Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi III», sayfa 27
»Ueber das Erstechen lache ich!« höhnte der Gefangene. »Ich weiß doch, daß dieser Christ viel zu viel Angst vor seinem Gotte hat, als daß er den Mut besitzen könnte, diese Drohung wahr zu machen! Ich will jetzt unbedingt wissen, woran ich bin. Die El Homr sind fort; die Händler sind fort; was soll nun mit mir geschehen? Wenn ich nicht auf der Stelle von meinen Fesseln befreit werde, lasse ich, sobald ich an Bord komme, euch beide erschießen! Wißt ihr, ich bin der berühmte Reis Effendina, und wer sich in der Weise an mir vergreift, wie ihr es gethan habt, der macht sich eines todeswürdigen Verbrechens schuldig, für welches es nur die größte Strenge, niemals aber Gnade geben kann!«
»Sprich doch nicht schon wieder von deiner Berühmtheit!« antwortete ich. »Was mit dir geschehen soll, das will ich dir wohl sagen. Ich glaube, daß ich dir in jeder Beziehung gleichstehe, und unter Gleichstehenden muß für den einen das billig sein, was er für den andern als recht gehalten hat. Darum werde ich dich genau so behandeln, wie du mich behandelt hast. Du warst Befehlshaber des »Falken« und hast mich mit vier Soldaten auf dem kleinen Boote nach der Matenieh geschickt, wo es keinen Fang zu machen gab. Ich habe trotzdem Erfolge gehabt, welchen du dein volles, ungeteiltes Lob hättest zollen sollen. Jetzt bin ich der Kommandant des Schiffes und schicke dich mit auch vier Soldaten und demselben Boote abwärts nach der Insel Talak chadra, wo es auch keine Hoffnung giebt, einen Fang zu machen. Wenn du der tüchtige Mann bist, für den du dich hältst, wirst du, grad so wie ich, trotzdem auch Erfolge haben, und ich werde dann gerechter als du sein und dir mein Lob nicht vorenthalten.«
Diese Worte brachten einen unbeschreiblichen Eindruck auf ihn hervor. Zunächst starrte er mich wortlos an, als ob er sich besinnen müsse, ob er wache oder träume; dann sprühten seine Augen einen Strahl von Wut auf mich, der mich niedergeworfen hätte, wenn er materieller gewesen wäre, und hierauf brach eine Flut von Flüchen und Verwünschungen los, die ich über mich ergehen ließ, bis er, um Atem zu schöpfen, eine Pause machen mußte. Da fiel ich schnell ein:
»Dein Fluchen und Schmähen hilft dir nicht nur nichts, sondern es würde meinen Entschluß nur noch fester machen, falls ich geneigt gewesen wäre, in Anbetracht unserer früheren Freundschaft von ihm abzuweichen. Und daß du bei jeder Beleidigung mein Christentum hervorhebst, macht eine Aenderung meiner Absicht vollends zur Unmöglichkeit. Du wirfst mir vor, mich in Schutz genommen zu haben; ich aber glaube, es ist umgekehrt der Fall. Ich habe deines Schutzes nie bedurft; du rechnetest im Gegenteile stets auf meine Hilfe. Und wenn ich wirklich der unbekannte, niedrige, unbedeutende Christenhund wäre, wie du mich jetzt genannt hast, so würde das nur ein Lob für mich bedeuten, denn es müßte mir hundertfache Bewunderung einbringen, daß es diesem Hunde nichts weiter als nur den Willen gekostet hat, selbst den berühmten und mächtigen Reis Effendina zu bezwingen und ihm sein hinterlistiges und verstecktes Spiel abzugewinnen.«
Er wollte wieder losbrechen; ich ließ ihn nicht dazu kommen und fuhr fort:
»Schweig, sonst sehe ich mich gezwungen, dich durch einen Knebel stumm zu machen! Was ich dir jetzt noch sagen will, habe ich dir nur zu deinem eigenen Nutzen mitzuteilen. Ich segle sofort ab. Du wirst im Boote alles finden, was du brauchst, und sehr klug thun, wenn du dich beim etwaigen Landen so versteckt wie möglich hältst, denn es giebt von hier bis zur Dschesireh Talak chadra Leute, welche dich fangen und töten wollen. Der »Falke« wird zwar viel schneller sein, als dein Boot, und ich werde mich bemühen, dir alle Gefahren aus dem Wege zu räumen, aber ich will dich dennoch ganz besonders vor der Gegend zwischen Omm Saf und Abu Seir warnen. – So, jetzt bin ich fertig. Du kannst sicher sein, den »Falken« am Ufer der Insel Talak chadra zu finden. Was du dann mit mir machen willst, das geht mich nichts an; das ist allein deine Sache!«
»Vernichten werde ich dich, du Hund!« brüllte er.
»Versuche es! Es hat mich schon mancher vernichten wollen und ist dabei nur selbst zu Grunde gegangen. Leb wohl! Allah gebe dir eine gute Fahrt und schenke dir unterwegs die Ruhe des Gemütes und die notwendige Einsicht, ohne welche unser Wiedersehen mich nicht erfreuen kann und dir nur Schimpf und Schaden bringen muß!«
Jetzt begann er, wie ein Besessener zu brüllen und mit aller Gewalt an seinen Fesseln zu zerren; das focht mich nicht an, denn ich war mit ihm fertig. Ich forderte Ben Nil auf, mir hinunter nach dem Flusse zu folgen, bis wohin die Stimme des Reis Effendina nicht ganz zu dringen vermochte. Dort angekommen, gab ich den vier Soldaten den Befehl:
»Wenn wir abgesegelt sind, wartet ihr eine halbe Stunde; dann mag einer von euch da links zur Höhe steigen, wo sich der Reis Effendina befindet; von ihm werdet ihr erfahren, wozu ich euch bestimmt habe.«
Wir gingen an Bord, wo ich den Befehl gab, vom Lande zu stoßen. Indem er ausgeführt wurde, kam der Lieutenant zu mir und fragte in ängstlichem Tone.
»Willst du ohne den Reis Effendina von hier fort? Was soll aus ihm werden! Und was können wir vorbringen, wenn man Rechenschaft von uns verlangt und es – – —«
»Beruhige dich; es ist alles in Ordnung!« unterbrach ich ihn. »Da er mir den Oberbefehl übergab, habt ihr mir zu gehorchen und seid keinem Menschen als nur mir Rechenschaft schuldig. Ihr könnt das jedermann durch das von ihm ausgestellte Dokument beweisen, welches ich dir zu diesem Zwecke hiermit übergebe. Um sein Wohl braucht ihr euch nicht zu sorgen, weil ich dafür gesorgt habe. Er hat triftige Gründe, nicht jetzt mit uns zu fahren, sondern hinter uns her zu kommen, weil man ihm weiter abwärts auflauert und nach dem Leben trachtet.«
»Hm!« meinte er kopfschüttelnd. »Ich fühle, daß du da diplomatisch redest. Du sagst zwar wohl keine Lüge, aber dennoch wird es anders sein, als du sprichst. Wärest du nicht der Mann, auf den wir uns stets verlassen konnten, so würde ich mich dir widersetzen; so aber bitte ich nur um dein Wort, daß dem Reis Effendina nichts geschieht und daß du die Macht, welche er dir übergeben hat, nicht zu unserm Schaden anwenden willst!«
»Ich gebe dir dieses Wort und füge hinzu, daß ihr alle anstatt Schaden nur Nutzen haben werdet.«
»Das genügt mir, Effendi. Ich will nicht in deine Geheimnisse eindringen, weil ich es für besser halte, sie nicht zu kennen. Du siehst, ich kann auch diplomatisch sein!«
Er war beruhigt und ich dadurch auch, weil nur er es hätte wagen können, sich gegen meine Befehle aufzulehnen. Bald hatten wir die Nilarme hinter uns, und der Fluß bildete wieder eine ungeteilte Wasserfläche, auf welcher unser schneller »Falke« bei günstigem Winde abwärts schoß. Seit wir die Mischrah hinter uns hatten, war mir das Herz wohlthuend leicht, da ich mich erst nun als Sieger fühlen durfte. Ich hatte ein großes Wagnis bestanden; vielleicht lag ein noch viel größeres vor mir, doch konnte mich das nicht ängstlich machen, zumal ich jetzt gar keine Zeit hatte, mich mit Sorgen um die Zukunft zu beschäftigen; die Gegenwart nahm mich ganz in Anspruch.
Ich hatte mich zu überzeugen, daß die gefangenen Händler sicher untergebracht waren, und für die Unterkunft der El Homr Sorge zu tragen. Die Kamele machten uns zu schaffen. Hundert Fragen wurden an mich gerichtet, auf welche ich ebenso viele Auskünfte zu erteilen hatte, und es dauerte lange, ehe die nötige Ordnung herrschte und ich es mir in der Kajüte des Reis Effendina bequem machen konnte.
Ben Nil wurde oben auf dem Verdeck von allen Ohren, welche unser Erlebnis hören wollten, in Anspruch genommen; ich hatte ihm untersagt, Genaueres über mein Verhalten zu dem Reis Effendina zu berichten, und da auch der Lieutenant und die beiden Steuerleute nicht darüber auszufragen waren, so blieben die Asaker in Unwissenheit darüber, daß ihr Kommandant gefesselt und gezwungenermaßen zurückgeblieben war. Was Hubahr, den Spion, betrifft, so hielt ich ihm mein Wort: ich ließ ihn nicht mit den andern Gefangenen einsperren; er war bei ihrer Einschiffung versteckt worden, so daß sie ihn gar nicht gesehen hatten, und durfte sich jetzt frei auf dem Deck bewegen. Nur als wir abends bis zum Aufgange des Mondes anlegen mußten, wurde er wieder gebunden. Diese Zeit wurde übrigens dazu benutzt, das für die Kamele nötige Futter vom Ufer zu holen.
Ueber die Fahrt bis Omm Saf ist nichts Wichtiges zu sagen. Wir kamen kurz nach Mittag am jenseitigen Ufer vorüber; dies geschah aus Vorsicht, weil ich grad dort nicht wissen lassen wollte, daß unser Schiff der »Falke« sei. Darum waren auch, um möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen, alle Segel beschlagen worden, und wir ließen uns nur von der Strömung treiben.
Aus diesem Grunde dauerte es drei volle Stunden, ehe wir die letzte Krümmung des Flusses erreichten, hinter welcher er eine Stunde lang, wie Hubahr gesagt hatte, in gerader Richtung auf die Michbaja zu floß. Ich ließ nach der innersten Stelle dieser Uferkehle steuern und dort anlegen. Als dies geschehen war, wurden die dem Wasser zugekehrte Seite des Schiffes und die Masten mit grünen Zweigen verkleidet, so daß wir, ganz nahe am dichten Walde liegend, von fern nur schwer gesehen werden konnten.
Jetzt lag die Michbaja nur noch eine Stunde abwärts von uns, und wir standen, oder vielmehr ich stand vor einer Aufgabe, deren Lösung ich mir nicht leicht vorstellen durfte. Kein Mensch außer mir wußte, warum ich hier an dieser Stelle hatte anlegen lassen, denn selbst Hubahr ahnte es nur. Ich hatte nur bekannt gegeben, daß unsere jetzige Fahrt uns höchst wahrscheinlich reiche Beute bringen werde, und dadurch eine allgemeine frohe Stimmung hervorgerufen; etwas Bestimmtes aber war sogar dem Lieutenant nicht mitgeteilt worden, Daß ich jetzt das Schiff maskieren ließ, brachte ihn auf den Gedanken, daß dies mit der versprochenen Beute in Verbindung stehen müsse, und er fragte mich, ob diese Vermutung richtig sei. Nun weihte ich ihn in meine Absicht ein, das große, reiche Nest auszunehmen, welches jenseits der Flußkrümmung vor uns lag, und teilte ihm mit, was ich darüber erfahren hatte. Er geriet in die größte Aufregung und hätte gewiß Alarm gemacht, wenn er nicht von mir daran verhindert worden wäre. Nun sollte ich ihm die Michbaja und meinen Plan, sie zu überfallen, genau beschreiben; aber ich kannte sie ja selbst noch nicht und hatte auch noch keinen bestimmten Plan gefaßt, denn ich war so vorsichtig gewesen, sie gegen Hubahr gar nicht wieder in Erwähnung zu bringen. Ich traute ihm doch noch nicht recht und wollte ihn erst im letzten Augenblick durch Ueberraschung zur Wahrheit zwingen. Dieser Augenblick war nun gekommen, und ich bat den Lieutenant, Hubahr zu holen und zu mir in die Kajüte zu bringen. Dieser war wie immer, wenn wir angelegt hatten, so auch jetzt angebunden worden.
Anstatt daß der Lieutenant zurückkam, hörte ich kurz nach seiner Entfernung laute Stimmen schreien, und darauf fiel ein Schuß. Ich eilte auf das Deck und sah alle dort anwesenden Mannen über die Regeling nach dem Ufer blicken, während Ben Nil mit erhobenem Gewehre auf mich zugeeilt kam und mir zurief.
»Wie gut ist es, Effendi, daß ich mein Gewehr fast niemals aus den Händen lege. Hätte ich es nicht bei mir gehabt, so wäre er entkommen.«
»Wer?«
»Hubahr, der Halunke. Der Lieutenant knüpfte ihn los und gab ihm nicht nur die Füße, sondern auch die Hände frei; da arbeitete sich der Schurke schnell durch die ihn umstehenden Asaker hindurch und schwang sich auf die Brüstung, um hinüber auf das nahe Ufer zu springen. Der Sprung ist ihm gelungen, aber weiter nichts, denn eben als er die Erde erreichte, traf ihn meine Kugel in den Kopf; er ist also nicht an das Ufer, sondern in die Hölle gesprungen, von wo er nicht mehr ausreißen kann!«
Es war so, wie Ben Nil sagte; als ich an die Regeling trat, sah ich Hubahr mit durchschossenem Kopfe tot am Ufer liegen, so dicht am Wasser, daß es seine Füße benetzte. Er hatte die Bewohner der Michbaja warnen wollen. Nun war nichts mehr von ihm zu erfahren; aber ich war dennoch ganz damit zufrieden, daß ich bis jetzt gewartet hatte, ihn auszuforschen; er hätte mir doch vielleicht eine Falle gestellt, während ich mich jetzt auf mich allein verlassen mußte, also auf einen Mann, der mich jedenfalls nicht zu betrügen suchte.
Der Lieutenant verriet große Lust, sich wegen seiner Unvorsichtigkeit selbst zu ohrfeigen; ich ersuchte ihn, dies zu unterlassen, da er den Toten dadurch doch nicht lebendig machen könne.
»Aber wir hätten von ihm alles, alles über die Michbaja erfahren, und nun wissen wir nichts, gar nichts von ihr, als daß sie eine Stunde von hier abwärts liegt. Vielleicht ist auch nicht einmal dieses richtig; dieser Schurke kann dich damit belogen haben!«
»Nein; damit hat er die Wahrheit gesagt; ich habe es ihm angesehen.«
»Gut, wenn es so ist! Und da kommt mir ein Gedanke, Effendi. Wollen wir nicht die andern Gefangenen zwingen, uns zu sagen, was sie wissen?«
»Sie wissen weniger als ich, wenigstens auch nicht mehr, und so können wir darauf verzichten, sie ins Verhör zu nehmen.«
»Aber wie können wir die Michbaja überfallen, wenn sie, die überdies bewacht wird, uns so ganz und gar unbekannt ist?«
»Ich weiß einen, der sie zwar jetzt auch noch nicht kennt, aber in kurzer Zeit kennen gelernt haben wird.«
»Wer ist das?«
»Ich bin es.«
»Allah! Willst du etwa hin, um sie auszukundschaften?«
»Ja.«
»Das laß bleiben, Effendi, denn das würde doch nur heißen, dich in den sichern Tod stürzen!«
»Ich habe größere Gefahren bestanden, als diese ist!«
»Nein, gewiß nicht! Denn wenn du dich nach der Michbaja schleichst, um sie heimlich kennen zu lernen, wird man dich entdecken!«
»Wer sagt denn, daß ich heimlich hin will?«
»Doch nicht etwa offen?«
»Doch, ganz offen! Heimlich könnte ich nur des Nachts hin. Wie will ich da im dichten Walde die verborgenen Pfade finden und die ganze Einrichtung der Seribah erkunden? Nein, ich muß am Tage hin und mich ganz offen zeigen, so offen, wie ich jetzt hier vor dir stehe.«
»Allah behüte mich vor dem Teufel und allen seinen Enkeln und Urenkeln! Man wird dich erkennen und auf der Stelle töten!«
»Ich habe keinen Grund, anzunehmen, daß jemand da ist, der mich kennt. Es müßte einer von Abd. Asls Leuten sein; diese sind aber damals nach Chartum gebracht und dort bestraft worden. Und bedenke, wie ich mich seitdem verändert habe! Dürr wie ein Gerippe geworden, bin ich von der Sonne so verbrannt, daß meine Gesichtshaut derjenigen eines Negers gleicht. Lege ich mir ein Pflaster über die eine Wange, so wird selbst ein früherer Bekannter schwerlich herausbringen, wer ich bin.«
»Das mag möglich sein; aber dennoch ist das, was du vorhast, so ungeheuer gefährlich, daß ich dir abraten muß. Was sollen wir thun, wenn dir ein Unglück geschieht? Höre wenigstens erst, was die beiden Steuermänner und auch dein Ben Nil dazu sagen. Thue mir den Gefallen, Effendi, und erlaube, daß wir eine Beratung halten!«
»Diesen Gefallen will ich dir gern thun; aber viel Zeit darf diese Besprechung nicht in Anspruch nehmen, weil ich noch vor Abend bei der Michbaja eintreffen muß.«
Die Steuerleute und Ben Nil wurden geholt. Alle drei, besonders der letztere, baten mich, von meinem Vorhaben abzulassen, und als ich dennoch bei demselben blieb, flehte mich der gute »Sohn des Niles« an, wenigstens nicht allein zu gehen, sondern ihn mitzunehmen. Dies war aber unmöglich, weil seine Gegenwart die Gefahr, in welche ich mich begab, nicht verringern, sondern nur vergrößern konnte. Ich hatte die Beratung nur pro forma abgehalten, und da ich auf meinem Plane beharrte, konnten sie doch nicht anders, als schließlich ja dazu sagen.
Die Vorbereitungen, welche ich zu treffen hatte, machten keine Schwierigkeiten. Ich legte mir ein Pflaster, welches so aussah, als ob es schon sehr alt sei, quer über die linke Wange und ließ mir für einstweilen den Goldstaub wiedergeben, den ich an Ben Nil und die Asaker verteilt hatte. In einem der Beutel hatte sich, wie ich erst jetzt erfuhr, der Siegelring Abu Reqiqs gefunden, ein Umstand, der mir sehr zu statten kam; ich steckte ihn an den Finger. Meine Waffen mußte ich alle zurücklassen und rüstete mich dafür mit einem Messer und einer arabischen Flinte aus. Zu meinem Plane gehörte auch der Befehl, die Leiche Hubahrs an Bord zu holen und recht sichtbar aufzuhängen, am Abende das Deck zu erleuchten und die gefangenen Händler heraufzuschaffen und so dort anzubinden, daß sie und besonders Abu Reqiq vom Ufer aus gesehen werden könnten. Der Lieutenant hielt das für eine große Unvorsichtigkeit, doch Ben Nil forderte ihn auf:
»Thu nur ja alles, was der Effendi dir befiehlt! Er weiß alles zu berechnen, und oft ist grad das, was ganz dumm erscheint, die allergrößte Pfiffigkeit von ihm.« ich traf noch verschiedene Anordnungen, von denen die wichtigste für den Fall bestimmt war, daß ich bis Mitternacht nicht zurückgekehrt sein sollte, und ließ dann die Bohle auslegen, um an das Land zu steigen. Von da aus warf ich einen ermunternden Gruß zurück und drang hierauf in den Uferwald ein, um ihn zu durchqueren und dann parallel dem Flusse abwärts zu wandern.
Es fiel mir gar nicht ein, mir die Gefahren zu verheimlichen, denen ich entgegenging; aber es giebt in mir eine, ich will sagen, ahnende Stimme, auf welche ich mich stets habe verlassen können. Wenn sie mich warnte, habe ich mich immer gehütet, meinem Willen zu folgen; stimmte sie mir bei, so war mir der Erfolg gewiß. Heut war mir so getrost und siegesfroh zu Mute, daß ich hätte darauf schwören mögen, ich bringe meine schwarzgebrannte Haut vollständig heil wieder auf das Schiff zurück.
Das Ufer war an dieser Stelle nicht steil, sondern ziemlich flach und der Wald so schmal, daß ich schnell seinen Saum erreichte. Ich prägte mir die Stelle, an welcher ich ihn verließ, genau ein, um sie am Abende nicht zu verfehlen, und wanderte dann so schnell nordwärts, wie das allerdings nicht sehr bequeme Terrain es mir gestattete. Nach Verlauf einer guten Stunde glaubte ich, mich in der Nähe der Michbaja zu befinden. Der Waldstreifen, welcher hier zumeist aus Subakh- und Suffarahbäumen bestand, machte hier einen so scharfen Bogen, daß ich annehmen mußte, dahinter liege die Nilkrümmung, welche die Halbinsel der Michbaja bildete. Vor mir gab es ziemlich dichtes Nabak- und Kittrbuschwerk, und auf der andern, freien Seite kam – – – ah, da kam ein Reiter, wirklich ein Reiter, welcher nicht auf einem Kamele, sondern auf einem Pferde saß, hier eine große Seltenheit.
Ich setzte meinen Weg unbeirrt fort; als er mich sah, blieb er halten und sah mir in einer Weise entgegen, als ob er staune, hier einen ihm fremden Menschen zu erblicken. Jetzt muß ich gestehen, daß die Umstände mich zwangen, mich leider auf die Lüge zu verlegen; man wird mich damit entschuldigen, daß es geradezu Wahnsinn gewesen wäre, die Wahrheit zu sagen. Ich gehöre übrigens zu den Menschen, welche zwischen Lüge und Unwahrheit ebenso einen Unterschied machen, wie zwischen List und Hinterlist.
Als ich näher kam, sah ich, daß das Pferd vollständig in ein Moskitonetz gehüllt war, ein sonderbarer Anblick. Der Reiter stand zwischen dem Mannes- und Greisenalter, gab sich eine Ehrfurcht gebietende Haltung und musterte mich mit so mißtrauischen Blicken, daß es mir hätte bange werden mögen. Bei ihm angekommen, blieb ich stehen, kreuzte die Arme und wollte grüßen; da aber kam er mir zuvor, indem er, seine Hand auf die Brust legend, mich mit »Es selahm ‚alejkum« anredete. Er war also ein Anhänger der strengen Regel, welche fordert, daß der Reiter den Fußgänger zuerst zu grüßen hat. Ich antwortete in seinem Dialekte:
»Aleikumu ‚s selahmu wa rahmatu-Ilahi wa barakatuh —über Euch sei Friede und das Erbarmen Gottes und sein Segen!«
Er musterte mich jetzt womöglich noch schärfer als vorher, legte die Hand an den Kolben der Pistole, welche in seinem Gürtel steckte und fragte kurz:
»Du bist fremd?«
»Ja.«
»Schon einmal hier gewesen?«
»Nein.«
»Was willst du hier?«
»Das kann ich nur dem sagen, der hier zu gebieten hat.«
»Wer ist das?«
»Ich weiß es nicht.«
Diese Fragen und Antworten folgten einander schnell wie Blitz und Schlag. Ich sah ihm offen und furchtlos in das Gesicht, dessen Ausdruck immer finsterer und drohender wurde.
»Weißt du, wo du bist?« forschte er weiter.
»Wahrscheinlich in der Nähe der Michbaja.«
»Allah! Du bist fremd und kennst doch diesen Namen. Von wem hast du ihn erlauscht?«
»Ich habe ihn nicht erlauscht, sondern auf rechtmäßige Weise erfahren.«
»Von wem?«
»Auch das kann ich nur dem Gebieter dieses Ortes sagen.«
»So komm!«
Das klang mehr wie eine Drohung als wie eine Aufforderung. Er trieb sein Pferd quer durch die Büsche, die hinter ihm und mir zusammenschlugen, bis der Wald begann und wir auf einen schmalen Weg stießen. Da blieb er halten und sagte:
»Wenn du wirklich zu dem Gebieter der Michbaja willst, so schreite nun voran! Wohl dir, wenn du kein Verräter bist! Im andern Falle wirst du nur als im Nil schwimmende Leiche oder, falls man dir das Leben läßt, als Sklave diesen Ort verlassen! Jetzt geh!«
Er zog die Pistole und spannte den Hahn, Ich ging voran, und er folgte mir. Es war kein allzu angenehmes Gefühl, zu wissen, daß seine Kugel mich jeden Augenblick von hinten treffen könne.
Der Weg schlängelte sich in vielen Windungen vorwärts, bis wir an einen Stachelzaun gelangten, in dem auf seinen lauten Ruf eine Lücke entstand, durch welche wir auf einen ziemlich großen, freien Platz gelangten. Die Wache, welche den Zaun geöffnet hatte, schloß ihn hinter uns gleich wieder.
Auf dem Platze gab es zahlreiche größere und kleinere Hütten, zwischen denen sich Gestalten bewegten, deren Anblick nicht im stande war, Vertrauen zu erwecken. Dann sah ich einige sehr lange, sehr breite und tiefe Hütten, neben deren Eingängen ganze Haufen von Ketten und Sklavengabeln lagen. Ah, das waren die Gefängnisse für den »außerordentlich vielen Reqiq«, von welchem Hubahr gesprochen hatte. Ich befand mich mitten in der Michbaja, und die Bewohner derselben kamen herbei, um mich mit neugierig drohenden Blicken anzustarren. Zu meiner Beruhigung entdeckte ich kein bekanntes Gesicht unter ihnen. Sie bildeten förmlich Spalier, und zwar bis zu einer Hütte, deren sorgfältigerer Bau darauf schließen ließ, daß sie das Eigentum eines nicht gewöhnlichen Einwohners sei. Vor der Thür derselben stieg der Reiter von dem Pferde, welches von den Stechmücken so gelitten hatte, daß es fast nur der Schatten eines Pferdes genannt werden konnte.
»El Gallad162!« sagte er; dann trat er in das Innere, und ich wurde ihm nachgeschoben.
Die Wände der Hütte waren aus Aesten hergestellt und mit Lehm bestrichen. Von der Decke hingen Straußeneier als Sinnbild der Fruchtbarkeit und Unendlichkeit. Die Gebetsrichtung nach Mekka war durch eine Nische angegeben. Peitschen hingen an den Wänden, auch mehrere zweihändige Schwerter, von denen der dicke Blutrost die Politur gefressen hatte. Eine Fesselbank zur Bastonnade und ein starker Holzblock zum Kopfabschlagen bildeten neben der Thür ein trauliches Stillleben. Es war die Wohnung eines sehr frommen und sehr grausamen Muselmannes.
Er setzte sich auf einen Teppich nieder, nahm den Rosenkranz in die Hände und betete leise murmelnd, bis ein riesiger Schwarzer eintrat, welcher eines der Schwerter in die Hand nahm und sich, ohne ein Wort zu sagen, neben mich stellte. Das war der liebe Gallad, der seine Rolle so genau kannte, daß er sie mehr als oft geübt zu haben schien. Da ließ der Beter den Rosenkranz fallen, wendete sich mir zu und sagte in hartem, unerbittlichem Tone:
»Jetzt hängt dein Leben nur an einem Haare. Das Schwert kann, ohne daß du es siehst, wie der Blitz über dich kommen! Hast du schon einmal den Namen Jumruk el Murabit163 gehört?«
»Nein,« antwortete ich.
Kaum hatte ich dieses Wort gesagt, so hob der Henker das Schwert zum Schlage; der Frager winkte ihm aber ab und fuhr fort:
»Es ist noch niemand, der diesen Namen nicht kannte, hierhergekommen, ohne seinen Kopf zu verlieren. Du bist der erste, bei dem ich eine Ausnahme mache, weil deine Augen wie diejenigen eines unschuldigen Kindes blicken. Jumruk el Murabit werde ich genannt, der Gebieter von EI Michbaja. Die erste Frage hat dir den Tod nicht gebracht, obgleich dir die Antwort fehlte; die zweite kann ihn dir um so schneller bringen. Von wem hast du die Lage von El Michbaja erfahren?«
Also meine Augen waren unschuldige Kinderaugen! Und dabei hielt ich den Henker zwar heimlich aber scharf im Auge. Hätte er wirklich zugehauen, so wäre nicht ich, sondern er im nächsten Augenblick eine Leiche gewesen und dann Monsieur Jumruk auch. Ich war auf alles gefaßt. Mußte ich sterben, dann jedenfalls nicht so ganz allein, wie diese sanften Heinriche dachten. Ich gab meinem Gesichte einen womöglich noch harmloseren Ausdruck und antwortete:
»Von Hubahr, dem gläubigen Jünger des Murabit von Aba.«
»Allah!« rief er erfreut. »Du hast Hubahr gesehen. Wo und bei wem befand er sich?«
»Bei Abu Reqiq, der dir diesen Ring durch mich sendet.«
Ich zog den Ring vom Finger und gab ihm denselben in die schnell ausgestreckte Hand. Kaum hatte er einen Blick darauf geworfen, so sagte er hastig:
»Der Chatim164 wirklich der Chatim von Abu Reqiq! Wem er diesen Ring anvertraut, der muß in hoher Achtung bei ihm stehen und dessen Botschaft muß eine sehr wichtige sein. Komm her; setze dich an meine rechte Seite, und sage mir, was du mir zu berichten hast!«
Wie freute ich mich über diese Aufforderung! Ich hatte mein Spiel gewonnen, unbedingt gewonnen, wenn nicht ein ganz und gar unglücklicher Zufall dazwischen kam. Nachdem ich mich dreimal ehrerbietig verbeugt hatte, setzte ich mich an seine linke, nicht an seine rechte Seite, welche Bescheidenheit sein Wohlgefallen zu erregen schien, und begann in erzählendem Tone:
»Die Botschaft, welche ich dir zu bringen habe, ist eine halb erfreuliche und eine halb unerfreuliche. Erfreulich ist sie, denn wenn du willst, werden sich der Reis Effendina und der Emir Kara Ben Nemsi Effendi in Zeit von wenigen Stunden in deinen Händen befinden. Unerfreulich aber – – —«
Ich kam nur bis hierher in meiner Rede, denn die gewaltige »Faust des Heiligen« sprang, wie von einer Feder geschnellt, vor Wonne empor, schlug entzückt die Hände zusammen und rief.
»Endlich, endlich, endlich! Hamdulillah! Sie kommen, sie kommen; sie laufen direkt in die unerbittliche Faust des Heiligen, die sie zermalmen wird! Wo sind sie? Sag schnell, wo sie sind!«
»Sie liegen oberhalb von hier in der letzten Krümmung des Flusses.«
»So nahe, so nahe! Warum sind sie nicht weitergefahren? Warum haben sie dort angelegt?«
»Weil sie El Michbaja und euch überfallen wollen.«
Sein Entzücken verschwand sofort, und sichtlich erschrocken fragte er:
»Uns überfallen? Sie wissen ja gar nichts von El Michbaja!«
»Sie wissen es gar wohl, denn sie haben Abu Reqiq so lange geschlagen, bis er es ihnen vor Schmerzen gestanden hat. Sie haben ihm die Bastonnade gegeben, daß ihm das Fleisch der Füße von den Knochen fiel.«
»So – – so – – befindet – – – er sich in – – – in ihrer – – – ihrer Gewalt?« stammelte er.
»Ja; er ist ihr Gefangener, er mit allen seinen Leuten, auch die, welche vom Chor Omm Karn gekommen sind.«
Da stieß er einen Weheruf aus, sank langsam wieder auf den Teppich nieder und forderte mich auf.
»Erzähle; erzähle mir alles vom Anfange bis zum Ende!«
Ich kam dieser Aufforderung nach:
»Mein Name ist Ben Sobata; ich wohne in Guradi jenseits der Katulberge und kenne Abu Reqiq schon längere Zeit, weil ich ebenso wie er mit Reqiq handle; nur pflege ich meine Sklaven durch die Bajudasteppe bis in die Gegend von Berber zu schaffen. Dieser Weg ist aber jetzt so gefährlich geworden, daß ich nun einmal einen Versuch in der Richtung gemacht habe, welche diejenige Abu Reqiqs ist. Dieser Versuch ist gelungen, wie ich dir hier beweisen will.«
Ich zog die Goldstaubbeutel heraus, öffnete sie und legte sie ihm vor. Er wog sie in den Händen und sagte:
»Maschallah, mußt du ein großes Vertrauen zu mir haben! Was willst du machen, wenn ich dieses Gold behalte?«
Er mochte es immer behalten, denn es mußte mir mit ihm ja wieder in die Hände fallen. Ich antwortete:
»Du wirst einen gläubigen Moslem, der sich auf deine Ehrlichkeit verläßt, nicht um seine Habe bringen! Doch höre weiter! Ich lieferte meine Sklaven nach Omm Ebeil und kam mit der Bezahlung nach Kaka, von wo aus ich mich nach der Insel Aba wenden wollte, denn ich hatte von dem Heiligen gehört, der dort die reine Lehre verkündet, und wollte in die Stapfen seiner Füße treten.«
»Das ist ein Allah wohlgefälliger Vorsatz; ich bin die Faust des Heiligen und werde dich ihm empfehlen. Sprich weiter!«
»Es lag in Kaka kein Schiff, und ich hörte, daß auch in langer Zeit kein abwärts fahrendes zu erwarten sei. Da kam der Reis Effendina mit dem seinigen. Ich bat ihn um die Erlaubnis, mit ihm fahren zu dürfen, und er gewährte mir meine Bitte.«
»Mah akbar! Welch ein mutiges Herz hast du! Du gleichst der Taube, welche es wagt, unter den Fittigen des Falken Schutz zu suchen. Männer dieser Art sind selten, sehr selten, und ich fühle, daß du meine Freundschaft schnell gewinnen wirst. Also du fuhrst wirklich mit ihm?«
»Ja. Ich schien ihm zu gefallen, denn er sprach gern und viel mit mir. Da ließ Allah es geschehen, daß unterhalb Kuek Abu Reqiq ihm mit sechzig Sklaven in die Hände fiel; ich konnte das natürlich nicht verhindern. Meinen Schreck darüber kannst du dir denken, doch ich beherrschte mich. Auch Abu Reqiq hatte, als er mich erblickte, Besonnenheit genug, zu verbergen, daß er mich kannte. Es kam ihm sogleich der Gedanke, daß ich ihn retten könne. Ich weiß nicht, wie der Reis Effendina eine Ahnung von El Michbaja erhalten hat, kurz, er wollte von Abu Reqiq das Nähere über diesen Ort wissen, und als dieser sich weigerte, es zu verraten, wurde er so lange gepeitscht, bis er sagte, daß es hier an dieser Stelle liege; mehr könne er nicht gestehen, weil er selbst von Hubahr nicht mehr erfahren habe. Nun wurde Hubahr vorgenommen. Dieser legte das Siegel der Verschwiegenheit an seine Lippen und gestand kein Wort, bis er erschossen wurde.«