Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi III», sayfa 20
»Was gedenkst du nun, mit ihnen zu thun? Ihr steht in Blutrache mit ihnen und habt doch nur die Schrecklichkeit ihres Todes mildern wollen, da sie nun von euern Kugeln sterben müssen?«
»Nein. Als Christ kenne ich nur die Verzeihung, nicht aber die Rache. Ich habe ihnen die Freiheit geschenkt. Sie können gehen, wohin sie wollen, nachdem ich dich gezwungen habe, ihnen ihre Pferde und ihre Waffen wieder herauszugeben.«
Da warf er mir, indem sein ganzes Gesicht sich in ein einziges, großes und erstauntes Fragezeichen verwandelte, die Worte zu:
»Hast du im Ernste gesprochen, Emir?«
»Im vollsten Ernste.«
»Welch Wunder, welch ein großes, unbegreifliches Wunder sehe ich da! So ist es also wahr, was man von dir erzählt: Du erweisest selbst deinen Todfeinden Gutes, weil du ein Bekenner des Gekreuzigten bist. Weißt du denn, daß nun auch Rache zwischen euch und mir vorhanden ist?«
»Ich habe dir schon gesagt, daß ich keine Rache übe.«
»Aber ich befinde mich doch in deinen Händen, ich, der ich euch töten wollte. Was hast du über mich beschlossen?«
»Wenn du thust, was ich von dir verlange, werde ich dich als Freund betrachten und dir die Freiheit wiedergeben.«
»Und was ist es, was du von mir forderst?«
»Daß du erstens Aqil und Ssali die Waffen und Pferde wiedergiebst; daß du zweitens die Gefangenen aus Khoi mit allem, was ihnen gehört, zurückreiten lässest, und daß du drittens die zehntausend Piaster des Wirtes, welche du Aqil abgenommen hast, mir zur Besorgung an ihn ausantwortest.«
»Aber was bleibt da für dich? Was hast du davon, daß du gegen diese Leute und auch gegen mich so gütig und barmherzig bist?«
»Ich habe viel, sehr viel davon! Das Bewußtsein, den Geboten des christlichen Glaubens gehorsam gewesen zu sein, ist mir hundertmal mehr wert, als alles andere, was ich erlangen könnte. Isa Ben Marryam, der Gekreuzigte, hat uns befohlen: Liebet eure Feinde; segnet die, welche euch verfluchen, und thut denen wohl, welche euch hassen; dann seid ihr gehorsame Kinder eures Vaters im Himmel! Ich möchte gern ein solches Kind Gottes sein, und der Gedanke, daß der allliebende Vater heut mit mir zufrieden ist, macht mich glücklicher, als der Reichtum der ganzen Erde mich machen könnte.«
Da sah ich, daß Schir Samurek die Zähne zusammenbiß; seine Lippen zuckten, und indem eine tiefe Bewegung über seine Züge ging, rief er aus:
»Effendi, du hast mich zweimal besiegt, erst durch deine List und Verwegenheit und nun durch deine Versöhnung predigende Frömmigkeit. Ich will noch nicht sagen, was ich mir in diesem Augenblicke vorgenommen habe; ich will dich nur noch einmal, zum letztenmale, durch eine Bitte prüfen: Gieb mir, o Emir, jetzt einmal die Hände frei, daß ich sie zum Gebete falten kann!«
War das Betrug, war es eine List? Ein forschender Blick in sein Gesicht beantwortete mir diese Frage mit einem überzeugten, sichern »Nein!« Ich schnitt ihm alle Fesseln durch und sagte:
»Wohlan, du sollst erfahren, wie ein Christ jetzt handelt, während ein Anhänger Muhammeds dich auslachen und verhöhnen würde. Ich gebe dir nicht nur die Hände und, was du gar nicht erbeten hast, auch die Füße frei; ich gebe dich ganz frei. Du kannst also gehen, wohin es dir beliebt. Wenn dich der traurige Ruhm stolz und glücklich machen kann, einen ehrlichen Mann getäuscht zu haben, der dir Glauben und Vertrauen schenkte, obgleich du dich in seiner Gewalt befandest und die Rache ihm deinen Tod befahl, so gehe hin und rühme dich; ich habe nichts dagegen!«
Es war weniger Ueberlegung als vielmehr eine Eingebung, welche mich so handeln ließ. Die Folgen davon waren sofort zu sehen und zu hören. Aqil und Ssali schrieen vor Verwunderung fast laut auf; Halef streckte beide Hände abwehrend aus und rief:
»Sihdi, was fällt dir ein! Sei gehorsam deinem Glauben, ja; das aber ist zu viel; das ist zu viel gewagt!«
Schir Samurek jedoch sprang auf, schlug beide Hände über den Kopf zusammen und frohlockte:
»Frei bin ich, wieder frei, ganz frei! Der Tod war mir sicher, und nun wird mir dafür das Leben! Effendi, du hast den Sieg vollendet, von dem ich soeben sprach. Hör‘, was ich hierauf sage: Siehe, ich strecke beide Arme aus. Der linke zeigt nach Mekka, wohin der Moslem sein Angesicht richtet, wenn er betet, und der rechte deutet nach dem Bait el Makdis111, wo dein Gekreuzigter gestorben ist. Ich wende mich nicht nach links, sondern nach rechts, damit Isa Ben Marryam höre, was ich dir verspreche: Niemals, nie, so lange ich lebe, werde ich den heutigen Morgen vergessen, an dem ich den Lehrer einer solchen Liebe und Barmherzigkeit kennen lernte; nie soll die Rache wieder in mir wohnen, und jeder Christ soll mir in meinem Zelte so willkommen sein, als ob sein Erzeuger auch mein Vater sei. Und damit ihr seht, wie ernst es meinem Herzen mit diesem Schwure ist, soll gleich jetzt und hier das erste Werk der Versöhnung vollzogen werden.«
Er trat zu den Bebbeh, reichte ihnen beide Hände hin und fuhr fort:
»Es lag Blut zwischen meinem Stamme und dem eurigen. Aqil hatte die Rache heraufbeschworen und wir weigerten uns, den Blutpreis anzunehmen. Ihr fielet in meine Hände, und ich wollte euch von den Bären fressen lassen. Muhammed konnte euch nicht retten; aber der Gott der Liebe hat euch durch die Hand dieses Christen befreit, in dessen Herzen eigentlich die Unversöhnlichkeit des Hasses gegen euch wohnen sollte. Soll der Christ die Moslemim beschämen? Nein! Wo wir so viel Barmherzigkeit von ihm erfahren haben, dürfen wir nicht mehr an Haß und Rache denken. Reicht mir also eure Hände, und seid damit einverstanden, wenn ich sage. Von dieser Stunde an soll zwischen den Stämmen der Bebbeh und der Kelhur Freundschaft sein anstatt der Rache. Alles sei vergessen; die Alten sollen sich wie Brüder lieben, und die Jungen sollen einig wie Geschwister sein! Wollt ihr, Aqil und Ssali Ben Aqil, mit diesem meinem Vorschlage einverstanden sein?«
Er hatte ihre Hände ergriffen und hielt sie in den seinigen fest. Die ausgestandene Todesangst, vielleicht auch mein unerwartetes Verhalten, hatte ihn, den Harten, weich gemacht, und diese Milde des sonst so steinherzigen, ja blutgierigen Mannes, konnte unmöglich ohne Wirkung sein. Aqil antwortete:
»Wir fühlten die Krallen der Bären in unserm Fleische und den Hauch des Todes in unsern Seelen; da haben wir eingesehen, daß die Rache eine entsetzliche Tochter des Hasses ist, und sind bereit, uns zu der Liebe zu bekehren. Es sei darum, wie du gesagt hast: es walte Freundschaft zwischen euch und uns, zwischen eurem Stamme und dem unserigen; eure Freunde seien unsere Freunde, und unsere Feinde seien auch eure Feinde. Die besten und wertesten Freunde aber, welche beide Stämme haben, das sollen Hadschi Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar sein, der einen noch längeren Namen hat.«
Da sprang der kleine Hadschi zu ihnen hin, vereinigte seine Hände mit den ihrigen und rief:
»Ja, mein Name ist viel, viel länger, als ihr denken und aussprechen könnt, denn die Zahl meiner Väter, Urväter und Großvatersväter der Ahnenväter reicht bis zu dem Augenblicke hinauf, an welchem der erste Vater auf Erden geboren wurde. Aber meine Freunde brauchen mich nur Hadschi Halef zu nennen, und da ihr nicht mehr unsere Feinde, sondern unsere Freunde sein wollt, so erlaube ich euch, die ruhmreiche Kette meiner Vorfahren unerwähnt zu lassen. Allah hört und sieht den Bund, den wir jetzt schließen; er wird jeden strafen, der es wagt, ihn zu brechen. Komm, Sihdi, gieb deine Hände auch mit zum Versöhnungsfest, welches mit der Honigliebe der Bären begonnen hat und selbst dann kein Ende finden soll, wenn kein Honig mehr in den Bäumen wächst und keine Bären mehr auf Erden wandeln!«
Ich folgte seiner honigreichen Aufforderung und hatte eben einige Worte der frohen Zustimmung gesagt, als ein vielstimmiges Geschrei vom Kurdenlager zu uns heraufscholl. Die Kelhur hatten den Bären gesehen und die Abwesenheit ihres Scheiks bemerkt. Daß dies nicht schon früher geschehen war, daran trug der Morgenwind die Schuld, welcher vom Thale aufstieg und die dichten Nebelmassen nach der Höhe trug. Diese hatten sich als undurchsichtige Decke auf das Lager gelegt und den Ausblick von dort aus nach der Musallah verhindert. Nun aber war diese Decke von dem kräftiger werdenden Luftzuge zerrissen worden und die Kapelle lag frei vor den Augen derer, die gestern alle die höhnischen Worte ihres Anführers gehört hatten. Ihre Betroffenheit läßt sich denken, als sie dieselben in Erfüllung gegangen sahen und den Bären mit dem Kreuze erblickten. Natürlich eilten sie nach der Lagerstätte des Scheiks und sahen zu ihrem Schrecken, daß er verschwunden war. Seine Abwesenheit mit dem Erscheinen des Bären da drüben verbindend, erhoben sie das von mir erwähnte Angstgeschrei.
»Sie haben Sorge um mich; sie suchen nach mir,« sagte Schir Samurek. »Sie werden den Wald durchstöbern und hierherkommen. Und da sie nicht wissen, daß wir Freunde geworden sind, werden sie auf euch schießen und dadurch euer Leben in Gefahr bringen. Aber wenn ich dich bäte, hinab zu ihnen gehen zu dürfen, Effendi, um sie zu benachrichtigen, könntest du mir mißtrauen, denn unsere Freundschaft ist erst einige Minuten alt und hat noch keine Beweise meiner Aufrichtigkeit gegeben. Sag‘ also du, was jetzt geschehen soll. Ich werde alles thun, was du von mir verlangst.«
Ich antwortete auf diese ehrlich gemeinte Aufforderung ruhig:
»Es bedarf keiner solchen Beweise, denn ich glaube dir. Nach dem großen Vertrauen, welches ich dir vorhin schenkte, kannst du es nicht für möglich halten, daß ich dich jetzt, so schnell danach, mit einem Verdachte kränke, welcher dich beleidigen und den geschlossenen Bund sofort wieder zerstören müßte. Steig‘ also hinab und erzähle deinen Kriegern, was geschehen ist. Wir werden hier auf deine Rückkehr warten.«
Da drückte er mir herzlich beide Hände und sprach:
»Das ist wieder ein Edelmut, den ich bisher für nicht zu glauben hielt. Nun ich ihn aber kennen lerne, macht er die guten Vorsätze meiner Seele doppelt fest. Ja, ich werde gehen und dir schneller, als du denkst, beweisen, daß mein Mund nicht zwei Zungen hat, welche verschiedene Sprachen reden. In kurzer Zeit bin ich wieder hier bei euch.«
Als er sich entfernt hatte, äußerten die Bebbeh ihren ängstlichen Zweifel an seiner Aufrichtigkeit. Auch Halef warnte mich:
»Sihdi, du wagst zu viel! Warum bist du heut viel weniger vorsichtig als zu andern Zeiten?«
»Weil ich nicht durch Mißtrauen zerstören will, was ich durch Vertrauen erworben habe. Unvorsichtig werde ich trotzdem nicht sein; nur braucht er nicht zu wissen, daß ich, um ihn zu beobachten, ihm folgen werde. Bleibt hier! Ihr werdet nicht lange zu warten haben, denn ich komme jedenfalls eher wieder als er.«
Während ich nach unten stieg, war das Schreien und Rufen noch zu hören; bald aber verstummte es. Der Scheik war bei den Seinen angelangt und hatte seinen Bericht begonnen. Ich setzte meinen Weg mit doppelter Schnelligkeit fort, was jetzt, am hellen Morgen, keine Schwierigkeiten hatte. Es dauerte nicht lange, so hörte ich seine Stimme. Ihrem Schalle folgend, erreichte ich den Waldesrand und sah ihn mitten unter seinen Kriegern stehen. Ich verstand jedes Wort, welches er ihnen sagte, weil er in dem lauten Tone eines Redners sprach. Schon die erste Minute überzeugte mich, daß er es ehrlich meinte; ich wartete aber trotzdem, bis er mit seinem Berichte zu Ende war und sie eindringlich auch zum Frieden mahnte. Er stieß, wie auch gar nicht anders zu erwarten war, zunächst auf einigen Widerspruch; seine Leute hatten nur an den Austrag ihrer Rache gedacht und sich nicht in einer so schlimmen Lage wie er befunden; aber es wurde ihm doch nicht schwer, die wenigen Gegner seiner Ansicht zu derselben umzustimmen, und ich machte mich, als ich mich davon überzeugt hatte, auf den Rückweg zu den Gefährten.
Ich saß seit nur einigen Minuten wieder bei ihnen, so kam Schir Samurek auch zurück und zwar ganz allein.
»Effendi, du wirst mit mir zufrieden sein,« sagte er. »Meine Krieger hörten zwar mit großem Erstaunen, daß die Bebbeh noch am Leben seien; als sie aber erfuhren, daß du die beiden gerettet und mich dafür ergriffen, dann aber freiwillig wieder freigegeben hast, siegte bei ihnen der Wunsch, den Emir Kara Ben Nemsi Effendi als Freund und Gast bei sich zu haben und dadurch den Neid der andern Stämme zu erregen. Sie werden dich und Hadschi Halef Omar mit Freuden empfangen und ich bin nur jetzt allein gekommen, um dir zu beweisen, daß du mir vertrauen darfst. Schau, ich bin ohne Waffen. Nehmt mich in eure Mitte und geht mir mir hinab. Meine Krieger haben sich auf die eine Seite des Lagers zurückgezogen und auf der andern alle ihre Flinten und Messer vorher abgelegt; du würdest also schon allein mit deinem Zaubergewehre jede Hinterlist leicht bestrafen können.«
»Diese Versicherung gereicht zu deiner Ehre, doch für uns ist sie überflüssig, weil wir wissen, daß du uns nicht betrügen wirst. Du bist also bereit, die Bedingungen zu erfüllen, welche ich dir vorhin gestellt habe?«
»Ja; doch habe ich eine Bitte.«
»Welche?«
»Wenn du mir das Fell der Bärin überlassen wolltest, würde es für unsern ganzen Stamm ein Heiligtum des Andenkens an Kara Ben Nemsi sein.«
»Du sollst es haben; die Felle der drei Jungen aber wird Halef mit zu den Haddedihn nehmen.«
»Wie? Drei Kinder hatte diese riesenhafte Mutter der Gefräßigkeit?«
»Ja.«
»Oh, ihr Helden! Wie ist es euch denn möglich geworden, diese Tiere zu töten, ohne daß wir einen einzigen Schuß gehört haben?«
»Das wirst du nachher erfahren. Mein guter Hadschi Halef Omar ist ein großer Meister des Erzählens; ihr werdet aus seinem beredten Munde hören, wie alles gekommen ist, von unserm Eintritte in Khoi an bis auf den jetzigen Augenblick.«
Nichts war dem kleinen Hadschi lieber, als wenn er so recht nach seinem Gusto erzählen konnte; darum bereitete ihm dieser Hinweis auf sein Talent die größte Freude. Er fühlte sich geschmeichelt und bestätigte, sich in die Brust werfend, meine Worte:
»Ja, das ist sehr wahr. Allah hat mir die Gabe der überwältigenden Rede verliehen, und wo ich meine Stimme erschallen lasse, da schweigen alle Menschen, Pferde und Kamele. Ihr sollt erfahren, wie wir euch gefunden haben, wie mein Sihdi dich und die beiden Rosse herausgeholt hat und wie der Unsterblichkeit der Bärin ein so schnelles und ruhmloses Ende bereitet wurde. Eure Ohren werden voll werden von den Klängen unserer Pfiffigkeit und von den Tönen unserer Tapferkeit; wir aber konnten uns in Khoi nur mit Datteln versehen, welche nichts taugen, weil sie wurmstichig sind, und freuen uns also sehr darauf, von euch bessere zu bekommen. Rih, unser edler Rappe, ist an diese Frucht gewöhnt, und da ihr ihn gestern schlecht behandelt habt, so daß er vor Zorn und Aerger gar nicht fressen konnte, so muß er nun täglich wenigstens zweimal eine Ruba112 gute Datteln bekommen, bis sich sein Grimm gelegt hat und er wieder zu Kräften gekommen ist.«
Der kleine Kerl benutzte die Gelegenheit, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden; daß er dabei den Mund sehr voll nahm, das lag in seiner Art und Weise; freilich wollte mir die Unverfrorenheit seiner Forderung nicht gefallen, doch nahm der Scheik sie mit guter Miene hin, indem er versprach, sie nach Möglichkeit zu erfüllen. Wer hätte es für möglich gehalten, daß dieser Räuber, dem kein Gesetz als nur das der Blutrache heilig gewesen war, so rasch und in solcher Weise ein ganz anderer werden könne! Noch heute ist mir wenigstens das Eine unbegreiflich, daß er, scheinbar so leichten Herzens, auf Rih verzichtete, ohne nur ein einziges Wort des Bedauerns laut werden zu lassen. Das konnte nicht allein die Wirkung der ausgestandenen Todesangst sein, sondern des Wortes von der Liebe, die ja mächtiger ist als alles andere im Himmel und auf Erden.
Wir stiegen mit ihm, die beiden Pferde an den Zügeln führend, zum Lager hinab, wo wir es so fanden, wie er uns gesagt hatte: rechts lagen die Waffen alle beisammen, und links vom Teiche saßen die Kelhurs, welche Halef und mich mit bewundernd neugierigen Blicken empfingen, während sie die Bebbeh einstweilen gar nicht zu beachten schienen. Am freudigsten wurden wir von dem Nezanum und seinen Begleitern bewillkommnet, die uns die Befreiung aus der Gefangenschaft und von der Zahlung des Lösegeldes zu verdanken hatten.
Die Hauptsache war natürlich, wie bei allen wilden und halbcivilisierten Völkern, ein Schmaus, welcher sogleich veranstaltet wurde und zu dem das Fleisch der vier Bären eine vortreffliche Beigabe bot. Ein Freundschaftsschluß kann nur dann als bindend betrachtet werden, wenn er durch einen solchen Schmaus bestätigt und bekräftigt worden ist.
Was die Bären betrifft, so folgten die Kelhur uns trotz ihrer großen Neugierde nicht ohne Scheu nach der Musallah hinüber. Als wir drüben anlangten, sagte der Scheik, indem er auf die tote Bärin deutete:
»Effendi, ich rühre sie nicht eher an, als bis ich weiß, daß sie wirklich tot ist und bis sie das Kreuz nicht mehr in den Tatzen hat. ich weiß nicht, was gefährlicher ist, das Zeichen der Christen zu entweihen oder zwischen die Pranken eines solchen Ungetümes zu geraten.«
»Wenn es zu deiner Beruhigung dient,« antwortete ich, »so werde ich dir beweisen, daß sie nicht mehr lebt, und du wirst mir dafür helfen, die Ruine der Musallah mit einem bessern Kreuze zu versehen.«
»Ja, das werde ich thun; sehr gern soll das geschehen. Einige meiner Krieger haben ihre Kadadim113 zum Bau der Lagerstätten mit. Wir werden Stämme fällen und ein Kreuz zimmern, wie du es haben willst; du brauchst uns deinen Wunsch nur anzugeben.«
Da drängte sich Ssali Ben Aqil zu mir heran und fragte mich:
»Erlaubst du mir, Effendi, daß ich bei dieser Arbeit auch mithelfe?«
Ich gab ihm mit Absicht folgende Antwort:
»Natürlich erlaube ich es dir. Aber du bist ein Lehrer und Prediger des Islam. Verträgt es sich mit diesem deinem Berufe, eine Musallah derer, die ihr Ungläubige nennt und die deshalb hier von Moslemim getötet wurden, mit dem Zeichen des Christentumes zu schmücken?«
Die Leute, welche um uns standen, waren Bekenner des Islam, dennoch erwiderte er, daß sie alle es hörten:
»Du hast uns gesagt, daß der Halbmond eine Nachahmung des tötenden Schwertes sei; das Kreuz aber wurde dem Gotte der Liebe errichtet, der uns durch dich vom Tode errettet hat. Wer kann wanken, wenn er zwischen Tod und Leben zu wählen hat? Lag nicht der Tod auch aller dieser Kelhurs im Laufe deines Zaubergewehres? Und doch hast du ihnen die Versöhnung an Stelle der Vernichtung gebracht! Ist es etwa gleichbedeutend mit der Abschwörung des Islam, wenn ich aus Dankbarkeit für die Befreiung aus den Krallen der Bären die Hölzer des Kreuzes mit zimmern und errichten helfe? Soll ich mir von dir vorwerfen lassen, daß ich deinem Glauben den Dank verweigere, den ich ihm schuldig bin? Muß ich deshalb, weil ich den Mahdi suche, ungerecht gegen deine Lehre sein? War Abram nicht ein Heide, ehe er ein Jude wurde? War Muhammed sogleich ein Moslem, als er als Kind die Erde betrat? War euer Isa Ben Marryam nicht ein Jude, ehe er seine große Predigt vom Berge lehrte? Muß also der Mahdi, den wir erwarten, ursprünglich und unbedingt ein Moslem sein? Kann nicht auch ein Christ von Allah begnadet werden, die Wohnung des Geistes zu sein, welcher seinen Gläubigen die Pforten der wahren Seligkeit öffnet? Und habe ich nicht gestern abend und heut früh die Ueberzeugung gewonnen, daß dieser Geist der Geist der Liebe sein muß? Streite mit mir über den Glauben, aber wehre mir nicht, die Schuld abzutragen, die mich drücken würde!«
»Es fällt mir nicht ein, mit dir zu streiten, denn ich bin der Ueberzeugung, daß du, wenn du eifrig suchst, das Richtige finden wirst. Und noch viel weniger werde ich dich hindern, das Kreuz mit zu errichten, unter welchem allein die Liebe wohnt, nach welcher du dich sehnst. Du wandertest bisher in der Irre, weil du dir vornahmst, ein Führer zu sein. Sobald du zu der Erkenntnis kommst, daß du selbst noch sehr der Führung bedarfst, wird dir, wie einst den drei Königen aus dem Morgenlande, der Stern von Bait Lahm114 erscheinen, um dich zu dem rechten und einzigen Mahdi zu leiten, dessen Stimme noch heut durch alle Lande schallt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, und niemand kommt zum Vater denn durch mich! Suche nur, suche! Unsere heilige Schrift giebt uns die tröstliche Verheißung- Suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgethan. Diese Verheißung gilt nicht bloß für uns Christen, sondern für alle Menschen, die nach der Wahrheit trachten, also auch für dich. Aber wer nach der Wahrheit strebt, der darf dies nicht mit Voreingenommenheit thun, denn wenn du einen Freund mit Absicht grad nicht in der Stadt oder in dem Hause suchst, wo er wohnt, so ist dein Suchen vergeblich.«
»Effendi, ich werde suchen, überall, allüberall, und ich bin überzeugt, daß ich den Mahdi finden werde, hier oder dort, früher oder später. Jetzt aber werde ich euch helfen, den Bären auf die Seite zu schaffen, der uns im Wege steht. Du hast dafür gesorgt, daß er uns nicht fressen konnte; dafür wird er aber nun von uns verzehrt werden.«
»Die Tatzen sind für mich und für meinen Sihdi bestimmt,« fiel da der schlaue Halef ein. »Alles übrige Fleisch, von der Mutter sowohl als auch von ihren jungen, könnt ihr für euch behalten.«
»Nur die Lebern nicht,« warnte ich. »Die sind von dieser Art von Bären giftig und müssen weggeworfen werden.«
Jetzt banden wir der Bärin das Kreuz aus den Pranken, legten sie um und schälten sie aus dem Felle, was nur langsam vor sich ging, weil sie nicht mehr warm war. Den Pelz nahm dann Schir Samurek gleich an sich. Dasselbe geschah dann mit den jungen, über deren Häute sich Halef sofort hermachte, um die noch anklebenden Fleischteile mit Hilfe einiger Kurden abzuschaben und sie dann mit dem Gehirne einzureiben. Inzwischen gingen Aqil und sein Sohn nach dem Wasser, um sich und ihre vielfach zerfetzten Anzüge von dem Honige zu reinigen, dessen Süßigkeit ihnen hatte so verhängnisvoll werden sollen.
Als das Fleisch der Bären verteilt worden war, begann das Braten desselben und dann der Schmaus, bei dem die Freundschaft zwischen uns und den Kelhur abgeschlossen wurde – – für ewige Zeiten. Was solche Ewigkeiten zu bedeuten haben, und von welcher Dauer sie sind, das wissen die Diplomaten aller Länder, und das wissen auch die Kurden. Die Bärentatzen schmeckten mir und Halef ausgezeichnet. An das Fleisch der uralten »Bärin der Unsterblichkeit« hätte ich mich nur in der größten Hungersnot gewagt; es war unbeschreiblich hart und zähe und mußte wie Sohlenleder schmecken; aber diesen Kelhur schien es einen wahren Göttergenuß zu bereiten. Wenigstens versicherten sie einstimmig, daß sie noch niemals solche leckere und ehrenvolle Lukmat esch Schühret115 genossen hätten. Der Stolz, grad diese berühmte Bärin verspeisen zu dürfen, machte ihre Geschmacksnerven allem Anscheine nach vollständig empfindungslos.
Nach dem Essen wurde aus hartem, dauerhaftem Holze ein riesiges Kreuz gezimmert und dann hoch auf der Vordermauer der Musallah befestigt, so daß es der vereinigten Kräfte vieler Männer bedurfte, es von da zu entfernen. Als wir damit fertig waren, fragte Ssali Ben Aqil:
»Effendi, ich habe auf meinen Reisen viele Eigentümlichkeiten der Europäer kennen gelernt. Ich weiß, daß sie bei Gelegenheiten, wie die jetzige eine ist, eine feierliche Takdis116 zu veranstalten pflegen. Bist du nicht der Meinung, daß so eine Takdis auch hier zu geschehen habe?«
Ich war selbstverständlich darüber erstaunt, daß er, der Moslem, sogar der Prediger des Islam, mir die Einweihung dieses Zeichens des Christentumes in Vorschlag brachte. Natürlich ging ich darauf ein, mußte dabei aber vorsichtig sein; ich durfte die Glaubensansichten der Kurden nicht beleidigen und mußte mich vor allen Dingen hüten, den Samen zu vernichten, der heut in viele Herzen gefallen war. Darum antwortete ich:
»Ja, wir wollen dieses Kreuz einweihen. Es soll in diesen Bergen, in denen bisher der Haß und die Unversöhnlichkeit wohnten, als das Sinnbild der Liebe und des Friedens stehen. Seid ihr damit alle einverstanden?«
Ich erhielt ein hundertstimmiges ja zur Antwort und fuhr fort:
»Wenn jemand unter euch das Trotzlied von Fileh el Mafileh kennt, so möge er mir den Anfang desselben sagen!«
Da war es gleich der Scheik, welcher antwortete:
»Gasa, Nikma, Bugda, Thar117 – – – —«
»Halt, mehr brauche ich nicht!« unterbrach ich ihn. »Diese vier Worte sagen zur Genüge, was für finstere Wolken seit Jahrhunderten auf diesen Bergen und Thälern gelegen haben; sie sollen von der Sonne der Liebe und Güte zerteilt und vertrieben werden. Wenn einer von euch Farbe bei sich hätte, würde ich euch ein anderes und schöneres Muwal118 an dieses Kreuz schreiben, welches das Herz eines jeden Menschen erleuchten würde, der hierher käme und es läse.«
Da rief mir einer zu:
»Effendi, ich bin der Schabbar119 des Stammes und habe mehr Nila120 bei mir, als du zu einer solchen Schrift nötig hast.«
Das war mir lieb. Einen Pinsel gab es zwar nicht, doch fertigte ich mir einen, indem ich ein Stück grünes Holz abschnitt —und das eine Ende desselben kaute, daß es faserig wurde. Dann mußten zwei starke Kurden mit mir hinauf zum Kreuze steigen; ich stellte mich auf ihre Schultern, so daß ich den Querbalken des Kruzifix erreichen konnte, und schrieb in arabischer Sprache, was mir der Augenblick eingab. In arabischer ist es viel kürzer als in deutscher Sprache, in welcher es, den Reim beibehalten, ungefähr lauten würde:
»Die Güte leite all dein Handeln;
Die Milde leite all dein Thun.
Du sollst in Gottes Lebe wandeln;
Du sollst in Gottes Liebe ruhn!«
Als ich fertig war und Ssali Ben Aqil es den schriftunkundigen Kurden vorlas, erntete ich lauten und allgemeinen Beifall. Ich sprach eine kurze Weiherede, forderte die Zuhörer auf, niederzuknieen und die Hände zu falten und betete das Vaterunser, an dessen Schlusse alle in mein Amen mit einem kräftigen Amin einfielen, ein Wort, welches ganz dieselbe Bedeutung hat. Es war wohl nur Ssali Ben Aqil allein, welcher wußte, daß sie damit einen außerordentlichen Verstoß gegen die Satzungen des Islam begangen hatten.
Es versteht sich ganz von selbst, daß die Wachen, welche unten im Flußbette gestanden hatten, um uns abzufangen, längst eingezogen worden waren. Das Einvernehmen aller war jetzt ein so gutes, als ob niemals eine Feindschaft zwischen uns gelegen hätte. Wir beschlossen, noch nicht fortzuziehen, sondern den ganzen Tag und auch noch die folgende Nacht hier oben bei der Musallah el Amwat zu bleiben, und da kann man sich denken, daß mein kleiner, redseliger Halef diese Gelegenheit ausnützte, von meinen Thaten und von meinen Vorzügen zu erzählen, worunter er aber nicht zum wenigsten die seinigen meinte.
Auch ich ließ diese Gelegenheit nicht vorübergehen, ohne – – – zu erzählen? o nein! sondern ohne den ausgestreuten Samen zu begießen, wobei mir Ssali Ben Aqil ein sehr aufmerksamer Zuhörer war. Ich gedachte des Wortes unsers Heilandes an Petrus: »Von jetzt an wirst du Menschen fangen!« und zugleich des Dichterwortes121: »O Gott, wie muß das Glück erfreun, der Retter einer Seele sein!«
Ich erzählte von den alttestamentlichen Weissagungen, von Christi Geburt, seinem Leben, Sterben und Auferstehen, von seinen Lehren. Ich that dies nicht in aufdringlicher, missionierender Weise, durch welche ich grad das Gegenteil von meiner Absicht erreicht hätte, denn diese unvorsichtige Art des Fanges hätte das Wasser getrübt und die Fische verscheucht; so aber hörte man mir still und ohne Unterbrechung zu, erst aufmerksam nur, dann staunend, voller Verwunderung, die so aufrichtig war, daß der Scheik Schir Samurek endlich ausrief:
»Aber, Effendi, von alledem haben wir bisher ja nichts, gar nichts gehört und gewußt!«
»Das brauchst du mir nicht erst zu sagen. Dieses Geständnis hat mir schon gar mancher Moslem gemacht, welcher die Lehre Christi verachtete und verdammte, ohne ein Wort von ihr zu kennen. Ist es nicht Thorheit, über etwas vollständig Unbekanntes ein Urteil zu fällen?«
»Da hast du recht. Also Isa Ben Marryam hat die Wunder wirklich alle gethan, welche du erzählt hast?«
»Ja.«
»Aber warum geschehen jetzt keine Wunder mehr, weder bei uns noch bei euch?«
»Es geschehen noch immer welche.«
»Bei euch?«
»Bei uns und euch.«
»Das glaube ich nicht!«
»Weil deine Augen geschlossen sind. Du brauchst sie nur zu öffnen, so siehst du Wunder allüberall. Der Kurzsichtige oder gar Ungläubige pflegt bei solchen Ereignissen freilich nicht von einem Wunder, sondern nur vom Zufalle zu sprechen.«
»Willst du damit sagen, daß es keinen Arid122 giebt?«
»Ja,«
»Hierin hast du einmal unrecht, Effendi. Es giebt Awarid123; ich habe viele, viele selbst erlebt.«
»Du irrst. Wir Christen glauben, daß Gottes Hand uns vom Anfange bis zum Ende des Lebens leitet, daß es sein liebevoller Wille ist, nach welchem alles, alles geschieht. Und wenn der Mensch sich gegen diese Liebe sträubt und dadurch seinem Lebenswege eine andere, schlimme Richtung giebt, so thut er das nach seinem, des Menschen Willen. Kann man da vom Zufall sprechen? Und euer Islam lehrt, daß alles, was geschieht, im Buche des Lebens vorher verzeichnet sei. Ist da also nicht auch bei euch jeder Zufall ausgeschlossen?«
»Richtig! Du hast recht, obgleich ich es vorhin nicht glaubte. Aber wie ist‘s da mit dem Wunder?«
»Wenn des Menschen Weg und Wollen mit dem Willen und der Liebe Gottes auseinandergehen, so streckt Gott in seiner Allbarmherzigkeit die Hand der Allmacht aus, um den Verirrten zu sich zurückzuführen. Das, was dann die Allmacht thut, ist eben das Wunder, welches an dem Menschen geschieht, zumeist ohne daß er es als solches erkennt.«
»Und du meinst, daß ich auch schon solche Wunder erlebt habe?«
»Ja.«
»Maschallah! Sage mir eins, ein einziges nur, so will ich daran glauben!«
»Das fällt mir gar nicht schwer. Hadschi Halef Omar erzählte euch vorhin, wie ich euch beschlichen und belauscht habe, du fordertest deine Krieger auf, über Ssali Ben Aqil zu lachen. Sie thaten es, und dann sagtest du zu ihm und seinem Vater: »Wißt ihr nun, wie vernünftige Männer über euch denken? Hat die Antwort, die ihr erhieltet, euch nicht die Knochen zu Mehl und Staub zermalmt? Morgen um dieselbe Zeit werdet ihr dasselbe Lachen aus dem Munde der Teufel in der Hölle hören, und es wird euch in die Ohren klingen in alle Zeit und Ewigkeit! Eure Erwartung ist Lüge; eure Hoffnung ist Täuschung und euer Glaube ist Betrug. Weder Allah noch sein Prophet wird sich euer erbarmen, denn das Blut, welches wir zu rächen haben, muß über euch kommen, und wenn ihr euch in eurer Todesangst dann an den falschen Gott der Ungläubigen wendet, welcher Isa heißt, so wird der Himmel sich vollends von euch wenden und die Hölle über euern Abfall jubeln!« – Das waren genau deine Worte, und du wirst zugeben, daß du so gesagt hast!«