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Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi III», sayfa 16

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»Was das betrifft, so mach dir keine Sorge! Ich bin ein Bissen, den selbst ein Bär nicht so leicht hinunterbringt, zumal wenn er vorher schon zwei Kurden vom Stamme der Bebbeh genossen hat. Ueber den unsterblichen Dubb el Chulud habe ich nun genug erfahren; eine Hauptsache ist jetzt noch, zu wissen, wo die Kelhur lagern. Wohl auf der kleinen Wiese, von welcher du gesprochen hast?«

»Nein, denn die ist zu moorig dazu. Von der Wiese kommt, wieder rechts, ein ganz dünnes und klares Wasser herab. Wenn du diesem folgest, so gelangst du weiter oben an einen freien, rings vom Walde eingefaßten Platz, in dessen Mitte eine kleine Birka91 liegt, welche den Quell des Wassers bildet. Das ist die Stelle, wo sich die Kelhur gelagert haben.«

»Ist der Wald dort dicht?«

»Ja.«

»Giebt es zwischen ihm und der Birka einen sehr breiten Raum?«

»Nein; der Platz ist klein, so daß die Kurden ganz rund um die Birka liegen müssen.«

»Mit ihren Pferden? Oder haben sie die irgendwo anders untergebracht?«

»Sie befinden sich auch dort und sind, nachdem sie getränkt worden waren, rings an den Bäumen angebunden worden.«

»So brauche ich nichts mehr zu wissen, und du kannst fortreiten, freilich ohne Sattel, denn unser Lederzeug brauchen wir selber.«

»Aber dein kostbares Reschma darfst du doch keiner Gefahr aussetzen! Wenn es dir nun die Kelhur stehlen! Ist es nicht viel besser, daß ich es mit nach Khoi nehme?«

»Nein. Es ist mir hier sicherer als auf dem Grauschimmel, den du reitest. In Khoi wird auch gestohlen, wie du ja aus Erfahrung weißt.«

Wir schirrten die Pferde ab und übergaben sie dem Wirte; er stieg auf und ritt davon, uns »mehr als tausend Wünsche des Gelingens« zurücklassend, wie sein Ausdruck lautete. Bis jetzt hatten wir ihn vom Selbstmorde abgehalten; ich hatte beinahe die feste Ueberzeugung, daß es uns auch gelingen würde, ihm sein Geld wieder zu bringen.

Zunächst galt es, die Pferdegeschirre zu verbergen. Wir fanden schon nach kurzem Suchen ein vortreffliches Versteck, in welchem wir sie unterbrachten; dann folgten wir, jetzt aber zu Fuße, den Spuren der Kurden von neuem, doch nur bis dahin, wo sich das Flußbett teilte, denn von da an konnten wir jeden Augenblickes von den Wächtern gesehen werden, welche der Scheik hatte ausstellen wollen.

Ich beschloß aus diesem Grunde, die Fährte nun zu verlassen. Die Beschreibung, welche der Wirt uns geliefert hatte, und der Blick, mit welchem ich die vor uns liegenden Höhen und Hänge musterte, genügten, mir zu zeigen, wie wir uns zu verhalten hatten, um unbemerkt an die Feinde zu kommen. Der Scheik hatte unsere Ankunft für möglich gehalten; er war jedenfalls überzeugt, daß wir uns nach seiner Fährte halten würden, und richtete also seine Aufmerksamkeit nach der Gegend, aus welcher er selbst gekommen war, nämlich am Wasser hinauf. Wir hatten also die Aufgabe, von oben herabzukommen. Darum verließen wir nun das Wasserbett und drangen in den Wald ein, der hier stark in die Höhe stieg. Wir hatten tüchtig zu klettern, und es dauerte fast eine Stunde, bis wir den Kamm, auf den ich es abgesehen hatte, erreichten. Dort angekommen, sahen wir jenseits, in gleicher Höhe mit uns, die Musallah el Amwat liegen.

Es war ein großartiger Ausblick, der sich uns hier bot. Unter uns brandete weithin ein ganzes Meer von hellen Laub und dunklen Nadelholzwogen, während vor uns und zu beiden Seiten die finstern Mauern des Gebirges starrten. Solche Formen waren nicht im Harze oder Thüringer Walde, nicht im Erzgebirge oder den Sudeten, auch nicht in Tirol, der Schweiz oder den Pyrenäen zu finden. Freilich konnten sie in Beziehung auf Höhe, Massigkeit und Schwere nicht mit den letztgenannten Gebirgen verglichen werden; aber ihre Physiognomie war eine so scharfe, charaktervolle, wild drohende und unerbittliche, daß mir der Vergleich mit dem Charakter und den Verhältnissen der hier hausenden Stämme förmlich aufgezwungen wurde. Der Mensch ist überall, in Süd und Nord, auf der Ebene und im Gebirge, ein Kind der Scholle, auf welcher er seine ersten Schritte thut!

Gradezu wunderbar nahm sich auf den gegenüber liegenden Felsen die »Kapelle der Toten« aus. Dieser stille von der übrigen Erde ab- und dem Himmel nahegelegene Felsenthron war wie geschaffen gewesen als Zufluchtsort jener vertriebenen, verfolgten und abgehetzten Bekenner des Christentumes, und dennoch war der schiitische Fanatismus wie ein Bluthund auf ihren Spuren geblieben, grad so wie heut wir auf der Fährte der Kelhurkurden. Von hier aus hatten sie nicht weiter gekonnt, über die Bergesmauern und über den hochstarrenden Haß der Verfolger hinüber, und darum waren sie den Weg gegangen, den einzigen, der ihnen hier übrig blieb, den Weg in den Tod.

Die Musallah, deren Trümmer wir vor uns liegen sahen, war weder ein imposantes Bauwerk gewesen noch nach irgend einem Stile errichtet worden; trotzdem wirkten ihre Ueberreste noch jetzt auf uns, weil sie den Mittelpunkt einer unvergleichlichen Gebirgsscenerie bildeten und zugleich ein Denkmal zum Gedächtnisse derer, welche gehorsam gewesen waren dem Gottesrufe: »Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben!« Die Mauern hatten aus unbehauenen Natursteinen bestanden, wie sie von dem nahen Felsensturze geboten wurden, und das niedrige aber breite Thor war aus drei schweren Monolithen zusammengefügt. Die zwei leeren Fensteröffnungen starrten wie Simsons ausgestochene Augen, und über dem zerstörten Heiligtume ragte als Decke ein Felsenvorstoß aus der Bergeswand, drohend und schwer wie der Fluch, den der sterbende Priester noch im Verscheiden ausgesprochen hatte. Als ob dieser Fluch erst gestern ausgestoßen worden sei und die »Zeit keine Zeit gefunden« habe, mit sanfter, grünender Hand den Bann zu lösen, es war kein Baum, kein einziger Strauch in der Nähe zu sehen und keine Staude, kein Moos, keine Flechte hatte das Mitleid gehabt, die Runen zu übergrünen, die ich so deutlich lesen konnte, die Runen- »Seid verflucht!« Erst weiterhin, wo das Chaos des Bergsturzes begann, wanden sich einzelne Dornen um das Gestein und krochen, im Vereine immer dichter werdend, mit Farren, Kaiserkronen und Weidenröschen untermischt, in das Trümmerfeld hinein und hoch noch über dasselbe hinauf; dann läuteten riesige Glockenblumen dem Walde entgegen, der hinter und über dem Wirrwarr wieder begann. Dort, unter dem Dornengestrüpp und nirgendwo anders mußte das Lager der Bären zu suchen sein. Halef hatte denselben Gedanken, denn er sagte, indem er mit der Hand hinüberzeigte:

»Sihdi, da drüben, wo du die große Lahbahta el Higara92 erblickst, muß die Wohnung des »Bären der Unsterblichkeit« sein. Wenn wir ihm zeigen wollen, daß er trotz dieses Namens sterblich ist, müssen wir hinüber und ihm den Faden des Lebens zerschneiden, noch ehe es ihm gelingt, die beiden Bebbehkurden zu verschlingen.«

»Das dürfen wir leider nicht, lieber Halef, denn das Terrain ist dort so offen und wir könnten uns so wenig verbergen, daß uns die Kelhur gleich in der ersten Minute entdecken würden.«

»So willst du es zugeben, daß Aqil und sein Sohn getötet werden?«

»Nein.«

»Wie kannst du das aber verhüten, wenn du den Bären nicht aufsuchen willst?«

»Er wird ganz von selber kommen, ohne daß wir uns die Mühe zu geben brauchen, ihm unsere Visite zu machen.«

»So ist er höflicher als wir; diesen Vorwurf kann ich dir nicht ersparen, Sihdi! Glaubst du übrigens, daß er so groß ist, wie der Wirt gesagt hat?«

»Nein.«

»Ich auch nicht. Um erst die Bebbeh und dann auch dich noch zu verschlingen, müßte er einen Magen haben wie ein kleines Frauenzelt. Auch soll er weiß sein wie der Schnee. Giebt es Bären von dieser Farbe?«

»Ja; der Eisbär ist so weiß, und der kurdische Bär bekommt im Alter zuweilen auch dieselbe Farbe.«

»Kann er aber in einem solchen Alter Junge haben?«

»Gewiß. Der Bär kann fünfzig Jahre alt werden, und es hat Beispiele gegeben, daß eine Bärin noch mit dreißig Jahren junge geworfen hat. Der Wirt kann also, die abergläubische Erklärung abgerechnet, die Wahrheit gesagt haben.«

»Wie aber denkst du dir die Rettung der Bebbeh, ohne daß wir den Bären aufsuchen?«

»Einen bestimmten Plan habe ich jetzt noch nicht. Ich muß erst zu den Kelhur hinunter.«

»Sie beschleichen?«

»Ja.«

»Darf ich mit, Sihdi?«

»Nein.«

»Oh, warum denn nicht? Du weißt ja, daß ich so sehr gern jede Gefahr und Sorge mit dir teile!«

»Dazu wirst du heut schon noch Gelegenheit bekommen. Zunächst gilt es, das Lager der Kelhur ganz genau kennen zu lernen und dabei vielleicht etwas Bestimmteres über ihre Absichten zu erlauschen. Da bist du überflüssig, während du mir, wenn du hier bleibst, den größten Dienst erweisen kannst.«

»Wiefern, Effendi?«

»Insofern, als ich dir meine Gewehre anvertraue, die ich nicht gern einer Gefahr aussetzen möchte. Sie sind mir unersetzlich, und du wirst also einsehen, wie wichtig es für mich ist, sie in deinen treuen und starken Händen zu wissen.«

Das war geschmeichelt, und ich hatte wohl Grund, dies zu thun. Halef war mir stets ein aufmerksamer und gelehriger Schüler gewesen, auch im Anschleichen, beziehentlich dessen seine Geschicklichkeit für gewöhnliche Fälle ausreichte; in schwierigeren Fällen aber schloß ich ihn lieber aus, denn er besaß nicht die notwendige Ausdauer des Körpers und des Geistes. Er war kräftig, doch sich längere Zeit auf den Spitzen der Finger und Zehen zu erhalten, das brachte er doch nicht fertig. Und sein lebhaftes Naturell machte es ihm fast unmöglich, stundenlang eine stille, regungslose und schweigsame Geduld zu üben. Er hatte mir da schon öfters Böcke geschossen und mich in arge Verlegenheiten gebracht. Das Anschleichen und Belauschen kann unter Umständen die Körper- und auch die Geisteskräfte des geübtesten Mannes vollständig aufzehren; ich hatte solche Fälle sogar an mir selbst erlebt und heut und hier, das wußte ich im voraus, standen mir Schwierigkeiten entgegen, wie ich sie selten zu überwinden gehabt hatte. Darum sollte der Hadschi nicht mit. Da er sich aber sehr leicht zurückgesetzt fühlte, mußte ich der bittern Pille eine süße Umhüllung geben und that dies, indem ich das große Vertrauen betonte, welches ich ihm bewies, indem ich ihn beauftragte, meine Gewehre zu behüten. Er fiel auch wirklich auf diese gutgemeinte Finte herein, indem er mir in stolzem, selbstbewußtem Tone versicherte:

»Daran thust du freilich sehr recht, Effendi, denn diese köstlichen Waffen können in deinen Händen gar nicht sicherer sein als in den meinigen. Ich würde sie bis zum allerletzten Tropfen meines Blutes verteidigen!«

»Das sollst du gar nicht, denn es wird sich hier, wenn du es richtig machst, kein Mensch dazu finden, sie dir abnehmen zu wollen. Du hast weiter nichts zu thun, als dich so gut zu verstecken, daß dich jemand, der wider alles Erwarten hierher käme, nicht finden kann. Nur darfst du dieses Versteck nicht eher verlassen, als bis ich zurückkehre.«

»Ja, wann kommst du denn wieder?«

»Das kann ich nicht bestimmen; es können Stunden bis dahin vergehen.«

»Stunden? Allah ‚l Allah! Das werden Ewigkeiten sein! Wenn du nicht kommst und ich denke, daß du dich in Gefahr befindest, so fährt mir vor Ungeduld die Seele aus dem Leibe. Bedenke doch, wenn man dich tötete, ohne daß ich dabei bin! Das hieltest du nicht aus und ich auch nicht!«

»Allerdings! Das getötet werden hält kein Mensch aus, ich auch nicht. Aber wenn man mich tötete, so wäre es ganz gleich, ob du dabei bist oder nicht.«

»Ich könnte wenigstens mit dir sterben!«

»Das würde mich nicht wieder lebendig machen; aber du könntest mich rächen!«

Das war das richtige Wort, mit dem ich ihn dahin brachte, wohin ich ihn haben wollte. Er schlug sich stolz in die Brust und sagte:

»Ja, dich rächen! Dazu bin ich der richtige Mann! Geh also getrost, Effendi! Ich werde hier ganz geduldig und unbeweglich warten, bis du wiederkommst. Kommst du aber nicht, so wird sich binnen kurzer Zeit kein einziger von diesen Kelhurkurden mehr zu den Menschen rechnen können, die noch am Leben sind! Wenn sie es wagen sollten, dir auch nur die Haut zu ritzen, so sende ich sie alle, alle in die Hölle, einen nach dem andern, bis keiner mehr von ihnen übrig ist. Das sage ich dir und was ich dir sage, darauf kannst du dich verlassen. Geh also, geh in Allahs Namen! Dein treuer Halef sitzt als Rächer hier, wenn du getötet wirst!«

Ich hätte gern gelacht, ließ es aber, um ihn nicht zu beleidigen, bei meinem ernsthaften Gesichte bewenden, gab ihm die Gewehre, drückte ihm die Hand, indem ich ihm noch einmal einschärfte, sich ja ganz ruhig zu verhalten, und stieg dann, langsam und vorsichtig Fuß um Fuß vorsetzend, den Berg in derjenigen Richtung hinab, welche mich nach dem Lager bringen mußte.

Nach meiner ungefähren Berechnung hätte ich, um es zu erreichen, unter gewöhnlichen Verhältnissen eine Viertelstunde zu gehen gehabt; aber die Vorsicht, welche ich anwenden mußte, konnte dieser Zeit eine Ausdehnung geben, die jetzt noch gar nicht zu bestimmen war. Glücklicherweise bestand der Boden aus weicher Humuserde; es gab keine Steine, die durch einen unvorsichtigen Schritt ins Kollern kommen konnten, und starke Bäume standen genug da, hinter denen ich mich, falls ich einen Menschen sah, sofort verstecken konnte. Man verhält sich bei Gelegenheiten, wie die jetzige eine war, in der Weise, daß man, hinter einem Baume stehend, mit den Augen die Umgebung absucht und zugleich das Ohr zu Hilfe nimmt, jedes verdächtige Geräusch zu entdecken; hat man keinen Grund zum Mißtrauen gefunden, so sucht man so rasch wie möglich den nächsten Baum zu erreichen, von welchem aus man das Spähen und Lauschen fortzusetzen hat. Das erfordert zwar Zeit, entschädigt aber für diesen Verlust mehr als reichlich durch die Sicherheit, die man dadurch für sich gewinnt.

Indem ich diesen Trick anwendete, kam ich, ohne etwas Störendes bemerkt zu haben, binnen einer halben Stunde so weit den Berg hinab, daß ich endlich unter mir Stimmen hörte; die klangen jedenfalls vom Lager herauf, dessen Nähe ich erreicht hatte. Meine Abschätzung der Gegend und der Entfernungen war also richtig gewesen, obgleich es nicht etwa leicht ist, so, wie in meiner Lage, in fernem Lande, zwischen Bergen und Wäldern, die man nicht kennt und wo die Lichtverhältnisse und der verschiedene Feuchtigkeitsgehalt der Luft das Auge täuschen, vorherzusagen, in welcher Weise und zu welcher Zeit man auf Umwegen, zu denen man gezwungen ist, einen bestimmten Ort erreichen werde.

Nach dem Klange der Stimmen, die ich hörte, konnten die Sprechenden nicht weit von mir entfernt sein; darum nahm ich mich von jetzt an noch mehr zusammen als bisher, bewegte mich aber trotzdem in gerader Linie auf diese Leute zu. Dadurch hatte ich so viel Glück, daß ich es gar nicht größer hätte haben können. Ich gelangte nämlich an ein ausgedehntes aber nicht sehr dichtes Farngestrüpp, legte mich auf den Boden nieder und schob mich in dasselbe hinein. Kaum war ich da vier oder fünf Meter weit vorgedrungen, so fiel der Grund des Waldes vor mir fast senkrecht hinab, und ich sah mich oben über dem schmalen Hintergrunde eines haarnadelähnlichen Einschnittes, dessen Seiten von Farn eingefaßt wurden. Da, wo ich lag, war er am tiefsten; seine Ränder senkten sich aber schnell nach vorn, wo er auf die Wiese mit dem kleinen Teiche mündete, die den Lagerplatz der Kurden bildete. Dieser Einschnitt hatte seine Entstehung unbedingt einem fließenden Wasser zu verdanken, welches da hinten, wo ich lag, aus der Erde gekommen war und dann nach der Wiese floß; das war wohl die ursprüngliche Quelle des Baches gewesen, auf dessen Bette die Kurden heraufgeritten waren; sie hatte sich aber als »wandernde Quelle«, die man nicht selten findet, vorwärts bewegt; jetzt speiste sie den Teich auf der Wiese, und der Einschnitt, den sie in den Boden des Waldes gefressen hatte, war trocken geworden. Er gab nun einen Ruheort, wie man ihn sich gar nicht bequemer denken konnte. Vor Wind und durch das dichte Laub der Bäume auch vor Regen geschützt, konnte man es sich hier in dem tiefen, weichen Moose so bequem machen, wie draußen auf der Wiese nicht. Das hatte Schir Samurek, der Scheik der Kelhurkurden, gar wohl bemerkt und darum diese bequeme Stelle für sich und seine nächste Umgebung ausgewählt. Diese Umgebung bestand aus noch einem Kelhur, welcher den Wächter machte, und den Gefangenen. Man kann sich denken, welche Freude ich hatte, als ich grad diejenigen vor mir sah, welche für mich die Hauptpersonen waren!

Grad unter mir, also am hintersten Ende des Einschnittes, saß Ssali Ben Aqil mit seinem Vater, nahe bei ihnen der Scheik; sie waren an den Fuß- und Armgelenken gefesselt. Dann kamen die übrigen Gefangenen, also der Nezanum und die Männer aus Khoi, die ebenso gebunden waren, und vor ihnen saß, die geladene Flinte in der Hand, der erwähnte eine Kelhur, welcher die Gefangenen zu beaufsichtigen hatte, was für jetzt, bei Tage, keine anstrengende Aufgabe war.

Der Scheik und die beiden Bebbeh waren diejenigen gewesen, deren Stimmen ich vorhin gehört hatte; sie sprachen auch jetzt noch miteinander, wobei, wie ich sehr bald hörte, Schir Samurek den Zweck verfolgte, sie mit Beleidigungen zu quälen und ihnen schon jetzt einen Vorgeschmack ihres grausamen Todes zu geben. Er schien ihnen soeben eine dieser letzteren Bemerkungen gemacht zu haben, denn ich hörte Ssali Ben Aqil in einem Tone, welcher nach Schauder klang, antworten:

»Du bist ein Teufel, ein grausamer Teufel, und wenn ich nicht wüßte, daß der Satan in der Hölle wohnt, würde ich denken, du seist dieser oberste der bösen Geister!«

»Was ist der Satan gegen mich, wenn es sich um die Blutrache handelt!« höhnte der Scheik. »Er muß sich verkriechen, denn seine Gedanken wären nicht auf die Bären und auf den Honig gekommen, mit dem ich euch bestreichen lassen werde. Da seht ihr ihn. In einer halben Stunde wird es Zeit sein, zu beginnen.«

Er deutete mit diesen Worten auf ein neben ihm liegendes, mit großen Blättern des wilden Kürbis dick umwickeltes Paket, welches also wohl die Honigwaben enthielt. Als er keine Entgegnung erhielt, fuhr er fort:

»Du bist ein Lehrer und Prediger der Religion und hast geglaubt, den Mahdi entdecken zu können, welcher der Führer zum Entzücken und zur Seligkeit sein soll. Suche ihn doch und finde ihn doch heut, du Thor! Heut ist dir so ein Führer aus der Qual zum Genusse, aus dem Tode zum Leben nötiger denn je! Bete zu Allah, ob er dich erretten wird! Bete zu Muhammed, ob er dir Hilfe bringt! Richte deine Seele zu Obeid-Allah, dem ersten Fadimiten, und zu allen übrigen, die ihm in der Lüge nachgefolgt sind, indem sie sich für den Mahdi ausgaben! Flehe sie doch an, dich vom Tode zu befreien! Kein Allah, kein Prophet und kein Mahdi kann dich erlösen!«

»Wenn ich ernstlich darum bitte, werden sie uns befreien,« antwortete Ssali, »denn der Kuran sagt, daß das Gebet dem Feuer gleiche, welches selbst das härteste Erz zum Schmelzen bringt.«

»Du Thor!« lachte der Scheik. »Kein Gott handelt gegen seine eigenen Gesetze und kein Prophet gegen seine eigenen Lehren. Hat nicht Allah die Blutrache geboten, als er sagte: Auge um Auge, Leben um Leben!? War es nicht Muhammed, der seinem Stamme, den Arab Koreisch, in jeder Blutsfehde mit dem Schwerte voranging? Was soll dir das Gebet zu ihnen helfen, da weder Allah noch der Prophet jemals verziehen hat? Gott und Muhammed, sie sind durch sich selbst gezwungen, mir zu helfen, aber nicht dir! Es giebt keine Gesetzgebung und keine Lehre, welche den Mut besitzt, im vollen Ernst die Rache zu verbieten und die Verzeihung an ihre Stelle zu setzen.«

»Es giebt eine solche Lehre!«

»Nein!«

»Es giebt eine; die christliche ist‘s!«

»Dummkopf! Glaubst du denn, daß es dem Gekreuzigten und seinen Nachfolgern Ernst damit gewesen ist? Beobachte die Christen, was sie thun! Gleichen ihre Werke ihren Lehren? Geben sie nicht Lüge anstatt Wahrheit, Strafe statt Verzeihung, Falschheit anstatt Aufrichtigkeit und Krieg anstatt des Friedens?«

»Die das thun, haben gar keinen Glauben; sie nennen sich zwar Christen, sind aber keine!«

»Das hat dir dieser Kara Ben Nemsi gesagt, dessen Zunge die Wohnung des Betruges ist!«

»Ich glaube ihm, denn er spricht niemals anders, als er denkt!«

»Allah w‘ Allah! Der Moslem vertraut dem Christenhunde! Bist du denn wirklich wahnsinnig genug, zu denken, daß dieser räudige Schakal uns hindern könne, euch den Bären vorzuwerfen?«

»Es ist nicht Wahnsinn, daß ich es für möglich halte. Dieser Emir aus Germanistan ist ein Sohn des Glückes und ein Liebling der guten Dschinn93, welche im Himmel wohnen und Gottes Thron umringen. Er hat viel Schwereres vollbracht, als unsere Befreiung sein würde!«

»Er ist eine feige Hyäne, die den Mut nicht hat, uns zu folgen, oder ein blinder Hund, der keine Fährte sieht. Wenn er sich an uns wagte, müßte er längst hier sein! Ich habe ja sein Antlitz schamrot gemacht, indem ich ihm sagen ließ, daß ich es bin, der seinen Hengst entführte.«

»Er kann noch kommen!«

»So fällt er meinen Wachen in die Hände, die unten beim Aufgang des Thales auf ihn lauern, und wird den gleichen Tod mit euch erleiden! Ihn, der ein Christ ist, wird dann der Geist des christlichen Priesters, der als Bär erscheint, auch verschlingen. Du siehst, daß ihr auf alle Fälle verloren seid!«

»Allah giebt das Leben, und Allah giebt den Tod; es ist alles im Buche verzeichnet; aber ich darf noch nicht sterben, denn ich habe die Aufgabe noch nicht erfüllt, die ich zu vollenden habe; ich weiß also, daß wir errettet werden!«

»Hund, willst du mich etwa verhöhnen! Such‘ deine Befreiung beim Halbmonde, oder such‘ sie beim Kreuze der Christen, du wirst vergeblich nach ihr lechzen und schreien!«

»Ist der Mond der Moslemim nicht barmherzig, so werden wir Erhörung bei dem Kreuze finden!«

»Das haben die Schiiten dort von der Musallah herabgestürzt und mit Feuer verbrannt, es ist vernichtet und kann dir zu nichts helfen!«

»Aber die Bedeutung, die es hatte, die ist noch vorhanden!«

Da donnerte ihn der Scheik, erbost über die Gegenreden, grimmig an:

»Der Wahnwitz deines Widerstandes ist und bleibt grenzenlos! Ich sage dir, und das merke dir: da drüben steht die Musallah el Amwat; ich sage, daß der Bär des Priesters euch dort fressen werde, und du meinst, daß das Kreuz euch dort erretten könne; jeder Mensch, der Hirn im Kopfe hat, wird dich darob verlachen, dennoch will ich ernst bleiben und so thun, als ob ich das, was du gesagt hast, für möglich halte. Wenn der Bär des toten Priesters da drüben im Eingange der Musallah steht und das Kreuz der Christen in den Tatzen hält, dann will ich glauben, daß es diesem Kara Ben Nemsi, dem Christenhunde, gelingen kann, euch aus unsern Händen zu erretten, eher aber nicht! Hast du das gehört? Bist du so verrückt, auch dies für möglich zu halten?«

»Wenn Gott es will, so ist es nicht nur möglich, sondern es wird und muß geschehen!«

Da sprang der Scheik auf, stampfte mit beiden Füßen die Erde, fuchtelte in unzähmbarem Zorne mit den Armen in der Luft herum und schrie den Kelhur zu, welche, von dem überlauten Gezänke herangelockt, am Eingange des Bodenrisses standen:

»Hört ihr es, hört! Dieser verrückte Sohn eines Hundes und einer Hündin vom Stamme der Bebbeh behauptet, daß der Geist des Priesters drüben unter dem Thore der Musallah stehen werde, mit dem Kreuze der Christen in den Tatzen, zum Zeichen, daß er und sein Vater uns mit Hilfe von Kara Ben Nemsi, den die Hölle geboren hat und auch wieder verschlingen muß, entkommen werden! Ihr habt es gehört. Nun laßt das Lachen des Spottes erschallen und das Gelächter der Verachtung ertönen, damit er und der Erzeuger seines armseligen Lebens von den Stimmen der Verhöhnung niedergeschmettert werden!«

Er ließ, um selbst das Beispiel zu geben, ein brüllendes Lachen hören, und seine gehorsamen Kurden fielen in dasselbe ein. Der Wald und die Bergwände gaben das unbeschreibliche johlen verzehnfacht zurück, daß es mir war, als müsse der weiße Riesenbär des Priesters aufgeweckt werden und drüben erscheinen, um die so verhöhnte Behauptung wahr zu machen. Mein Blick flog auch wirklich unwillkürlich hinüber; aber das Gedorn bewegte sich nicht, und das Thor der Musallah blickte so leer als wie zuvor zu uns herüber. Dafür aber tauchte in mir ein Gedanke auf, den ich sofort festhielt, obgleich seine Ausführung mir die Rettung der Gefangenen, die mir in anderer Weise wohl leichter geworden wäre, ungemein erschweren mußte.

Als das Hohngelächter verklungen war, setzte sich Schir Samurek wieder nieder und warf in unbeschreiblich verachtungsvollem Tone die Frage hin:

»Wiß ihr nun, wie vernünftige Männer über euch denken? Hat die Antwort, die ihr erhieltet, euch nicht die Knochen zu Mehl und Staub zermalmt? Morgen um dieselbe Zeit werdet ihr dasselbe Lachen aus dem Munde der Teufel in der Hölle hören, und es wird euch in die Ohren klingen in alle Zeit und Ewigkeit! Eure Erwartung ist Lüge, eure Hoffnung ist Täuschung, und euer Glaube ist Betrug. Weder Allah noch sein Prophet wird sich eurer erbarmen, denn das Blut, welches wir zu rächen haben, muß über euch kommen, und wenn ihr euch in eurer Todesangst dann an den falschen Gott der Ungläubigen wendet, welcher Isa94 heißt, so wird der Himmel sich vollends von euch wenden und die Hölle über euern Abfall jubeln!«

Da rief Aqil, welcher bis jetzt kein Wort gesprochen hatte:

»Mag er sich vollends abwenden, und mag sie darüber jubeln! Wenn weder Allah noch sein Prophet eine Rettung für uns wissen, so verlieren wir nichts, wenn sie uns vollends verlassen. Ist es etwa eine Sünde, einen Glauben aufzugeben, der sich seiner Anhänger nicht erbarmt und ihnen nur Tod und Rache bringt? Du aber, sprich ja nicht von Falschheit und Betrug, du, dessen Lüge und Hinterlist uns um das Leben bringt! Als ich dir gestern den Hengst des Fremden als Lösegeld bot, nahmst du es an und verhießest mir das Leben; als du aber erfahren hattest, wo das Pferd zu finden war, warfst du mich in Fesseln und nahmst dann auch noch meinen Sohn gefangen, als ihn der Zufall euch entgegenführte. Statt ich allein, sollen nun wir beide sterben. Ist das nicht Hinterlist und Falschheit, Lüge und Betrug! Ist es wirklich ein Abfall von unserm Glauben, wenn wir Rettung durch den Christen erwarten, weil kein Moslem uns aus den Händen derer befreien will und kann, die sich Gläubige des Propheten nennen?«

»So hofft getrost auf diesen Ungläubigen; ich habe nichts dagegen! Er, den du um sein teueres Eigentum brachtest und den dein Sohn erstechen wollte, soll nun sein Leben wagen, um das eurige zu retten! Von welch einem Menschen kann man das verlangen! Bei Allah und bei meiner Seele, wenn er es dennoch thäte, ich würde selbst auch am Islam irre werden und meine Augen auf den Gott richten, der am Kreuz gestorben sein soll, um die Sünder zu erretten und die Verlorenen wiederzufinden!«

»So mache dich ja bereit, deine Augen nach dem Kreuze zu richten, denn Kara Ben Nemsi wird sicher kommen. Ein Krieger wie er läßt ein solches Pferd nicht im Stich!«

»Allah! Wir sind dreihundert gegen ihn!«

»Hast du jemals gehört, daß er seine Feinde zählt?«

»Hund! Du scheinst ja diesen unreinen Wurm schon zu verehren und anzubeten wie einen Gott, der über dem siebenten Himmel thront! Selbst wenn er hier erscheinen sollte, würde es zu spät für euch sein; er würde auch in unsere Hände fallen, doch wäret ihr schon längst vorher im Magen des Bären begraben. Warum leihe ich überhaupt euern Reden meine Ohren? Wir mußten warten, weil der Bär erst spät, nachdem es dunkel wird, sein Lager zu verlassen pflegt; nun aber naht die Dämmerung, und ich brauche nicht länger zu zögern, mit dem Werke der Vergeltung zu beginnen. Jetzt, in diesem Augenblicke, erhebt der Tod seine Hand, um sie nach euch auszustrecken; sobald das letzte Licht des Tages verschwindet, hat er euch ergriffen; da liegt ihr drüben in der Musallah el Amwat, und keinem Sterblichen, mag er nun ein Moslem oder ein Ungläubiger sein, wird es gelingen, euch zu erretten. Die Musallah ist die Kapelle der Toten, und wen die Toten übernommen haben, den geben sie nicht wieder heraus!«

Er warf dem Wächter einen Befehl zu; dieser entfernte sich und brachte acht oder zehn Kurden herbei, welche zwei starke Pfähle und viele Riemen bei sich hatten. Die Bebbeh sollten mit den Riemen an die Pfähle gebunden und dann mit Honig bestrichen werden; das war klar. Ich durfte nicht länger hier bleiben, denn ich mußte noch den Weg nach der Musallah rekognoszieren, den wir später in der Dunkelheit zurückzulegen hatten. Ich kroch also zurück, aus den Farn heraus, und wendete mich nach der Seite hin, wo drüben die Kapelle lag. Dabei bewegte ich mich wieder vorsichtig von Baum zu Baum, wäre aber trotz dieser Vorsicht beinahe gesehen worden, wenn ich die Gefahr nicht noch beinahe im letzten Augenblicke bemerkt hätte.

Nach der Beschreibung des Wirtes hatte ich die Wiese rund mit scharfer Waldumgrenzung gehalten; aber sie streckte eine Art Zunge ziemlich weit zwischen die Bäume hinein, der ich Mich, ohne sie zu kennen, so weit genähert hatte, daß ich mich nur einige Schritte von ihrem Rande befand. Der Klang einer Stimme grad vor mir hatte meinen Fuß noch zur rechten Zeit zurückgehalten. Ich warf mich nieder und kroch, tief an den Boden gedrückt und scharf um mich spähend, vorwärts. Ein starker Stamm gewährte mir genügende Deckung; von da aus konnte ich die Wiesenzunge überblicken. Da standen Pferde, vielleicht gegen dreißig Stück, beisammen, seitwärts davon mein Rih mit Halefs Gaul. Der Rappe war ein edles, stolzes Tier; er litt niemals ein fremdes Pferd in seiner Nähe, dessen Besitzer er nicht kannte; er schlug und biß es fort. Und wenn es ihrer viele waren, so entfernte er sich und ließ sich darin durch keinen Zügel oder Riemen hindern.

Wie aber sah das herrliche Tier jetzt aus, natürlich nur in meinen Augen, die jeden Zollbreit von ihm kannten! Jeder andere mußte ihn auch jetzt nur mit Bewunderung betrachten. Es wurde schon erwähnt, daß der lange Ritt durch Persien nicht ohne Folgen auf ihn gewesen war. Gestern war er uns gestohlen und mit Gewalt fortgeführt worden. Er war nicht gutwillig mitgegangen; wie ich ihn kannte, wußte ich, daß er sich ganz energisch gesträubt und widersetzt hatte; anstatt ihn durch Liebe und Zureden gefügig zu machen, war man roh und gewaltthätig mit ihm umgegangen, das sah ich ihm sofort an. Nun stand er bewegungslos mit halb geschlossenen Augen und tief hängendem Kopfe da. Sein herrliches Fell hatte seit gestern fast allen Glanz verloren; das Gras der Wiese reizte ihn nicht; vor ihm lag ein Haufen junger, grüner Zweigspitzen, die man ihm vorgeworfen hatte, um ihm Appetit zu machen; sein Maul hing grad darüber, ohne daß eine Nüster auch nur leise zuckte; er hungerte, und ich war überzeugt, daß er auch das Wasser verschmäht hatte. Er grämte sich; er sehnte sich nach mir!

91.Teich.
92.Unordnung der Steine.
93.Geister.
94.Jesus.
Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
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