Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi III», sayfa 28
»Hubahr erschossen? O Allah! Ist das wahr?«
»Ja. Er wurde erst erschossen und dann aufgehängt.«
»Wo und wann?«
»Vor einigen Stunden, da, wo das Schiff vor Anker liegt.«
»Dieser treue, fromme, Allah ergebene Mann, in dem nicht eine Spur von Falschheit war! Mögen doch alle Teufel der Hölle heraufkommen, um seine Mörder stückweise hinabzuziehen, wo in Ewigkeit kein Entrinnen ist! Sagtest du nicht, daß ich diese Hunde ergreifen könne?«
»Ja. Wenn du meine Botschaft erhören wolltest, würde meine Seele sich ebenso freuen wie die deinige.«
»Ich bin sofort und auf der Stelle bereit, über diese Hunde herzufallen. Sag nur, wie es geschehen kann. Wie aber hast du es ermöglicht, mich aufzusuchen?«
»Durch das Vertrauen, welches besonders Kara Ben Nemsi mir schenkt. Sie haben weiter nichts erfahren können, als daß El Michbaja hier in dieser Gegend liegt, denn Hubahr hat das Geheimnis mit in den Tod genommen. Da sie euch überfallen und bestrafen wollen, mußten sie nach der Michbaja suchen. Da machte ich eine Lüge, welche Allah mir verzeihen wird; ich sagte nämlich, daß ich früher einmal längere Zeit als Dschelabi165 in dieser Gegend gewesen sei. Sie waren mit Blindheit geschlagen und erteilten mir den Auftrag, nach der Michbaja zu suchen. Ich ging darauf mit Freuden ein und schlich mich unbemerkt zu Abu Reqiq, es ihm zu sagen. Ich konnte nur eine Minute mit ihm sprechen. Er gab mir seinen Siegelring, ihn dir zu zeigen und dich bei Muhammed und allen Kalifen anzuflehen, ihn und seine Leute zu retten, und zwar noch in dieser Nacht, weil es morgen zu spät sein würde.«
»Warum zu spät?«
»Weil morgen früh die Michbaja überfallen werden soll.«
»Das gelingt ihnen nicht, denn du kehrst ja nicht zu ihnen zurück, um ihnen zu verraten, wo wir sind.«
»Wäre es doch so, wie du sagst! Wenn ich nicht zurückkomme, nimmt der Reis Effendina an, daß ich in deine Hände gefallen sei, und läßt aus Rache dafür beim Morgengrauen alle Gefangenen töten.«
»Dieser Hund und Hundesohn eines zehnfachen Hundehundes! Da ist es freilich unumgänglich notwendig, daß du dich wieder zu ihnen begiebst, auch um Abu Reqiqs willen, der sich freuen wird, daß du mich gefunden hast. Dein Gold aber darfst du nicht wieder bei diesen Räubern gefährden; ich werde es bei mir für dich aufheben, bis wir sie gefangen haben.«
»Thue das; ich bitte dich darum. Bei dir ist es mir sicherer als in meiner Tasche.«
»Diese deine Einsicht ist ebenso groß, wie der Mut, den du bewiesen hast. Wenn die Gefangenen morgen früh getötet werden sollen, müssen wir sie noch in dieser Nacht befreien; da genügt aber keine Beschreibung des Schiffes und seiner Lage, sondern ich muß es selbst sehen. Wirst du es in der Dunkelheit finden können? Der Tag hat sich geneigt und das Gebet der Dämmerung ist schon nahe.«
»Ich werde es nicht verfehlen.«
»So suchen wir es nach dem Gebete auf, damit ich bestimmen kann, wie es in unsere Hände fallen soll. Wir kehren hierher zurück und holen so viel Krieger, wie wir brauchen.«
»Ich mit?«
»Natürlich! Da die Gefangenen, falls du nicht wiederkommst, erst morgen früh getötet werden sollen, brauchst du ja nicht eher als um diese Zeit zu erscheinen. Darum kannst du getrost bei uns bleiben.«
Diese Bestimmung machte mir einen dicken Strich durch die Rechnung, doch hütete ich mich, etwas dagegen zu sagen; ich hätte mir dadurch das große Vertrauen, welches die »Faust des Heiligen« mir entgegenbrachte, augenblicklich verscherzen können, und hoffte, schon noch einen Grund zu finden, rechtzeitig an Bord gehen zu dürfen. Als er mich jetzt nach der Ursache des Pflasters in meinem Gesichte fragte, war es ein tiefer Messerschnitt, den ich bei meiner letzten Sklavenjagd bekommen hatte; das schien die Sympathie zu verdoppeln, die er mir bewies.
Darüber wurde es dunkel, und das Moghreb mußte gebetet werden. Es geschah dies nach den Regeln der Terika el Gureschi, die ich nicht kennen konnte; ich gehörte natürlich einer andern Terika an, und dies enthob mich der Verpflichtung, das Gebet laut nachzusprechen. Die Nachsicht, welche man mir dadurch erwies, wurde einer Person verweigert, deren Anwesenheit hier in El Michbaja ich für absolut unmöglich gehalten hätte. Wäre mir von jemand die Mitteilung gemacht worden, daß diese Person hier zu finden sei, so hätte ich ihm vielleicht in das Gesicht gelacht; aber man sage mir nicht, daß keine Wunder mehr geschehen.
Kurz nach dem Gebete kam nämlich ein Mensch, einer der Sklavenwächter, herein, welcher die Meldung machte:
»Herr, der verfluchte Starrkopf, welchen der Heilige vorgestern sandte, hat sich wieder geweigert, das Gebet nach unserer Terika zu sprechen. Was befiehlst du, daß ihm geschehen soll?«
»Hole den Aussätzigen! Ich will ihn niederschmettern!«
Es brannten jetzt zwei primitive Oellampen, bei deren Scheine ich das Gesicht des Betreffenden grad zur Genüge erkennen konnte, als er nach einigen Minuten hereingebracht wurde. Die langen wirren Haare hingen ihm wie aufgefranste Schnüre um die hohlen Wangen, und aus den tiefliegenden Augen sah der nahe Hungertod. Seine Blöße war nur mit einigen armseligen Fetzen bedeckt, und die einst so stolz getragene Gestalt hatte eine matte, weit nach vorn gebeugte Haltung angenommen. Dennoch erkannte ich ihn auf der Stelle, denn diese schönen, asketisch strengen Züge waren mir unvergessen geblieben. Man denke sich die Größe meines Erstaunens: dieser Mann war Ssali Ben Aqil, der kurdische Reiseprediger, welcher nach dem Mahdi suchte.
Er konnte mich nicht so, wie ich ihn, erkennen, denn die ihm zugekehrte Seite meines Gesichtes lag im Schatten und das Pflaster ebenso wie auch meine jetzige dunkle Hautfarbe machten mich ihm vollends unkenntlich. Wie war er auf der Suche nach dem Mahdi nach dem weißen Nile gekommen? Die Antwort auf diese Frage war allerdings nicht von unüberwindlicher Schwierigkeit, weil er sich schon früher in Aegypten befunden hatte. Er, der Hochtrachtende, stand jetzt gebückt vor der »Faust des Heiligen« und mußte sich die schwer beleidigende Anrede gefallen lassen:
»Hund, du Sohn eines Hundes und Abkömmling einer Hündin, bist abermals ungehorsam gewesen! Hat dir der Hunger die Eingeweide noch nicht genug zerfressen? So werde ich dich auch noch dürsten lassen, bis du den Willen des Murabit erfüllst und dich in seine Satzungen fügest. Du hast ihn beleidigt mit deinen Lehren und ergrimmt mit deinen Zweifeln; darum hat er die Trübsal über dich ausgegossen, in deren Flut du untergehen wirst, wenn du dich nicht zu seiner heiligen Terika bekehrst. Wenn du das aber thust, so wird er dich erhöhen, denn Allah hat dir die Gabe der überwältigenden Rede verliehen. Er ist der Mahdi, nach welchem du so lange vergeblich suchtest!«
»Ich suche nicht mehr nach dem Mahdi, sondern nur noch nach der Liebe,« klang es matt und hohl zwischen den farblosen Lippen hervor.
»Liebe! Das ist der Wahnsinn, mit welchem du auch den Heiligen so oft geärgert hast. Du hast ihm sogar von jenem ungläubigen Wurm erzählt, dem du die Ansteckung zu dieser deiner Geisteskrankheit verdankst. Du sollst erfahren, daß wir ihn kennen. Der Teufel hat ihm den Weg nach dem Sudahn gewiesen, wo er den Eingang zur ewigen Verdammnis findet.«
»Chodeh – o Gott!« rief da Ssali aus, indem er sich mit einem schnellen Ruck hoch aufrichtete. »Kara Ben Nemsi Effendi befindet sich am Bahr el Abiad?«
»Ja. Er wird in einigen Stunden von der Faust des Heiligen zermalmt oder zerschmettert werden!«
Da flog es wie ein Schimmer der einstigen Begeisterung über das Gesicht des Gefangenen; er hob die Rechte wie zur heiligen Beteuerung und rief:
»Es giebt hier keine Faust, die ihn zerschmettern wird, sondern die seinige wird alle seine Feinde treffen! Ich kenne ihn; die Liebe Gottes ist mit ihm, und keines Menschen Haß kann ihn besiegen!«
»Schweig, Unseliger! Willst du den verfluchten Giaur verteidigen, der ein Feind aller wahren Gläubigen ist? Bedenke, daß du als Sklave verkauft werden sollst, wenn du dein Herz der einzig wahren Lehre nicht öffnest. Dieser Anhänger des Gekreuzigten ist der Todfeind des Murabit und muß zur Hölle fahren. Willst du mit ihm untergehen?«
»Lieber mit ihm in die Hölle, als mit dem Murabit in den seligsten aller eurer Himmel! Sein Glaube führt aus der Hölle in den Himmel; eure haßsprühende Lehre aber macht die sieben Himmel zu Höhlen der Verdammnis. Schau mich nur an! Ist der Schlund des Hasses, in den ihr mich geworfen habt, der wahre, der richtige Weg zu den versprochenen Seligkeiten des Propheten? Sind die Krallen der unverdienten Rache, die ihr mir in den Leib und in die Seele schlagt, etwa die weichen Houri-Arme, welche den Moslem im jenseits empfangen und umfangen sollen? Indem du diesen Christen erwähntest, hast du alle eure auf mich gerichteten Absichten der Fäulnis übergeben. Du nennst ihn einen Hund, einen Wurm, einen Giaur; aber er allein ist der wahrhaft Gläubige, während eure Seelen häßliche Säcke der Verderbnis sind. Er ist da; er ist in der Nähe! Nun weiß ich, was und für wen ich beten soll!«
»Etwa für ihn, du Zweifler mit dem faulenden Gehirn?« donnerte ihn Jumruk an.
»Ja, für ihn,« antwortete der Gefragte ruhig.
Da sprang der Gebieter der Michbaja auf, trat hart zu ihm heran und zischte ihm zu:
»So sei dir ein letztes, ein allerletztes Wort gesagt. Ich gebe dir Zeit bis zur nächsten Morgenröte; da wird sich dieser von Allah Verfluchte in meinen Fäusten winden. Bekennst du dich dann zu uns, so sollst du ein hoher und berühmter Führer von vieltausend Gläubigen sein; fährst du aber fort, zu reden wie in diesem Augenblick, so wird dir das große Glück werden, das Schicksal dieses deines vergötterten Giaur zu teilen.«
»Um da meine Entscheidung zu hören, brauchst du nicht bis zur Morgenröte zu warten; ich verzichte auf den Ruhm, den ihr mir bietet, und wähle den Giaur!«
Welche Freude mir dieser Ausspruch verursachte, brauche ich nicht zu sagen. Wie gern hätte ich Ssali einen Wink gegeben, damit er merke, daß ich hier so nahe bei ihm sei. Aber die Vorsicht gebot mir, zu schweigen. Wenn er sich nicht beherrschen konnte, waren die daraus entstehenden Folgen unberechenbar. Es war mir aber nicht bestimmt, diesen Vorsatz des Schweigens auszuführen; Jumruk selbst machte es mir unmöglich. Er trat einen Schritt von Ssali zurück und sagte im Tone des festesten Entschlusses:
»Nun wohl, du sollst deinen Willen haben; dein Schicksal ist besiegelt!« Und sich zu mir wendend, fuhr er fort: »Ich habe den Giaur noch nicht gesehen; du aber, Ben Sobata, bist mit ihm von Kaka bis fast hierher gefahren und hast ihn also kennen gelernt. Sag, ist dieser Hund denn wirklich im stande, jedem Menschen, den er anbellt, den Kopf zu verdrehen?«
Jetzt konnte ich den beabsichtigten Wink geben; aber vorsichtig, außerordentlich vorsichtig mußte ich sein. Zunächst durfte er mich nur an der Sprache erkennen. Darum antwortete ich, ohne sie zu verstellen:
»Er ist weder ein schöner Mann, noch kann man ihm sonst etwas Außerordentliches ansehen. Ich glaube, wenn du ihn erblicktest, würdest du enttäuscht sein.«
»Vielleicht verstellt er sich?«
»Das ist möglich.«
Ich bemerkte, daß Ssali beim Klange meiner Worte auf: horchte, mich erst sehr scharf ansah und dann die Augen schloß. Wollte er etwa das frohe Strahlen derselben verbergen? Das gab mir den Mut zu der Bemerkung:
»Richtig ist, daß er ein eifriger Jäger ist. Ehe er den Reis Effendina traf, ist er am blauen Nile in der Oase Khoi gewesen und dann hinauf zur Musallah el Amwat geritten, wo er die berühmte Bärin der Unsterblichkeit getötet hat.«
»Eine Bärin der Unsterblichkeit? Davon hat man mir noch nichts erzählt!«
»Es ist aber trotzdem wahr. Dann hat er mit dem großen Araberstamme der Bebbeh Freundschaft geschlossen und einen von ihnen, den er im Khan zu Khoi traf und den man zum Sklaven machen wollte, aus der Gefangenschaft befreit, was nur dadurch möglich wurde, daß die beiden sich so verhielten, als ob sie sich noch nie gesehen hätten.«
»Das muß sehr unterhaltend zu hören sein, und ich bitte dich, es mir morgen zu erzählen, wo ich mehr Zeit habe als jetzt.«
Nach diesen Worten wendete sich der ahnungslose Mann wieder an Ssali Ben Aqil:
»Du wirst auch heut abend nichts zu essen bekommen und morgen mit dem Christen zusammengekettet werden.
Da könnt ihr mit einander von der Liebe sprechen, die du suchest, ohne sie zu finden!«
Ich habe sie gefunden,« antwortete Ssali in ganz anderem Tone als bisher. »Ich bin überzeugt, daß ich morgen bei ihm sein werde, und freue mich darauf, wie die Blume sich nach langem Winter auf die Sonne des Frühlings freut. Allah gebe dir in dieser Nacht einen ruhigen Schlaf und am Morgen ein fröhliches Erwachen, oh Jumruk el Murabit!«
Er hatte mich erkannt und verstanden und war, als er jetzt fortgeführt wurde, Ueberzeugt, daß ihn nun die »Faust des Heiligen« nicht mehr festhalten und martern könne. Die Wünsche, welche er in Beziehung auf den ruhigen Schlaf und das fröhliche Erwachen aussprach, waren natürlich ironisch gemeint, und wenn ein Mann in seiner Lage ironisch werden kann, dann muß er überzeugt sein, daß es nicht so schlimm um ihn stehe, wie von seinen Peinigern angenommen wird.
Bald wurde das Aschia gesprochen, das Gebet nach der Dämmerung, wenn es ganz dunkel geworden ist, und dann schickte Jumruk nach fünf Männern, welche kommen und uns begleiten sollten. Als der Bote fort war, fragte er mich:
»Verstehst du die Sprache der Schilluk, oh Ben Sobata?«
»Ja,« antwortete ich, meiner Rolle getreu.
»Und die der Nuehr?«
»Auch.«
»Ist dir auch diejenige der Dinka bekannt?«
»Nein.«
Es wäre, weil ich jetzt zum erstenmale jenseits des weißen Niles gewesen sein wollte, vielleicht aufgefallen, wenn ich auch hier bejahend geantwortet hätte, und doch war mir grad diese Sprache ziemlich geläufig geworden, weil ich während unseres Aufenthaltes südlich dieses Flusses täglich Gelegenheit gehabt hatte, mich in ihrem Gebrauche zu üben. Seine drei Fragen wären unter andern Verhältnissen nicht die Veranlassung gewesen, mein Mißtrauen zu erregen, unter diesen Umständen aber fielen sie mir auf, zumal sie ohne allen Zusammenhang gestellt wurden. Als ich die dritte verneinte, nickte er befriedigt mit dem Kopfe und sprach dann von etwas vollständig anderem. Was hatte er für einen Grund gehabt, sich nach meiner Sprachfertigkeit zu erkundigen? Ich brauchte gar nicht lange zu warten, um denselben kennen zu lernen. Es trat nämlich ein sehr reichlich bewaffneter Kerl ein, der wahrscheinlich keine untergeordnete Stelle bekleidete, denn er war ungewöhnlich gut gekleidet und grüßte mit einem vertraulichen Kopfnicken anstatt mit der Verbeugung, welche ein gewöhnlicher Mann nicht hätte unterlassen dürfen. Schon öffnete er den Mund, um zu sprechen, aber Jumruk gab ihm einen hastigen Wink, zu schweigen und sagte in entschuldigendem Tone zu mir:
»Du mußt verzeihen, wenn ich gegen dich, der du mein Gast bist, die Unhöflichkeit begehe, mit diesem Manne in einer Sprache zu reden, welche du nicht verstehst; die arabische ist ihm vollständig unbekannt.«
Als der Eingetretene das hörte, machte er ein erstauntes Gesicht, war aber so klug, seinen Zügen dann schnell einen unbefangenen Ausdruck zu geben. Dieser Mensch soll das Arabische nicht kennen? Unsinn! Ich hätte darauf schwören mögen, daß er ein Schukurieh-Araber sei. Weshalb diese Verstellung, diese Täuschung? War das Wohlwollen, mit dem Jumruk mich bisher behandelt hatte, etwa nur eine Kriegslist gewesen? Nun, das konnte mir lieber, viel lieber sein, als wenn es aus aufrichtigem Herzen gekommen wäre, denn einen Menschen, und wenn er noch so schlecht ist, in das Verderben zu führen, nachdem er sich freundlich zu einem verhalten hat, das ist eine Aufgabe, der nicht jedermann gewachsen ist. Ich hatte mir auch wirklich schon vorgenommen, die Strafe, welche er verdiente, nach Kräften zu mildern. Jetzt diktierte mein Gewissen mir den Wunsch, daß seine mir gezeigte Sympathie sich als Trug erweisen möge. Dieses heimliche Verlangen blieb nicht unerfüllt, denn Jumruk wendete Sich, indem er sich der Dinkasprache bediente, an den Betreffenden:
»Sprich kein Wort arabisch! Ich darf keinen Augenblick von diesem Fremden fort und muß dir doch etwas sagen, was er nicht verstehen soll.«
Er erklärte ihm nun, weshalb ich gekommen war und daß ich ihr Führer nach der Stelle sein werde, an welcher das Schiff des Reis Effendina liege. Dann fügte er hinzu:
»Er muß natürlich sterben, denn er würde ein stets gefährlicher Zeuge davon sein, daß wir es sind, die den Reis und seine Leute vernichtet haben. Außerdem ist er als Sklavenjäger mir im Wege. Nun Ibn Asl tot ist, will ich die ganze Strecke des Bahr el Abiad für mich allein haben, und dieser Mensch hegt die Absicht, uns hier in den Handel zu pfuschen. Ich habe ihn mit Freundlichkeit geködert, und er schenkt mir sein Vertrauen; aber sobald er uns das Schiff gezeigt hat und wir ihn also nicht mehr brauchen, werde ich dir als Zeichen nur das kurze Wort »Wtole!«166 sagen; dann stichst du ihm das lange Messer von hinten in das Herz, daß er zusammenbricht, ohne ein Wort sagen zu können. In dieser Art des Stechens bist du ja ein Meister.«
Ich verstand jedes Wort und muß sagen, daß mir das Herz dabei leicht wurde, denn nun gab es für mich keine Verpflichtung mehr, ihn zu schonen. Ich machte ein ganz harmloses Gesicht und that so, als ob ich der für mich ganz unverständlichen Rede Jumruks nicht die geringste Aufmerksamkeit schenkte, Bald kamen noch vier Untergebene von ihm, denen er freilich in arabischer Sprache sagte, weshalb sie gerufen worden seien. Er flocht dabei einige an mich gerichtete Bemerkungen ein, welche den Zweck hatten, mich in meiner guten Ansicht über ihn zu bestärken. Ich reichte ihm, scheinbar dankerfüllt, die Hand und sagte:
»Deine Huld, oh Jumruk el Murabit, ist mir wie eine Gabe des Himmels, und es wird mich glücklich machen, mir sagen zu können, daß ich die gefährlichsten Feinde der Sklavenhändler in deine Gewalt geliefert habe. Möchtest du doch genug Krieger besitzen, den Reis Effendina und alle seine Leute zu ergreifen!«
Diesen Wunsch sprach ich aus, weil er bis jetzt beharrlich darüber geschwiegen hatte, wie viel Leute ihm zur Verfügung standen. Jetzt, da mein Tod beschlossen war, hielt er diese Heimlichkeit nicht mehr für notwendig und antwortete darum unbedenklich:
»Wenn ich nur so viel Männer hier in El Michbaja zurücklasse, wie zur Bewachung des Reqiq notwendig sind, habe ich genug Leute, das Schiff mit allem, was darauf lebt, zu erobern.«
»Aber können die Sklaven bei so spärlicher Bewachungsmannschaft nicht ausbrechen?«
Da rief er laut lachend aus:
»Du handelst mit Reqiq und scheinst doch gar nicht zu wissen, auf welche Weise man diese Waare so festlegt, daß ein einziger Wächter genügt, um hundert Gefangenen die Flucht unmöglich zu machen. Komm, ich will dir zeigen, wie wir das hier bei uns machen!«
Das hatte ich gewollt. Es kam mir sehr darauf an, zwar nicht die Fesselung der Sklaven, aber doch die Oertlichkeit der Michbaja kennen zu lernen. Er befahl den andern, zu warten, und führte mich hinaus. Ich sah fünf oder sechs Feuer brennen, welche den Platz ganz genügend erhellten. Er ging mit mir in die größeren Bauten, in denen sich der Reqiq befand. Ueber das, was ich da sah, hörte und– roch, will ich lieber schweigen; es mag die Bemerkung genügen, daß ich auch an Ssali Ben Aqil vorüberkam, dem ich einen heimlichen Wink zuwerfen konnte. Es war mehr, viel mehr als Schinderei; es war die reine Unmenschlichkeit! Und diese Unglücklichen gehörten nicht alle der Negerrasse an. Es kostete mich die größte Ueberwindung, meinen Abscheu zu verbergen und diesem Jumruk so zu schmeicheln, daß er, durch diese Anerkennung unvorsichtig gemacht, sich der vortrefflichen Anlage der Michbaja rühmte und sich zu einigen zwar kurzen, aber für mich höchst wichtigen Mitteilungen über diesen Ort verleiten ließ. Auf diese Weise erfuhr ich folgendes:
Die Seribah lag mitten im dichten Walde, durch welchen es nur drei Wege gab. Der eine, nämlich derjenige, auf dem ich gekommen war, führte auf der Landseite ins Freie, während man auf dem zweiten an das südliche und auf dem dritten an das nördliche Ufer der Halbinsel gelangte. Die Mündungen der beiden letzteren Pfade waren so verdeckt, daß man sie vom Flusse aus nicht sehen konnte. An dem stromabwärts gerichteten Ufer lag jetzt eine Schachtura167, welche Jumruk gehörte. Er hatte sie sich extra zu dem Zwecke bauen lassen, um mit größerer Schnelligkeit als derjenigen eines gewöhnlichen Nilschiffes von einem Orte nach dem andern zu gelangen. Die genaue Zahl der Untergebenen Jumruks konnte ich nicht erfahren; aber ich hörte, sie seien händelsüchtige und schwer im Zaume zu haltende Leute, so daß ihre Schußwaffen in einem besonderen Depot aufbewahrt werden mußten, dem sie vor jedem Gebrauche entnommen und dann wieder abgeliefert wurden. Das war es, was ich in Erfahrung brachte, zwar wenig, aber, wie sich später herausstellte, für meine Zwecke doch genug.
Nach diesem kurzen Besuche der Niederlagen »lebender Ware« brachen wir auf, Jumruk, fünf seiner Leute und ich; wir waren also sieben Personen. Der Mond stand noch nicht am Himmel; aber die Sterne leuchteten so, daß wir zur Genüge sehen konnten, als wir den Wald hinter uns hatten. Der Weg, den wir gingen, war fast derselbe, auf welchem ich gekommen war. Jumruk schritt voran, und die andern folgten ihm in der Weise, daß ich stets der Vordermann des lieben Freundes war, welcher mich erstechen sollte; glücklicherweise hatte ich seine Virtuosität im Totstechen einstweilen noch nicht zu fürchten, und für später war mir auch nicht bange.
Erst war es mein Plan gewesen, Jumruk, sobald wir das Schiff erreichen würden, festzunehmen und dann mit unsern Asakern nach der Michbaja zu marschieren. Wenn dort der Anführer fehlte, war das Gelingen eines Ueberfalles eher zu erwarten, als bei seiner Anwesenheit. Aber er hatte fünf Männer mitgenommen, die ich allein nicht so unschädlich machen konnte, wie es nötig war. Wenn auch nur einer von ihnen entkam, hatten wir das Nachsehen. Darum mußte ich versuchen, meinen Zweck auf eine andere Weise zu erreichen. Für jetzt war die Hauptsache, daß ich nicht mit nach der Michbaja zurückzukehren brauchte, sondern, und zwar heiler Haut, an Bord gehen konnte. Ein Mittel dazu hatte ich mir schon ausgesonnen: es mußte eine Flinte losgehen.
Wir brauchten der Dunkelheit wegen anderthalb Stunden, ehe wir an den Baum kamen, der mir als Marke diente. Da ging es langsam, sehr langsam und in völliger Finsternis rechts in den Wald hinein. Er war, wie schon erwähnt, hier nicht breit; aber bei dieser Stockdunkelheit dauerte es doch fast eine halbe Stunde, ehe wir die Lichter des Schiffes durch die Bäume leuchten sahen. Am Ufer angekommen, kauerten wir uns nieder, und ich war dabei so vorsichtig, nicht vor, sondern neben meinem freundlichen Mörder Platz zu nehmen, obgleich er dies zu vereiteln suchte. Das Schiff lag ganz nahe vor uns, und zwar so, daß wir das Deck überblicken konnten. Wir sahen die Leiche Hubahrs hängen, und wir sahen auch Abu Reqiq mit seinen Leuten; sie waren natürlich alle gefesselt.
Während meine Begleiter ihre ganze Aufmerksamkeit nach dem Schiffe richteten, ließ ich meine Hand an der Flinte meines Nachbars, deren Kolben er aufgestemmt hatte, niedergleiten und zog den Hahn auf: sie sollte es sein, die im geeigneten Augenblicke losgehen mußte.
»Du hast uns die Wahrheit erzählt, Ben Sobata,« flüsterte mir Jumruk zu. »Ich sehe alles. Abu Reqiq ist gefangen, und dort ward Hubahr aufgehängt. Das Schiff liegt so nahe am Ufer, daß es gar nicht schwer ist, hinaufzukommen. Wir müssen Abu Reqiq befreien und werden damit nicht bis zum Morgengrauen warten. Jetzt haben wir genug gesehen. – —Wto – – —!«
»Wtole!« wollte er sagen, das für mich gefährliche Wort; aber er kam nicht dazu, es ganz auszusprechen, denn ich bewegte in diesem Augenblick den Drücker der vorhin erwähnten Flinte; der Schuß krachte, und meine sechs Busenfreunde fuhren erschrocken in die Höhe.
»Was hast du gemacht, Unvorsichtiger!« raunte ich dem Nachbar zu. »Deine Flinte ist losgegangen!«
»Ich kann nicht dafür.« entschuldigte er sich, indem er ganz vergaß, daß er nicht Arabisch konnte.
»Schweig!« bedeutete ihm Jumruk zornig. »Deine Unvorsichtigkeit hat alles, alles verdorben! Nun ist es vollständig unmöglich, das – – —«
»Still!« unterbrach ich ihn. »Wenn ihr klug seid, ist noch nichts verdorben. Kommt nur schnell ein Stück vom Ufer fort!«
Ich faßte Jumruk beim Arme und zog ihn in den Wald hinein; die andern folgten. Dies that ich, daß sie nicht sehen und nicht hören sollten, welche Folgen der Schuß auf dem Schiffe hervorgebracht hatte. Es war gewiß, daß man dort nach mir rufen, also meinen Namen nennen würde, und den durften die Sklavenhändler nicht erfahren. Als wir so weit gelaufen waren, daß diese Rufe nur undeutlich zu uns drangen, blieb ich stehen und sagte:
»Sprecht jetzt kein unnützes Wort, denn es ist kein Augenblick zu verlieren. Wenn ich jetzt schnell an Bord gehe, wird alles noch ein gutes Ende nehmen.«
»Wieso das?« fragte Jumruk.
»Der Schuß hat natürlich die ganze Besatzung alarmiert und mißtrauisch gemacht, euer Ueberfall kann also nur dann gelingen, wenn ich jetzt zurückkehre und sage, daß ich es gewesen bin, der geschossen hat.«
»Maschallah! Das ist richtig; da hast du recht!«
»Aber der Schuß fiel nahe beim Schiffe; darum darf ich nicht zögern; ich muß fort. Ihr werdet Abu Reqiq doch nicht im Stiche lassen?!«
»Nein, bei Allah, nein! Ihn müssen wir retten, und den Reis Effendina und den Ben Nemsi Effendi müssen wir fangen! Hältst du es für möglich, sie zu beruhigen und ihren Verdacht zu beseitigen?«
»Ja; aber ihr müßt bald, sehr bald kommen!«
»Gieb mir drei Stunden Zeit!«
»Gut! Drei Stunden, aber ja nicht länger!«
»So geh; geh schnell, sonst wird ihr Mißtrauen so groß, daß du es nicht zerstreuen kannst! Sag also Abu Reqiq, daß wir in drei Stunden, höchstens eine halbe später, hier sein werden, um ihn zu befreien! Geh! Wir müssen auch schnell fort. Kommt, ihr Leute, kommt!«
Sie entfernten sich. Ich blieb stehen, bis ich ihre Schritte nicht mehr hörte, und kehrte dann an das Ufer zurück. Infolge des Schusses hatte man auf dem Schiffe die Gefangenen rasch unter Deck geschafft; die Lichter waren ausgelöscht worden, und alle verhielten sich still außer Ben Nil, welcher an der Regeling lehnte und von da herunterrief:
»Effendi, Effendi, gieb doch Antwort, sonst komme ich ans Ufer! Ist etwas mit dir geschehen?«
»Sei doch still, Unvorsichtiger!« antwortete ich. »Wirf mir ein Tau zu!«
Er that dies, und gleich darauf stand ich an Deck. Zehn Minuten später kannte jeder meinen Plan, der allerseits gebilligt wurde, und wieder zehn Minuten später standen alle waffenfähigen Männer, die ich für zuverlässig hielt, am Ufer, um von mir nach der Michbaja geführt zu werden; das Schiff aber stieß vom Lande, um in der Mitte des Stromes Anker zu werfen. Dort, wo es vor einem Ueberfalle sicher war, sollte der Steuermann, um von Jumruk gesehen zu werden, alle Lichter hissen und dann früh abwärts steuern, um auf ein von uns gegebenes Zeichen bei El Michbaja anzulegen.
Es war nicht leicht, mit einer solchen Schar durch den Wald zu kommen, in welchem man die Hand vor dem Auge nicht sehen konnte; draußen im Freien aber ging es besser; da war es jetzt sogar heller als vorher. Jumruk kam mit seinen Leuten, welche den Weg ebenso kannten, wie er, natürlich schneller vorwärts als wir; dennoch konnte ich mir den Punkt ungefähr berechnen, wo wir ihm auf seiner Rückkehr begegnen mußten. Ich nahm dabei an, daß er nicht länger als eine halbe Stunde brauchen werde, um seine Leute zum nächtlichen Zuge bereit zu haben. Als wir diesen Punkt beinahe erreicht hatten, ließ ich halten und gab den Befehl, daß jedes, selbst das geringste Geräusch zu vermeiden ist. Dann versteckten wir uns ins Gebüsch. Die höchst wichtige Frage war, ob die »Faust des Heiligen« bei dem Vorsatze, den Ueberfall noch auszuführen, überhaupt geblieben war; wenn nicht, so konnte unser ganzes Unternehmen unausführbar werden. Wie froh war ich darum, als wir nach einiger Zeit das Klirren von Waffen und laute Stimmen hörten. Sie kamen und marschierten mit eiligen Schritten an uns vorbei. Wir warteten etwaiger Nachzügler wegen eine kleine Weile und setzten dann unsern Weg fort, der uns glücklich bis an den Waldpfad brachte, welcher zur Michbaja führte.
Hier ging ich voran, und jeder folgende wurde von seinem Vordermann geführt. Das geschah so vorsichtig und leise, daß ich kaum die Schritte des Lieutenants hörte, welcher hinter mir ging. So erreichten wir die Dornenwand, welche verschlossen war. Ich rief, was, das war gleichgültig, wenn nur geöffnet wurde. Es stand natürlich jetzt auch ein Posten innerhalb. Er hörte meinen Ruf und schob die Stachelthür zur Seite. Kaum hatte er das gethan, so bekam er einen Kolbenhieb und wurde gebunden und geknebelt. Wir standen im Innern der ersehnten Michbaja.
Zunächst wurde die Thür wieder vorgelegt, und dann bildete ich aus meinen Leuten Abteilungen, deren jede ihre Aufgabe erhielt. War wir zu thun bekamen, war leichter, viel leichter, als ich es gedacht hatte. Es brannten jetzt nur zwei Feuer. Die Bauwerke wurden im Nu besetzt, und dann stellte sich heraus, daß Jumruk nur neun Mann in der Seribah gelassen hatte, welche nicht einmal mit Gewehren bewaffnet waren. Sie waren leicht überwältigt. Einer von ihnen mußte den Weg nach dem südlichen Ufer zeigen, wo auch jetzt der vielbesprochene Posten stand, welcher nach dem »Falken« auszuschauen hatte und nun auch unschädlich gemacht wurde.
Jetzt machten wir uns daran, die Sklaven zu befreien, wobei ich natürlich zuerst Ssali Ben Aqil aufsuchte. Als er mich, der ich das Pflaster entfernt hatte, erblickte, rief er mir mit überlauter Stimme entgegen:
»Hamdulillah! Allah sei Lob und Preis gesagt! Also habe ich mich doch nicht geirrt! Du bist es; du bist es wirklich, Effendi! Wie recht hattest du, als du damals sagtest, daß Gott noch Wunder thue! Und nun rettest du den, der dich töten wollte, jetzt zum zweitenmale! Du bist noch immer der – – —«
»Still jetzt!« unterbrach ich ihn. »Du bist damals mein Freund und Bruder geworden und hast Gott zu danken, aber nicht mir. Du wirst mir später alles erzählen; jetzt habe ich keine Zeit, denn ehe eure Peiniger wiederkehren, müssen wir hier fertig und bereit zu ihrem Empfange sein.«