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Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi II», sayfa 24

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»Gut, ich werde es übernehmen. Wo und wann bekomme ich den Brief?«

»Wo und wann du willst.«

»Wo wohnt der Arnaute?«

»Er bewohnt ein ganzes Haus neben der Kaserne. Willst du dir den Brief holen, oder soll ich ihn dir schicken?«

»Nicht holen. Ich darf mich am Tage nicht sehen lassen, kann also erst nach Einbruch der Dunkelheit kommen, und wenn ich da erst noch zu dir gehen müßte, würde mir eine Zeit verstreichen, die ich anders anzuwenden habe. Schicken aber auch nicht, da du einen Boten haben müßtest, welcher mich hier aufzusuchen hätte, wo ich verborgen bleiben will. Ich werde dir diesen meinen Hafid Sichar wieder mitgeben, dem du den Brief anvertrauen kannst.«

»Er soll ihn bekommen, und ich sende dir durch ihn auch einigen frischen Proviant, damit ihr essen könnt.«

»Bis wir die Stadt betreten dürfen, sind wir noch mit Proviant versehen. Nötiger wäre mir ein Anzug, welcher für meine Gestalt paßt. Ich bin dem Arnauten jedenfalls beschrieben worden, und dabei sind auch die Kleidungsstücke, welche ich trage, in Erwähnung gekommen. Er würde mich sofort erkennen, und darum muß ich mich anders kleiden. Auch meine Waffen darf ich nicht mitnehmen.«

»Es ist aber doch hier jedermann bewaffnet!«

»So sende mir eine alte, lange Flinte, ein altes Messer und eine alte Pistole! Für was ich mich ausgebe, weiß ich noch nicht, auf keinen Fall aber für einen reichen oder gar hochgestellten Mann. Darum müssen Anzug und Bewaffnung so einfach wie möglich sein.«

»Dein Wunsch soll erfüllt werden. Was aber thun die andern, während du in der Stadt bist?«

»Sie warten hier.«

»Warum. das? Sie mögen zu mir kommen. Am Abende ist es dunkel, so daß niemand sie sehen kann. Und vom Arnauten weg begiebst auch du dich sogleich zu mir.«

»Es soll aber doch verborgen bleiben, wer wir sind und was wir beabsichtigen. Ich gebe mich für einen Sklavenfänger aus und kann als solcher unmöglich bei dir wohnen.«

»Dein Bedenken ist hinfällig. Wir haben es jetzt zunächst nur mit dem Arnauten zu thun, mit dem du heute fertig wirst, worauf du keinen Grund mehr hast, dich zu verstecken. Nein, ihr werdet bei mir wohnen.

Ich freue mich darauf und sage dir, daß ich viel, sehr viel mit dir zu reden habe. Ich möchte mich bei dir nach den Verhältnissen und Einrichtungen des Abendlandes und nach vielem anderen erkundigen und mag dich also nicht hier im Walde stecken lassen. Uebrigens hast du den Gefangenen, diesen Hund von Baqquara bei dir. Warum sollst du dich mit ihm quälen? Du nimmst ihn mit, und während du bei eurer Ankunft sogleich zu dem Arnauten gehst, bringen ihn die andern zu mir. Ich lasse ihn einsperren, und sobald du dann erscheinst, will ich dir das Vergnügen machen, dabei zu sein, wenn er die ersten hundert bekommt.«

»Wie du willst, Mudir. Du bist hier der Gebieter, und ich thue, was du für richtig hältst. Wie aber kommen wir über das Wasser?«

»Ich werde, sobald es dunkel ist, zwei verschwiegene Diener an das Ufer postieren; dem einen übergebt ihr die Kamele, die er einem zuverlässigen Schilluk in Pflege giebt, und der andere rudert euch nach der Stadt und zeigt euch in derselben den Weg zu mir. Wenn du dann vom Arnauten zu mir kommst, können wir alles weitere ausführlicher besprechen als hier. Ich bin jetzt länger bei dir geblieben, als ich vermuten konnte, und muß aufbrechen, weil ich mich heimlich und verkleidet entfernt habe und meine Leute, wenn sie mich vermissen, in Sorge kommen und einen Lärm verursachen würden.«

»So habe ich nur noch die Takaleh zu erwähnen. Du bist doch bereit, dich ihrer zu bemächtigen?«

»Allah! Welche Frage! Natürlich werden sie gepackt! Die Sklaven erhalten ihre Freiheit, und die andern bekommen ihre Strafe; die fünf Mörder sogar mit dem Tode. Denke dir, daß jeder fünfhundert bekommt, und rechne dir aus, wieviel Hiebe das in Summa macht. Ein solches Gaudium hat Faschodah noch nicht erlebt. Welch ein warnendes Exempel wird das für den ganzen ägyptischen Sudan sein! Ein Entzücken aller Gerechten und ein Zittern aller Ungerechten! Ich habe dir sehr zu danken, Effendi, denn nur du bist es, der mich in den Stand setzt, ein solches Beispiel zu statuieren. So etwas konnte ich nicht erwarten. Ich habe mich in dir geirrt, was du mir aber nicht nachtragen darfst. Wann denkst du, daß die Takaleh hier ankommen werden?«

»Vor übermorgen nicht; dann aber sind sie zu jeder Stunde zu erwarten.«

»Sie sollen empfangen werden, wie es sich gebührt. Dieser ihr Freund aber soll die Bastonnade noch eher schmecken als sie. Ich lasse ihn hauen, daß man sein Geheul unten in Kahira und oben bei Emin Pascha hören wird.«

Er war aufgestanden und versetzte dem Scheik einen Fußtritt, daß dieser auf die Seite flog. Darauf entfernte er sich mit Hafid Sichar, kehrte aber nach wenigen Augenblicken wieder zurück und sagte:

»Ich nehme keine Sigara mit; rauche sie, und laß sie dir schmecken, Das Täschchen und Kästchen behalte als einstweiliges Andenken an mich. Allah behüte dich, bis wir uns abends wiedersehen!«

Natürlich teilte ich die Cigaretten mit Ben Nil. Wir saßen einige Zeit rauchend und schweigsam da. Das Unternehmen, zu welchem ich mich verpflichtet hatte, kam mir jetzt, da der Mudir fort war, gar nicht mehr so geheuer vor wie vorher; ich begann zu bereuen, mich darauf eingelassen zu haben, konnte aber leider nun nicht mehr zurück. Der Baqquara wälzte sich von einer Seite auf die andere; der Fußtritt des Mudirs hatte ihn so getroffen, daß er Schmerzen fühlte. War er vorher vielleicht der Ansicht gewesen, daß man ihn schonen werde, weil er die Würde eines Scheikes trug, so hatte er jetzt erkannt, daß dies nicht der Fall sei. Er sah ein, daß ihm die bekannten fünfhundert sicher seien. Fünfhundert Hiebe auf die Fußsohlen! Und nicht auf einmal, sondern wöchentlich hundert! Wenn die aufgeplatzten Sohlen zu heilen beginnen, hundert neue Streiche darauf! Und dabei also fünf Wochen lang eingesperrt, wer weiß, in was für einem Loche! Es wurde ihm angst und bange. Man sah es ihm im Gesichte an. Er begann nachzudenken, wie er wohl dieses Unheil von sich abwenden könne, und kam zu dem Resultate, daß dies nur durch mich zu erreichen sei. Er mußte versuchen, mich zu gewinnen. Dieser Gedankengang offenbarte sich dadurch, daß er sich mit einem Vorschlage an mich wendete:

»Effendi, darf ich mit dir sprechen?«

Ich hatte ihn während des Rittes möglichst wenig beachtet und that auch jetzt so, als ob ich seine Worte nicht gehört hätte.

»Effendi, ich habe dir etwas zu sagen!«

»Schweig!« gebot ich ihm, obgleich ich ahnte, daß das, was er vorbringen wollte, für mich von Interesse sein werde. Er verstummte für eine Weile, begann aber bald von neuem:

»Du wirst es bereuen, wenn du mich nicht sprechen lässest. Das, was ich dir zu sagen habe, ist wichtig für dich.«

»Ich mag nichts hören. Du willst von den fünfhundert loskommen, eine Sache, welche jedenfalls von ungeheurer Wichtigkeit für deine Fußsohlen ist.«

»Aber ich biete dir auch viel dafür.«

»Was denn?« begann ich einzulenken.

»Nachrichten über die Seribah Aliab, von welcher ihr vorhin gesprochen habt. Ich habe alles gehört und denke mir, daß es dir willkommen sein muß, über die dortigen Verhältnisse unterrichtet zu werden.«

»Das ist allerdings der Fall. Sind dir diese Verhältnisse vielleicht bekannt?«

»Vielleicht? Ganz gewiß sogar, und sehr genau.«

»Wem gehört die Seribah?«

»Soll ich diese Frage wirklich beantworten? Meinst du, daß ich es ohne Gegenleistung thun werde?«

»Ja. Ich denke, daß du für fünfzig oder sechzig Hiebe diese Geheimnisse gern verkaufen wirst.«

»Nein, nein! Effendi, nur nicht die Bastonnade! Bitte mich beim Mudir von den fünfhundert los, so teile ich dir alles mit, was ich über die Seribah Aliab weiß.«

»Du wirst nicht viel wissen.«

»Nicht viel? Alles, alles weiß ich. Ich bin ja selbst dort gewesen.«

»In welcher Absicht? Bei welcher Gelegenheit?«

»Das kann ich dir nur dann sagen, wenn du mir versprichst, beim Mudir für mich zu bitten. Auch darf das, was ich dir jetzt sage, mir keinen Schaden bringen.«

»Dies Versprechen kann ich dir geben. Ob aber das erstere von Erfolg sein würde, ist sehr zu bezweifeln.«

»Ich zweifle nicht. Ich habe gehört, was von dir erzählt wurde und was infolgedessen der Mudir von dir denkt. Er hält so viel von dir, daß deine Fürbitte ganz gewiß von Erfolg sein wird.«

»Wahrscheinlich irrst du dich, doch will ich dir versprechen, ein gutes Wort für dich einzulegen. Ich mache dich aber darauf aufmerksam, daß ich mich nicht betrügen lasse. Wenn du etwa meinst, durch eine bloße Flunkerei von der Bastonnade loszukommen, so befindest du dich in einem gewaltigen Irrtume. Was weißt du über diese Seribah?«

»Sie gehört Ibn Asl.«

»Dachte es mir! Das, was ich jetzt wissen will, soll dir, wie ich versprochen habe, in keiner Weise schaden; also sage mir aufrichtig: du hast mit diesem Manne Sklavenraub getrieben?«

»Ja, Effendi. Das mußt du aber dem Mudir verschweigen.«

»Ich glaube nicht, daß ich diesen Umstand mit Stillschweigen zu übergehen vermag, aber ich verspreche dir, daß er dir auf keinen Fall angerechnet werden wird. Ich kann mich in deine Lage denken. Du hast als Moslem die Sklaverei für erlaubt und das Verbot derselben für einen Eingriff in eure uralten, angestammten Rechte gehalten.«

»So ist es, so ist es, Effendi! Denke, daß wir Baqquara nur von unsern Herden leben, und daß eine einzige Seuche, welche unter denselben ausbricht, uns leicht zu Grunde richtet. Da war es der Sklavenhandel, welcher uns bei solchen Fällen die Mittel gab, zu leben und, bis unsere Herden wieder gewachsen waren, nicht zu darben. Wir gaben den Sklavenjägern unsere Krieger als Asaker mit und bekamen für jeden gefangenen Schwarzen einen bestimmten, festgesetzten Lohn. Dieser wurde uns in Sklaven ausgezahlt, die man uns billig berechnete, wir aber verkauften sie zu einem weit höheren Preis. Das gab einen Gewinn, welcher uns willkommen war.«

»Und du hast nicht nur deine Krieger hergegeben, sondern bist persönlich mitgewesen?«

»Ja. Wir fuhren nach der Seribah Aliab, von weicher aus dann die Jagd unternommen wurde.«

»Wer gebietet dort, wenn Ibn Asl abwesend ist?«

»Ein Feldwebel, welcher Ben Ifram heißt. Ein Schuß hat ihm ein steifes Bein gebracht. Deshalb kann er an der Jagd nicht mehr teilnehmen. Daheim aber ist er sehr tüchtig, und da Ibn Asl sich auf seine Treue verlassen kann, so hat er ihm das Kommando anvertraut.«

»Für jetzt weiß ich genug. Es kann aber leicht möglich sein, daß ich später mehr von dir erfahren muß.«

»Später? Ich hoffe, daß der Mudir mich auf deine Fürbitte hin freigiebt und ich zu den Meinen zurückkehren kann.«

»Auch ich denke das. Aber du weißt ja, was wir wollen. Es ist möglich, daß Ibn Asl sich schon nicht mehr hier befindet. In diesem Falle müssen wir ihm nach. Jedenfalls ist diese Seribah Aliab sein Ziel, und da du dieselbe so genau kennst, würdest du uns als Führer dienen müssen.«

»Allah mag das verhüten! Was sollen meine Leute denken, wenn ich monatelang fern bleibe! Und soll ich euern Führer gegen Ibn Asl machen, welcher mein Freund ist und mir ein so großes Vertrauen schenkt!«

»Das ist ein Bedenken, welches uns jetzt noch gar nicht zu beschäftigen braucht. Ich habe diesen Fall nicht als sicher vorauszusehen betrachtet, sondern von ihm nur als von einer Möglichkeit gesprochen. Schweigen wir jetzt, und warten wir das Kommende ruhig ab!«

»Ruhig!« seufzte er. »Ja, du kannst ruhig sein. aber ich – ich – —!!«

Er hatte recht gehabt; seine Mitteilung war von großer Wichtigkeit für uns, da wir nun wußten, wo Ibn Asl auf alle Fälle zu finden sein werde. Zunächst aber hoffte ich, daß er noch in Faschodah sei.

Nach ungefähr drei Stunden kehrte Hafid Sichar zurück. Er war schwer bepackt; brachte einen Anzug, die verlangten Waffen, zwei gebratene Hühner, anderes Fleisch, Teigkuchen und eine volle Flasche Raki. Wir aßen und ließen auch dem Baqquara sein Teil zukommen, wie er auch schon während des Rittes in jeder Beziehung, die Freiheit natürlich ausgenommen, uns vollständig gleichgestellt gewesen war.

Dabei war es Nachmittag geworden, vier Uhr nach unserer Zeit. Eine Stunde hatten wir bis zum Nile; um sechs Uhr wurde es Abend, also bereiteten wir uns vor, das Versteck zu verlassen. Ich hatte es in guter Absicht aufgesucht, ahnte nun aber, daß dies sehr wahrscheinlich vergeblich gewesen sei. Nach einer Stunde brachen wir auf. Ich hatte mich umgekleidet und sah nun in dem Anzuge und mit dem sonnverbrannten Gesicht und den ebenso braunen Händen wie ein echter Sklavenjäger aus. Freilich, das Gesicht war nicht in ein anderes zu verwandeln; es konnte mich verraten.

Hafid Sichar hatte von dem Mudir die Uferstelle bezeichnet erhalten, an welcher wir die beiden auf uns wartenden Diener treffen sollten. Zugleich hatte mir der letztere die größte Vorsicht gegen den Sangak der Arnauten anraten lassen, da dieser ein sehr starker und gewaltthätiger Mensch sei.

Natürlich hatte ich den Brief aufmerksam durchgelesen und die Ueberzeugung gewonnen, daß derselbe von dem Feldwebel auf der Seribah Aliab geschrieben worden sei. Er war nicht versiegelt, sondern mit einem Mehlteige verklebt gewesen, was es mir ermöglichte, ihn wieder so zu verschließen, daß es, wenigstens am Abende, schwer zu erkennen war, daß man ihn geöffnet hatte.

Es wurde dunkel, noch ehe wir an das Ufer kamen.

Wir fanden die Diener; der eine nahm die Kamele in Empfang und führte sie fort; der andere trug die Satteltaschen in das Boot und ruderte uns hinüber nach der Stadt. Zu bemerken ist der Vollständigkeit wegen, daß der Händler noch bei uns war und seine drei Esel sich bei unsern Kamelen befanden.

Als wir drüben ausgestiegen waren, führte uns der Diener zunächst nach der Kaserne, um mir dort das Haus des Arnauten zu zeigen; dann brachte er die andern nach der Wohnung des Mudirs weiter. Meine Aufgabe, die ich mir als nicht leicht vorstellte, begann.

Soviel ich in der Dunkelheit bemerken konnte, bestand das Gebäude nur aus dem Erdgeschosse und hatte nur zwei kleine, schießschartenähnliche Fenster, zwischen denen sich die schmale, niedrige Thüre befand. Dieselbe war mit Eisenblech beschlagen. Einen Thürdrücker, ein Schloß schien es nicht zu geben, sondern ich fühlte das aus der Thüre zwei Zoll hervorragende Ende eines kleinen Hebels, mit dessen Hilfe man die jenseits befindliche Klinke emporheben konnte. Ich versuchte dies und fühlte, daß die Klinke sich hob; aber die Thüre ließ sich dennoch nicht öffnen. jedenfalls hatte man noch einen Riegel vorgeschoben. Ich klopfte also. Nach kurzer Zeit hörte ich zunächst Schritte und dann eine fragende Stimme:

»Wer ist draußen?«

»Ein Bote an den Sangak von Bahr el Dschebel.«

»Komm wieder! Er ist nicht da.«

»Ich bin hier fremd. Laß mich ein! Ich will warten, bis er kommt.«

Es blieb still. Der Mann schien sich zu besinnen; dann sagte er:

»Bleib stehen! Ich will fragen.«

Er entfernte sich. Nach einiger Zeit hörte ich wieder Schritte, und eine andere Stimme fragte:

»Ist deine Botschaft denn so notwendig?«

»Ja. Ich habe einen Brief.«

»So gieb ihn mir! Ich werde die Luke aufmachen.«

»Das kann ich nicht. Ich darf den Brief nur an Ibn Mulai, den Sangak der Arnauten, übergeben.«

»So komm herein!«

Ein schwerer, eiserner Riegel klirrte; dann wurde die Thüre geöffnet. Ich sah in einen schmalen, stubenartigen Flur, welcher von einer Oellampe erleuchtet wurde. Der Mann, welcher dieselbe in der Hand hielt, trug den bekannten Anzug der Arnauten. Seine Bewaffnung bestand selbst jetzt im Innern des Hauses aus zwei Pistolen, zwei dolchähnlichen Messern und einem krummen Säbel. Aus seinem bösartigen Gesichte blitzten mich zwei dunkle Augen scharfforschend an, und in mißmutigem Tone forderte er mich auf:

»Näher herbei mit dir! Warum kommst du bei Nacht? Hättest du nicht früher kommen können?«

»Niemand kann eher kommen, als er da ist. Ich muß noch in dieser Nacht wieder fort, und übrigens ist mir anbefohlen worden, den Brief sofort abzugeben.«

»Du bedienst dich eines sehr kurzen Tones, Bursche. Ich bin ein Arnaut, und meine Messer stecken niemals fest. Verstanden! Folge mir!«

Ich war eingetreten, und er verriegelte die Thüre. An den Wänden rechts und links hingen Gewehre, was dem kleinen Raume das Aussehen einer Wachtstube gab. Gegenüber dem Eingange gab es eine zweite, jetzt offen stehende Thüre, durch welche er mich führte. Dahinter lag ein größeres Zimmer, von dessen Decke ein vierarmiger, thönerner Leuchter herniederhing, welcher mit seinen qualmenden Oelflammen den Raum nur spärlich beleuchtete.

Jede der vier Wände hatte eine Thüre. Ein Fenster gab es nicht. Unter dem Leuchter lag eine Schilfmatte, auf welcher vier wilde Gesellen hockten, die mich mit höchst unfreundlichen Blicken neugierig betrachteten. Sie würfelten. Mein Führer kauerte sich zu ihnen nieder, um das unterbrochene Spiel fortzusetzen, und warf mir dabei die Worte zu:

»Hier wartest du, bis unser Gebieter kommt. Aber schweig, und störe uns nicht, sonst schließen wir dir das Maul!«

Man kann sich denken, daß ich von meiner Lage nicht allzusehr erbaut war. Ich befand mich an dem Orte, welcher sehr wahrscheinlich der Versammlungsort aller meiner Todfeinde war, hinter lauter eisenbeschlagenen Thüren und von fünf Kerlen bewacht, welche zur denkbar wildesten Soldateska gehörten, dazu mit so armseligen Waffen, daß ich geradezu wehrlos war und mich vorkommenden Falles nur auf meine Körperkraft verlassen konnte. Meine eigenen Waffen, meinen Anzug, die Uhr, kurz mein ganzes Eigentum hatte ich Ben Nil in Verwahrung gegeben.

Daß diese Arnauten unendlich roh waren, hörte ich aus einem jedem Worte, welches sie sprachen. Ihre Ausdrücke waren mit Flüchen gespickt, und bei jedem Wurfe gerieten sie in Streit und dabei wiederholt in eine solche Aufregung, daß ich oft glaubte, daß sie die Entscheidung ihren Messern oder Pistolen anheimstellen würden. Ich wurde gar nicht beachtet, was mir freilich sehr lieb war. So verging die Zeit, eine viertel, eine halbe Stunde nach der andern. Da ich keine Uhr bei mir hatte, so wußte ich nicht genau, wie spät es war, aber ich hatte ganz gewiß drei volle Stunden in dieser Höhle gesessen, als endlich donnernd an die Thüre geklopft wurde.

»Der Sangak!« rief der Arnaute, welcher mir geöffnet hatte und Unteroffizier zu sein schien, da ihm mein Anliegen von dem andern gemeldet worden war.

Er stand auf, um seinem Vorgesetzten zu öffnen; auch seine Kameraden erhoben Sich, ließen aber die am Boden liegenden Würfel liegen. Der Sangak durfte sehen, was sie getrieben hatten.

Der Riegel wurde zurück- und dann wieder vorgeschoben; dann hörte ich eine leise Stimme. Der Unteroffizier meldete meine Anwesenheit; dann traten sie ein, der Sangak natürlich voran. Es giebt menschliche Gesichter, welche mit gewissen Tiertypen eine täuschende Aehnlichkeit haben; der Betreffende besitzt dann gewöhnlich die hervorragenden Eigenschaften des bezüglichen Tieres. Als ich in das Gesicht des Sangak sah, mußte ich unwillkürlich an einen Stier denken, welcher mit gesenkten Hörnern und heimtückisch blickenden Augen zum Angriffe schreitet. Er warf mir nur einen kurzen Blick zu und befahl mir:

»Komm!«

Er schritt geradeaus durch die Thüre, welche ihm der Unteroffizier aufstieß, und ich folgte ihm. Wir befanden uns im Dunkeln. Er öffnete eine andere Thüre, rechts, aus welcher Lichtschein drang, und rief mit dröhnender Baßstimme hinein:

»Heda, aufgepaßt! Als ich kam, schien es mir, es stände ein Kerl draußen vor dem Eingange, um zu horchen. Steigt doch einmal über die hintere Mauer, und geht in zwei Abteilungen rechts und links um das Haus nach vorn. Er verschwand, als er mich kommen hörte. Sollte er wieder zurückgekehrt sein, so nehmt ihr ihn fest und bringt ihn mir herein!«

Dann wendete er sich links, wo wir in ein sehr gut erleuchtetes Zimmer traten, welches sein Semalük47 zu sein schien.

Ein Polstergestell zog sich an drei Wänden entlang, und in der Mitte lag ein Teppich. Er blieb auf demselben stehen, drehte sich nach mir um und fragte:

»Einen Brief hast du?«

»Ja. Von dem Feldwebel Ben Ifram.«

»Her damit!«

Er bekam den Brief, behielt ihn in der Hand, ohne ihn anzusehen, betrachtete mich prüfenden Auges und fragte dann:

»Dein Name?«

»Iskander Patras.«

Ich wählte diesen griechischen Namen, weil ich europäische Gesichtszüge hatte und sich unter den im Sudan verwendeten Soldaten und den sich dort herumtreibenden Zivilisten viele Levantiner, also Leute auch griechischer Abkunft befanden.

»Also ein Grieche!« sagte er. »Wo her?«

»Ich wurde griechischen Eltern in Kahira geboren.«

»Christ?«

»Ja.«

»Ist mir gleichgültig. Was treibst du in der Seribah Aliab?«

»Ich bin Dolmetscher. Habe mich lange bei den Negern herumgetrieben und verstehe ihre Mundarten.«

»Das bringt Geld ein, ohne daß du Pulver zu riechen brauchst,« meinte er verächtlich. »Will sehen, was mir dieser Ben Ifram zu sagen hat.«

Jetzt erst warf er einen Blick auf den Brief. Mir klopfte das Herz. Das Zimmer war sehr gut erleuchtet.

Wenn er sah, daß er schon geöffnet worden war, so durfte ich Schlimmes erwarten. Glücklicherweise war seine Neugierde größer als seine Bedachtsamkeit; er riß den Umschlag auf, und mir wurde leichter. Er las, von mir abgewendet, steckte den Brief in die Tasche, drehte sich wieder zu mir um und fragte:

»Kennst du den Inhalt des Schreibens?«

»Der Feldwebel hat ihn mir nicht mitgeteilt.«

»Aber du weißt, wer ihn bekommen soll?«

»Doch du!«

»Aber ich soll ihn Ibn Asl, deinem Herrn, geben. Der Feldwebel scheint, da er dir dies verschwiegen hat, kein großes Vertrauen zu dir zu haben!«

»Wäre dies wahr, so hätte er mich nicht nach Faschodah gesandt.«

»Hm! Aber für eine Plaudertasche hält er dich gewiß. Auf welche Weise hast du die Reise gemacht?«

»Bis in den See No in einem kleinen Boote. Dort traf ich auf einen Noker aus Diakin, welcher nach Chartum will und mich mitgenommen hat.«

»Wann kam er hier an?«

»Gleich nach Sonnenuntergang.«

»Sonderbar! Ich war doch oben im Flusse und habe von einem Noker nichts gemerkt!«

»Man wollte mich hier nicht einlassen,« fiel ich schnell ein, um ihn von diesem für mich gefährlichen Gedanken abzubringen. »Ich wartete drei Stunden auf dich.«

»So wirst du Hunger haben. Du sollst zu essen bekommen und mir dabei von der Seribah erzählen.«

Er ging hinaus, indem er mir winkte, mich niederzusetzen. Hätte er mir doch lieber gewinkt, fortzugehen! Ich wußte ja genug, ich hatte nun erfahren, daß er die Seribah und den Feldwebel kannte und also zweifellos mit Ibn Asl in Beziehung stand. Aber konnte, durfte ich gehen? Nein; ohne seine Erlaubnis war es auch ganz unmöglich, aus dem Hause zu kommen. Ich mußte mich fügen und das Kommende meinem guten Glücke überlassen.

Freilich verursachten seine letzten Worte mir jenes Gefühl, welches einen zwingt, sich mit der Hand hinter dem Ohre zu kratzen. Ich sollte »essen und ihm dabei von der Seribah erzählen«. Essen, nun, davor war es mir nicht im geringsten angst; diesen Gefallen konnte ich ihm ganz nach Wunsch erweisen; aber das Erzählen, das leidige Erzählen! Was wußte ich von der Seribah! Der Scheik der Baqquara hatte sie mir beschreiben wollen. Hätte ich ihn doch nicht gehindert! Aber auch das wäre nicht hinreichend gewesen. Dieser Arnaut konnte hundert Fragen an mich richten, zu deren Beantwortung man notwendig selbst dort gewesen sein mußte.

Nach kurzer Zeit kehrte der Sangak zurück, eine brennende Pfeife im Munde. Ihm folgte ein Arnaut, welcher auf einem Brette einen riesigen Knochen brachte, um welchen noch einige Fleischfetzen hingen. Das waren die Reste eines »rindernen« Hinterviertels. Sie sahen aus, als ob Hunde sich um dieselben gestritten hatten. Der Mann legte das Brett auf die Mitte des Teppichs und entfernte sich dann; der Sangak befahl mir:

»Setz dich, und laß es dir schmecken!«

In Beziehung auf das Setzen konnte ich ihm gehorchen; aber die zweite Hälfte seines Befehles war nicht so leicht auszuführen; dennoch versuchte ich es, indem ich mein Messer zog und mich über den Knochen hermachte. Indem ich denselben zunächst an allen Seiten betrachtete, um zu erforschen, in welcher Richtung und Weise seinen sehnigen Anhängseln am besten beizukommen sei, fragte der Arnaut:

»Seit wann befindest du dich auf der Seribah?«

»Seit zwei Jahren,« antwortete ich, indem ich mit Anstrengung aller Kräfte arbeitete, um eine verdauliche Flechse loszubringen.

»Wer engagierte dich?«

»Ibn Asl selbst in der Mischrah Omm Oschrin. – Amr el Makaschef, der Scheik der Baqquara, hatte mich ihm gelegentlich warm empfohlen.«

»Dieser? Das spricht für dich, denn der Scheik ist ein zuverlässiger Bekannter von uns. Wie geht es dem Feldwebel?«

»Nicht gut. Die Wunde seines Beines ist aufgebrochene,

»Allah! Da wird er wohl sterben müssen! Was habt ihr unternommen, während In Asl jetzt so lange Zeit abwesend war?«

»Die Asaker haben fleißig geübt; ich aber war nicht da.«

»Nicht? Du gehörst als Dolmetscher doch auf die Seribah! Wo befandest du dich denn?«

»Ein Dolmetscher ist besser zu verwenden als nur zum Exerzieren. Ich war oben bei den schwarzen Völkern der Rohl und Schur, um einen guten Fang vorzubereiten. Ich habe dabei sehr schöne Erfolge gehabt. Der Feldwebel hat mir jetzt schon wieder einen ähnlichen Auftrag überwiesen.«

»Jetzt? Wohin sendet er dich?«

»Zu den Takaleh.«

»Das ist ja die entgegengesetzte Richtung! Allerdings bekommen wir von dort jährlich zweimal Sklaven. Getraust du dich denn zu diesen Leuten?«

»Getrauen? Ich war schon mehrere Male dort. Der Mek will mir wohl, und sein Vertrauter, den du ja auch kennst, ich meine nämlich Schedid, hat. sogar innige Freundschaft mit mir geschlossen.«

»Wie? Du kennst auch Schedid, den Starken, und bist sogar sein Freund? Dann bist du allerdings ein für uns sehr brauchbarer Mann. Wie lange bleibst du hier?«

»Ich darf mich gar nicht verweilen, denn der Noker, mit dem ich bis zur Insel Metarieh fahren will, geht noch vor Mitternacht von hier ab.«

»So iß schnell, damit du nicht zurückbleibst! Nimm dich aber unterwegs vor dem Schiffe des Reïs Effendina in acht, und weiche ganz besonders einem christlichen Hunde, einem fremden Effendi aus, welcher von hier bis hinab nach Chartum jetzt sein Wesen treibt.«

»Ein Christ? Ich bin ja auch Christ und habe also keine Ursache, ihm auszuweichen.«

»Alle, alle Ursache hast du dazu, alle! Er ist ein Verbündeter des Reïs Effendina und scheint es nur auf unsere Leute abgesehen zu haben. Du scheinst noch nichts von ihm gehört zu haben, und so muß ich dir von ihm erzählen.«

Wie froh war ich über diese Wendung des Gespräches! Es war mir gelungen, dem Arnauten Vertrauen zu mir einzuflößen; er glaubte mir. Ich hatte auch erreicht, daß er mich selbst aufforderte, schnell zu essen und dann zu gehen, um nicht die Abfahrt zu versäumen. Jetzt wollte er selbst erzählen, und ich war also der Gefahr enthoben, nach Dingen gefragt zu werden, von denen ich nichts wußte. Konnte es besser gehen? Nein! Bis zu diesem Augenblicke hatte mich das Glück begünstigt; nun aber drehte es mir plötzlich den Rücken.

Es erhob sich nämlich vorn vom Eingange her ein großer Lärm. Stimmen schrieen; Thüren wurden auf- und zugeschlagen; dann trat ein Arnaut herein und meldete:

»Herr, wir haben den Kerl, welcher draußen lauschte.«

»Bringt ihn herein!«

»Als wir ihn ergriffen, kam gerade der fromme Herr mit seinem Freunde dazu; sie wollten zu dir und scheinen ihn zu kennen.«

Er ging nach seinen Worten hinaus. Es beschlich mich eine böse Ahnung. Ein »frommer« Herr war da? Hm! Und wer war der Fremde, den man ergriffen hatte und den der »Fromme« kannte? Doch nicht etwa gar mein Ben Nil? Es war ja möglich, daß ihn wegen meines langen Ausbleibens die Sorge um mich hierher getrieben hatte und —

Dann wurde die Thüre geöffnet, und man brachte – ihn, den eben Genannten, Ben Nil, den armen Teufel!

Ich war aufgestanden und in die Ecke getreten, wo ich von der Thüre aus nicht sogleich bemerkt wurde. Vier, fünf Kerle hatten Ben Nil gepackt; acht, neun andere folgten. Hinter diesen trat – der Mokkadem der heiligen Kadirine mit dem Muza‘bir ein. Beide hatten uns bisher vergeblich nach dem Leben getrachtet; nun aber stand es schlimm um uns. Was war zu thun?

Fünf Arnauten hielten Ben Nil; er konnte nicht los; neun andere, dazu den Sangak, den Muza‘bir und den Mokkadem, also zwölf Personen, mußte ich auf mich nehmen, wenn ich durchkommen wollte. Draußen in den andern Zimmern und Räumen gab es jedenfalls noch mehr Arnauten. Dazu die eisernen Thüren, meine Unbekanntschaft mit dem Innern des Hauses und die Unbrauchbarkeit meiner Waffen. Indem ich in einem einzigen Augenblicke dies alles genau abwog, wußte ich, was ich zu thun hatte.

»Wer bist du, Hund?« schnauzte der Sangak Ben Nil an. »Warum treibst du dich bei meinem Hause herum?«

Der Gefragte hatte mich noch nicht gesehen. Vielleicht glaubte er, sich durch eine einfache Lüge retten zu können, denn er antwortete:

»Herr, ich hatte nichts Unrechtes vor. Ich bin Matrose auf einem hier ankernden Schiffe und – —«

»Lüge, Lüge!« fiel ihm der Mokkadem in die Rede. »Glaube es ihm nicht, o Mudir! Wir kennen ihn.«

»So? Dann sagt, wer er ist.«

»Herr, wie frohlockt unser Herz, und wie wirst du staunen! Wir haben den Freund und Genossen unseres grimmigsten Gegners, den Allah verfluchen möge, gefangen.«

»Welches Gegners?«

»Des Effendi, des Christenhundes! Dieser junge Mensch ist nämlich Ben Nil, von dem wir dir erzählt haben, Ben Nil, der treue Begleiter des Effendi. Wo der eine ist, ist auch der andere, und da wir Ben Nil hier gefunden haben, so steht mit Sicherheit zu erwarten, daß auch sein Herr in Faschodah ist.«

»lst‘s möglich? Ben Nil soll das sein?« rief der Sangak im Tone des Zweifels aus.

»Ja, ja! Wir irren uns nicht; wir kennen ihn ganz genau. Laß ihn hauen, laß ihn peitschen, bis er uns sagt, wo sich sein Herr befindet!«

»Das ist nicht nötig,« sagte ich, indem ich aus der Ecke hervortrat. »Ich kann es euch selbst sagen, wo ich bin.«

Der Eindruck, den diese Worte machten, war ein ganz anderer, als ich erwartet hatte. Ich wollte mich ohne Gegenwehr ergeben, da ich dieselbe für unsinnig hielt; ich rechnete dabei auf spätere bessere Umstände. Ich glaubte, man würde sich sogleich auf mich werfen und mich niederreißen; aber es fand das gerade Gegenteil statt.

47.Empfangszimmer.
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30 ağustos 2016
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