Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi III», sayfa 25
Wir hatten trotz aller Drohungen nicht erfahren können, an welcher Stelle wir drüben anlegen mußten, doch war es für mich gar nicht schwer, sie, als wir hinüberkamen, zu finden. Ein halb niedergeschnittenes Ambaggebüsch verriet uns den Ort, wo das Floß angefertigt worden war. Nicht weit davon lagen wiederkäuend die Kamele, von einem einzigen Mann bewacht, mit dem wir kurzen Prozeß machten. Wir mußten trotz der Größe des Floßes mehrmals Ueberfahren, was bis gegen Abend dauerte.
Ben Nil hatte inzwischen oben auf der Mischrah einen sehr passenden Lagerplatz abgesteckt und eingeteilt und den notwendigen Dienst so unter die El Homr vergeben, daß mir nichts zu thun übrig blieb, als ihm die Bestätigung zu erteilen. Proviant war für mehrere Tage da; dennoch ließ ich unser Boot holen, um abends beim Scheine einiger am Ufer brennender Feuer ein Fischstechen zu veranstalten, durch welches wir reichlich frisches Fleisch bekamen.
Die Feuer brannten während der ganzen Nacht, um dem Reis Effendina, falls er kommen sollte, als Zeichen zum Ankerwerfen zu dienen, und am Morgen wurden Posten aufgestellt, um auf sein Nahen acht zu haben. Ich war der Ansicht, daß er des Nachts kommen werde, weil er uns auf der Insel Matenieh wähnte. Wie ich ihn kannte, richtete er es so ein, daß er früh dort ankam, und wenn dies keine falsche Berechnung war, so mußte er nicht lange nach Mitternacht bei uns vorübersegeln. Die Posten besaßen genaue Weisung, wie sie sich zu verhalten hatten.
Es war auch möglich, daß der Reis Effendina, sobald er die Feuer sah, das Schiff weiter oben halten ließ und ein Boot absandte, um zu erfahren, welcher Art Menschen sich bei den Feuern befanden.
Es vergingen zwei Nächte und zwei Tage, ohne daß sich ein Fahrzeug sehen ließ; ich war also nicht nur kalt, sondern sehr kalt gestellt worden, was mich aber nicht ärgern, sondern die Genugthuung, welche ich empfand, nur vergrößern konnte. In der dritten Nacht richtete ich es so ein, daß zwei Asaker nach Mitternacht Wache standen. Die Vermutung, welche mich dazu bewogen hatte, erwies sich als begründet, denn es fiel so gegen zwei Uhr unten an der Mischrah ein Schuß, das verabredete Zeichen, daß ein Schiff in Sicht sei. Ben Nil mußte im Lager bleiben, an dessen vier Ecken Feuer brannten; ich stieg mit den zwei übrigen Asakern hinab. Man sollte zunächst nur mich mit den vier Soldaten finden, die übrigen Leute aber erst dann, wenn es mir beliebte, zu sehen bekommen.
Als wir das Ufer erreichten, zeigten die Posten uns das Mastlicht eines Schiffes, welches eine Strecke aufwärts von uns den Anker geworfen hatte, sobald unsere Feuer bemerkt worden waren.
»Das ist »Esch Schahin«, unser Falke,« sagte ich. »Der Reis Effendina wird das Boot zu Wasser lassen und den Lieutenant senden oder selbst kommen.«
»Wie wird es ablaufen, Effendi?« erkundigte sich einer der Asaker, dem es um seinen Goldstaub war.
»Kommt der Lieutenant, so geht alles glatt, wenigstens hier; kommt der Reis aber Selbst, so wird es zunächst einen Auftritt geben.«
»Und dann?«
»Und dann wird sich alles zu eurer Zufriedenheit machen; das verspreche ich euch.«
»Wir danken dir, Effendi! Wir sind durch dich so reich geworden, daß wir nicht mehr nötig haben, des armen Lebens wegen solche Strapazen durchzumachen, und es würde uns also mit großer Wehmut erfüllen, wenn wir das schöne Gold wieder hergeben müßten.«
»Ihr dürft es behalten; verlaßt euch darauf! Stellt euch jetzt in den Schatten, damit ihr nicht gesehen werdet! Und wenn dann Fragen oder gar Vorwürfe an euch gerichtet werden, so sagt kein Wort, sondern überlaßt das Antworten mir.«
Sie zogen sich ins Dunkel zurück, und auch ich setzte mich so, daß man mich vom Wasser aus nicht gleich bemerken konnte. Es währte nur kurze Zeit, so sah ich ein Boot langsam herabgeschwommen kommen. Die sechs Ruder gaben leichten, taktweisen Gegenschlag, so daß das Fahrzeug nicht die Schnelligkeit der Strömung bekam. Diese Langsamkeit wurde durch die Vorsicht geboten. Als es näher kam, sah ich eine hochaufgerichtete Gestalt am Buge stehen; es war der Reis Effendina selbst. Als er niemand bei den Feuern erblickte, ließ er stärkeren Gegenschlag geben, sodaß das Boot trotz der Strömung halten blieb, und rief herüber:
»Bana bak – heda! Wer ist da drüben am Ufer? Antwort, oder ich lasse schießen!«
»Bana bak!« antwortete ich. »Wer ist da drüben im Boote? Antwort, oder ich schieße auch!«
Er erkannte meine Stimme und fragte:
»Ist es möglich? Du bist es, Effendi?«
»Ja.«
»Allein?«
»Nein.«
»Wer ist bei dir?«
»Die Asaker.«
»Wo ist Ben Nil?«
»Einstweilen abwesend.«
»Wo? Auf Matenieh?«
»Nein, sondern hier.«
Er stieß einen Fluch aus und fügte zornig hinzu:
»Wart! Ich komme gleich!«
Der Tanz zu Zweien sollte beginnen; ich sah ihm ruhig entgegen. Das Boot kam herbeigeflogen und legte an; der Reis Effendina sprang heraus und kam zu mir heran, der ich jetzt aufgestanden war. Seine Augen blitzten; er wollte mich zur Rede stellen; da sah er die vier Asaker, welche sich bei seinem Nahen nebeneinander aufgestellt hatten, und fuhr sie zornig an:
»Warum steht ihr hier, ihr Schurken? Warum seid ihr nicht auf Matenieh?«
»Weil sie mir gehorcht haben,« antwortete ich an ihrer Stelle.
Da drehte er sich zu mir herum und fragte:
»Dir? Sind das meine Asaker oder die deinigen? Wem haben sie zu gehorchen?«
»Bis jetzt mir! Du hast sie mir mitgegeben und unter meinen Befehl gestellt!«
»So sind sie jetzt wieder bei mir, und ich mache diesen Befehl null und nichtig. Bist du auf Matenieh gewesen?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil ich nur bis hierher kam.«
»Nur bis hierher? Allah! Ich habe dir aber doch befohlen, bis Matenieh zu gehen!«
Er stellte mich in einem Tone zur Rede, als ob ich ein gewöhnlicher Askari sei. Das machte mir zwar heimlich Spaß, ich durfte es aber nicht dulden; darum nahm ich denselben Oberton an wie er und antwortete:
»Du mir befohlen? Seit wann hast du mir etwas zu befehlen?«
»Seit ich – – —«. Er hielt inne, trat einen Schritt zurück und fragte. »Wie sprichst du mit mir? Fällt es dir etwa ein, mir gegenüber den Gebieter zu spielen?«
»Welch ein Ausdruck! Einfälle habe ich nie, und noch viel weniger bin ich gewohnt, zu spielen; das merke dir! Ich pflege nur stets ganz in derselben Weise zu antworten, in welcher man mich fragt. Mit Grobheiten und Rücksichtslosigkeiten kommt man bei mir nicht fort.«
»Allah ‚l Allah! Ist das der Dank für die Wohlthaten, die ich dir erwiesen habe?«
»Ja, denn es ist kein Dank, weil es keine Wohlthaten gab. Forderst du dennoch Dank von mir, gut! Den deinen aber, den du mir schuldig bist, magst du behalten; ich verzichte auf ihn.«
»So bist du mit mir fertig?«
»Ja.«
»Ich mit dir auch; drum kann ich gehen.«
»So geh!«
Er hatte wohl erwartet, daß ich bitten würde. Bei meiner kurzen, entschlossenen Antwort trat er abermals einen Schritt zurück, sah mich erstaunt an und warnte:
»Weißt du, was du sagst und thust? Du befindest dich nicht in Kairo, sondern in der Halbwildnis am oberen Nil!«
»Das weiß ich auch!«
»Und dennoch sagst du, daß ich gehen soll?«
»Ja.«
»Gut, so sind wir freilich fertig! Wo ist das Boot, welches ich dir geliehen habe?«
»Dort, dreißig Schritte von hier liegt es am Ufer.«
»Ich nehme es mit; ich kann es dir nicht lassen.«
»Ganz wie du willst!«
»Wenn du aber hier zu Grunde gehst!«
»Ich? Pah! Ich versichere dir, daß ich eher in Chartum und auch eher in Kairo sein werde als du.«
»Du bist wahnsinnig; ich mag nichts mehr mit dir zu schaffen haben.«
Er wendete sich von mir ab zu den Asakern und befahl ihnen:
»Fort, ihr Halunken, in das Boot! Ihr rudert nach dem Schiffe und kommt an Bord mit mir!«
Er ging nach seinem Boote. Sie blieben noch einen Augenblick stehen und sahen mich still, besorgt und fragend an. Ich forderte sie leise auf:
»Gehorcht ihm jetzt! Wir sehen uns sehr bald wieder.«
Da gingen sie. Er ließ vom Ufer abstoßen und rief mir da noch zu:
»Ma‘assalami – gehab dich wohl! Das Ufer ist dein und das Schiff mein! Wage nicht, es wieder zu betreten, ich würde dich niederschießen!«
»Einverstanden! Ich werde nicht kommen, bis du mich darum bittest. Dieses Ufer ist mein, aber ich werde dir nicht wehren, es zu betreten.«
»Du bist sehr gnädig. Fahre zum Teufel!«
»Das thue ich nicht; aber du fährst in den Tod, du mit allen deinen Leuten!«
Ich legte ganz besonderen Nachdruck auf diese Warnung; er beachtete sie nicht, aber ich wußte, daß sie die beabsichtigte Wirkung nicht verfehlen würde, denn er kannte mich und sagte sich gewiß sehr bald, daß ich ganz sicher einen triftigen Grund haben müssen, ihn zu warnen. Ich sah den beiden Booten nach, bis sie bei dem Schiffe anlegten und wendete mich dann ab, um mich allein beim Feuer niederzusetzen.
Da saß ich nun, ein in die Wildnis Gewiesener! Nicht einmal an meine Effekten, die noch auf dem Schiffe waren, hatte er gedacht. Ich fühlte mich nicht etwa mutlos, o nein, gar nicht! Ich hatte Ben Nil mit seinem Goldstaube; ich hatte die El Homr, und ich hatte – was noch viel mehr, was überhaupt mehr als alles wert war – ich hatte meinen festen Glauben an und mein ebenso felsenfestes Vertrauen zu Gott! Es giebt einen himmlischen Vater, der keines, keines seiner Kinder verläßt, der selbst in der tiefsten Wildnis, in der schauerlichsten Wüste, in der Abgeschiedenheit des fernsten Erdenwinkels bei dem von allen Menschen verlassenen Erdenpilger bleibt, wenn dieser die Hand der ewigen Liebe nicht von sich weist!
Aber traurig war ich, ernstlich traurig. Wo war die einstige Freundschaft dieses Reis Effendina hin? Und was hatte ich gethan, daß sie mir verloren ging? Er forderte eine unverdiente Dankbarkeit von mir, während er die verdiente mir verweigerte. Giebt es etwas Häßlicheres auf Erden als die Mißgunst und den Neid? Konnte sich ein Charakter wie er —und ein Charakter war er doch jedenfalls! – denn nicht von den Flecken freihalten, welche das ethische Schönheitsgefühl so sehr beleidigten? Aber wir sind alle, alle Sünder und ermangeln des Ruhmes, den wir vor Gott haben sollen; darum ging ich mit mir zu Rate und prüfte mein Inneres, in wiefern auch ich mit meinen Fehlern dazu beigetragen hatte, die nach und nach zwischen uns entstandene Kluft allmählich zu vergrößern.
Ich wußte, wie es kommen würde, und war meines endlichen Sieges ganz gewiß; aber lieber, viel lieber wäre es mir gewesen, wenn er mir keine Veranlassung gegeben hätte, ihm diese Niederlage zu bereiten. Jetzt saß er in der Kajüte und ließ sich von den vier Asakern Bericht erstatten; so erfuhr er, was geschehen war; dabei verschwiegen sie ihm, daß sie den Goldstaub bekommen hatten. Dann ging er allein auf und ab, innerlich erregt und mit seiner Mißgunst kämpfend; meine Warnung fiel ihm ein, die jedenfalls nicht grundlos war. Zu den edlen Gefühlen seines Herzens gesellte sich die Stimme der Sorge um sich selbst, die ihm meine Worte wiederholte, daß er mit allen seinen Leuten in den Tod fahren werde. Diesen Regungen mußte er Folge leisten und dieser Stimme Gehör schenken. Dann kam er wieder herbeigerudert, um mir die Hand zur Versöhnung zu reichen.
So sah ich es kommen, und so wartete ich. Aber ich wartete lange, lange, bis der Morgen graute. Der Falke lag noch immer vor Anker, und ich Sah, daß viel mehr Leute an Deck waren, als zur Ssabah-Wache159 gehörten.
Sie schienen alle abwärts nach der Stelle zu blicken, wo ich jetzt, da es hell geworden war, die Feuer hatte ausgehen lassen. Da, endlich sah ich meine Erwartung erfüllt. Die kleine Jolle wurde herabgelassen, und der Reis Effendina stieg mit nur einem Ruderer ein. Er ließ die Jolle mit der Strömung gehen, bis er sich mir gegenüber befand. Da rief er mir zu:
»Darf ich landen, Effendi?«
»Ja,« antwortete ich.
»Du wirst nicht schießen?«
»Seit wann hältst du mich für einen Mörder?«
»Gut! Ich komme!«
Er legte an, stieg aus und kam auf mich zu. Ich erhob mich und sah ihm kühl und ruhig in das Gesicht.
»Effendi,« sagte er, »warum erzähltest du mir vorhin nicht, was sich hier ereignet hat?«
»Hast du mir Zeit dazu gelassen?« »Du hättest nicht grob werden sollen!«
»Mache mir immerhin Vorwürfe! Von mir wirst du keine hören. Es würde mir wehe thun, meine Schuld auf andere zu werfen.«
Er wendete sich von mir ab und ging einigemale hin und her; er hatte also den falschen Stolz in seinem Herzen immer noch nicht ganz überwunden. Dann machte er eine schnelle Schwenkung, stand wieder vor mir und fragte:
»Hast du nichts zu bitten?«
»Nein.«
»Nichts zu fragen?«
»Auch nicht.«
»Kein gutes Wort zu geben?«
Also ich sollte thun, was eigentlich ihm zukam. Diese Aussöhnung war nicht herzlich gemeint. Nicht die Freundschaft, sondern die Sorge um sich hatte ihn wieder zu mir hergetrieben. Dennoch besiegte ich mich und antwortete:
»Worte habe ich nicht zu geben, aber diese hier.«
Dabei hielt ich ihm die Hand entgegen. Er schlug ein und erklärte mit gezwungenem Lachen:
»Wir Menschen können trotz aller unserer Klugheit doch die widersinnigsten Thorheiten begehen. Doch, nun ist‘s ja wieder gut! Jetzt führe mich zu den Gefangenen! Da sie so dumm gewesen sind, mir in die Hände zu laufen, werde ich sie sofort verhören und Gericht über sie halten.«
Dieses letztere sagte er so leichthin, als ob es sich um etwas ganz und gar Selbstverständliches handle, als ob er einem seiner Asaker eine Rüge wegen eines beschmutzten Tarbusch zu erteilen habe. Dabei wendete er sich ab, um fortzugehen.
Das war mir doch zu stark. Wenn er nur gekommen war, um mich in dieser beleidigenden Weise auf die Seite zu schieben, so hätte er an Bord bleiben und weiterfahren können. Ich durchschaute ihn gar wohl. Er wollte es umgehen, mich erzählen zu lassen, denn mein ungeahnter Erfolg hätte seine Absichten zu schanden gemacht, und er fühlte sich blamiert. Der Neid, der böse Neid war wieder erwacht. Ich hielt ihn nicht zurück und setzte mich wieder nieder. Nach einer Anzahl von Schritten bemerkte er, daß ich ihm nicht folgte; da hielt er an, drehte sich um und rief mir zu:
»Warum kommst du nicht? Hast du nicht gehört, daß ich die Gefangenen sehen will?«
»Ich habe es gehört,« antwortete ich.
»So komm!«
»Ich bleibe!«
»Warum?« brauste er auf.
»Weil ich meine Gründe habe.«
»Gründe! Ach, du handelst freilich immer nach Gründen; das ist richtig. Nun, so habe doch einmal die Güte und laß mich deine Gründe hören!«
Er sagte das, indem er langsam zu mir zurückkehrte und dann vor mir stehen blieb, in beinahe ironischem Tone. Kalt und ruhig fragte ich:
»Hast du zwischen Kaka und Kuek jemand gefangen? »
»Nein. Warum fragst du das?«
»Um zu erfahren, wer dir dort in die Hände gelaufen ist. Oder sagtest du nicht, daß jemand so dumm gewesen sei, dir in die Hände zu laufen, über den du nun sofort ein Verhör und Gericht anstellen willst?«
»Ich meinte die Gefangenen hier.«
»Diese? Hier? Maschallah! Die sind keinem Menschen in die Hände gelaufen, am allerwenigsten dir. Ich habe mir redlich Mühe geben und alle meine Thatkraft und List zusammennehmen müssen, um sie in meine, hörst du, in meine Hände zu bekommen; hineingelaufen sind sie mir nicht. Wir waren sechs Mann und haben zwei Trupps Sklavenhändler ergriffen und sechzig Sklaven befreit; das geschieht natürlich nicht in der bequemen Weise, wie du es darzustellen oder auszudrücken beliebst.«
»Laß doch das feine Haarespalten, Effendi! Die Gefangenen gehören mir, und ich werde sie sehen und dann bestimmen, welche Strafe sie erleiden.«
»Dir gehören sie, wirklich dir?«
»Natürlich!«
»So hast du deine eigene Entscheidung vergessen, welche zu treffen du vorhin die Güte hattest.«
»Welche Entscheidung?«
»Das Schiff gehöre dir und das Ufer mir; ich habe diese Entscheidung acceptiert und bin niemals ein leeres Buch gewesen, dessen Blätter man nach Belieben vor- und rückwärts wenden kann.«
»Soll das heißen, daß du es wagen willst, mir zu widersprechen?« fragte er, indem seine Stirne sich in drohende Falten zog.
»Wagen?« lächelte ich zu ihm auf. »Ich wage nichts, gar nichts, wenn ich anderer Ansicht bin als du.«
»Mir das!« rief er, mit dem Fuße stampfend, und mit der Hand nach dem Schiffe deutend, fügte er hinzu: »Du weißt, wie viele Männer und Gewehre sich dort an Bord befinden. Du weißt auch, daß ich dort einen hübschen, kleinen, engen Raum als Gefängnis für widerspenstige Untergebene habe. Willst du es darauf ankommen lassen, daß ich dich zwinge, mir zu gehorchen?«
Da stand ich auf, faßte seinen Arm, daß er vor Schmerz zusammenzuckte, und antwortete:
»Armer Teufel, du! Dein Untergebener bin ich nicht; zu gehorchen habe ich dir nicht, und zwingen lasse ich mich nicht! Versuche es doch mit dem Gefängnisse! Ich glaube, du stecktest eher drin als ich. Und deine Asaker? Ich sage dir: Wenn es dich gelüsten sollte, die Probe zu machen, welcher Wille ihnen höher stehe, der meinige oder der deinige, du würdest sofort erfahren, daß sie nicht dir, sondern mir gehorchen. Versuche es doch! Und bei allen Schejatin160 eurer sieben Höllen, ich würde dich in das kleine, hübsche Kämmerchen stecken und als Herr des Schiffes dahin segeln, wohin es mir beliebt. Und selbst wenn das alles, alles nicht wäre, so stünde es dir frei, mich mit allen Mitteln, welche dir zur Verfügung stehen, zu zwingen, gegen meinen Willen zu handeln. Hier stehe ich, ein einzelner Mann, vor dir; rufe deine Asaker herbei und befiehl ihnen, mich zu packen. Es wird viel Blut, sehr viel Blut fließen, ehe es einem von ihnen gelingt, das Ufer zu erreichen, und der erste, den ich fassen werde, das bist du selbst, ja, du!«
So drohend hatte ich wohl selten einem Menschen gegenübergestanden, wie jetzt ihm. Er schüttelte meine Hand von seinem Arme ab und schrie mich an:
»Kerl, vergreif dich nicht an mir!«
Seine Augen bohrten sich wie Dolche in die meinigen, doch hielt ich diesen Blick des Grimmes gelassen aus. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, und unter dem vor Wut krampfhaften Zucken seiner Lippen bewegte sich der Vollbart auf und nieder.
»Du hast Hand an mich gelegt; du hast mir gedroht!« stieß er hervor. »Weißt du, was jetzt geschehen wird?«
»Ja.«
»Nun, was? Sage es; sage es schnell!«
»Dein eigenes Lieblingswort wird sich erfüllen: Wehe dem, der wehe thut!«
»Ja, wehe dem, der wehe thut! Du hast dich gegen mich erhoben; du hast gemeutert! Ich besitze die Gewalt über Leben und Tod aller Leute, die auf mein Schiff gehören, und zu diesen zählst auch du. Im Namen des Khedive: Du bist mein Gefangener und hast mir jetzt an Bord zu folgen!«
Er zitterte vor Aufregung, während ich um so ruhiger antwortete.
»Der Name deines Khedive ist mir vollständig gleichgültig; ich stehe nicht in ägyptischem Dienste.«
»Aber in dem meinigen! Ich bin dein Vorgesetzter, dein du zu gehorchen hast. Ich arretiere dich.«
»Ist das denn wirklich dein Ernst?«
»Es ist mir so ernst, daß ich dich augenblicklich niederschießen werde, wenn du nur die geringste Miene oder Bewegung machst, mir zu widerstehen!«
Er zog sein Doppelpistol, spannte beide Hähne und richtete die Läufe gegen meine Brust. Ja, er machte Ernst; das sah ich ihm an. Er war fest entschlossen, auf mich zu schießen, wenn ich nicht gehorchte. Er war kein kalter Abendländer, sondern ein Orientale, der sich nicht beherrschen konnte, zumal er in der fast ganz selbstständigen Stellung, welche er bekleidete, verlernt hatte, sich irgend einem Willen zu fügen. Was sollte ich thun? Ihm gehorchen? Das konnte mir nicht einfallen. Ich war es mir und meiner deutschen Abstammung, auf welche ich stolz wie nur irgend einer bin, schuldig, ja nun erst recht schuldig, ihm zu zeigen, daß ich kein leicht einzuschüchternder Knabe sei. Darum gebot ich ihm in drohendem Tone: »Nimm die Waffe weg!«
»Fällt mir nicht ein!« antwortete er. »Ergiebst du dich mir? Sage es schnell! Denn ich werde nur bis drei zählen; hast du dich da noch nicht gefügt, so schieße ich. Also eins – – —«
Er kam nicht einmal bis zur Zwei, denn ich riß ihm schon bei der Eins die Pistole aus der Hand, warf sie weg, faßte ihn bei den Oberarmen, hob ihn auf und schmetterte ihn auf die Erde nieder.
»Hund, räudiger!« brüllte er, indem er sich aufzuraffen suchte. »Das mußt du mit dem Leben bezahlen!«
»Pah!« antwortete ich. »Du bist es, der bezahlen wird; du hast es nicht anders gewollt!«
Dies sagend, schlug ich ihm, der im Aufstehen den Kopf schief gegen mich erhob, mit der Faust so gegen die Schläfe, daß er wieder niedersank und mit einem wie ein Seufzer verschwindenden Atemzuge sich lang ausstreckte. Er hatte das Bewußtsein verloren. Ohne mich zunächst weiter um ihn zu bekümmern, rief ich dem Askari, der noch in der Jolle saß und alles gesehen hatte, zu, herbeizukommen. Er gehorchte. Bei mir angekommen, sagte er, indem er seinen Blick ängstlich zwischen mir und seinem betäubten Vorgesetzten hin und her schweifen ließ:
»Was hast du gethan, Effendi! Ich weiß zwar, daß du recht hast, denn ich habe alles gehört; aber der Reis wird nicht eher ruhen, als bis er diesen Hieb an dir gerächt hat!«
»Ich fürchte seine Rache nicht. Sag mir vor allen Dingen jetzt aufrichtig: Wer ist dir lieber, er oder ich?«
»Meine Antwort lautet so, wie sie dir jeder von uns geben würde: Ihm müssen wir gehorchen, dich aber haben wir lieb.«
»Gut! Ich trete jetzt an seine Stelle. Du weißt, daß ich schon oft für ihn das Kommando über euch geführt habe; so wird es auch jetzt sein. Ihm wird nichts geschehen, und ihr werdet nur Vorteil davon haben. Hilf mir, ihn zu binden und auf die Höhe der Mischrah zu schaffen!«
»Werde ich später nicht dafür bestraft werden, Effendi?«
»Nein; ich verspreche es dir.«
»Du hältst stets, was du versprichst, und so werde ich dir ohne Angst gehorchen.«
Ich nahm dem Reis Effendina die Waffen und fesselte ihn mit seinem eigenen Gürtel; dann trugen wir ihn hinauf, wo meine Rückkehr besonders von Ben Nil mit großer Spannung erwartet worden war. Wie erstaunte er, als wir den Reis Effendina als Gefangenen brachten, und wie staunten dann die El Homr und auch die Sklavenhändler, als sie hörten, wer der gefesselte Mann war, den wir bei ihnen niederlegten. Ich will nicht grad sagen, daß ich va banque spielte, aber ein gefährliches Spiel war es, welches ich wagte. Wenn einer der Faktoren, mit denen ich jetzt rechnete, nicht stimmte, so konnte sehr leicht mein Tod das Fazit sein. Von seiten des Reis Effendina hatte ich, wie ich ihn kannte, nicht die mindeste Schonung zu erwarten. Als er vorhin vom Schiffsgefängnisse gesprochen und ich ihm darauf gedroht hatte, den Spieß umzukehren, war es mir nicht eingefallen, anzunehmen, daß ich gezwungen sein werde, grad diese Drohung auszuführen. Es gab zwar verschiedene leichtere Wege, mich aus der jetzigen Lage zu ziehen, aber sie erschienen mir alle zu unrühmlich, als daß ich einen von ihnen hätte einschlagen mögen. Sollte ich dem Reis Gelegenheit geben, mich der Feigheit zu zeihen? Nein! Lieber wollte ich es auf eine Gefahr ankommen lassen, die vielleicht größer war, als ich sie schätzte. Sollte meine Rolle auf dem »Falken« ausgespielt sein, nun, dann nur in einer Weise, die meinem bisherigen Verhalten und der Achtung, welche ich beanspruchte, würdig war.
Die Sklavenhändler wunderten sich natürlich außerordentlich darüber, daß ich mich so schnell aus einem Verbündeten in einen Gegner des Reis Effendina verwandelt hatte; sie waren neugierig, die Gründe dazu kennen zu lernen, und schlossen sehr wahrscheinlich Hoffnungen an diesen Wechsel meiner Gesinnung gegen ihren gefürchtetsten Feind, doch wagte es keiner von ihnen, eine darauf bezügliche Frage oder Bemerkung auszusprechen. Anders der Schech es Sehf` der befreiten El Homr, welcher seinem Staunen Worte verlieh und sich bei mir erkundigte, wie das so schnell gekommen sei und welche möglichen Folgen es für ihn und seine Gefährten haben könne. Ich belehrte ihn kurz:
»Ich bin keineswegs ein Feind des Reis Effendina geworden, sondern ich habe ihm nur beweisen wollen, daß ich nicht sein Untergebener bin. Für euch wird kein Schaden, sondern nur Vorteil daraus erwachsen, falls ihr auf den Vorschlag eingeht, den ich euch machen werde.«
»Sprich ihn aus, Effendi! Du darfst überzeugt sein, daß wir alles thun werden, was möglich ist, um dir zu zeigen, welch eine große Dankbarkeit in unsern Herzen wohnt.«
»Ich verlange kein Opfer von euch; die Erfüllung meines Wunsches wird vielmehr nur zu eurem Besten dienen. Ihr habt wahrscheinlich die Absicht, zu eurem Stamm auf dem Wege zurückzukehren, auf welchem ihr von Abu Reqiq hierhergeschafft worden seid?«
»Ja, die haben wir, weil es doch keinen andern Weg für uns giebt.«
»Es giebt einen. Die Kamele, welche euch hier zur Beute gefallen sind, reichen nicht zu für euch alle; aber wenn ihr mit mir auf das Schiff des Reis Effendina kommt, so kann ich euch nach wenigen Tagen mit so vielen Reit- und Lasttieren und dazu Waffen und Proviant versorgen, daß ihr auf dem Abu Hable-Wege eure Heimat mit viel größerer Bequemlichkeit und Sicherheit erreichen werdet. Nur wünsche ich, daß ihr euch, so lange ihr auf dem Schiffe seid, durch keinen Menschen verleiten laßt, etwas Feindliches gegen mich zu unternehmen.«
»Was denkst du von uns, Effendi! Du hast uns errettet und bietest uns jetzt neue Wohlthat an, und wir sollten im stande sein, dir mit Undank zu lohnen? Allah ist mein und unser Zeuge, daß wir unser Leben für dich einsetzen würden, wenn wir Gelegenheit bekämen, dich in unsern Schutz zu nehmen.«
»Ihr geht also auf meinen Vorschlag ein?«
»Gern, sehr gern! Wir werden überhaupt alles thun, was du von uns verlangst. Betrachte dich als unsern Anführer, und sei überzeugt, daß wir dir gehorchen werden.«
»Gut, ich nehme dieses Anerbieten an, welches euch größere Vorteile bringen wird, als ihr jetzt wissen könnt.«
»Wann sollen wir das Schiff besteigen?«
»Wenn ich von dort zurückkehre; ich gehe erst allein an Bord, um mit den Soldaten zu sprechen, denn ich muß ja – – —«
»Was?« fiel mir Ben Nil in die Rede. »Das hieße ja, dein Leben auf das Spiel setzen. Wenn du wirklich an Bord gehen Mußt, so gehe ich mit, Effendi!«
»Sei nicht so hitzig, lieber Ben Nil. Ich weiß ganz genau, was ich thun und was ich wagen darf. Uebrigens habe ich eine Aufgabe auch für dich, welche nicht wenig Mut erfordert.«
»Welche?«
»Du fährst jetzt in der Jolle nach dem Schiffe, besteigst es aber nicht, sondern richtest nur die Weisung von mir aus, daß der Schiffslieutenant und die beiden Steuerleute an das Land kommen sollen, weil ich mit ihnen zu sprechen habe.«
»Sie werden aber vom Schiffe aus gesehen haben, daß du den Reis Effendina niedergeschlagen hast!«
»Desto wißbegieriger werden sie sein. Uebrigens weißt du, daß sie meine Freunde sind; sie kommen auf jeden Fall. Du gehst aber nicht an Bord, sondern hast nur deine Botschaft auszurichten und dann zu mir zurückzukehren. Jetzt geh!«
Er schüttelte zwar den Kopf, verzichtete aber auf fernere Einsprache und entfernte sich. Eben waren seine Schritte verklungen, da begann der Reis Effendina sich zu bewegen. Er schlug die Augen auf, ließ den Blick erstaunt im Kreise schweifen und kam, als er fühlte, daß er gefesselt war, zur Besinnung dessen, was sich zwischen ihm und mir ereignet hatte. Da strengte er alle seine Kräfte an, sich frei zu machen, und herrschte, als ihm dies nicht gelang, mir zu:
»Hund, du hast dich nicht nur an mir vergriffen, sondern mich sogar gebunden! Ich wollte dich nur erschießen lassen, weil du gemeutert hast; nun aber wirst du durchgepeitscht und wie ein ehrloser Wicht am Stricke aufgehängt! Ich befehle dir, mich auf der Stelle loszubinden!«
»Ich sagte dir schon, daß du mir nichts zu befehlen hast,« antwortete ich; »der Befehlende bin im Gegenteile jetzt ich. Du hast das Band unserer Freundschaft ohne allen Grund zerrissen und mir soeben selbst eingestanden, daß du die Absicht hattest, mich erschießen zu lassen. Es ist kaum auszusagen, welche Dummheit das von dir war, denn du hast mich genau gekannt und mußtest wissen, wie ich auf solche Angriffe zu antworten pflege. Was ich für dich that, wurde mir mit Mißachtung und Zurücksetzung belohnt. Der häßlichste Neid war es, der mich nach der Matenieh schickte, und als ich auch da geschickter und glücklicher war als du, beschlossest du gar meinen Untergang. Armer, armer Reis Effendina! Wie konntest du nur glauben, mir gewachsen zu sein!«
Diese in mitleidigem Tone gesprochenen Worte erreichten ihren Zweck; er fühlte sich so schwer beleidigt, daß er keine Worte, sondern nur einen heisern Schrei als Antwort fand. Ich fuhr fort:
»Wehe dem, der wehe thut! Du hast meinen Tod gewollt; deine Feindschaft fällt auf dich selbst zurück.«
»So willst du mich ermorden?« knirschte er mich grimmig an. »Meine Asaker würden mich schrecklich rächen!«
»Pah! Ich habe dir schon gesagt, daß die Asaker nicht zu dir, sondern zu mir halten werden. Auch weißt du gar wohl, daß ich kein Mörder bin; du hast mir ganz im Gegenteile sehr oft vorgeworfen, daß ich selbst dem ärgsten Feinde gern verzeihe.«
»Ich verzichte auf deine Verzeihung. Der berühmte Reis Effendina, der alle seine Gegner bloß durch seinen Namen in Furcht und Angst versetzt, hat nicht nötig, einen Christen um Vergebung anzubetteln!«
»Das sollst du auch nicht; ich verzeihe ohne Bitte, mache dich aber darauf aufmerksam, daß ich mich weder vor dir selbst, noch gar vor deinem Namen fürchte.«
»So zeige doch den Mut, dein Maul zu öffnen, um mir zu sagen, was du mit mir vorhast!«
»Sprich höflicher mit mir, sonst bekommst du die Bastonnade, wie sie dort Abu Reqiq bekommen hat.«
Ein abermaliger unartikulierter Wutschrei war die Antwort; ich aber erklärte lächelnd weiter:
»Du wirst dich wohl auf jedes Wort besinnen, welches ich unten am Ufer zu dir sprach, also auch auf die Antwort, welche ich dir gab, als du mir mit dem kleinen engen Raume drohtest, in den ich gesperrt werden sollte. Diese Antwort wird jetzt in Erfüllung gehen: Du wirst Gefangener auf deinem eigenen Schiffe sein, dessen Reis ich von jetzt an bin. Deine Freiheit erhältst du natürlich erst dann zurück, wenn wir in Chartum angekommen sind.«
Das klang so ungeheuerlich, und er wurde durch mein Lächeln und durch die Ruhe meiner Ausdrucksweise in eine solche Aufregung versetzt, daß er in ein krampfhaftes Gelächter verfiel und nur stoß- und pausenweise die Worte hervorbrachte:
»J a – j a – j a – – – und in Chartum – – – würde ich dich und alle Asaker – – – die dir gehorchten – – – als Aufrührer – – – hinrichten lassen! Oh, wie klug – – – wie ungeheuer klug du bist!«