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Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi III», sayfa 21

Yazı tipi:

»Ja.«

»Du hieltest es für vollständig unmöglich, daß grad das Gegenteil von deiner Drohung geschehen könne?«

»Ja, für vollständig unmöglich!«

»Nun, was folgte dann? Sie wurden frei und du selbst fielst in Gefangenschaft. Wir hätten dich in ganz genau denselben Tod schicken können, den sie erleiden sollten. Dann hättest du an ihrer Stelle das Lachen der Teufel in der Hölle gehört. So ist also nicht ihre, sondern deine Erwartung zur Lüge, deine Hoffnung zur Täuschung und dein Glaube zum Betrug geworden. Das, was du für unmöglich hieltest, ist geschehen. Isa hat sie errettet, ohne daß der Himmel sich von ihnen wendet und ohne daß die Hölle über sie jubelt. Wenn aber Unmögliches zur Wahrheit geworden ist, so ist eben ein Wunder geschehen. Nicht der Zufall hat uns hergeführt, sondern Gottes Allmacht war es, welche durch uns zwei schwache Männer das vollbrachte, was nach eurem und überhaupt nach menschlichem Ermessen niemals geschehen konnte. Zweifelst du noch daran, daß es ein Wunder ist?«

»Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, Effendi.«

»Du siehst es ein, sträubst dich aber, es zu gestehen. Und doch ist zu diesem Wunder sogar ein noch viel größeres geschehen. Ssali Ben Aqil und sein Vater, eure Todfeinde, sitzen jetzt als Freunde bei euch; sie haben nicht einmal die Dijeh, den Blutpreis zu bezahlen gehabt. Wenn das nichts als ein bloßer Zufall ist, so kann es allerdings überhaupt gar keine Wunder geben!«

Da sprang Schir Samurek auf und rief:

»Jetzt, jetzt hast du das Richtige getroffen, Effendi; jetzt hast du mich abermals besiegt! Daß dies geschehen konnte, daran war hier im Leben und auch im Jenseits nicht zu denken. Ja, es geschehen Wunder, und ich bin jetzt überzeugt davon. Aber ihr waret es, die dies alles vollbracht haben; die Liebe, die euch leitet, ist‘s gewesen; vor ihr ist das ganze, große Bauwerk unsers Hasses und unserer Rache, von dem wir glaubten, daß es in alle Ewigkeit bestehen müsse, in ein Nichts zusammengebrochen. Meine ganze Seele hat sich seit gestern verändert; ich kenne mich nicht mehr. Wenn ich nicht einsehen müßte, daß du nichts als die volle Wahrheit sagst und daß du es gut und ehrlich mit uns meinst, so würde ich dich für einen schlauen Missionar halten, der uns durch schönklingende Worte bethören und von unserem Glauben abwendig machen will. Aber deine Thaten sprechen noch lauter und überzeugender als deine Worte, und wenn du von uns scheiden wirst, so hast du uns ein Mah et Tahkid124 hier zurückgelassen, von welchem unsere Herzen noch lange, lange trinken werden. Wirst du vielleicht einmal nach dem Lande der Kurden zurückkehren?«

»Das steht bei Gott. Wenn er es will, wird es geschehen.«

»Er gebe es! Dann sollst du bei uns empfangen werden als Bruder und als Freund, der keinen Wunsch hat, den wir nicht erfüllen. Jetzt aber sollst du weiter erzählen von Isa, dem Gekreuzigten und seinen zwölf Hawarijun125; denn da du schon morgen von uns scheidest, so müssen wir die kurze Zeit benützen, die du in unserer Mitte bist.«

Wie gern kam ich dieser Aufforderung nach! Hatte ich doch eine ganz bestimmte Absicht, die ich noch erreichen wollte. Ich habe bereits gesagt, daß die Kelhur einen Raub- und Beutezug über die Grenze hinüber ausführen wollten, und ich stellte mir die Aufgabe, sie davon abzubringen. Daß ich dabei nicht, wie man sich auszudrücken pflegt, mit der Thür ins Haus fallen durfte, versteht sich ganz von selbst. Ich wirkte durch leise Andeutungen heimlich darauf hin; ich belegte diese Mahnungen mit Beispielen aus meinem eigenen Leben und hatte endlich die Freude, den Erfolg eintreten zu sehen, daß Schir Samurek ohne alle Ahnung von dieser meiner Taktik scheinbar ganz von selbst auf die Frage kam:

»Aber da begehen wir doch, wenn wir unsern Kriegszug ausführen, eine so große Sünde, daß sie uns gar nicht vergeben werden kann. Meinst du nicht auch, Emir?«

Ich that, als ob ich erst jetzt, durch ihn, an dieses ihr Vorhaben erinnert werde, und antwortete natürlich in bejahender Weise. Nun gab es für ihn einen doppelten Kampf, nämlich zwischen ihm und sich selbst und zwischen ihm und seinen Leuten. Er und sie waren das Räuberleben gewöhnt; sie betrachteten den Raub als ritterliche That; sie hatten den Zug unternommen, um Beute zu machen. Sollten sie auf diese Beute verzichten? Sollten sie leer nach Hause kommen und sich auslachen lassen? Ich hatte mir fast zu Schweres vorgenommen, denn mein Einfluß auf diese Dreiviertelbarbaren stammte erst von heut; er war viel zu neu und zu schwach, es mit ihren altgewohnten Anschauungen aufzunehmen; aber grad dadurch, daß ich nicht kategorisch sprach, sondern sie selbst gegen einander leitete und nur in den kritischen Momenten ein widersprechendes oder aufmunterndes Wort fallen ließ, erreichte ich schließlich doch mein Ziel: es wurde beschlossen, den Raub in einen Jagdzug umzuwandeln und also morgen früh schon wieder umzukehren.

Ich nahm an, daß nur Halef meine heimliche Absicht erraten habe, befand mich da aber im Irrtum, denn Ssali Ben Aqil nahm mich in einem Moment, an welchem wir nicht beachtet wurden, bei der Hand und raunte mir zu:

»Effendi, dir scheint alles möglich zu sein, denn sogar auch dieses hast du fertig gebracht, ohne daß ein einziger ahnte, was du eigentlich wolltest. Du kannst jedermann zu allem bringen, was du willst; hättest du schlechte Absichten, so wärest du ein höchst gefährlicher Mensch. Allah sei Preis und Dank, daß du nur nach dem Guten strebst!«

Es war spät, sehr spät, als wir endlich zum Schlafen kamen; dafür wachten wir früh später auf, als wir uns vorgenommen hatten. Dann wurde mit dem Aufbruche nicht gesäumt. Wir wollten die Kelhur nur bis zum Ausgange des Engthales begleiten und uns dann direkt nach Khoi wenden, während ihre Richtung die nördliche war. Schir Samurek stieg als der letzte von ihnen zu Pferde, vorher aber händigte er mir das gestohlene Geld des Wirtes mit den Worten aus:

»Effendi, es war sehr rücksichtsvoll von dir, mich bis zu diesem Augenblicke nicht an die zehntausend Piaster zu mahnen. Hier hast du sie! Indem ich sie dir gebe, habe ich nun alles erfüllt, was du von mir gefordert hast.«

Er ritt hinter seinen Leuten her. Ihm folgte der Nezanum mit den Männern aus Khoi, die auch alle ihnen abgenommenen Sachen wiederbekommen hatten. Ich ging mit Halef noch einmal nach der Musallah, um dort eine kurze Andacht zu verrichten. Die beiden Bebbeh schlossen sich uns an. Als wir dann unsere Pferde auch bestiegen, um den Kelhur nachzureiten, sagte Ssali Ben Aqil, indem er nach der Kapelle zurückdeutete:

»Dies ist der Ort, wo wir schon in den Tod versanken, als du uns neues Leben gabst. Aber nicht nur das Leben hast du uns gebracht, sondern auch das Licht der Liebe, das uns leuchten soll. Es sind hier große Wunder geschehen. Das letzte war, daß es deiner Klugheit gelang, die Kelhur zum Verzicht auf ihren Beutezug zu bringen. Ihr Christen scheint nicht nur die wirkliche Liebe, sondern auch die wahre Weisheit zu besitzen, die alle menschlichen Listen überragt. Wir müssen leider sehr bald von dir scheiden, weil wir heut noch den gleichen Weg mit den Kelhur haben; aber unsere Herzen sind des Dankes voll. Wenn Allah meinen Wunsch erfüllt, so treffe ich dich einstens wieder, und dann wirst du erfahren, ob ich noch auf der Spur des Mahdi wandle oder ob mir der andere Stern erschienen ist, von welchem du zu mir gesprochen hast. Der Segen Allahs sei auch fernerhin mit dir, wie er dich bisher begleitet hat!«

Wir holten die Kelhur unten im Thale ein und ritten mit ihnen und den Bebbeh, bis das Flüßchen aus den Bergen trat. Da wurde Abschied genommen. Es geschah dies in der wortreichen orientalischen Weise, welcher selten zu trauen ist; hier aber waren die bilderreichen Ausdrücke herzlich und aufrichtig gemeint, und als wir uns dann mit den Leuten von Khoi allein befanden, strich sich Halef mit der Hand über das Gesicht und sagte:

»Sihdi, das Scheiden ist eine Sache, weiche zwar nicht zu ändern ist, aber doch geändert werden sollte, denn sie berührt die Tiefe des Behagens wie ein Quirl und bewässert die Winkel unserer Augen, daß sie wie ein Doppelbrunnen laufen. Glücklicherweise finden wir Trost in dem erhabenen Gedanken, daß wir diese vielen Feinde nicht nur besiegt, sondern sogar in Freunde umgewandelt haben und daß ich die Felle der drei Bärenjünglinge besitze, welche in beredten Worten unsern Ruhm verbreiten werden. Mein gegenwärtiges Befinden ist viel besser und viel edler als die unerwartete Bequemlichkeit, die ich empfand, als ich von der Talumba von Khoi in das Geäst des Baumes geschleudert wurde. Möge diese Spritze von allen bösen Geistern besessen sein und niemals Ruhe finden, weder bei Tage noch bei Nacht!«

Unsere jetzigen Begleiter gaben sich alle Mühe, uns ihres Dankes und ihrer Freundschaft zu versichern, doch hielten wir uns für uns, denn selbst der vornehmste von ihnen, der Nezanum, dessen Klugheit nach der Ansicht des Wirtes weit über unserer Weisheit erhaben war, besaß nichts, was uns verlocken konnte, uns näher mit ihm zu beschäftigen. So ist über diesen Heimritt also nichts weiter zu erwähnen, als daß auf ihm nichts Wichtiges passierte und daß wir glücklich in Khoi ankamen.

Wir erregten Aufsehen; die Bewohner liefen in hellen Haufen zusammen, und so fand Halef wieder gute Gelegenheit, sein Erzählertalent glänzen zu lassen. Wie glücklich war der Wirt, als ich ihm sein Geld aushändigte. Auch seine Frau bedankte sich bei uns und sagte mir dann heimlich mit Freudenthränen in den Augen, daß ihr Mann ihr sein festes Versprechen gegeben habe, nicht wieder in sein Laster zurückzufallen.

Wir blieben fünf Tage in dem Orte, dessen Bewohner uns mit Beweisen freundschaftlicher Gesinnung fast überschütteten – – – nur einer nicht, nämlich der Apotheker. Er zeigte uns als Pferdediebe an und wollte uns streng bestraft wissen, wurde aber mit seiner Klage natürlich abgewiesen. Hierauf kam er in den Khan und verlangte Entschädigung von uns. Halef erklärte sich sofort bereit, sie ihm in jeder Höhe auszuzahlen, leider aber nur mit der Peitsche. Von da an ließ er uns in Ruhe, und wir bekamen ihn nicht eher wieder zu sehen, als bis wir Khoi verließen. Da stand er am Wege und warf uns wütende Blicke zu, die unsern Gleichmut nicht zu stören vermochten.

Viertes Kapitel: Die letzte Sklavenjagd

Und wieder war‘s am Nile, und zwar im tiefen Walde, der sich bis fast ganz herunter an das Wasser zog, von welchem er nur durch einen schmalen Schilfrand getrennt wurde. Mächtige Sunut- und Subakhbäume vereinigten ihre Kronen zu einem selbst für die südliche Sonne undurchdringlichen Laubdache. Die roten Stämme der Thalha-Mimosen126 schickten ihre langen, horizontalen Aeste über das Schilf hinüber, wo die Fiederblätter einen dichten Vorhang bildeten, der seinen Saum in die Fluten tauchte; die Glut, welche in diesem Walde herrschte, hätte man unmöglich aushalten können, wenn nicht der Strom so nahe vorübergeflossen wäre. Wie aber kamen wir von so weit oben herunter an diese Stelle des Bahr el Abiad?

Die Aussöhnung zwischen mir und dem Reis Effendina war von meiner Seite wirklich ehrlich gemeint, von der seinigen aber minder aufrichtig gewesen. Obgleich ich mich in meinem ganzen Verhalten bestrebte, das Gegenteil hervorzurufen, war doch unter seinen Leuten und allen unsern Bekannten die Ansicht verbreitet, daß ich es sei, dem man die gehabten Erfolge zu verdanken habe, daß er sehr häufig, ich aber niemals in Fehler verfallen sei, daß, wenn er mit seinem Wissen und Wollen am Ende stehe, ich selbst in der schlimmsten oder verwickeltsten Lage einen Ausgang gefunden habe, und daß besonders seine unerbittliche Strenge die Herzen kalt lasse oder gar von ihm entferne, während ich sie mir durch meine Milde und Freundlichkeit alle zu gewinnen wisse.

Es konnte gar nicht ausbleiben, daß er dies bemerkte; ja, es gab Schelme, die es ihm zu Ohren brachten. Er hatte keinen Grund, mir Vorwürfe zu machen, und schwieg also; aber er zog sich immer mehr von mir zurück und beobachtete eifersüchtig jeden meiner Schritte und jedes meiner Worte. Ich verhielt mich infolgedessen noch vorsichtiger als bisher, erreichte aber dadurch weiter nichts, als daß ich Mitglied der Expedition blieb, denn fort- und in die Wildnis hinausjagen konnte er mich ja doch nicht; aber er sprach nur das allernötigste mit mir und ließ mich bei jeder Gelegenheit fühlen, daß er der Herr und Gebieter sei. Hatte er mich früher als seinen Freund und Ratgeber geschätzt und behandelt, so war ich jetzt, wie man sich auszudrücken pflegt, das fünfte Rad am Wagen und wurde nur dann einmal zu einer Auskunft herbeigezogen, wenn es mit seinem Scharfsinne und seiner Thatkraft nicht mehr vorwärts wollte.

Dieser immer haltloser werdende Zustand brachte mich zu dem Entschlusse, ihn in Faschodah zu verlassen, sobald wir dort ankommen würden. Leider aber stellte sich, als wir dort anlangten, heraus, daß das Sumpffieber in der Stadt und ihrer Umgebung grassierte und daß vor Ablauf eines Monats kein Schiff zu erwarten sei, welches abwärts gehe. Der Reis Effendina blieb nur zwei Tage da und lichtete dann die Segel, um der Ansteckung zu entgehen; er gab mir ziemlich deutlich zu verstehen, daß er glaube, ich passe jetzt besser nach Faschodah als an Bord seines Schiffes; ich stellte mich aber unter den gegebenen Umständen taub und blieb bei ihm, obgleich es mich einen innern Kampf kostete, eine solche Undankbarkeit noch länger schweigend zu ertragen.

Dieses mein Verbleiben vergrößerte seinen Zorn gegen mich, zumal er einen neuen Grund zu haben glaubte, eifersüchtig gegen mich zu sein. Wir hatten nämlich in Faschodah gehört, daß die Sklavenjäger während unserer Abwesenheit wieder kühner geworden seien. Esch Schahin, unser vortreffliches Jagdschiff, hatte sich so lange nicht mehr auf dem Nile sehen lassen, und so war den Sklavenhändlern der Mut wieder gewachsen. Wenn in der letzten Zeit auch keine Jagden unternommen worden waren, so gab es doch immer noch Orte, an denen man heimlich Reqiq127 verborgen hielt, und diese wurde nun an den Nil gebracht und über die unbewachten Furten desselben an das rechte Ufer geschafft, von wo aus der Transport dann ohne Gefahr weitergehen konnte. Ganz besonders sollte die Gegend zwischen Kaka und Kuek unterhalb Faschodah zu diesem verbotenen Treiben ausersehen sein, und so entschloß sich der Reis Effendina, einige Zeit lang hin und her zu kreuzen, um vielleicht einen Fang zu machen,

Was mich betraf, so glaubte ich nicht an die Wahrheit dieses Gerüchtes, hütete mich aber, dies zu sagen, zumal ich nicht nach meiner Meinung gefragt wurde. Kaka mit seinen in der fast baumlosen Steppe zerstreuten Strohhütten bot den Sklavenhändlern ebenso wenig wie das armselige Schillukdorf Kuek die für sie so notwendige versteckte Unterkunft, und da es zwischen beiden Orten auch keine passable Furt gab, so hätte sich der Händler, dessen Wahl auf diese Gegend gefallen wäre, geradezu ein Armutszeugnis ausgestellt. Freilich führt von Kaka aus eine vielbewanderte Karawanenstraße hinüber in das Gebiet der Bagara und an dem Dschebel Kedaro vorüber nach dem Lande Tagala; sie ist immer die Hauptstraße der Sklavenverkäufer gewesen, und so war es allerdings nicht unmöglich, daß sie auch jetzt wieder von diesen Leuten benutzt wurde. Der Reis Effendina wenigstens war überzeugt davon; ich aber gab diese Möglichkeit im stillen, denn laut sagte ich nichts mehr, zwar zu, nahm aber dabei an, daß der Uebergang über den Nil nicht in der Nähe oder Gegend der beiden angegebenen Ortschaften, sondern an einer unterhalb derselben liegenden Machadah128 bewerkstelligt werde. Warum grad unterhalb? Weil die Richtung nach oberhalb ein bedeutender Umweg und also ein großer Zeitverlust gewesen wäre, und je länger der Weg, desto mehr Sklaven gehen dabei zu Grunde.

Nun der Reis Effendina sich wieder auf seinem eigentlichen Jagdgebiete befand und des beinahe festen Glaubens war, daß er einen Fang machen werde, trat ihm der Gedanke nahe, daß mir dabei Gelegenheit geboten werde, mich abermals auf eine ihm nicht genehme Weise hervorzuthun. Seine Eifersucht verdoppelte sich, und er beschloß, da er mich in Faschodah nicht losgeworden war, mich wenigstens jetzt kalt zu stellen – um mich dieses vulgären Ausdruckes zu bedienen. Er teilte mir mit dem freundlichsten Gesichte mit, daß er mir einen Auftrag zu erteilen habe, der ein Beweis seines großen Vertrauens zu mir sei. Er habe nämlich die Ueberzeugung, daß die Insel Matenieh von den Sklavenhändlern. zum Uebergange benutzt werde; ich solle also hinabfahren, um die Gelegenheit auszukundschaften, und so lange dort bleiben, bis er mit dem »Falken« nachkommen werde; er hege zu meiner Erfahrung und meinem Scharfsinne das Vertrauen, daß ich dann im stande sei, ihm gute Nachricht zu geben. Ich durchschaute ihn, ging aber trotzdem gleich und ohne alle Widerrede auf seinen Vorschlag ein. Zwar wußte ich genau so gut wie er, daß grad bei der Matenieh keine Spur eines Händlers zu finden sein werde, war aber dabei im stillen der Ansicht, daß zwischen ihr und Kuek die Furten zu suchen seien, auf welche die oben erwähnte Karawanenstraße mündete. Er stellte mich also warm anstatt kalt, und während ich wußte, daß er niemand fangen werde, gab er mir die Gelegenheit, das zu thun, was er verhüten wollte, denn ich war willens, nicht direkt nach der Matenieh zu fahren, sondern die Ufer bis hinab zu ihr genau abzusuchen. Das verschwieg ich natürlich.

Er war ebenso erstaunt wie erfreut über meine schnelle Bereitwilligkeit und erlaubte mir in dieser guten Laune, die Leute, welche mich begleiten sollten, selbst auszusuchen. An der Mischrah129 von Kaka war von einer aufwärts fahrenden Dahabijeh ein Arbat Makadif130 zurückgelassen worden, dessen scharfer, praktischer Bau mir in die Augen fiel; ich bat den Reis Effendina, dieses Boot zu requirieren und bis Kuek an das Schlepptau zu nehmen. Er erfüllte mir diesen Wunsch. In Kuek angekommen, wählte ich vier kräftige Asaker aus, von denen ich wußte, daß sie mir ergeben waren, ließ einen Vorrat von Proviant und Munition in den Arbat Makadif schaffen, dazu verschiedene Kleinigkeiten, die ich für nötig hielt, und sagte dann meinem braven Ben Nil, daß er mich begleiten solle. Er war so entzückt darüber, daß er mich beinahe umarmt hätte. Das Boot war so geräumig, daß wir sechs Männer vollständig Platz hatten; ein Segel war auch da, und so machte ich mich nur zu gern auf die Fahrt, welche eigentlich eine wenn auch nur kurze Verbannung für mich bedeuten sollte. Ben Nil bewies mir, daß ich es nicht allein war, der diese Befriedigung empfand, denn als Kuek und der »Falke« aus unsern Augen entschwunden waren, sagte er:

»Effendi, ich weiß, daß er dich hat los sein wollen. Dein Ruhm ist ihm zu groß geworden; nun will er dir nichts mehr zu verdanken haben; ich aber denke, daß grad das Gegenteil geschehen wird.«

»Weshalb denkst du das?« fragte ich ihn.

»Weil du so guter Laune bist und ihm den Willen gethan hast, ohne ein Wort dagegen zu sagen. Ich kenne dich. Wenn du ein Gesicht machst wie jetzt in diesem Augenblick, so fühlst du dich entweder recht zufrieden in deiner Seele, oder du hast eine Dubara131 vor, die deinem Herzen wohlthut und auch uns mit Freude erfüllen wird.«

Auch die vier Ruderer waren sehr damit einverstanden, daß meine Wahl sie getroffen hatte. Sie fühlten sich der strengen Schiffsdisziplin enthoben und hegten die frohe Erwartung, daß unsere Fahrt nicht eine so erfolglose sein werde, wie der Reis Effendina angenommen hatte. Wenn wir glücklich waren, fiel ihnen ein Beuteanteil zu, der um so größer wurde, je geringer die Zahl der Personen war, die auf ihn Anspruch hatten. Wir waren nur sechs, und sie wußten, daß ich nichts zu nehmen pflegte.

Ich führte das Steuer; Ben Nil saß im Buge des Bootes, und die Asaker hatten sich unthätig lang ausgestreckt, denn der Wind war uns günstig; wir hatten das Segel aufgezogen und brauchten uns nicht mit Rudern abzumühen. Unsere Abfahrt von Kuek hatte am Nachmittage stattgefunden, und da keine Furt in der Nähe war, hielt ich es nicht für notwendig, nach Spuren von Sklavenhändlern zu suchen. Diese Arbeit hatte erst am nächsten Morgen zu beginnen. Wir segelten bis zum Abend und dann auch noch weiter, denn der Mond schien hell, und der Wind hatte sich nicht gedreht, wie es auf dem Nile gewöhnlich zwischen Tag und Nacht der Fall zu sein pflegt. Später machte der Strom eine energische Krümmung; das Segel fiel zusammen, und weil wir nun hätten rudern müssen, zog ich es vor, nach dem Ufer zu wenden. Dort legten wir unter Bäumen an, befestigten das Boot an einem Stamm und legten uns zum Schlafen nieder. Einer mußte wach bleiben, um das Feuer zu unterhalten, welches wegen der Stechfliegen während der ganzen Nacht zu brennen hatte.

Als am nächsten Morgen die Fahrt fortgesetzt wurde, war es nun an der Zeit, den Ufern unsere Aufmerksamkeit zu schenken und auch nach sonstigen Zeichen einer Furt auszublicken. Daß dies bei der Breite des Stromes nichts Leichtes war, ist selbstverständlich, zumal wir zwischen einer Machadah und einer Chod zu unterscheiden hatten. Der Anwohner des oberen Niles versteht nämlich unter Machadah eine eigentliche Furt, wo ein Fluß wegen seiner geringen Tiefe überschritten werden, unter Chod aber eine Stelle, an welcher man wegen des sehr ruhigen Wassers leicht übersetzen kann.

Der Mittag war nahe, als der Nil sich in mehrere Arme teilte, zwischen denen niedrige Inselbänke sich hinzogen. Das Wasser floß in diesen Betten so ruhig dahin, daß, wenn es eine Furt, eine zum Uebergange geeignete Stelle gab, sie unbedingt hier sein mußte. Kein einziges Krokodil war auf den Bänken zu sehen, und der tiefste dieser Flußarme hatte eine so geringe Breite, daß er sehr leicht überschwommen werden konnte. Wir legten an jeder der Inseln an, um sie zu untersuchen. Sie waren alle mit Omm Sufah und Gebüsch bewachsen, eine schnellwuchernde Vegetation, welche jede Spur in kurzer Zeit begräbt. Aber auf der Bank, welche dem linken Ufer am nächsten lag, fanden wir eine noch nicht ganz vom Sacharumgras verdeckte Schebah, also eine jener schweren Gabeln, welche die gefangenen Schwarzen am Halse tragen müssen. Wie kam diese Schebah hierher? Jedenfalls war ein Sklaventransport hier über den Fluß gegangen. Ich ließ vollends an das Ufer rudern, um auch dort nachzuforschen. Es gab dort ein dichtes Ambakgestrüpp, welches meine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Der Ambak oder Ambatsch132 ist ein zu den Schmetterlingsblütlern gehöriger Strauch, dessen Stämme zur Zeit der Ueberschwemmung schnell mehrere Meter hoch über den höchsten Wasserstand aufschießen, um nach dem Falle des Wassers abzusterben. Das Holz ist schwammig, aber doch sehr dauerhaft und dabei so leicht, daß es allgemein als Material zu Flößen benutzt wird. Ein Floß, welches zwei, ja drei Personen hält, kann ohne Mühe von einem Mann über Land getragen werden.

Der größte Teil dieses Gestrüppes war schon abgestorben; die Pflanzenleichen lagen unter Papyrusstauden versteckt; aber weiter entfernt vom Wasser fand ich, was ich suchte: da war in einem stacheligen Akaziengebüsch ein ganzer Vorrat von Ambakhölzern aufgeschichtet. Das konnten nur Menschen gethan haben! Und wozu? Um hier, grad hier Flöße zusammenzusetzen, mit deren Hilfe solche Personen, die nicht schwimmen konnten, über den einen, tiefen Flußarm geschafft werden sollten. Wir hatten eine Furt entdeckt. Ob das uns etwas nützen werde, war freilich eine andere Frage. Wer weiß, wie lange Zeit seit der letzten Benutzung dieser Machadah vergangen war, und wer weiß, wie viele Wochen oder gar Monate man auf den nächsten Uebergang hätte warten müssen! Aber uns trieb ja nichts davon, und so nahm ich mir vor, die Stelle einmal recht gründlich in Augenschein zu nehmen.

Dazu war zunächst nötig, unser Boot zu verstecken. Es konnte ja immerhin grad jetzt jemand kommen, der es nicht zu sehen brauchte; es mußte von dieser Stelle fort. Wir ließen es also abwärts treiben, bis wir ein weit überhängendes Laubdach erreichten, unter welchem wir anlegten und das Fahrzeug ganz an das Ufer zogen. Die Asaker mußten als Wächter dabei bleiben; ich aber entfernte mich mit Ben Nil, um nach der Machadah zurückzukehren. Vorher wendeten wir uns rechts empor dem hohen Ufer zu, um zu sehen, ob es von dort aus einen besonderen Zugang zu der Furt gebe. Je weiter wir uns dabei vom Wasser entfernten, desto lichter wurde der erst sehr dichte Wald. Oben auf der Höhe angekommen, sahen wir die Bäume schon stellenweise so weit auseinander stehen, daß sich ihre Zweige nicht mehr berührten. Da bogen wir nach links ein, um in den Rücken der Machadah zu kommen.

Weniger aus für notwendig gehaltener Vorsicht als vielmehr aus zur zweiten Natur gewordener Gewohnheit spähte ich da zwischen den Stämmen hindurch, um die etwaige Anwesenheit von Menschen rechtzeitig zu bemerken, dennoch hätte ich wohl kaum einem sehr wichtigen Gegenstande die nötige Beachtung geschenkt, wenn mich nicht Ben Nil auf ihn aufmerksam gemacht hätte. Er sah nämlich einige Handvoll abgerissenen Grases seitwärts von uns auf dem Boden liegen und sagte es mir. Wir gingen hin. Es war sehr langes Andropogongras. Kaum hatte ich das erkannt und die Fußstapfen dabei im weichen Boden, so nahm ich Ben Nil bei der Hand und zog ihn in schnellem Laufe fort, wieder zurück, hinunter, woher wir gekommen waren. Ich hielt erst wieder an, als wir unsere Asaker und das Boot erreichten.

»Aber, Effendi, was fiel dir so schnell ein?« fragte er. »War das Gras die Ursache dieser Flucht?«

»Ja,« antwortete ich.

»Warum?«

»Wo solches Gras ausgerissen worden ist, da müssen Menschen sein.«

»Können nicht Tiere es ausgerissen haben?«

»In diesem Falle nicht. Dieses Riesengras wird hier verwendet, um Ambakhölzer zu Flößen zu verbinden. Es war ganz frisch, noch nicht verdorrt, noch nicht einmal verwelkt. Es sind also Menschen in der Nähe, welche im Walde nach Gras suchen, um sich ein Floß zu machen.«

»Maschallah! Warum aber haben sie es liegen lassen?«

»Der Bequemlichkeit wegen. Hat einer eine Handvoll, so legt er sie einstweilen weg, um später alles zusammenzuholen.«

»Ob man uns gesehen hat?«

»Das weiß ich nicht, möchte aber annehmen, daß wir unbemerkt geblieben sind. Warten wir eine kurze Zeit, ob man uns nachkommen wird! Wenn dies nicht geschieht, so schleichen wir uns nach der Furt, nach welcher sie jedenfalls gehen werden.«

Nachdem zehn Minuten vergangen waren, ohne daß wir jemand bemerkten, schlichen wir uns sehr vorsichtig am Ufer hin, bis wir uns an der eingangs erwähnten Stelle unter Sunut-, Subakh- und Thalha-Bäumen befanden, deren herabhängende Fiederblätter, wie bereits gesagt, einen Vorhang bildeten, hinter welchem hervor wir die Machadah und auch die aufgestapelten Ambakhölzer überschauen konnten. Es war niemand dort zu sehen; darum schoben wir uns noch soweit vorwärts, wie es mit der gebotenen Vorsicht zu vereinbaren war, und legten uns dann nieder, um das weitere abzuwarten.

Die feuchte Glut, welche hier herrschte, trieb uns den Schweiß aus allen Poren, und die lästigen Insekten machten uns sehr zu schaffen; wir durften uns aber nicht rühren, weil die geringste Bewegung uns verraten konnte. Endlich, endlich erschienen bei dem Ambakhaufen, von welchem wir vielleicht vierzig Schritte entfernt lagen, zwei Männer, welche die dicken, langen Grasbündel, die sie in den Armen hatten, nach dem Wasser trugen und dort niederlegten. Dann machten sie sich unverweilt daran, auch so viele Hölzer, wie sie zu einem Floße brauchten, hinzuschaffen; hierauf machten sie sich an die Zusammensetzung derselben. Es waren keine Dinka- und auch keine Schillukleute, sondern ihren Gesichtszügen und auch ihrer Kleidung nach mußten sie zu einem der Araberstämme des weißen Nils gehören.

»Sie bauen sich ein Floß; sie wollen hinüber,« flüsterte mir Ben Nil zu. »Ob wohl auch noch andere bei ihnen sind?«

»Schwerlich,« antwortete ich ebenso leise.

»Hältst du sie für Sklavenhändler?«

»Das läßt sich jetzt noch nicht sagen. Reich sind sie jedenfalls nicht. Wenn sie sich mit dem Sklavenhandel befassen, sind sie jedenfalls nur Untergebene eines Händlers.«

»Wollen wir mit ihnen sprechen?«

»Jetzt noch nicht. Warten wir ab, ob wir sie reden hören werden.«

»Zu welchem Stamme denkst du, daß sie gehören?«

»Der Hautfarbe nach sind sie weder Kababisch noch Bagara; sie scheinen Mitglieder eines östlichen Stammes zu sein, zu dem sie sich jetzt begeben wollen.«

Die beiden Fremden arbeiteten, ohne miteinander zu sprechen, bis das Floß beinahe fertig war. Da richtete der eine von ihnen sein Auge nach dem Himmel; sah an dem Stande der Sonne, welche Tageszeit es war, warf das Holz, welches er in den Händen hatte, weg und sagte laut, daß wir es deutlich hörten:

»Halt ein mit der Arbeit, denn die Zeit des Gebetes ist gekommen! Erst kommt Allah, dann der Prophet und erst nachher der Mensch mit seinem Thun. Willst du der Vorbeter sein?«

»Nein,« antwortete der andere. »Sprich du das Sallah133; ich spreche es dir leise nach!«

»So laß uns zunächst das Gebet gegen die Ungläubigen sagen, denn es ist die Zeit des Asr, wo es dem Strenggläubigen vorgeschrieben ist!«

Er wendete sein Angesicht in der Richtung nach Mekka, faltete die Hände und betete, ohne niederzuknieen:

»Ich suche Zuflucht bei Allah vor Satan, dem Verfluchten. Im Namen Gottes, des Allbarmherzigen, des Erbarmers! Oh Allah! Unterstütze den Islam, und erhöhe das Wort der Wahrheit und den Glauben! Oh Herr aller Geschöpfe, Oh Allah! Vernichte die Ungläubigen und die Götzendiener, deine Feinde, die Feinde der Religion! Oh Allah, mache ihre Kinder zu Waisen; verdirb ihre Wohnungen; laß ihre Füße straucheln und gieb sie und ihre Familien und ihr Gesinde und ihre Weiber und Kinder, ihre Verwandten, ihre Brüder und Freunde, ihren Besitz und ihren Stamm, ihren Reichtum und ihre Länder den Moslemim zur Beute! Oh Allah, du bist der Herr aller Geschöpfe!«

Er hatte sich einen strenggläubigen Moslem genannt. Als solcher mußte er dem Gebete das Wudu, die vorgeschriebene Waschung, vorangehen lassen. Er trat also an den Rand des Flusses, streifte die Aermel bis über die Ellbogen empor und sagte dann:

124.Wasser der Ueberzeugung.
125.Aposteln.
126.Acacia gummifera.
127.Sklaven zum Verkaufe.
128.Furt.
129.Ufer, Haltestelle.
130.Vierruderboot.
131.Pfiffigkeit.
132.Aedemone mirabilis.
133.Gebet.
Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
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