Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi III», sayfa 24
»Das laß mich machen, Effendi! Die El Homr müssen sich in einem Kreise um dich niedersetzen und so thun, als ob die Beute unter sie verteilt würde. Inzwischen schaffe ich die beiden Kerls nach dem Gebüsch und binde sie dort an, und du schleichst dich, ohne daß sie es bemerken, hinter sie. Wenn ich dann wieder bei den El Homr sitze, werde ich öfters so thun, als ob ich mit dir spräche. Sie werden das hören und dann gewiß nicht denken, daß du nicht bei uns, sondern bei ihnen bist.«
Dieser Vorschlag Ben Nils war gut; ich stimmte ihm bei, und er machte sich gleich daran, ihn in Ausführung zu bringen. Es dauerte nicht lange, so lag ich an dem betreffenden Gesträuch hinter Abu Reqiq und seinem Vertrauten, welche beide der festen Ueberzeugung waren, daß ich inmitten der El Homr säße.
Sie sprachen zunächst nicht miteinander. Die Schmerzen des Gezüchteten waren so groß, daß er nicht an Unterhaltung dachte; er wimmerte in einem fort leise vor sich hin. Wie oft hatte er wohl gefangene Neger noch ganz anders, ja zu Tode schlagen lassen, ohne daß sein Gewissen nur im geringsten dadurch beschwert worden war?
Dieses Schweigen dauerte dem Mulasim endlich doch zu lang. Nach dem, was geschehen war, gab es so viel zu besprechen, und die Gelegenheit, dies zu thun, konnte gar nicht bequemer kommen. Er begann also:
»Wer hätte gestern um diese Tageszeit gedacht, daß es uns heut so traurig ergehen werde! Der Scheitan muß diese Hunde grad jetzt von den Grenzen des Niles herabgeführt haben, grad an dem Augenblicke, wo wir hier angekommen sind! Nur einen einzigen Tag später, und unser Handel wäre gelungen. Thun deine Wunden dir sehr wehe, Herr?«
»Frag nicht so dumm!« antwortete Abu Reqiq stöhnend, wie er überhaupt während des ganzen Gesprächs fortwährend ächzte und wimmerte. »Soll es nicht schmerzen, wenn einem die Füße so zerschlagen worden sind, daß die Knochen aus dem Fleische schauen? Allah verdamme diesen Christenhund in denjenigen Teil der Hölle, wo die Teufel ohne Aufhören und in alle Ewigkeit Bastonnade erteilen!«
»Du hättest nur zehn Streiche erhalten; aber weil du ihn schimpftest und beleidigtest, so bist du selber schuld – – —«
»Schweig!« unterbrach ihn der Sklavenhändler. »Ich will deine guten Lehren nicht hören! Ich wollte ihn durch mein sicheres Auftreten ängstlich machen.«
»Allah! Wir haben genug über diesen Christen gehört, um zu wissen, daß ihm keine Angst einzujagen ist. Er ist milde wie ein Weib, aber stolz und unerschütterlich dabei. Ich möchte wissen, weshalb er uns beide so allein hat hierherschaffen lassen.«
»Weil er sich trotz seines Stolzes vor uns scheut und fürchtet. Wir sollen nicht sehen, was sie thun, und nicht hören, was gesprochen wird. Er hält es trotz seines Leugnens für möglich, daß wir gerettet werden. In diesem Falle wäre es gefährlich für ihn, wenn wir etwas über seine Absichten gehört hätten. Nur aus diesem und keinem andern Grunde hat er uns beiseite schaffen lassen!«
»Oder ist er gar nicht dort, sondern hier bei uns, um uns zu belauschen!«
»Fällt ihm nicht ein! Ich sah ihn, als ich fortgeschafft wurde, inmitten der El Homr sitzen; du hast ihn auch gesehen, und– horch! Hörst du seinen Namen nennen? Hörst du, daß dieser verfluchte Ben Nil mit ihm redet?«
»Ja; er ist also wirklich dort, und wir können mit einander sprechen, ohne zu besorgen, daß wir belauscht werden. Hältst du es für möglich, daß die Männer aus dem Chor Omm Karn uns befreien werden?«
»Ja.«
»Aber sie werden ahnungslos herüberkommen und ihm grad in die Hände laufen! Er sagte doch Selbst, daß er sie festnehmen wolle!«
»Ich werde sie warnen. Sobald wir sie kommen sehen, rufe ich ihnen zu, daß wir gefangen sind und daß sie uns befreien sollen.«
»Da wird er dich töten!«
»Nein; ein Mörder ist er nicht. Wir haben ja gehört, daß er nur im äußersten Notfalle Blut vergießt. Er wird uns dem Reis Effendina ausantworten; ehe dies geschehen ist, haben wir wenigstens für unser Leben nichts zu fürchten. Er wird also, wenn er hört, daß ich die Omm Karn-Leute warne, mich nicht töten, sondern die Warnung dadurch erfolglos zu machen suchen, daß er hier diese Furt verläßt und irgendwo ein anderes Lager bezieht. Unsere Verbündeten aber werden ihm folgen, ihn finden und uns befreien. Aber dann!«
Er knirrschte bei diesen beiden letzten Worten mit den Zähnen. Der Mulasim wiederholte sie:
»Aber dann! Ja, dann wird es ihm traurig ergehen!«
»Trauriger, als es ihm in der Hölle ergehen könnte! Ich lasse ihn peitschen, daß ihm alle Knochen aus dem Leibe schauen. Und dann mache ich ihn zu meinem eigenen Sklaven, den ich von früh bis abends peinige, wie noch kein Sklave gepeinigt worden ist. Also, ich bin überzeugt, daß wir nicht gefangen bleiben; aber wir werden einige kostbare Tage verlieren und also später nach El Michbaja kommen, als man uns dort erwartet.«
»Zumal du durch die Bastonnade so verwundet bist! Du wirst dich kaum auf dem Kamele halten können.«
»Wir werden ein Boot haben.«
»Ein Boot? Von wem?«
»Von diesem Christenhunde. Er hat ja gesagt, daß er dem Reis Effendina vorausgefahren sei, und ist also im Besitze eines Fahrzeuges, welches hier irgendwo am Ufer liegen muß. Das nehme ich für mich und laß mich nach El Michbaja rudern, während du mit den andern den Weg mit den Kamelen zurücklegst. Diese Hunde haben uns alles, alles abgenommen. Sogar mein Goldstaub wird sich in ihren Händen befinden. Das könnte mich rasend machen, wenn ich nicht wüßte, daß sie alles wieder hergeben müssen. Dafür wird Kara Ben Nemsi mir einen Gegenstand lassen müssen, welcher hundertmal mehr wert ist, als das Gold, welches er jetzt wohl glaubt, ganz sicher zu besitzen.«
»Was ist das?«
»Sein Zaubergewehr, von welchem wir gehört haben. Jedenfalls hat er es noch, denn so etwas hütet man wie das eigene Augenpaar. Bin ich Besitzer dieser Flinte, so darf man mich den unüberwindlichsten Mann des ganzen Sudahn nennen, und das wird mich vollständig entschädigen für die Bastonnade, gegen die ich mich leider nicht wehren konnte.«
»Wenn aber nun der Reis Effendina kommt, ehe wir wieder frei sind?«
»Geschähe das, so wären wir verloren, denn die Strenge dieses Abgesandten des Teufels würde unser Leben fordern. Glücklicherweise war aus den Reden des Christen zu entnehmen, daß der Reis Effendina erst nach einer Anzahl von Tagen hier eintreffen wird. Da sind wir wieder frei, weil die Leute aus Omm Karn schon morgen kommen.«
»Wir wären dann mit ihnen sechsundzwanzig tapfere Männer. O Allah! Wenn es möglich wäre, mit diesen Leuten das Schiff des Reis Effendina zu ersteigen und ihm wegzunehmen!«
»Diesen Gedanken laß nur fallen! Selbst wenn es gelänge, würden so viele von uns dabei zu Grunde gehen, daß die übrigen das Schiff nicht lenken könnten, zumal sie nichts davon verstehen. Es wird mit ihm und seinen Leuten auch ohnedies in unsere Hände fallen.«
»Bei El Michbaja?«
»Ja.«
»Steht denn der Wächter noch immer dort am Ufer?«
»Ja, bei Tage und bei Nacht. Der »Heilige« hat es so befohlen. Niemand weiß, weshalb er den Untergang des Reis Effendina beschlossen hat; er muß von diesem auf eine Weise beleidigt worden sein, die selbst ein Heiliger nicht verzeihen kann, zumal dieser behauptet, daß Allah und der Prophet den Sklavenhandel befohlen haben. Kennst du die Stelle des Niles, an welcher El Michbaja angelegt worden ist?«
»Nein.«
»Der Fluß hat dort eine so schnurgerade Richtung, daß man jedes abwärtskommende Schiff schon aus weiter, weiter Ferne erblickt. Dann macht er einen raschen Bogen, indem er um eine weit vorgeschobene Landzunge oder Halbinsel fließt, die von sehr dichtem Walde bedeckt ist. In diesem Walde liegt El Michbaja, wo man mit einer großen Sklavenherde auf uns wartet. Die Bewohner von El Michbaja haben den Segen des »Heiligen« erhalten, und ihr letzter Bote teilte mir im Geheimnis mit, daß dieser Reqiq nicht nur aus Schwarzen bestehe. Es giebt Menschen, die man beseite schaffen muß, ohne sie grad töten zu wollen; die macht man einfach zu Reqiq. Ich nehme sie sehr gern mit und bin verschwiegen dabei, weil ich sie umsonst bekomme und nicht zu bezahlen brauche. Es hat sogar Fälle gegeben, daß man mir einige Schwarze dafür schenkte, daß ich einen Weißen mitnahm, um ihn als Sklaven verschwinden zu lassen. Wahrscheinlich steht mir in El Michbaja wieder ein so gutes Geschäft bevor, denn sonst hätte man mir den erwähnten Wink nicht gegeben.«
»Befinden sich denn genug Leute dort, den Reis Effendina abzufangen?«
»Ja. Und diese Männer sind alle mit dem Wasser wie Fische vertraut. Ich habe es bisher geheim gehalten; jetzt aber will ich es dir sagen, daß einer von uns zu den dortigen Leuten gehört und nur deshalb zu mir geschickt wurde, um mein Führer dorthin zu sein, sobald ich einen brauchen sollte.«
»Allah! Solche Geheimnisse hast du vor mir gehabt? Ich habe stets gemeint, du wüßtest, daß du mir vertrauen darfst!«
»Das wußte ich; aber ich mußte versprechen, es so lange geheim zu halten, bis ein triftiger Grund ein- trete, es zu sagen. Dieser Grund ist jetzt da. Also am Ufer der Landzunge, auf welcher El Michbaja liegt, hält Tag und Nacht ein Posten Wache, der auf das Schiff des Reis Effendina aufzupassen hat. Es ist so gebaut, daß er es sofort erkennen muß, und sobald es erscheint, hat er es zu melden.«
»Dann wird es angegriffen?«
»Ja.«
»Was soll mit der Besatzung geschehen?«
»Sie kann getötet oder gefangen genommen und als Reqiq verkauft werden, aber zwei sollen unbedingt geschont werden, nämlich der Reis Effendina und dieser Kara Ben Niemsi Effendi.«
»Warum?«
»Der »Heilige« will sie haben.«
»Wozu?«
»Das weiß man nicht. Er hat sie sich auf das allerstrengste ausbedungen, und du kannst dir denken, daß man ihm gern gehorsam ist. Wir sind in die Hände dieses Giaur geraten; das ist ein Unglück, welches vorübergehen wird, und bei jedem Unglück pflegt ein Glück zu sein.«
»So auch hier?«
»Ja. Es ist ein Glück für uns, daß der Reis Effendina grad zu der Zeit angesegelt kommt, in welcher wir uns in El Michbaja befinden werden. Ich bin überzeugt, daß man uns dort die ganze gefangene Besatzung umsonst als Sklaven überlassen wird. Was man nicht tötet, muß verschwinden, und zum Verschwindenlassen bin ich wie kein anderer der richtige Mann.«
»Warst du schon einmal dort?«
»Auch nicht; aber ich kann mich auf Hubahr so verlassen wie auf mich selbst.«
»Ach, Hubahr ist also der, den du vorhin meintest?«
»Ja.«
»Ich habe ihm nicht viel zugetraut, denn er scheint nicht tapfer, sondern ein Feigling zu sein.«
»Feig ist er, ja; er fürchtet sich sogar im hellen Mondenscheine, wenn er von weitem die Stimme der Hyäne hört, die ihm gar nichts anhaben kann. Ein Krieger ist er also nicht; aber zum Boten, Führer und Spion, da paßt er ausgezeichnet, und da er für uns nur dieses sein soll, so kann ich nicht mehr von ihm verlangen. Er ist mir von El Michbaja aus nicht nur sehr empfohlen worden, sondern er steht sogar unter dem Schutze des »Heiligen«, den er persönlich kennt, denn er hat bei ihm auf der Insel Aba gewohnt und ist in den frommen Regeln und Satzungen der Terika155 es Samania einer seiner besten Schüler gewesen.«
»Maschallah – Gott thut Wunder! Wer hätte das von diesem Hubahr gedacht, der mit uns auf den Sklavenhandel gegangen ist und doch vor Angst zusammenzuckt, wenn nur der Hahn seiner eigenen Flinte knackt!«
»Es ist nicht notwendig, daß ein Streiter Allahs auch ein kühner Krieger im irdischen Sinne ist. Der Islam braucht außer den streitbaren Schwertträgern, welche seine Fahne in alle Länder tragen sollen, noch viel nötiger auch kluge, listige Bekenner, von denen ein einziger durch seine Verschlagenheit mehr, viel mehr leisten kann als tausend Asaker, die nur durch die Kraft ihrer Arme wirken. Das hat Mohammed Achmed selbst sehr oft gesagt und gelehrt.«
»So heißt der Heilige?«
»Weißt du das noch nicht? Habe ich noch nicht mit dir von ihm gesprochen? Du widmest deine ganze Kraft und alle deine Gedanken dem Sklavenhandel; aber nebenbei solltest du dich doch auch um die Ereignisse und Personen kümmern, welche für den Islam von Wichtigkeit sind. Mohammed Achmed Ibn Abdullahi war ein Hauar156 des berühmten Scheich Mohammed Scherif von der Samania. Er entzweite sich mit ihm und ging zur Terika des Scheiches el Gureschi über. Dadurch wurde er berühmt. Er wurde der Fakir el Fukara genannt und wohnte auf der Insel Aba, wo er den Titel eines Sahed157 erhielt. Er wollte die hervorragenden Anhänger des Islam in den westlichen Gegenden kennen lernen und machte darum eine Reise nach Kordofan. Von da zurückgekehrt, war er eine Zeit lang sehr krank. Er konnte nicht gehen, denn er hatte diese Reise als Sahed meist zu Fuße gemacht und dabei seine Sohlen im heißen Sande so verletzt, daß fast kein Mittel Heilung bringen wollte. Die Schmerzen, welche er infolge dieser seiner Entsagung auszustehen hatte, vermehrten den Ruf seiner Heiligkeit, und es hatten sich in wenigen Wochen so viele Schüler und jünger um ihn gesammelt, daß er jetzt eine Macht besitzt, wie sie vor ihm noch kein Heiliger besessen hat. Als ich zum letztenmal von ihm hörte, sagte man sogar, er sei der Mahdi, welchen wir schon seit Jahrhunderten erwarten; er werde den reinen, geläuterten Glauben lehren und dann die Streiter des Islam siegreich in alle Gegenden der Erde führen, um überall die grüne Fahne des wahren Glaubens aufzupflanzen. Nun weißt du, wen du unter dem »Heiligen« zu verstehen hast, und da Hubahr einer seiner besten Schüler ist, wirst du ihm von jetzt an dein Vertrauen schenken, welches du ihm bisher verweigert hast.«
»Allah, Allah, Allah!« sagte Geri erstaunt. »Der Mahdi soll endlich gekommen sein! Und dieser heilige Mann lehrt, daß der Sklavenhandel keine Sünde sei?«
»Sogar daß er befohlen sei! Er wird schon durch diese Lehre allein das Christentum besiegen, welches die Sklaverei verbietet und also keine Männer hat, sich gegen uns zu wehren, die wir Hunderttausende bewaffneter Sklaven gegen die Ungläubigen aussenden können. Sie werden also grad durch diejenigen niedergeworfen und zerschmettert, welche sie in Schutz nehmen wollen. Allah verderbe sie!«
»Zunächst möge er diesen einen Christen vernichten, der es gewagt hat, sich an uns zu vergreifen und deine Füße mit den Stöcken der Bastonnade zu berühren!«
»Das wird er thun; ich bin ganz überzeugt davon! Allah kann unmöglich wollen, daß wir das neue, große Licht des Islam nur aufgehen sehen sollen, um uns hier ruhmlos von dem Reis Effendina abschlachten zu lassen. Jetzt aber schweig! Ich habe über unsere Lage und über die Rettung aus derselben nachzudenken, und wenn ich spreche, werden die Schmerzen meiner Füße um das Doppelte vermehrt. Wenn ich diesen Giaur in meine Hand bekomme, soll er Qualen erleiden, als ob er hundert Füße hätte, auf die ihm die Bastonnade gegeben worden ist.«
Sie hüllten sich nun in Schweigen; das heißt, so weit es sich auf gesprochene Worte bezog, denn still verhielt sich Abu Reqiq keineswegs, sondern sein Stöhnen und Seufzen ertönte ebenso fort, wie es das ganze, von mir belauschte Gespräch begleitet hatte. Weil es für mich nun keine Hoffnung gab, noch mehr zu hören und zu erfahren, entfernte ich mich leise von der Stelle, an welcher ich gelegen hatte, und kehrte zu den El Homr zurück. Als Ben Nil mich von weitem kommen sah, war er so klug, aufzuspringen und auch die anderen zum Aufstehen zu veranlassen. Diese vielen aufgerichteten Gestalten boten mir eine willkommene Deckung, daß ich mich in einem kleinen Bogen dem Platze nähern konnte, ohne von Abu Reqiq und Geri gesehen zu werden. Auf diese Weise blieb es diesen beiden unbekannt, daß ich nicht nur vom Lagerplatze weg, sondern sogar bei ihnen gewesen war.
Als wir uns dann wieder gesetzt hatten, warf mir Ben Nil einen fragenden Blick zu, den ich mit einem leichten Nicken des Kopfes beantwortete. Nun wußte er, daß es mir gelungen war, den Sklavenhändler und seinen Mulasim zu belauschen. Es war inzwischen der Inhalt der Taschen der Händler verteilt worden, der besonders bei Abu Reqiq reichlich ausgefallen war, wenn er auch nicht aus Gold bestanden hatte.
Mich beschäftigte natürlich das, was ich gehört hatte. Also Mohammed Achmed, der Fakir el Fukara, spielte sich jetzt als Heiliger, sogar als Mahdi auf! Ich konnte nicht daran zweifeln, daß es sich um dieselbe Person handelte, die wir in der Chala kennen gelernt hatten. Seine Reise nach Kordofan war erwähnt worden; er war uns auf der Rückreise von dort begegnet. Die schwere Krankheit seiner Füße, welche er sich durch seine fromme Entsagung zugezogen haben sollte, war nichts als eine Folge der Bastonnade, die ihm der Reis Effendina hatte geben lassen, und daß er diesen und mich gern in seine Gewalt haben wollte, daß er die Rückkehr unseres Schiffes so aufmerksam erwarten ließ, das war mir leicht erklärlich; er wollte Rache nehmen, natürlich auch an mir, obgleich ich mich seiner erbarmt hatte, als er mit zerschlagenen Füßen im Sumpfe lag. Wie er von dort weg und nach der Insel Aba gekommen war, das konnte mir gleichgültig sein; es genügte mir, zu wissen, daß er auf irgend eine Weise wieder heimgelangt war.
Umso wichtiger war mir der Ort, welchen der Händler El Michbaja genannt hatte. In welcher Gegend mußte er gesucht werden? Ich kannte keinen Ort dieses Namens am Nile, Ben Nil, den ich nachher fragte, auch nicht, und als ich mich später bei seinem Großvater erkundigte, hatte dieser ihn ebensowenig gehört und meinte, daß es eine ganz neu angelegte Niederlassung sein müsse. Zwischen unserer Fahrt stromaufwärts und jetzt waren allerdings Monate vergangen, denn ich erzähle nur die hervorragenden Ereignisse derselben, und die Zeit unserer Abwesenheit war mehr als lang genug, daß aus dem Fakir el Fukara inzwischen hatte ein Heiliger werden können und am Ufer des Niles ein Ort entstanden war, den es damals noch nicht gegeben hatte.
Dieser Ort schien aber nicht nur uns unbekannt zu sein; das ging aus seinem Namen hervor. El Michbaja heißt »das Versteck«; es handelte sich also wahrscheinlich um eine geheim gehaltene Stelle, an welcher verkäufliche Sklaven versteckt wurden, um bei passender Gelegenheit auf gefahrlosen Wegen weitertransportiert zu werden. Aber wo lag dieser Ort? Das wollte und mußte ich wissen, denn dort wartete man auf uns, um Rache an uns zu nehmen. Ich zweifelte zwar gar nicht daran, daß es uns gelingen würde, ganz glücklich dort vorbeizukommen, aber doch nur dann, wenn wir wußten, an welcher Stelle die Gefahr uns drohte. Und aufrichtig gestanden, hatte ich gar keine Lust, eben nur glücklich vorüberzufahren. Es gab dort Sklaven zu retten, unter denen sich sogar Weiße befinden sollten! Da war es doch wohl unsere Pflicht, denen, die auf uns warteten, um uns zu verderben, nicht feig aus dem Wege zu gehen, sondern ihnen erst recht zu zeigen, daß wir sie nicht fürchteten.
Also wir mußten unbedingt erfahren, wo El Michbaja lag. Aber von wem? Natürlich von Hubahr, dem bevorzugten Schüler des neuen Propheten, welcher lehrte, daß die Sklaverei eine von Allah befohlene Einrichtung sei. Bei dem Gedanken, daß grad dieser Schüler uns gegen seinen Meister beistehen solle, drängte sich mir ein behagliches Lächeln auf, denn ich war überzeugt, daß es mir gar nicht schwer fallen werde, ihn dazu zu bewegen, allerdings auf freundlichem Wege freilich nicht. Abu Reqiq hatte ihn als einen verschlagenen, listigen aber feigen Menschen geschildert. Nun, die List eines Sudanesen fürchtete ich nicht, und die Feigheit war der Punkt, an dem ich ihn zu fassen hatte.
Dies zu thun, war jetzt noch lange nicht an der Zeit. Zunächst genügte es mir, zu wissen, welcher von den Leuten dieser Hubahr war. Ich hatte den Gefangenen nicht verboten, miteinander zu sprechen, und sie machten von dieser indirekten Erlaubnis reichlichen Gebrauch. Indem ich, scheinbar gar nicht auf sie achtend, die abgerissenen Reden verfolgte, welche sie einander zuwarfen und bei denen auch Namen genannt wurden, erfuhr ich bald, wo der Betreffende lag. Er war ein kleiner, schmächtiger Kerl mit drei schrägen Schnittnarben auf den Schläfen und den Wangen und gehörte also dem Fundschvolke an, höchst wahrscheinlich der Abteilung der Hammedsch oder der Beruhn. Sein dunkles Gesicht zeigte eine ausgesprochene Fennek-Physiognomie158, und er wäre von mir, auch wenn ich Abu Reqiq nicht belauscht hätte, gleich beim ersten Blicke für ein schlauer Mensch gehalten worden, dem man nicht trauen durfte. Sein ruheloses, unstätes Auge konnte diese Meinung nur begründen. Also das war einer jener Streiter des Islam, von denen ein einziger mehr wert war als tausend tapfere Asaker.
Ich wußte nun genug und beschäftigte mich nur noch mit den nötigen Bestimmungen für die Nacht. Die Wachen wurden so eingeteilt, daß zu je fünf El Homr ein Askari kam, weil ich mich auf meine vier Asaker mehr verlassen konnte, als auf alle sechzig Homr; dann legten wir uns schlafen.
Am Morgen wurde ich auf meinen Befehl sehr frühe geweckt und stieg die Mischrah hinauf, um eine für meine Absicht passende Stelle zu suchen. Als ich sie gefunden hatte, kehrte ich zurück und gab den Befehl, die Gefangenen nach diesem Orte zu schaffen. Dort angekommen, wurden sie entfesselt und dann wieder gebunden, nachdem wir ihnen ihre Kleidungsstücke genommen hatten, welche die heller Gefärbten unter den El Homr anzuziehen hatten. Zwei Asaker und zwanzig Homr sollten bei ihnen bleiben. Sie hatten sich natürlich alle in diese Veranstaltung fügen müssen, Abu Reqiq auch; aber als er hörte, daß er mit seinen Leuten hier bewacht werden sollte, wurde er von seiner Enttäuschung und Besorgnis zu der Frage getrieben:
»Wie kommst du zu diesem Befehle, Effendi? Warum sollen wir nicht unten am Flusse bleiben?«
»Das kannst du dir nicht denken?« antwortete ich.
»Nein.«
»So will ich es dir sagen. Hier oben könnt ihr die Leute vom Chor Omm Karn nicht kommen sehen, und sie vermögen deine Stimme nicht zu hören, wenn du sie aufforderst, euch zu befreien.«
Da rief er erschrocken aus:
»Allah kerihm – Gott sei uns gnädig! Wer hat dich auf den Gedanken gebracht, daß ich das thun will?«
»Frage doch nicht! Wir Christen besitzen die Eigenschaft, die Gedanken der Moslemim so genau zu erraten, als ob sie auf ihren Stirnen geschrieben ständen. Ich werde nicht vor den Leuten aus Omm Karn diese Mischrah verlassen; sie werden mir nicht folgen und euch befreien, und du wirst mir nicht Qualen bereiten, als ob ich hundert Füße hätte, auf denen ich die Bastonnade bekomme. Ich habe dir gesagt, daß ich die Händler, welche du jetzt erwartest, gefangen nehmen werde, und was ich gesagt und mir vorgenommen habe, das pflege ich auch auszuführen. Nun höre noch, was ich den Wächtern, die bei euch bleiben, jetzt anbefehle! Jeder von den Gefangenen, der einen lauten Ruf ausstößt oder nicht still und ruhig auf seinem Platze liegen bleibt, soll augenblicklich erstochen werden! Jetzt, Tamek er Rhani, der du dich Abu Reqiq nennst, such deine Hilfe bei dem »Heiligen«, welcher seine Streiter über den ganzen Erdkreis senden wird, um die grüne Fahne des Islam in allen Ländern aufzupflanzen. Er hat die Sklaverei als ein Gebot Allahs hingestellt und mag dir helfen, die Gefangenen, welche ich aus deinen Händen befreit habe und die dich jetzt bewachen, wieder in Fesseln zu schlagen und als Reqiq zu verkaufen!«
»Sei verflucht, in die tiefste Dschehenna hinab verflucht!« knirschte er vor Grimm darüber, daß ich ihm die Hoffnung auf die Omm Karn-Leute vernichtet hatte.
An das Ufer zurückgekehrt, wies ich die vierzig El Homr an, wie sie sich zu verhalten hatten. Die Anzüge der Händler wurden von denen angelegt, welche bei mir und Ben Nil zu bleiben hatten; die übrigen sollten sich zurückziehen und sich verstecken, um nicht gesehen zu werden, mit ihnen der dritte und vierte Askari, deren Uniformen die Kommenden verscheucht hätten. Erst hatte ich die Absicht gehabt, die El Homr scheinbar zu fesseln und am Ufer liegen zu lassen, hielt aber bei den jetzigen Verhältnissen diese lästige Vorsichtsmaßregel nicht mehr für nötig.
Als diese Vorbereitungen getroffen worden waren, sahen wir der Ankunft der Erwarteten mit Spannung entgegen. Wenn sie einzeln kamen und einer der ersten Verdacht schöpfte, konnten uns die andern entgehen. Wir überzeugten uns indes sehr bald, daß diese Besorgnis überflüssig war, denn wir sahen sie alle auf einem großen Floße kommen, und zwar nicht über den geteilten Nil. Der Transport des Floßes über die verschiedenen Inselbänke hätte doch Anstrengung gekostet, und so waren sie weiter oben, wo der Strom sich noch nicht geteilt hatte, in das Wasser gegangen und ließen sich nach dem tiefen Arme, an welchem wir uns befanden, herabtreiben.
Als sie angelegt hatten, banden sie das Floß fest und sprangen alle an das Land, ohne erst einen von ihnen abzusenden, um sich von ihrer Sicherheit zu überzeugen. Diese Leute hatten hier wohl schon oft Sklaven in Empfang genommen, ohne dabei gestört worden zu sein, und waren dadurch nachlässig und unvorsichtig geworden.
Sie sahen uns sitzen und kamen auf uns zu. Ich hatte nicht erfahren können, ob sie Abu Reqiq persönlich kannten, und stand auf, sie zu begrüßen; auch die El Homr erhoben sich. Sie kamen bis ganz heran zu uns. Wir wechselten die üblichen Grüße, und dann fragte derjenige von ihnen, welcher der Anführer war, in einem einigermaßen erstaunten Tone:
»Wo ist Abu Reqiq? Ich sehe ihn nicht! Und wo sind die Sklaven, welche wir holen wollen?«
»Sie liegen auf der Höhe der Mischrah,« antwortete ich, »und Abu Reqiq befindet sich bei ihnen. Er hatte geglaubt, ihr brächtet als Bezahlung Waren mit, und war sehr enttäuscht, als er hörte, daß ihr nur Goldstaub hättet.«
»Ist Gold nicht grad so gut wie Ware? Laß uns zu ihm gehen, damit wir die Sklaven sehen können! Wir haben keine Zeit, uns lange zu verweilen, denn der Reis Effendina ist in der Nähe.«
»Was? Der Reis Effendina?« that ich erschrocken. »Ist das möglich? Woher wißt ihr es?«
»Ein Mann, der aus Chrab el Aisch herabgesegelt kam und nach Omm Karn wollte, sagte es uns. Er hat das Jagdschiff des Khedive in Kuek liegen sehen. Wir müssen uns beeilen, denn die Hunde, welche dieses Schiff bewohnen, beißen gern. Allah sei Dank, daß sie sich noch so weit oberhalb dieser Furt befinden und daß dieselbe ihnen unbekannt ist!«
»Du dankest Allah vergeblich.«
»Wieso?«
»Diese Hunde kennen die Furt und sind bereits hier.«
Er sah mir betroffen forschend in das Gesicht und sagte:
»Ich verstehe dich nicht. Du scherzest doch?«
»Nein, denn ich selbst bin einer dieser Hunde.«
Ich schlug ihn bei diesen Worten mit der Faust nieder. Dies war das mit den versteckten El Homr verabredete Zeichen; sie sprangen herbei, und die wenigen Händler wurden von über vierzig Gegnern zusammengedrängt, überwältigt, entwaffnet und gebunden, ehe sie nur recht auf den Gedanken kamen, Gegenwehr zu leisten. Als sie, so schnell überrumpelt und gefesselt, am Boden lagen, schien es ihnen schwer zu werden, die Sache ernst zu nehmen, wenigstens drückten ihre Züge mehr Verwunderung als Schreck aus, und der Anführer herrschte mich an:
»Was ist das für ein Verhalten! Wollt ihr uns etwa eine neu erfundene Phantasia lehren?«
»O nein,« antwortete ich. »Für Scherz hast du ja keine Zeit; es ist keine Phantasia, sondern Ernst. Ich gehöre, wie du an diesen beiden Uniformen sehen wirst, zum Schiff, in welchem Hunde wohnen, und die vierzig Männer, welche euch niedergeworfen und gebunden haben, sind zwei Drittel der Sklaven, welche du kaufen wolltest; ich habe sie gestern Abend befreit und Abu Reqiq mit seinen Leuten gefangen genommen.«
Jetzt stockte ihm der Atem; der Ausdruck der Angst trat auf sein Gesicht, und er fragte, nur mit Zwischenpausen sprechend:
»Höre ich – – – richtig – – —? Bin ich – – – denn bei – – —Sinnen? Solltet ihr – – – wirklich zum – – – Reis Effendina gehören?«
»Ja, wir gehören zu ihm,« nickte ich.
»Aber du bist – – – der Reis wohl – – – nicht selbst?«
»Nein, ich bin ein Freund von ihm.«
»Freund – —? Kein – – – Untergebener?«
»Nein.«
»Allah, Allah! Da kannst du nur der Ben Nemsi sein!«
»Der bin ich allerdings.«
Es gab nun eine der gestrigen, bei der Ergreifung Abu Reqiqs, ganz ähnliche Scene, so daß es überflüssig wäre, sie zu beschreiben. Es waren ganz dieselben Grobheiten und Verwünschungen, dieselben anmaßenden Drohungen, die ich über mich ergehen lassen mußte, und ich wunderte mich gar nicht darüber, daß Ben Nil mir schließlich den Rat gab, mir auch hier durch die Bastonnade Achtung zu verschaffen. Am schlimmsten wurde das Geheul, als ich den Befehl gab, den Gefangenen die Taschen zu leeren; doch gelang es mit Hilfe kräftiger Hiebe bald, die nötige Ruhe herzustellen. Der Goldstaub wurde heut wie gestern unter Ben Nil und die Asaker verteilt; die übrige Beute fiel den El Homr wieder zu. Als dies vorüber war, transportierten wir die Händler hinauf zu den andern Gefangenen.
Das Zusammentreffen – bei einigen Personen wohl ein Wiedersehen – der beiden Parteien war ein sehr, sehr ruhiges. Niemand sprach ein Wort; aber hätten ihre Gedanken laut werden können, so wäre das ein zum Himmel aufsteigender, betäubender Lärm gewesen. Welcher Haß sprach aus all den Zügen, welcher Grimm aus all den Blicken! Als Muhammedaner betrachteten sie ihre Gefangennahme als ein im Buche des Lebens vorgezeichnetes Ereignis, welches nicht zu umgehen gewesen war; aber daß eigentlich nur sechs Personen das fertig gebracht hatten und daß der Anführer derselben ein Giaur war, das erregte in ihnen eine Wut, welche sie nicht bemeistern und verbergen konnten. Mich ließ diese Wut sehr gleichgültig; die El Homr lachten und freuten sich darüber. Wenn es nach ihnen gegangen wäre, hätten wir die Gefangenen samt und sonders in den Nil geworfen, um sie von den Krokodilen, deren es grad hier freilich keine gab, verzehren zu lassen.
Die Leute aus Omm Karn hatten natürlich auch Kamele mit den nötigen Vorräten bei sich gehabt und sie am andern Ufer unter Aufsicht eines Mannes oder einiger Personen zurückgelassen. Diese mußten herübergeholt werden. Ich ließ zu diesem Zwecke ein großes Floß zusammensetzen, welches gegen Mittag fertig war, und machte mich mit einer Anzahl El Homr an die Ueberfahrt. Ben Nil blieb zurück, um an meiner Stelle den Befehl zu übernehmen.