise kannte Abu en Nil den Fluß sehr genau. Ich fragte ihn:
»Welche Richtung hat der Nil oberhalb des Dorfes Qaua?«
»Er fließt nach Nordnordwest.«
»So wollen wir versuchen, ihn zu finden. Rudert langsam.«
Ich hielt noch mehr von dem Schiffe ab, fast bis an das andere Ufer hinüber, und wendete dann nach links. Wir sahen die Sterne über uns. Der Himmel bildete einen schmalen Streifen, welchem wir zu folgen hatten. Dieser Streifen wurde immer schmäler, bis er vor uns zu Ende ging. Das Laubdach des Waldes nahm uns auf.
»Zieht die Ruder ein!« riet ich. »Wir müssen in der Nähe des Einganges sein. Vielleicht giebt es eine wenn auch nur geringe Strömung da. Wir wollen das Boot treiben lassen.«
»Das ist gefährlich,« warnte der Steuermann. »Wenn wir anstoßen und kentern, werden wir von den Krokodilen gefressen.«
»Wir werden nicht anstoßen.«
Ich zog das Feuerzeug, brannte eine Fackel an und gab sie Ben Nil, um sie am Vorderteile des Bootes zu befestigen. Ob Ibn Asl das Licht sah, das mußte uns gleichgültig sein.
Beim Scheine der Fackel bemerkten wir, daß wir uns unter Sunutbäumen befanden, welche, wie wir mit dem Ruder maßen, gegen zwei Ellen unter Wasser standen. Das war der Eingang zum Maijeh natürlich nicht. Wir legten an einem Stamm an, und ich warf einige Blätter in das Wasser. Sie bewegten sich; sie wurden fortgeführt. Wir folgten langsam nach, links ab von der bisher eingehaltenen Richtung. Da wurde das Wasser tiefer, so tief, daß wir den Grund selbst mit unserm Maste nicht erreichen konnten. Es bewegte sich auch schneller, aber kreisförmig.
»Wir fahren irre,« behauptete Ben Nil. »Wir müssen zurück.«
»Nein,« widersprach sein Großvater. »Wir sind richtig. Das Wasser läuft hier im Kreise, weil in der Nähe der Nil vorübergeht. Er ist durch die Pflanzen verdeckt. Wir müssen hindurch.«
Hindurch! Ja, aber wo denn? Jedenfalls geradeaus. Zu beiden Seiten gab es Bäume. Das sahen wir.
Die Wipfel dieser Bäume waren von Schlingpflanzen durchwuchert, welche sich von Gipfel zu Gipfel zogen und eine bis in das Wasser niederhängende Pflanzenbrücke bildeten. Da, wo diese Brücke sich links von uns aus der Flut erhob, waren die Ranken derselben vielfach zerrissen. Auf diese Stelle deutend, sagte ich:
»Dort muß es sein. Dort sind von dem Noquer, als er hindurch geschoben wurde, die Pflanzen zerrissen worden. Nehmt die Ruder wieder. Wir wollen es wenigstens versuchen.«
Wir hielten auf die Stelle zu. Die Ranken hingen viel höher über uns, als es vorhin den Anschein gehabt hatte. Wir kamen ganz leicht hindurch, und plötzlich lag der Wald hinter uns, der offene Fluß vor uns und der mit Sternen übersäte Himmel über uns.
»Allah sei Dank!« seufzte der Steuermann. »Es wollte mir beinahe bange werden. Hätten wir den Ausgang nicht entdeckt, so wären wir vielleicht doch von In Asl aufgegriffen worden.«
»Unmöglich!« antwortete ich. »Hätten wir den Fluß nicht gefunden, so wären wir an das Ufer gegangen und es sollte Ibn Asl wohl schwer werden, uns da zu finden und gar zu fangen. So aber ist es doch noch besser. Wir sind frei und haben offene Fahrt zum Reïs Effendina.«
»Wo suchst du ihn? Meinst du, daß er sich noch unten an der Dschesireh Hassanieh befindet?«
»Um das zu wissen, müßte ich allwissend sein. Zunächst gilt es, möglichst schnell zu sein. Was haben wir für Luft?«
»Des Nachts hier meist aus Süd.«
Wir prüften den hier am Ufer nur leise fühlbaren Luftzug und fanden, daß er uns günstig war. Darum richteten wir den Mast auf und befestigten das Segel daran. Da der Steuermann der älteste von uns war und sich nicht so sehr anstrengen sollte, übergab ich ihm nun meinen bisherigen Platz und griff mit Ben Nil zu dem Ruder.
»Soll ich nach der Mitte des Stromes halten?« fragte der Alte.
»Nicht ganz.«
»Warum nicht? Wir haben dort ja vollern Wind.«
»Das ist wahr; aber wir könnten da den Reïs Effendina verfehlen.«
»So meinst du also doch, daß er jetzt aufwärts kommt?«
»Nein; aber er kann irgendwo am Ufer liegen. Mag er sich befinden, wo er will, jedenfalls hält er scharfe Wache. Darum habe ich die Fackeln mitgenommen. Er soll uns bemerken und anrufen, damit wir nicht an ihm vorüberfahren.«
»So bitte ich dich, mich nach meinen Gedanken steuern zu lassen. Ich kenne die Bahn, welche die Schiffer einzuhalten pflegen, und auch diejenigen Stellen, wo man anlegen und den Fluß beobachten kann.«
Ich konnte nichts Klügeres thun, als ihm seinen Willen zu lassen. Hätte ich nur gewußt, wo der Reïs Effendina zu suchen war! Er hatte die Vögel ausgeflogen gefunden; er hatte jedenfalls mit den Leuten des Schiffes, welches angehalten worden war, gesprochen und da genug erfahren, um wissen zu können, in welcher Richtung er die Gesuchten finden könne. Ich nahm an, daß er mit seinen Asakern schleunigst nach Hegasi zurückgekehrt sei und dort seinen »Falken« bestiegen habe, um südwärts zu segeln. Traf dies zu, so mußten wir ihm entweder unterwegs begegnen oder er hatte beim Anbruche des Abends irgendwo angelegt, und zwar an einer Stelle, wo er jedes vorüberkommende Fahrzeug sehen konnte.
Unsere jetzige Nachtfahrt ging freilich schneller als die heutige Aufwärtsfahrt. Wir hatten drei Motoren, das Gefälle des Flusses, den Wind und die Ruder. Leider war das Boot sehr groß; mit einem kleinern wären wir noch viel rascher vorwärts gekommen. Dennoch war seit dem Augenblicke, an welchem wir den Maijeh verlassen hatten, noch nicht eine Stunde vergangen, als wir an die Helle Qaua gelangten. Dieses Dorf war damals das Regierungs-Depot am weißen Nile. Es lagen da ganz bedeutende Getreide- und andere Vorräte, und jedes südwärts segelnde Schiff versah sich da mit den noch notwendigen Bedürfnissen, welche von da an um so teurer werden, je weiter man nach Süden kommt.
Wir legten hier für kurze Zeit an, um uns bei dem Haris el Mischrah31 zu erkundigen, ob das Schiff des Reïs Effendina gesehen worden sei. Die Antwort war eine verneinende, und so segelten und ruderten wir weiter.
Eine Nacht auf dem Nile! Welch ein Sujet für einen Dichter! Mir aber war gar nicht sehr poetisch zu Mute. Ich hatte eine ganze Reihe von Nächten nur wenig geschlafen, war infolgedessen sehr abgespannt und mußte doch – rudern. Mit meinem Ben Nil war es nicht anders. Ich glaube, er ruderte zuweilen, ganz so wie ich, mit geschlossenen Augen, halb oder gar dreiviertel im Schlafe. Der alte Abu en Nil war ebenso einsilbig wie wir. Er hatte keine solchen Anstrengungen hinter sich, und so vermutete ich, daß seine Schweigsamkeit einen ganz besondern Grund haben müsse. Nach demselben befragt, antwortete er mir:
»Müde bin ich nicht im geringsten, Effendi. Die Sorge ist‘s, die mir die gute Laune raubt. Ich bin ein Flüchtling.«
»Ah, du hast Angst vor dem Reïs Effendina?«
»Natürlich! Ich wurde damals von ihm auf dem Sklavenschiffe ergriffen und wäre sicherlich sehr streng bestraft worden, wenn du mich nicht hättest entfliehen lassen. Und jetzt soll ich diesem strengen Herrn geradezu in die Hände segeln. Es wird mir schwer, die Bitte auszusprechen, aber, Effendi, gieb mich noch einmal frei! Erlaube mir, an der ersten, besten Stelle das Boot zu verlassen!«
»Willst du nicht wieder auf dein Schiff zurück?«
»Ehe ich es erreiche, bin ich gefangen.«
»Aber du bist einsam und mittellos. Du hast nichts bei dir. Was willst du anfangen?«
»Ben Nil, mein Enkel, wird ja bei mir sein!«
»Nein,« antwortete dieser. »Du bist der Vater meines Vaters, und es ist Allahs Gebot, daß ich dich achten und ehren soll. Das thue ich auch. Aber jetzt bin ich der Diener dieses meines Effendi, und nichts kann mich vermögen, ihn zu verlassen.«
»Sohn meines Sohnes, wer hätte das von dir gedacht! Willst du das Blut verleugnen, welches in deinen Adern fließt? Willst du gegen die Gesetze handeln, die in der Brust eines jeden Menschen vorhanden sind?«
»Nein. Die Liebe zu dir und die Treue für meinen Effendi lassen sich wohl miteinander vereinigen. Du brauchst das Boot nicht zu verlassen. Ich kenne den Effendi. Er wird dich in seinen Schutz nehmen.«
»Das kann er nicht!«
»Zweifle doch nicht daran! Er kann alles, was er will.«
»Wenigstens will ich nur das, was ich kann,« bemerkte ich. »Abu en Nil, du brauchst dich nicht zu fürchten. Der Reïs Effendina wird dir das Vergangene verzeihen.«
»O, Effendi, wenn das wahr wäre! Ich wollte ihm auf meinen Knieen dafür danken. Ich ‚bin kein so schlimmer Mensch, wie es den Anschein hatte!«
»Das weiß ich, und das wußte ich; darum ließ ich dich entkommen.«
»Und niemals wird man mich wieder an Bord eines Sklavenhändlers sehen!«
»Auch das glaube ich dir, und darum werde ich den Reïs Effendina bitten, dir das, was vergangen ist, zu vergeben.«
»Effendi, du träufelst Balsam in die Wunde, welche ich selbst meinem Gewissen geschlagen habe. Wenn der Reïs Effendina mir vergiebt, so kann auch ich selbst mir verzeihen. Dann habe ich nichts und niemand mehr zu fürchten, kann mich vor jedermann sehen lassen und auch in die Heimat gehen, ohne denken zu müssen, daß mich der Rächer wieder von den Meinen reißt.«
»Sei getrost! Ich sage dir, daß alles vergeben und vergessen sein wird.«
»Ich will dir glauben. Du hast mich schon damals gerettet und würdest mich nicht mit zum Reïs Effendina nehmen, wenn du nicht überzeugt wärest, daß es ohne Schaden für mich geschehen kann. Was aber soll ich ihm antworten, wenn er mich fragt, in welcher Weise ich damals die Flucht ergriffen habe?«
»Belüge ihn nicht, sondern sage ihm die Wahrheit!«
»Dann würde er dir sehr zürnen.«
»Das denke nicht. Uebrigens hat dein Enkel hier ihm einige gute Dienste geleistet, und so gebietet ihm die Dankbarkeit, dir die Bitte um Verzeihung zu erfüllen.«
Das beruhigte ihn vollends, und nun war das Schweigen gebrochen. Sein Herz war ihm leicht geworden, und darum wurde ihm auch die Zunge leicht. Er begann, mir seine Erlebnisse zu erzählen, und er hatte soviel erlebt, daß es uns um Stoff für die Unterhaltung während der einsamen Fahrt nicht bange zu sein brauchte.
Drittes Kapitel: Am Sumpf des Fiebers
Die angeregte Unterhaltung, welche wir während unserer nächtlichen Thalfahrt im Boote führten, that unserer Aufmerksamkeit keineswegs Abbruch. Wir paßten sehr gut auf, hielten auch einigemale an, wenn ein phantastischer Uferschatten die Gestalt eines Schiffes zeigte, sahen uns aber allemal getäuscht. Wir verbrannten nach und nach alle sechs Fackeln, die ich in das Boot geworfen hatte, und mußten endlich ohne Licht fahren. Gegen morgen wurde der Wind stärker und infolgedessen unsere Schnelligkeit größer. Natürlich hatten wir nicht ohne Unterbrechung gerudert, denn das wäre nicht auszuhalten gewesen. So oft wir uns in guter Strömung befanden, hatten wir ausgeruht.
Es war noch nicht fünf Uhr früh, als wir die Stelle erreichten, an welcher die »Eidechse« geankert hatte. Eine kleine Strecke weiter oben hatte Abu en Nils Schiff gelegen; es war fort. Wir stiegen am Lagerplatze aus, in der Hoffnung, jemand zu finden. Es war vergeblich. Nun hieß es, noch bis Hegasi zu segeln. Traf ich den Reïs Effendina auch dort nicht, so hatten wir ihn entweder heute nacht umgangen oder er war nach Chartum zurückgekehrt. In diesem Falle war ich in Beziehung auf die Sicherung unserer Karawane nur auf mich selbst angewiesen.
Als wir uns Hegasi näherten, glänzte uns ein kleines Licht entgegen. Die Sterne begannen bereits zu erbleichen, demnach sah ich, daß das Licht zu einem Schiffe gehörte, welches an der Mischrah lag. Ich erkannte den scharfen, eleganten Rumpf und die drei schiefen Masten. Es war der »Falke«, den wir suchten. Das Licht kam aus der Laterne, welche am Mittelmaste brannte. Wir hielten natürlich auf das Fahrzeug zu, demnach rief uns, noch bevor wir es erreicht hatten, vom Verdecke eine Stimme an:
»Boot, hier an der Seite anlegen!«
Zum Scherze gab ich dem Alten die Weisung, etwas abzufallen, als ob wir dem uns erteilten Befehle nicht gehorchen wollten. Wir nahmen also eine mehr seitwärtige Richtung; da aber rief der Mann:
»Halt, ich schieße!«
Zu gleicher Zeit ertönten die scharfen Klänge einer kleinen Glocke. Es war die Alarmglocke des »Falken«. Gab die Deckwache mit ihr das Zeichen, so standen gewiß binnen einer Minute alle Mannen, und wenn sie im tiefsten Schlafe gelegen hätten, gefechtsbereit. Ich durfte den Scherz nicht weiter treiben, denn ich wußte, daß man sonst auf uns geschossen hätte. Darum steuerten wir auf das Fahrzeug zu.
»An Backbord anlegen,« gebot die Wache, »und ruhig halten bleiben!«
Wir gehorchten diesem Befehle. Droben wurde es lebendig und nach sehr kurzer Zeit wurde herabgefragt:
»Wem gehört das Boot?«
Ich erkannte die Stimme des Reïs Effendina. Damit er mich nicht an der meinigen erkennen sollte, sagte ich Ben Nil die Antwort vor, welche er an meiner Stelle gab:
»Der Eidechse.«
Als er diese Antwort hörte, rief er in erregtem Tone.
»Steigt herauf, sofort herauf!«
Er hatte natürlich erfahren, daß das Schiff, welches kurz vor seiner Ankunft die Dschesireh Hassanieh verlassen hatte, die »Eidechse« gewesen war, und glaubte nun Aufschluß über dasselbe zu erhalten. Es waren eben mehrere Laternen angebrannt worden. Scherzhafterweise forderte ich den alten Steuermann auf, als der erste die Strickleiter, welche man herabgeworfen hatte, hinaufzusteigen.
Er gehorchte, ohne meine Absicht zu durchschauen. Als er oben ankam, hörte ich den Reïs Effendina rufen:
»Das ist der erste. Doch halt, dieses Gesicht müßte ich kennen! Wer ist denn das? Höre, Patron, wo haben wir uns denn schon gesehen?«
Abu en Nil war über diesen Empfang so erschrocken, daß er vergaß, eine Antwort zu geben.
»Wenn ich mich nicht irre, so ist dein Name Abu en Nil. Gestehe es sofort!«
»Ja, Effendi, ja!« gab der Steuermann angstvoll zu.
»War es nicht in Gizeh, wo wir uns sahen?«
»In Gizeh, ja, Effendi.«
»Nenne mich Emir! Du weißt von damals her recht gut, daß ich so genannt werde! Wenn ich mich nicht irre, so bist du der Steuermann der Dahabijeh es Semek, welche ich damals konfiszierte?«
»Ich bin es.«
»Ich nahm euch alle gefangen. Du aber entkamst mir wieder. Willkommen heute und hier! Ich freue mich, das damals Versäumte nachholen zu können. Bindet den Kerl, und schließt ihn in die Gefängniskoje.«
»Nein, nein, Emir, nicht binden!« rief der Alte. »Ich bin ja nicht dein Feind; ich bin freiwillig gekommen!«
»Freiwillig? Und doch hat euch meine Wache mit Schießen drohen müssen? Das ist eine Lüge. Wo ist dein Schiff, die Eidechse?«
»Im Maijeh es Saratin.«
»Den kenne ich nicht. Was macht sie dort?«
»Sie hat sich dort vor dir versteckt.«
»Also hat sie ein böses Gewissen! Was wollte sie an der Dschesireh Hassanieh?«
»Dich fangen.«
»Mich – – fangen – —?« rief er aus. »Beim Scheitan, du bist aufrichtig, im höchsten Grade aufrichtig! Wer ist der Reïs dieser Eidechse, die mich fangen will?«
»Sie hat keinen Reïs, denn ihr Herr, Ibn Asl, kommandiert sie selber.«
Dieser Name, so kurz er war, brachte eine bedeutende Wirkung hervor.
»Ibn Asl, Ibn Asl!« klang es laut von allen Lippen, und auch der Reïs Effendina gab seinem Erstaunen Ausdruck.
»Höre ich recht? Ibn Asl sagst du? Der berüchtigte Sklavenräuber befindet sich also auf der Eidechse? So geht mir jetzt ein Licht auf. Dieser Hundesohn hat mir eine Falle legen wollen. Ist es so? Gestehe es augenblicklich!«
»Ja, Emir, du hast es erraten. Du solltest samt deinem Schiffe mit Petroleum verbrannt werden.«
»Allah kerihm – Gott ist gnädig! Er gab mir den Gedanken des Mißtrauens ein. Wie gut, wie gut, daß ich den Landweg einschlugt Darum also die Fässer! Ich werde augenblicklich aufbrechen, und du sollst mich nach dem Maijeh es Saratin führen! Mich verbrennen, mich und mein Schiff, also alle meine Leute! Als Vorgeschmack dessen, was dich erwartet, werde ich dir jetzt einstweilen die Bastonnade geben lassen. Binde ihm die Füße zusammen, Aziz, und gieb ihm zwanzig Hiebe auf die Sohle!«
Aziz war sein Liebling, der junge Mann, welcher stets die Nilpferdpeitsche bei sich trug, immer bereit, die von seinem Herrn befohlenen Exekutionen zu vollführen. Abu en Nil kannte ihn von damals her nur zu gut. Er hob erschrocken beide Hände auf und schrie: »Nicht die Bastonnade, nicht schlagen, Emir; ich bin ja ganz und gar unschuldig!«
Jetzt eilte Ben Nil, sein Enkel, die Strickleiter hinauf, zu dem Emir hin und sagte: »Du darfst ihn nicht schlagen lassen! Er ist mein Großvater und hat dir keine Lüge gesagt.«
»Was, du hier, Ben Nil? Wie kommst du hierher und in die Gesellschaft eines Steuermannes der Sklavenjäger?«
»Das ist er nie gewesen. Einen Sklavenhändler hat er auf kurze Zeit gesteuert, aber keinen Sklavenjäger. Mein Effendi wird dir ganz dasselbe sagen.«
»Wo ist er denn, dein Effendi?«
»Kommt schon!« antwortete ich, indem ich über die Schanzbekleidung sprang. »Hier ist er.«
Ein allgemeiner Ruf freudiger Ueberraschung ließ sich hören. Der Emir trat einen Schritt zurück, starrte mich für einen Augenblick wie betroffen an, öffnete dann die Arme und kam mit den Worten auf mich zu: »Effendi, du hier, du? Welch eine Freude! Eingetroffen aus dem Lande der Fessarah! Komm an mein Herz; laß dich umarmen!«
Seine Freude war eine ebenso große wie aufrichtige; sie ehrte mich, weil sie mich beglückte. Sein Oberlieutenant und Lieutenant, der alte Onbaschi und viele der andern kamen herbei, um mir die Hände zu drücken.
Einer hatte bisher von fern gestanden; jetzt drängte er seine lange, dürre Gestalt mit den unendlichen Gliedern durch die Menge und jauchzte mir schon von weitem zu:
»Effendi, o Effendi, meine Seele ist ganz Wonne, und mein Herz springt vor Freude, daß mein Auge dich jetzt wieder sehen darf! Du hast mir gefehlt, wie ein geliebtes Weib ihrem Manne. Ohne dich ist mir das Leben dunkel gewesen wie eine zugedeckte Feueresse, in welche man von unten blickt und wie ein Stiefel, den man am falschen Fuße trägt. Kein Mensch hat sich um mich gekümmert; keiner hat auf meine Worte geachtet. Meine Tapferkeit ist dahingestorben und mein Heldenmut ist eingetrocknet wie ein Teerfleck auf dem Aermel meines Gewandes. Nun aber kommt neue Wonne über mich, und meine Vorzüge und Geschicklichkeiten werden wieder wachsen und in allen herrlichen Farben spielen wie die Blase der Seife, welche unter dem sanften Hauche des Mundes sich vergrößert.«
»Und dann zerplatzt!« fügte ich hinzu, indem ich ihm die Hand reichte und einen Schritt zurücktrat, denn er hatte eigentlich in höchst vertraulicher Weise seine ewig langen Arme um mich schlingen wollen. Ich glaube, sie hätten ausgereicht, sie mir nicht nur einmal, sondern zweimal um den Leib zu wickeln. »Wenn niemand auf dich geachtet hat, so bist jedenfalls nur du selbst schuld daran.«
Dieser lange Mensch war natürlich kein anderer als Selim, mein zweiter Diener, den ich bei dem Reïs Effendina gelassen und nicht mit zu den Fessarah genommen hatte, weil er alles verkehrt zu machen und mich aus einer Fatalität in die andere zu bringen pflegte. Er antwortete auf meine letzten Worte:
»Effendi, da verkennst du mich, wie so oft. Ich habe redlich teil an allen ihren Sorgen und Leiden genommen, bin ihnen in allem als leuchtendes Beispiel vorangegangen und habe ihnen ein Muster gegeben, welches sie freilich während ihres ganzen Lebens nicht erreichen können.«
»Im Essen, ja!« rief einer. »Sonst aber hat er weiter nichts gemacht. Essen, trinken, rauchen, schlafen und prahlen!«
»Schweig!« donnerte ihn der Lange an. »Dein Mund ist eine Quelle, aus welcher ungenießbares Wasser fließt. Effendi, du hättest mich zum Beispiele nur gestern sehen sollen, als wir nach der Dschesireh Hassanieh zogen, um die Sklavenjäger zu fangen! Meine Gestalt ragte über alle empor, und in meinem Herzen brannte die Glut einer Kampfbegierde, welcher kein Mensch widerstehen konnte. Als das die Sklavenjäger sahen, liefen sie auf und davon; wir trafen sie nicht mehr an, und ihr Schiff war fort. Das hat der Emir ganz allein meiner siegreichen Anwesenheit zu verdanken.«
»Fange nicht gleich jetzt beim ersten Zusammentreffen an, schon wieder aufzuschneiden!« warnte ich ihn. »Wir haben andere Dinge zu hören, als das oft gehörte Lob eines Ruhmes, den du gar nicht besitzest.«
»Das ist wahr,« stimmte der Emir bei. »Es müssen wichtige Dinge geschehen sein, daß du nach Hegasi anstatt nach Chartum kommst. Warum finde ich dich in der Gesellschaft eines Steuermannes der Sklavenhändler? Und wo hat du deine Asaker?«
»Sie sind noch zurück und werden dir eine Schar Sklavenjäger von Ibn Asl bringen, die ich gefangen habe.«
»Schon wieder hast du welche ergriffen? Und von Ibn Asl? Effendi, was bist du für ein glücklicher Mann! Ich habe seit dem Wadi el Berd nichts, gar nichts gefangen.«
»So freue dich, denn morgen wirst du, wenn mich nicht alles täuscht, Ibn Asl selbst in deine Hand bekommen.«
»Wirklich, wirklich? Wo befindet er sich?«
»Im Maijeh es Saratin, wie dir dieser Abu en Nil vorhin gesagt hat.«
»Wo liegt der Maijeh?«
»Oberhalb des Dorfes Qaua.«
»Da oben warst du? Wie ist das zu begreifen?«
»O, ich war gestern auch, bevor du kamst, in Hegasi und in der Dschesireh Hassanieh. Ibn Asl hatte mich gefangen genommen.«
»Gefang – —« das Wort blieb ihm im Munde stecken. »Effendi, scherzest du?«
»Nein.«
»Ich vermute dich in der westlichen Steppe, und du bist doch hier und schlägst dich mit Ibn Asl herum, den anzutreffen ich mir alle vergebliche Mühe gegeben habe!«
»Die Sache ist sehr einfach. Ich werde dir erzählen. Gebiete aber deinen Leuten, ruhig zu sein! Es ist für unsere Zwecke besser, wenn hier in Hegasi niemand erfährt, was hier geschieht und was wir beschließen werden, weil Ibn Asl hier Spione hat. Der hiesige Scheik el Beled zum Beispiel ist sein Verbündeter.«
»Kannst du das beweisen?«
»Ja. Er wußte es, daß Ibn Asl dir hier einen Hinterhalt legte; er ist ihm dabei sogar behilflich gewesen, denn er hat einem Sklavenjäger, welcher dir aufpassen sollte, ein Pferd zur Verfügung gestellt, damit deine Ankunft auf das schleunigste gemeldet werden könnte.«
»Das alles weißt du! Ich sterbe vor Begierde, deine Erzählung zu hören. Komme mit in die Kajüte. Diesen alten Steuermann der Sklavenhändler aber wollen wir binden und in das Gefängnis stecken.«
»Nein, Emir! Er ist ein guter und ehrlicher Mann, den ich deinem Wohlwollen empfehle. Ich werde dir auch das erklären. Laß ihn bei Ben Nil, seinem Enkel, und befiehl, daß man beiden zu essen und zu trinken gebe. Wir haben seit gestern nichts genossen.«
»So hast auch du Hunger? Komm, du sollst haben, was dein Herz begehrt!«
Als ich noch dafür gesorgt hatte, daß alle Lichter außer der Mastlaterne ausgelöscht wurden, gingen wir in seine prächtig eingerichtete Kajüte. Aziz, sein Liebling, bediente uns dort. Es wurde aufgetragen, was die Vorräte zu bieten vermochten. Auch einige Flaschen Wein waren dabei, denn der Emir hatte sich von dem Verbote des Rebensaftes emanzipiert. Während des Essens erzählte ich, und es läßt sich denken, daß der Emir Effendina mit der gespanntesten Aufmerksamkeit zuhörte. Er konnte nicht sitzen bleiben, lief erregt hin und her und unterbrach meinen Bericht oft durch die kräftigsten Ausrufeworte. Ich hatte keine Zeit, so ausführlich zu sein, wie ich es eigentlich gern gewesen wäre. Meine Erzählung hatte nicht mehr als fünf Minuten in Anspruch genommen. Als ich geendet hatte, wollte er ausführlichere Details erfahren; ich aber sagte:
»Nicht jetzt. Die Zeit ist kostbar. Wir, du, ich und Ben Nil, müssen fort, noch ehe es Tag geworden ist.«
»Wohin?«
»Wir steigen in das Boot, auf welchem ich gekommen bin, und fahren eine Strecke den Fluß hinauf. Da werde ich dir alles sagen. Ich habe einen Plan, zu dessen Ausführung es gehört, daß du sofort mit mir gehst. Eigentlich sollten wir niemand mitnehmen; aber da ich und Ben Nil zu ermüdet sind und ich auch von dir nicht verlangen kann, zu rudern, so mögen uns zwei deiner Matrosen begleiten.«
»Nun gut! Du bist außerordentlich geheimnisvoll; da ich aber weiß, daß du nichts ohne gute Gründe thust, so will ich mit dir gehen. Wärst du es nicht, der mich dazu auffordert, so würde ich es nicht thun, sondern glauben, daß man mich auf diese Weise Ibn Asl in die Hände spielen wollte.«
»Vertausche deine glänzende Uniform, wenigstens den Waffenrock, mit einem einfacheren Kleidungsstück. Je weniger man dich bei deiner Rückkehr bemerkt, desto leichter wird unser Plan gelingen.«
Er zog den Rock aus und an dessen Stelle einen dunkeln Burnus an; ich steckte für mich und Ben Nil einige Mundvorräte ein, welche ich vom Tische nahm. Dann brachen wir auf.
Im Osten zeigte sich das erste, fahle Morgenlicht, als wir mit unserm Boote von dem »Falken« abstießen. Zwei Matrosen ruderten. Ich saß neben Ben Nil, der Emir uns gegenüber. Es war leicht erklärlich, daß er sich in einer außerordentlichen Spannung befand. Ich ließ ihn nicht lange warten, sondern lieferte ihm, während wir am linken Nilufer langsam aufwärts glitten, den gewünschten ausführlichen Bericht. Jetzt konnte ich ohne Schaden für meinen Plan alle seine Fragen beantworten, und deren waren so viele und eingehende, daß, als er sich endlich befriedigt fühlte, wir an die Stelle gekommen waren, an welcher die »Eidechse« gehalten hatte. Dort legten wir an, stiegen aus und setzten uns unter einem Baume nieder. Den beiden Matrosen befahl ich, nun zu Lande nach Hegasi zurückzukehren und sich dabei möglichst wenig sehen zu lassen. Sei gingen; der Reïs Effendina aber fragte erstaunt:
»Du wirst immer rätselhafter. Kehren wir denn nicht im Boote zurück?«
»Ich und Ben Nil, ja, du aber nicht.«
»Warum? Soll auch ich laufen?«
»Ja. Den Grund will ich dir nachher mitteilen. Jetzt aber möchte ich zunächst von dir hören, welchen Gedanken du über diese Ereignisse hegst.«
»Zunächst bin ich ganz und gar Erstaunen. Effendi, du bist wirklich ein Mann – —«
»Still davon!« unterbrach ich ihn. »Was du von mir denkst, das ist jetzt Nebensache.«
»Aber wir alle haben dir unser Leben zu verdanken, und da kannst du doch nicht verlangen, daß – —«
»Daß du jetzt wenigstens einstweilen darüber schweigst? Ja, das verlange ich allerdings. Die Zeit ist so kostbar, daß wir uns nur mit dem Notwendigsten beschäftigen dürfen. Natürlich hast du die Absicht und auch die Hoffnung, Ibn Asl diesmal ganz gewiß zu ergreifen?«